Читать книгу Der letzte Leopard - Lauren St John - Страница 5

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Martine starrte ihre Großmutter verdutzt an und sagte: «Simbabwe? Was? Warum? Ich kann doch Jemmy nicht allein lassen. Das ist unmöglich. Ausgerechnet jetzt, am ersten Ferientag!»

«Ich kann dich verstehen, Martine. Das Ganze kommt wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und es tut mir leid», sagte Gwyn Thomas und legte ihr die Hand auf die Schulter. «Es tut mir selbst weh, euch beide enttäuschen zu müssen. Ich weiß, wie sehr du dich auf die Ferienzeit gefreut hast. Ich würde nicht im Traum daran denken, dich von Jemmy oder Sawubona zu trennen, wenn ich eine Alternative hätte. Aber Sadie ist nun mal eine meiner ältesten und besten Freundinnen; ich kenne sie schon seit einer Ewigkeit. Sie hatte einen Unfall und braucht unbedingt unsere Hilfe.»

«Darf ich fragen, was passiert ist?», mischte Ben sich ein. Er war ebenso niedergeschmettert wie Martine, verstand es aber besser, sich das nicht anmerken zu lassen.

«Sicher», sagte Gwyn Thomas. Sie setzte sich und goss sich Kaffee nach. «Sadie führt in den abgelegenen Matobo-Bergen von Simbabwe ein Hotel – die Black Eagle Lodge. Die Matobo-Berge liegen in Matopos, einer Gegend, die für ihre bizarren Felsformationen mit den aufeinandergestapelten Findlingen und ihre Geschichte bekannt ist. Nach einer Legende soll Lobengula, der letzte König des Ndebele-Volkes, dort samt seinem Schatz begraben sein.

Unglücklicherweise ist Sadie vor einer Woche gestolpert und hat sich einen komplizierten Beinbruch zugezogen. Jetzt trägt sie einen Gips vom Fußgelenk bis zum Oberschenkel und humpelt auf Krücken herum. Mit den ganzen Missernten und politischen Problemen ist das Leben in Simbabwe im Moment kein Honiglecken. Im letzten Monat musste Sadie fast alle Mitarbeiter entlassen. Und dieser Unfall macht alles noch schwieriger. Früher war die Black Eagle Lodge besonders bei Reitern sehr beliebt. Jetzt hat sie nur noch einen Mann, der sich um die Pferde kümmert. Und wenn sich doch einmal ein paar Gäste in ihr Hotel verirren, hat sie weder Koch noch Reinigungspersonal. Da Martine eine gute Giraffenreiterin ist und ich leidlich kochen kann, könnten wir ihr doch einen Monat lang unter die Arme greifen.»

Während sie diese Worte aussprach, blickte sie Martine eindringlich an.

Martine tat so, als merke sie es nicht. Sie saß mit verschränkten Armen ruhig auf ihrem Stuhl. Tief in ihren Augenhöhlen brannten die Tränen. Alles und alle schienen sich immer wieder gegen sie und Jemmy zu verschwören. Wenn sie nicht gerade auf einer Insel gestrandet war oder nicht auf Jemmy reiten durfte, lauerten Wilderer im Reservat, um ihn zu entführen. Außerdem konnte sie sich nicht daran erinnern, dass ihre Großmutter je von Sadie gesprochen hatte, und jetzt war sie plötzlich eine ihrer ältesten und besten Freundinnen. Konnte Sadie nicht jemanden aus der Gegend um Hilfe bitten? Simbabwe war ja nicht gerade um die Ecke, sondern mehr als 1500 Kilometer entfernt.

Die Matobo-Berge mit ihren außergewöhnlichen Felsformationen und dem verlorenen Schatz des Ndebelekönigs waren zweifellos ein faszinierendes Reiseziel. Und sie hatte schon immer auf einem Pferd reiten wollen. Doch wenn sie die Wahl gehabt hätte, wäre sie in Sawubona bei Jemmy geblieben.

Ben, der genau wusste, wie viel Martine ihre geliebte weiße Giraffe bedeutete, sagte: «Kann ich irgendetwas tun? Vielleicht könnte ich an Martines Stelle mit Ihnen nach Simbabwe kommen und mich im Hotel irgendwie nützlich machen. Ich bin zwar noch nie auf einem Pferd geritten und ich muss natürlich noch meine Eltern fragen, aber ich würde das schon hinkriegen, oder ich könnte wenigstens die Pferde füttern, den Stall ausmisten oder so. Dann könnte Martine hier bei Jemmy bleiben. Äh, natürlich nur, wenn Sie wollen …» Seine Stimme wurde brüchig.

«Ben, das ist wirklich ein großzügiges Angebot, aber Martine kann unmöglich allein hier bleiben», sagte Gwyn Thomas. «Tendai hat keine Zeit, sich auch noch um sie zu kümmern. Außerdem weiß ich nicht, ob deine Eltern dich für vier Wochen mit uns nach Simbabwe fahren lassen, und dazu noch in eine so abgelegene Gegend. Aber falls sie es erlauben, würden wir dich natürlich nur allzu gerne mitnehmen. Da wärst bestimmt auch du einverstanden, Martine?»

