Читать книгу Mit der Wut des Überlebens - Lars Gelting - Страница 7

2. Teil Ein übel riechendes Vermächtnis

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„Uiih“ Quiekend und mit einer hastigen Bewegung zog Margret ihr zuvor ausgestrecktes Bein an, wischte dabei erschrocken einen großen, glühenden Holzspan zurück in die Glut, von wo er gerade zuvor mit lautem Knacken zu ihr herüber gesprungen war.

„Gut hast du das gemacht!“ Eben noch ganz ernst blitzte Thereses jetzt humorvoll zu ihr herüber, während sie den restlichen Inhalt ihres Bechers auf den Boden tropfen lies.

„Was habe ich gemacht?“ Erschrocken, fragend, ihr Schienbein reibend, sah Margret sie an, lachte dann aber im nächsten Augenblick laut auf: Franz, neben Therese sitzend, erhob sich langsam auf die Knie, zog mit spitzen Fingern seine im Schoß und am Oberschenkel durchnässte Hose von der Haut.

„Gut gemacht, ja!“ Franz sah zu ihr herüber, gespielt ärgerlich, den Schalk in den Augenwinkeln.

Als wäre es unten in der Gegend des Bauchnabels entstanden, sprang Margret ein tiefes, sattes Lachen aus dem Hals, während sie ihren Kopf übermütig nach hinten warf und dabei irre schnell über ihre Schienbeine rieb.

„Setz dich ruhig wieder hin, mein Junge! Wir halten hier dicht! Wir erzählen das nicht weiter!“ Zita hatte ihn nur über ihre Schulter hinweg betrachtet, sagte das, ohne ihre verschrumpelte Miene zu verziehen, während Margret ihn immer noch breit lächelnd ansah.

„Ja ja, macht mich nur zum Dussel! Das gefällt euch!“ Er schaute immer noch ärgerlich drein, ließ dem Schalk aber schon mehr Raum und griff nach Thereses Becher, „Ich füll dir nach. Aber achte auf Margret, die hat scheinbar ihre Glieder nicht in der Gewalt!“

Margret lachte wieder ihr tiefes Lachen, zeigte mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf seine Hose, „Du aber wohl auch nicht!“

„Sag mal,“ Mikola sah hinter Zitas Rücken herüber, bemühte sich wieder ernst zu sein, „du hast vorhin gesagt, Johannes hätte es geschafft und wäre vermögend und frei aus dem Krieg zurückgekommen. Hatte er denn wirklich so viel Geld dort in dem Grab zusammen getragen?“

Sie rührte mit dem Holzspatel ruhig und ausdauernd ihren Honig in das heiße Wasser, nahm langsam und bedächtig einen Schluck, und fast sah es so aus, als wolle sie die Stille, das Innehalten, welches sich plötzlich im Zelt ausgebreitet hatte, nicht durchbrechen, wolle gar nicht antworten. Als sie ihn endlich ansah, waren ihre Augen ernst. So ernst, als wollten sie leugnen, vor einem Moment noch gelächelt zu haben.

„Siebenundzwanzig Beutel lagen in dem Grab! In jedem Beutel waren genau vierhundert Florentiner, Gulden oder Golddukaten.“

Für einen Augenblick sagte niemand etwas, schaute sie nur jeder an, unbeweglich, wie eingefroren, horchte dem Klang des Gesagten noch einmal nach.

„Das haben wohl nur wenige geschafft! Wirklich! …“

Mikola legte sich wieder ruhig zurück auf seine Ellbogen, sah sinnend auf die gegenüberliegende Zeltwand. „Wirklich! Zu dumm! Das hätte gereicht!“

„Mein Gott! Wo lässt man so viel Geld?“ Franz setzte sich ruhig wieder hin, sah sie von der Seite an, beeindruckt, fassungslos. Nach einer Pause dann, in der nur das leise Schaben der Holzspatel in den Bechern zu hören war, „Vermutlich kann man siebenundzwanzig prall gefüllte Geldbeutel nicht gut in seinem Bett unterbringen.“

„Im Bett? Soviel Geld unterm Hintern macht unruhig. Außerdem wäre das auch ziemlich ungeschickt. Selbst du würdest ja drauf kommen. Nein: Izaak Goldberg hat das Geld für mich in Sicherheit gebracht.“

„Über zehntausend Gulden!“ Sein Gesicht fror förmlich ein, mit geöffnetem Mund, in absolutem Unverständnis.

