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Kapitel 2: Healing Home

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Eliu


Schweigen erfüllt den Truck. Ich schaue zu meiner Mutter hinüber, die am Steuer sitzt und uns durch die Dunkelheit manövriert. Eigentlich lasse ich es mir nicht nehmen, selbst zu fahren, aber ich habe wirklich Schmerzen.

Der Weg vom Flughafen zurück zur Ranch kommt mir heute unendlich lang vor. Die Show, die ich in Sacramento hingelegt habe, war miserabel. Ich habe nur ein paar läppische Punkte geholt und dann bin ich nach dem letzten Sturz nicht rechtzeitig auf die Beine gekommen und habe damit dem Bullen die Möglichkeit gegeben, auf meinen Arm zu trampeln. Zum Glück ist es die linke Seite, sodass ich in einer Woche auf jeden Fall in Nashville antreten kann. Dennoch war der Flug zurück nach Hause die Hölle, vor allem, weil ich mich immer noch über diesen bescheuerten King ärgere. Der selbstverliebte Schnösel hat gewonnen. Vor ein paar Wochen hätten wir uns mal beinahe geprügelt, seitdem mache ich einen großen Bogen um ihn. Sein dämliches Grinsen musste ich heute trotzdem ertragen.

„Eliu, ich muss dir noch etwas erzählen“, sagt meine Mutter unvermittelt.

Ich schaue zu ihr hinüber. Ihre schwarzen Haare liegen auf ihrem Rücken, der Pony reicht ihr bis zu den dunklen Augenbrauen. Ihre markante Nase wird normalerweise immer von einer Sonnenbrille geziert, aber es dämmert schon, da nimmt selbst Enid Guillermo ihre Sonnenbrille ab. Sie wirft mir einen kurzen Seitenblick zu und ich spüre ihren Unmut. Sie weiß nicht, was mit mir los ist, denn so ein Tief im Bull Riding hatte ich noch nie. Ich kann ja selbst nicht sagen, woher meine schlechten Ritte plötzlich kommen. Diese Tour scheint verflucht zu sein. Dabei hätte ich gerade in Sacramento die Chance gehabt, auf den vorderen Plätzen mit dabei zu sein, weil Ty Archer gefehlt hat. Wo er wohl war? „Weißt du schon, warum Ty Archer in Sacramento nicht mit dabei war?“, frage ich.

Meine Mutter sieht mich mit unergründlicher Miene an.

Also schiebe ich nach: „Er war doch mit Simon Bleachen befreundet …“

Meine Mutter schüttelt den Kopf. „Die Geschichte mit Archer und Sacramento ist eine ganz andere. Dieser verdammte Idiot.“

Überrascht schaue ich zu ihr hinüber. Meine Mutter ist aufbrausend und manchmal auch einen Hauch cholerisch, aber so … „Was ist mit ihm?“

„Eliu, du darfst jetzt nicht ausflippen.“

„Habe ich nicht vor“, gebe ich zurück und drehe mich ihr ein Stück zu.

„Ty Archer muss am Freitag kurz nach unserer Abreise auf die Ranch gekommen sein. Vollkommen betrunken hat er in der Nacht versucht, Tiger zu reiten, und Matt hat es erst bemerkt, als es zu spät war.“

Mir klappt der Mund auf. Tiger ist ein Bulle, den ich in Buffalo auf einer Auktion ersteigert habe und der bis jetzt in Quarantäne war. Ein ganz schlechtes Gefühl beschleicht mich. „Was ist mit Tiger passiert?“

„Ich mache es kurz, Schatz“, sagt meine Mom. „Tiger ist abgehauen und in die Schlucht gestürzt. Er ist tot.“

Ich beiße meine Zähne so fest ich kann aufeinander. Doch die Wut will raus und ich boxe gegen die Frontverkleidung des Autos, bis meine Hand mir signalisiert, dass sie nicht mehr viele Schläge aushält, bis sie bricht. Als ich innehalte, höre ich auch, dass meine Mutter immer wieder ruft: „Beruhig dich, Eliu!“

Beschwichtigend hebe ich die Hände. „Alles gut“, knurre ich. „Wo ist Archer jetzt?“

„Matt hat ihn festgesetzt. Er ist auf der Ranch.“

Ein Grollen braut sich in mir zusammen. „Hat er die Polizei verständigt?“

„Das wollte Matt uns überlassen.“

„Gut“, sage ich. Ich werde die Cops nicht rufen. Erst werde ich mir anhören, was Archer zu seiner Verteidigung zu sagen hat.

Nicht viel, muss ich feststellen, denn Ty Archer ist voll wie eine Haubitze, als ich ihn eine Stunde später aus einer dunklen Ecke der Scheune pflücke. Ich schleife ihn nach draußen, aber auch im Staub meiner Ranch liegend kommt er nicht zu sich. Ich knie mich zu ihm und nehme sein Kinn in meine Hand. Eine Zeit lang betrachte ich ihn. Er sieht plötzlich viel älter aus als noch vor drei Wochen auf Tour. Er hat tiefe, dunkle Ringe unter seinen Augen und seine Haut ist knittrig und fahl.