„Ich glaube, ich hätte so viel Geld auch nicht aus der Hand gegeben.“ Margret sah sinnend zu ihr herüber, „Ich hätte es immer sehen müssen, um zu wissen, dass es noch da wäre.“

„Hm!“ Therese sah hinüber zu Mikola, „Und Johannes glaubte, viel Geld würde frei machen.“

„Na ja,“ Auf den Ellenbogen abgestützt sah er zu ihr herüber, „das wird wohl auch so sein, denke ich. Zumindest musst du dir nicht von jedem der Herren was sagen lassen und vor ihnen buckeln!“

Einen Moment lang sah sie ihn nachdenklich an, die Augenbrauen hochgezogen, nickte ruhig und bestätigend, „Schön wäre es. Aber das Haben alleine nutzt dir ja noch gar nichts.“

„Ho-ho! Das will ich aber wohl meinen, Mädchen! Wirklich! Wenn ich einmal so viele Goldfische haben sollte, dann kann ich auch davon leben!“ Bequem zurück gelehnt, reckte er ihr wissend und überzeugt das Kinn entgegen.

„Kaum! Solange die Herren in dir den Einfachen sehen, zwingen sie dich auch zum Buckeln.“

„Natürlich wollen sie das gerne, aber ich tu´s dann nicht mehr. Wirklich! Nicht wenn ich so viel Geld irgendwo im Baum hätte!“

„Und wie willst du denen erklären, woher du das Geld hast? Die luchsen dir deine Kröten schnell ab, wenn sie erst einmal davon wissen.“

Mikola verstand nicht, zog die Stirne kraus, „Das wäre das erste Mal, Trissa! Wirklich! So schnell luchst mir keiner mein Geld ab! Ich würde diese schönen Beutel einfach vergraben. Genauso wie Johannes das auch gemacht hat. Oder ich würde sie irgendwo in einen hohlen Baum stopfen. Da könnte ich doch ganz in Ruhe leben!“

Wissend, die Augenbrauen weit hochgezogen, blickte sie zu ihm herüber.

„Hört sich erst mal gut an, aber auf die Idee kommt jeder und deshalb ist es wohl wirklich die schlechteste aller Möglichkeiten.“

„Was willst du denn anders machen? Das ist doch wohl die einzige Möglichkeit, die du hast, wenn du plötzlich so eine Menge Geld in die Finger bekommst, oder?“ Mikola reckte wieder sein Kinn vor, wartete auf eine Antwort.

„Und wenn dich jemand beobachtet? Ausschließen kannst du das nie! Auf jeden Fall bist du dein Geld dann los.“ Sie sah hinüber zum Feuer, wo die Holzscheite bis auf die Glut heruntergebrannt waren. „Ich hätte es wohl auch so gemacht, aber da waren, gottlob, die Goldbergs davor …

Moshe zügelte das Pferd, stoppte den Wagen fast ruckartig. Und für einen Augenblick standen sie auf dem holprigen Weg, sahen sich an. Er verstand nicht, furchte die Stirne, und sein forschender Blick zeigte deutlich, dass er nicht an ihren Worten, sondern an ihr zweifelte!

Vergraben wollt ihr das Geld?“ Erstaunt und durch seine Reaktion verunsichert, hob sie kurz die Schultern und nickte nur. Er wandte sich langsam wieder um, kopfschüttelnd, und gab dem Pferd die Zügel frei.

So viel Geld zu vergraben wäre nicht nur bodenlose Dummheit, es wäre geradezu Sünde!“ Eine Zeitlang sprach er nicht mehr, fuhren sie schweigend den holperigen Weg entlang, der jetzt etwas anstieg und sie in weitem Bogen um einen Wald herumführte.

Unvermittelt dann: „ Schlagt euch das aus dem Kopf! Geld kann man nicht vergraben! Man kann Abfall vergraben, und man kann Tote vergraben, aber Geld kann man nicht vergraben!“

Warum sollte ich das Geld nicht vergraben können?“ Ihr Oberkörper bog sich leicht nach hinten und dabei etwas von ihm weg. Nicht verstehend, auch ein wenig ärgerlich zog sie ihre Augenbrauen zusammen. „Johannes hatte das Geld auch vergraben, und es hat doch funktioniert.“

Jetzt zog er das ganze Gesicht ungeduldig in Falten, „Seid vernünftig, Frau! Das war etwas ganz anderes! Hätte euer Mann das Geld abholen können, so hätte er das Geld ganz sicher nicht an anderer Stelle wieder vergraben. So viel Geld muss man anlegen!“

Sie blickte ihn von der Seite an, verständnislos, „Anlegen.“ warf das Wort einfach so dahin.

Ja, anlegen!“ Er wandte sich ihr kurz zu, immer noch ungeduldig, „Geld ist nicht einfach nur totes Metall, das man vergraben kann. Glaubt das doch nicht!“ Mitten auf dem Weg vor ihnen lag ein dicker Felsbrocken, der vom Wald herunter gerollt war. Moshe hielt den Wagen schon weit vor dem Stein an, gab ihr die Zügel, „Verschwindet wenn es ernst wird!“

Wenn es ernst wird?“ Sie sah zu, wie er vom Wagen herunterstieg, zog die Stirn in Falten.

Der Stein.“ Er stand jetzt vor dem Wagen, wies mit der Hand voraus, „Ein guter Platz für einen Hinterhalt. Würde mich nicht wundern, wenn da schon jemand ausgenommen wurde.“

Und was mache ich dann?“

Er hatte sich schon abgewandt, war schon los gelaufen, „Dann wartet unten hinterm Berg auf mich!“ Lief dann soweit den Hang hinauf, dass er hinter den Stein sehen konnte. Beruhigt kam er wieder zurück und bugsierte den Wagen vorsichtig über den schrägen Hang am Stein vorbei. Wieder auf dem Weg sah er sie mit hoch gezogenen Augenbrauen an:

Das sind diese harmlos aussehenden, aber wirklich gefährlichen Stellen!“

Vermutlich haben uns die Halunken schon von weitem gerochen und sich dann lieber aus dem Staub gemacht.“ Sie sah zurück, warf einen kurzen, angewiderten Blick über die Schulter auf den Haufen frisch abgezogener Schaf- und Kuhfelle, die sich hinter ihnen auf der keinen Ladefläche zu einem unansehnlichen Haufen türmten. Der Gestank, der von diesem verwesenden Haufen ausging, hatte sich in der warmen Mittagssonne so verdichtet, dass er ihnen den Atem verschlug, sobald der Wagen zu langsam fuhr oder sie anhalten mussten. Angelockt von diesem Duft schwirrten hunderte von Fliegen aufgeregt um sie herum, schlossen sich irgendwann dem grün schillernden, summenden Heer an, welches den blutverschmierten Haufen als Brutstätte entdeckt hatte.

Wahrscheinlich stinkt das Geld nachher genauso, und ich werde den Gestank nie mehr los.“

Na, wenn ihr das Geld vergraben wollt, dann seid ihr Geld und Gestank bald los!“

Sie ruckte ein Stück zur Seite, „Mein Gott! Ich weiß halt nicht, was ich anderes mit dieser Menge machen soll. Und ich habe Sorge, dass mir das Geld, das Johannes in Jahren zusammengetragen hat, einfach aus den Händen rinnt. Warum versteht ihr das nicht?“

Natürlich verstehe ich das! Aber eine solche Menge Geld zu vergraben ist und bleibt falsch!“ Er nahm den Zügel in eine Hand, wandte sich ihr mehr zu,

Ihr könnt Geld mit Getreide vergleichen: Wenn man es vergräbt oder zu lange liegen lässt, verliert es an Wert und wird vom Ungeziefer aufgefressen. Sät man es aber auf einen guten Acker, dann bringt es vielfachen Gewinn. So müsst ihr das verstehen!“

Ah ja, Getreide.“ Sie verstand nichts!

Er wandte sich ab, nahm die Zügel wieder in beide Hände.