„Was ist los mit ihm?“ Die Frage geht an Matt, der an meiner Seite steht und sich nun neben mich hockt.

„Er säuft alles, was er in die Finger bekommt. Ich habe ihn vor ein paar Stunden aus Billys Bar abgeholt. Er war mir von der Ranch ausgebüxt …“

„Gott“, stoße ich aus und lasse ihn wieder zu Boden gleiten. Wie eine leblose Puppe liegt er im Staub. „Bring ihn ins Badezimmer im ersten Stock und schließ ihn darin ein. Stell ihm Wasser, Brot und ein bisschen Fleisch hin. Wenn er aufwacht, will ich mit ihm sprechen.“

„Ruf die Polizei und lass die sich um ihn kümmern!“, faucht meine Mutter. „Er hat einen riesigen Schaden verursacht.“

Ich richte mich auf und versuche zu kaschieren, wie sehr mein Körper wehtut. „Ich rufe die Cops, wenn ich es für sinnvoll halte, Mutter. Was, denkst du, machen die mit ihm? Seine Karriere wäre dann beendet und dafür will ich nicht verantwortlich sein. Außerdem reitet dieser kleine Scheißer wie der Teufel. Wenn ich wieder in Form bin, will ich ihn ehrlich schlagen.“

Meine Mutter nickt langsam, aber ich verdeutliche ihr meinen Standpunkt lieber noch einmal: „Hier ruft niemand die Polizei, es sei denn, ich tue es.“

Enid schaut erst noch düster, dann hellt sich ihr Blick auf. „Hast du Hunger?“

Ich atme tief durch und nicke Matt zu, als er das, was eigentlich der begnadete Profisportler Ty Archer junior sein sollte, in mein Haus bringt. „Ja. Bärenhunger.“

Meine Mutter tischt mir nicht nur ein Putenbrustsandwich auf, sondern serviert mir auch das iPad, auf dem ich mir meine Ritte ansehen soll. Mir wird übel, als ich mein Versagen sehe, sodass ich das iPad irgendwann in die Spüle schmeiße.

„Eliu!“, schimpft meine Mutter. „Was soll das?!“

Doch ich habe keine Nerven für ihre Ansagen und schon gar nicht für die Analyse meiner Reitfehler, die sie bereits auf dem Rückflug aufgelistet hat. Ich erhebe mich von meinem Stuhl und spucke den letzten Bissen in den Müll.

„Warte, ich muss mir noch deinen Arm ansehen!“, ruft Enid, aber ich mache, dass ich aus dem Haus rauskomme.

„Dem geht es gut!“, lüge ich und als ich endlich draußen bin, atme ich tief durch.

Zwei meiner Mitarbeiter huschen an mir vorbei und tippen sich kurz an die Hüte. Ich grüße zurück und stapfe zur Scheune hinüber, wo die Angestellten zu Abend essen und ihren Feierabend verbringen.

Matt springt auf, als er mich kommen sieht. „Hey, Boss!“, ruft er und bietet mir einen Strohballen an.

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nehme ich die Sitzmöglichkeit an.

„Der Bulle hat Sie ziemlich erwischt“, sagt Matt. „Ich habe Ihren Ritt bei YouTube gesehen.“

YouTube spricht er ganz gedehnt aus.

„Ach wirklich?“, frage ich, lehne kurz den Kopf am Holzbalken hinter mir an und schließe die Augen. Ich bin einfach erschöpft.

Als ich die Lider wieder hebe, ist die Scheune leer. Nur Matt und die Hunde sind noch da.

„Wie lange war ich weg?“ Mein Lieblingshund Winston taucht mit seinem großen Kopf vor mir auf und leckt meinen Hals und meine Wange ab.

„Zwei Stunden, Boss.“

„O Gott“, murmle ich, schiebe Winston weg und will mir über das Gesicht reiben, aber der Schmerz durchzuckt scharf meinen Arm und ich schnappe nach Luft.

„Jetzt schaue ich mir Ihre Verletzung an.“

„Wenn es sein muss“, knurre ich.

„Muss es. Der Bulle hat den Arm zweimal getroffen, ich dachte, der ist bestimmt durch.“

„Ist er nicht“, versichere ich ihm. „Sieht nur wie durch den Fleischwolf gedreht aus.“

Als Matt meinen Arm endlich vom Verband des Turnierarztes befreit hat, läuft mir vor Schmerz der Schweiß in Strömen vom Gesicht herab.

„Schon geschafft, Boss“, murmelt Matt, aber dann bleibt er still, was gar nicht gut ist.

„Sag, was du denkst, Matt.“ Ich muss seine Einschätzung hören. Eigentlich will ich nicht ins Krankenhaus fahren, aber wenn mein erster Mann das für nötig hält, werde ich mich fügen, denn auf seinen Rat verlasse ich mich blind.