Habt keine Sorge, wir helfen euch schon!“

Einen Moment lang sah sie ihn noch von der Seite an, unsicher, nachdenklich. ´Wie Getreide!´ Hörte sich ganz einfach an. ´Getreide´ hatte sie ja jetzt genug, fehlte nur noch der Acker. Sie sah hier keinen Weg für sich, atmete resigniert durch und sah wieder nach vorn.

Zurück in Leipzig half alles gute Zureden nichts: Unbelehrbar und eigensinnig bestand sie darauf, die Geldbeutel in ihrer winzigen Kammer zu verstauen.

Allein in ihrer Kammer ging sie zielstrebig zu Werke, zerrte den Bettkasten von der Wand und begann, die nach Kadaver stinkenden Beutel zwischen Wand und Kasten zu stapeln. Verbissen schleppte sie einen schweren Beutel nach dem anderen über ihr Bett, hielt dabei die Luft an, wandte zum Atmen das Gesicht ab. Endlich wurde der Ekel übermächtig: Sie drohte in einer dicken Suppe aus Aas- und Fäulnisgestank zu ertrinken, musste an die Luft.

Draußen, vor der Tür, rutschte sie an der Wand herunter, atmete durch. Nicht einmal die Hälfte der Beutel hatte sie verstauen können, es war unmöglich. Die Beutel mussten weg! Wie? Wohin? Gedankenverloren stierte sie geradeaus ins Nichts.

Wenige Schritte neben ihr wurde die Tür aufgestoßen. Izaak Goldberg kam aus dem Haus, stapfte mit festen, schweren Schritten hinüber zum Pferdestall und zog ihren Blick hinter sich her.

Sie bekam Izaak selten zu Gesicht. Tagsüber hielt er sich im Hause auf, plante, rechnete, erhielt Besuch von wohlhabenden Bürgern aus Magdeburg, Leipzig und dem Umland und empfing immer wieder Händler, für die er auf ihren Reisen eine fest eingeplante Handelsstation war. Lediglich, wenn er irgendwann und notgedrungen zum Abtritt musste, dann konnten sie sich schon mal begegnen; der Abtritt befand sich im Pferdestall.

Ungerufen drängte sich ihr das Bild auf, wie er damals im Wald vor ihr kniete, entblößt an Leib und Seele. Ein Haufen Elend mit einem Rosshaar in der Zunge.

Der Gedanke riss unversehens ab: Gackernd kam ein Huhn schnurstracks auf sie zu gerannt, versuchte sich und sein ungelegtes Ei vor einem heranstürmenden, unberechenbar hüpfenden Reifen in Sicherheit zu bringen. Neben dem Reifen rannte Daniel, Moshes Sohn. Das Gesicht von dunklen, krausen Haaren eingerahmt, die Unterlippe im Eifer zwischen den Zähnen festgehalten, trieb er den Reifen mit einem kleinen Stöckchen diagonal über den Hof.

Sie wandte sich ab, ließ ihren Blick gedankenlos über den Hof schweifen, hörte den Reifen, nur wenige Schritte entfernt, mit einem trockenen Klacken gegen die Wand stoßen.

Auf der anderen Seite des Hofes, am Brunnen, vielleicht fünfzehn Schritte von ihr entfernt, begegnete sie einem anderen Blick. Batya, Moshes Frau lehnte dort im Schatten der großen Kastanie und beobachtete sie offensichtlich. Den Kopf leicht schräg gelegt verharrte sie noch einen Augenblick, löste sich dann vom Brunnen und kam zu ihr herüber geschlendert.

Batya war einige Jahre jünger als sie, vielleicht achtundzwanzig. Eher klein und mit ausgeprägten Rundungen war sie ein Energiebündel, deren vermeintliche Gelassenheit von einem Augenblick zum anderen in Flammen aufgehen konnte.

Vom ersten Tag an, den sie im Hause der Goldbergs erlebte, hatte ihr Batya geholfen, zurück ins Leben zu finden. Was immer ihr fehlte, Batya blieb nur wenig verborgen und so empfand sie kaum einen Mangel.

Manchmal wurde sie nachts wach, wenn sich Batya und Moshe liebten. Dann drangen Laute zu ihr herüber, die den beiden in Momenten größten Wohlbehagens entströmten, die sich allmählich klärten, um dann mit zunehmender Leidenschaft stakkatisch einem gemeinsamen Höhepunkt zuzustreben. Sie lag dann wach, erinnerte sich und drohte zu zerreißen. Es waren die Momente, in denen das Gefühl, vom normalen Leben ausgeschlossen, vergessen zu sein, übermächtig wurde. Oft stand sie dann auf, setzte sich draußen vor die Tür, so wie sie jetzt auch dort saß, und starrte einfach in die Dunkelheit.

Daniel rannte an ihr vorbei, trieb seinen Reifen wieder zurück auf die andere Hofseite.

Ihr gegenüber kam Izaak wieder aus dem Stall, und stapfte, ohne mehr als notwendig von seiner Umgebung wahrzunehmen, festen Schrittes zum Haus zurück.

In der Höhe etwa, in der er die Hand ausstrecken musste, um die Haustüre zu öffnen, wurden seine vertrackten Gedankengänge unterbrochen. Die ruhige, fließende Bewegung, mit der sich Batya auf ihn zu bewegte, ließ ihn einhalten. Mit einer raschen Bewegung hob und wandte er den Kopf, erfasste nicht nur Batya, sondern gleichzeitig auch die an der Wand Kauernde.

Aha, drückt euch euer plötzlicher Reichtum schon zu Boden?“Aus seiner geringen Höhe sah er amüsiert zu ihr herab.

Nein!“ Eher unwillig drückte sie sich aus der Hocke hoch, sah ihn dabei nicht an, „Ich konnte den Gestank da drin nicht mehr ertragen.“ Mit einer kleinen, launigen Bewegung wies ihr Kopf über die Schulter zurück.

Izaak schob den Kopf vor, forschte in ihrem Gesicht, „Gestank?“ Er machte zwei schnelle Schritte vor, stützte sich mit der Linken an der Wand ab und schob Kopf und Oberkörper entschlossen durch die geöffnete Tür in die Kammer. Langsam, geradezu nachdenklich zog er sich wieder zurück, machte ein angewidertes Gesicht, sah sie einen Augenblick ruhig an.

Was habt ihr da gemacht? Das stinkt nach Katzen- oder Hundebalg!“

Hundebalg!“ Sie sah auf, blickte Batya an, die sich die Hand vor den Mund hielt, um nicht loszuprusten, wandte sich Izaak zu.

Das sind die Geldbeutel. Die sind vollkommen durchtränkt und stinken unerträglich!“

Batya nahm ihre Hand vom Mund, lachte ungeniert los: „Genau so hat Moshe auch gestunken! Der konnte sich selbst nicht mehr riechen – und ich ihn auch nicht!“

Hm!“ Izaak wandte sich wieder Therese zu, „Das kommt von den Fellen?“

Nur von den Fellen!“ Sie hob die Schultern, sah ihn an, ratlos.

Hm.“ Er straffte sich entschlossen, blickte Batya direkt an, „Sobald Moshe zurück ist, sollen sie das Geld rüberbringen – ohne Beutel!“ Sich abwendend zu Therese: „Seid ganz beruhigt: Das Geld ist bei uns sicher, es bleibt euch!“

Er verschwand in der Tür, ehe sie etwas erwidern konnte, stieß dieselbe aber im nächsten Augenblick wieder auf. Den Kopf leicht vorgestreckt blieb er in der geöffneten Tür stehen:

Wir könnten euer Geld gut anlegen! Die Gelegenheit ist günstig wie selten!“

Wo?“

Er löste sich aus der Tür, kam noch einmal zurück, „Magdburg braucht Geld. Viel Geld! Mehr als wir heranschaffen können! Und das ist gut so! Im Frühjahr fahren Moshe und ich rüber, und dann werden wir euer Geld an die richtigen Leute bringen!“

In Magdeburg?“ Jetzt legte sie ihr Gesicht in Falten, „Magdeburg ist doch total zerstört! Da kann doch niemand mehr Geschäfte machen, da ist doch kein Geld mehr! Außerdem ist immer noch Krieg!“