„Der Arenaarzt hat Sie gut versorgt“, sagt er und wickelt meinen Arm sorgfältig wieder ein, „und ich habe schon schlimmere Wunden bei Ihnen gut heilen sehen. Sie haben einen Wunderkörper.“

Leise lache ich los. Doch das lasse ich schnell wieder, weil ich die Vibrationen im Arm nicht ertragen kann. „Danke, Matt. Dann erzähl mir jetzt, was ich am Wochenende verpasst habe. Wie ist dieser verdammte Archer überhaupt an Tiger rangekommen?“

„Das habe ich geklärt“, antwortet Matt grimmig und mir wird klar, dass der dafür verantwortliche Mann nicht mehr zu meinen Angestellten zählt.

„Es war wohl eine dumme Wette. Ty wollte beweisen, dass er Tiger ohne Seil reiten kann“, erklärt Matt.

Ich schüttle den Kopf. So etwas habe ich mir schon gedacht. „Das war dann wohl eine Wette, die meinen Stier das Leben gekostet hat.“

Am nächsten Morgen fühle ich mich grauenvoll. Die Schmerzmittel benebeln mich und meine Extremitäten fühlen sich nicht wie meine eigenen an. Als ich in den Spiegel meines Kleiderschrankes schaue, bin ich mir sicher, dass niemand jemals so müde und furchtbar aussah wie ich.

Doch dann öffne ich das Badezimmer, in dem Ty Archer genächtigt hat. Augenblicklich schlägt mir eine Wolke von ausgedünstetem Alkohol entgegen und mir wird klar, dass er sicherlich noch zerschossener ist als ich. Mir wird übel. Ich eile zum Fenster, schiebe die Vorhänge zur Seite und reiße es auf.

Ty liegt in einer Ecke und stöhnt, als ihn das Tageslicht trifft.

„Aufwachen, Kumpel!“ Ich stoße ihn mit der Stiefelspitze an und er schlägt nach mir, kommt aber nicht zu sich.

Wie aus dem Nichts erscheint Matt neben mir, kniet sich auf Tys Arm und hält den anderen fest. „Guten Morgen, Boss“, sagt er in meine Richtung.

Ich nicke ihm zu und trete gegen Tys Schuhsohlen. „Aufwachen, Archer!“ So langsam verlässt mich die Geduld.

Weiß er überhaupt noch, was er angerichtet hat?

Weiß er nicht. Wie ein Häufchen Elend sitzt er nun auf meinem Küchenstuhl und hört sich von Matt an, wie er sich mit zwei Saufkumpanen auf meine Ranch geschlichen hat, um einen Ritt ohne Seil zu wagen. Die bescheuertste Mutprobe der Welt, denn niemand kann sich ohne Hilfsmittel auf einem bockenden Stier festhalten.

„Du hättest sterben können, mein Sohn“, sagt Matt sanft und reicht ihm eine Plastikflasche mit Wasser.

Noch hat Ty keinen Ton gesagt. Doch plötzlich sieht er mich an und in seinen blauen Augen schimmern Tränen. „Tut mir so leid“, flüstert er mit gebrochener Stimme. „Und der Stier ist … tot?“

„Ja“, sage ich und weiß nicht, wie ich mit ihm umgehen soll. Am liebsten würde ich ihn verprügeln. Aber mit seinen großen, runden Augen und diesen Löckchen auf dem Kopf sieht er wie ein frisch geborenes Kälbchen aus. Er verströmt eine Art von Welpenschutz-Vibes, die mich ein Stück weit besänftigen.

„Werden Sie mich anzeigen?“, fragt er mit erstickter Stimme.

„Nein“, bricht es aus mir hervor, dabei hatte ich ihm das gar nicht so schnell sagen wollen.

„Ich kann den Stier aber nicht bezahlen. Und meine Familie auch nicht. Wir haben …“ Er spricht nicht weiter.

Verwundert runzle ich die Stirn. Als Rookie of the Year muss er doch gut verdient haben. Wo ist all sein Geld hin? „Dann wirst du es wohl abarbeiten müssen“, sage ich und gebe mich hart. Dabei ist in mir längst das Gefühl erwacht, Ty helfen zu wollen. Der Gedanke, er könnte sein Talent vergeuden, indem er in seiner Trauer und dem Alkohol untergeht, schnürt mir kurioserweise den Hals zu.

Erleichterung gleitet über sein jungenhaftes Gesicht. „Das werde ich!“

„Dann krieg dich wieder auf die Kette. In einer Woche will ich in Nashville gegen dich antreten.“ Ich halte ihm mein Handy hin. „Willst du deine Familie anrufen?“

Der junge Mann schüttelt seinen Kopf.

Ich runzle die Stirn. „Machen sie sich denn keine Sorgen?“

Ty schlägt die Augen nieder. „Sie sind ohne mich besser dran.“

Bullheart: Wenn die Arena dich ruft

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