Er schob den Kopf leicht in den Nacken, setzte ein Gesicht auf, hinter dessen wissendem Lächeln sich offensichtlich Geheimnisse verbargen: „Das stimmt. Leider ist immer noch Krieg! Aber auch im Krieg geht das Leben weiter, nur anders! Und das Geld ist ja nicht verschwunden, das ist da und will angelegt werden!“

Nachdenklich, eher unsicher forschte sie in seinem Gesicht, „Ich würde meinen, das meiste Geld ist beim Brand verloren gegangen oder geraubt worden?“

Um seine Augen herum zuckte es, eine kurze Regung nur, einen Atemzug lang, während dem das Gespräch stockte. Ihm war offensichtlich klar, dass sie genau wusste, wovon sie sprach.

Sie wandte ihren Blick nicht ab, zuckte mit den Schultern, „Ich habe meinen Preis bezahlt!“

Die dicken Lippen fest aufeinander gepresst, nickte er ruhig einmal vor sich hin.

Die meisten Leute, die wirklich Geld hatten, waren beim Sturm gar nicht in der Stadt. Jetzt sind sie zurück, und jetzt brauchen sie Geld, viel Geld! Und wir wollen es ihnen leihen! Wir können euer Geld also gut gebrauchen!“

Sie sah mit schmalen Augen auf den Boden, versuchte rasch, ihre Gedanken zu ordnen. So blieb sie immer abhängig! Sie selbst musste lernen, mit ihrem Geld umzugehen!

Lieber wäre mir, ich könnte euch begleiten. Ich möchte lernen, bei welchen Leuten Ihr euer Geld anlegt und bei welchen nicht. Und ich möchte lernen, was ihr verhandelt, wie ihr das Geld anlegt. All das muss ich selbst einmal können.“

Von einem Augenblick zum anderen verschwand alle Euphorie über die bevorstehenden Geschäftsmöglichkeiten aus Izaaks Gesicht, machten einer entschlossenen, distanzierten Kühle Platz: „Da gibt es für euch nichts zu lernen! Frauen haben in diesem Geschäft nichts zu suchen! Entweder wir machen das Geschäft für euch, oder wir machen es gar nicht. Dann bleibt auf eurem Geld sitzen, bis es sich von selbst davonmacht!“ Er zuckte die Schultern, wandte sich um und verschwand nun endgültig im Haus.

Nachdenklich blickte sie ihm einen Augenblick nach, wandte sich Batya zu, die sie jetzt ernst mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.

Das hast du nicht gut gemacht! Izaak überlegt sich gut, was er sagt und was er macht. Widerspruch duldet er nicht, und du bist noch dazu eine Frau! Izaak meint es wirklich gut mit dir, verdirb dir das nicht!“

Zögernd löste sie sich von Batyas warnendem Blick, sah hinüber zu den Stallungen, „Batya, es kann aber doch nicht immer so weitergehen!“ Ihr Blick kehrte zurück, „Ich lebe hier bei euch, wie ein gut aufgehobenes Kind. Mir fehlt es an nichts, du umsorgst mich wie eine Schwester. Aber ich muss doch irgendwann auch wieder mein eigenes Leben leben!“

Das kannst du doch jetzt!“ Batya streckte ihr das hübsche Gesicht verschwörerisch entgegen, machte große Augen: „Lass Izaak doch dein Geld vermehren. Ihm macht das Freude, und du kannst unbeschwert leben – mache es dir doch nicht so schwer!“

Ich kann das nicht so, Batya!“ Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, legte ihren Kopf soweit zurück, bis er anstieß, „Irgendwann muss ich doch auch zu meinen Kindern zurück! Ich muss und ich will jetzt wieder lernen, mein Leben selbst zu regeln!“

Batya sagte einen Augenblick gar nichts, sah sie nur an, nachdenklich, besorgt. Dann ratlos, fast ein wenig unsicher: „Aber du bist eine Frau …! Sie werden dir da draußen alles nehmen, wenn dich niemand mehr schützt!“

Da hast du wohl Recht!“ Sie nahm ihren Kopf von der Wand, nickte überlegend vor sich hin, „Wer wüsste das nicht besser als ich!“ Ganz langsam beugte sie der anderen den Oberkörper entgegen, wirkte jetzt klar und fest entschlossen: „Aber gerade deshalb will ich es ja lernen, wie man da draußen mit Geld umgeht, wie man es vermehrt und richtig einsetzt. Izaak kann mein Geld anlegen, wo und wie er es für richtig hält. Ich möchte nur dabei sein, wenn er seine Geschäfte abwickelt. Ich will es sehen und hören Ich will von ihm lernen, mehr nicht!“

Mit dem Anflug eines mitleidigen Lächelns schüttelte Batya langsam ihren Kopf: „Für Izaak ist schon das unerhört! Izaak würde mit dir noch nicht einmal im gleichen Wagen zu einem anderen Händler fahren! Undenkbar! Ganz einfach, weil du eine Frau bist! Für uns Frauen ist diese Welt verschlossen.“

Sie lehnte sich wieder zurück an die Wand, „Dann brauche ich Moshe wohl auch gar nicht erst fragen.“

Das weißt du doch inzwischen: Was Izaak sagt ist Gesetz!“

Sie schloss die Augen, legte den Kopf weit zurück, „Batya, es ist zum Verzweifeln.“ Sie nahm den Kopf von der Wand, sah Batya direkt an, „Mein Mann hätte das Geld verwalten müssen. Mein Mann ist aber tot. Er hat mir das Geld übertragen, auch in der Verantwortung für unsere Kinder. Verstehst du? Seitdem ich aus Eichstätt fliehen musste, kann ich nicht mehr über mein eigenes Leben entscheiden, immer bin ich auf andere angewiesen. Aber ich muss doch irgendwann wieder für mich und für meine Kinder Verantwortung übernehmen. Kannst du das nicht verstehen?“

Nachdenklich, hilflos die vollen Lippen zusammengepresst, sah die andere sie an, nickte ganz leise vor sich hin, „Ich weiß nur nicht, wie ich dir helfen soll.“ Sie sah hinüber zu Daniel, der immer noch seinen Reifen über den Hof trieb und gerade den Brunnen umrundete. „Wahrscheinlich würde ich genauso denken wie du.“

Daniel trieb seinen Reifen jetzt wieder auf sie zu, trieb ihn an ihnen vorbei und ließ ihn einen Moment später wieder klackend gegen die Hauswand laufen.

Ich werde eine günstige Gelegenheit abwarten und dann mit Moshe darüber sprechen. Moshe weiß bestimmt einen Rat.“ Und so, als wäre ihr plötzlich eine Idee gekommen, sah sie überlegend seitwärts zu Boden, blickte dann aber im nächsten Augenblick zu ihr auf, die Augen leicht zusammengekniffen, „Vielleicht gibt es eine Lösung!“ Sie schob ihre Zungenspitze spielerisch zwischen die Schneidezähne und forschte mit einem unergründlichen Lächeln in ihrem Gesicht, „Eine gute Lösung! Die hätte auch noch andere Vorteile für dich.“ Im nächsten Augenblick strahlte sie übers ganze Gesicht, hob aber sofort abwehrend beide Hände, als sich Therese fragend, mit vorsichtigem Lächeln von der Wand abstieß und leicht vorbeugte. „Löchere mich jetzt nicht. Ich muss erst mit Moshe darüber reden. Komm! Lass uns die Beutel rüber bringen in den Pferdestall. Da stinkt es sowieso, da werden die paar Beutel nicht auffallen.“

In den Pferdestall?“ Therese sah skeptisch zu den Stallungen hinüber.

Klar! Weiß doch keiner, dass du dein Geld dort versteckt hast! Warum sollte jemand neben dem Abtritt nach Geld suchen!“ Zielstrebig ging sie voraus, blieb nach dem ersten Schritt, den sie in Thereses Kammer gemacht hatte, stehen, verzog angewidert das Gesicht, „Bäh!“ Sie hielt sich die Hand vor Mund und Nase, wandte sich um, „Das müssen wir aber gleich neben den Abtritt legen und dann alles Heu darüber, was wir haben!“

Mit der Wut des Überlebens

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