Martine war hin- und hergerissen. Einerseits wollte sie Jemmy nicht allein zurücklassen, andererseits wollte sie nicht, dass Ben ohne sie eine Abenteuerreise unternahm.

«Martine», sagte Gwyn Thomas mit einem warnenden Unterton, «vergiss deine Manieren nicht. Wir würden uns doch freuen, wenn Ben mit uns nach Simbabwe käme?»

«Das weiß Ben, ohne dass ich es ihm unter die Nase reiben muss», murmelte Martine.

Normalerweise hätte Gwyn Thomas ihre Enkelin für ein derart rüdes Benehmen ausgescholten, doch jetzt seufzte sie nur. «Martine, das Allerletzte, was ich will, ist, dich von Jemmy zu trennen oder dich unglücklich zu machen. Aber ich mache mir echte Sorgen um Sadie. Ich hatte das Gefühl, dass … Aber vielleicht bilde ich mir das nur ein.»

«Was?», drängte Ben.

«Wahrscheinlich ist da gar nichts, aber ich habe irgendwie das Gefühl, Sadie hat mir etwas verschwiegen. Ich kenne wohl keine stolzere und unabhängigere Frau als sie, und dennoch hat sie mich praktisch angefleht, ihr zu helfen. Das passt einfach nicht zu ihr. Deshalb werde ich das Gefühl nicht los, dass da – abgesehen von ihrem Unfall – etwas nicht in Ordnung sein könnte.»

Sie ergriff Martines Hand. «Ich spüre einfach, dass sie uns braucht. Kannst du das verstehen?»

Was sollte Martine da noch einwenden? Ihre Großmutter hatte so viel für sie getan.

«Es tut mir leid», sagte sie und umarmte Gwyn Thomas. «Es kam einfach etwas überraschend. Natürlich verstehe ich das. Ich werde Jemmy ganz furchtbar vermissen, aber ich freue mich auch, ein anderes Land kennenzulernen, vor allem wenn wir Sadie helfen können und ich nebenbei noch auf Pferden reiten kann.»

«Schön», sagte ihre Großmutter sichtlich erleichtert. «Dann sollten wir uns sofort ans Packen machen. Ich will, dass diese Reise für euch zu einem Ferienerlebnis wird. Die Fahrt wird lang sein, deshalb werden wir ein- oder zweimal in Rainbow Ridge übernachten und auch bei anderen Sehenswürdigkeiten unterwegs Halt machen. Komm Ben, wir rufen gleich deine Eltern an.»

Gwyn Thomas drückte Martines Hand und sagte: «Wir werden Spaß haben, ich verspreche es dir.»


Martine behielt ihr Lächeln auf den Lippen, bis ihre Großmutter und Ben die Küche verlassen hatten. Dann stürmte sie aus dem Haus und über den Sandweg zum Tierasyl, setzte sich neben das Gehege mit den zwei verwaisten Wüstenluchswelpen und brach in Tränen aus.

Sie konnte es wirklich verstehen, dass ihre Großmutter nach Simbabwe fahren wollte, um einer guten Freundin zu helfen, die sie dringend brauchte. Sie war auch überzeugt, dass sie genau gleich handeln würde, wenn jemand, der ihr nahe stand, Hilfe brauchen würde. Sie konnte aber beim besten Willen nicht verstehen, warum auch sie in die Matobo-Berge fahren musste. Wenn Ben mitkommen durfte, würde es zwar nur halb so schlimm werden. Aber vier lange Wochen ohne ihre besten Freunde zu sein, würde sich wie eine lebenslängliche Gefängnisstrafe anfühlen. Es musste doch hier in Storm Crossing jemanden geben, bei dem sie wohnen könnte. Zum Beispiel …

Plötzlich war Martines Trauerstimmung wie verflogen. Weshalb hatte sie nicht früher daran gedacht? Sie könnte doch bei Grace, Tendais Tante, wohnen. Grace war eine Sangoma, eine Medizinfrau und Heilerin, deren Vorfahren aus dem Volk der Zulu und aus der Karibik stammten. Gleich nach ihrer Ankunft in Afrika hatte Martine eine besondere Beziehung zu Grace entwickelt, denn Grace hatte ihr als Erste gesagt, dass sie eine geheime Gabe hatte, die ihr Schicksal prägen würde. «Die Gabe kann sein ein Segen, aber auch ein Fluch. Du musst entscheiden weise», hatte sie Martine wenige Stunden, nachdem sie in Kapstadt gelandet war, geraten.

Die Gabe war selbst für Martine ein Rätsel. Sie wusste, dass sie etwas mit Heilkräften und einer alten Zululegende zu tun hatte, wonach ein auf einer weißen Giraffe reitendes Kind über alle Tiere herrschen würde. Gerade dies aber war für sie, die vor Kurzem von einer Biene gestochen wurde und deren Arme immer noch von der Begegnung mit dem Warzenschwein schmerzten, mit einigen Fragezeichen verbunden.

Schon zweimal hatte sie ihre Zukunft in geheimnisvollen Malereien auf einer Höhlenwand gesehen. Die Höhle befand sich ganz hinten im Geheimen Tal, dem Refugium der weißen Giraffe. Und die Malereien hatten beide Male erst einen Sinn ergeben, als sie die vorgezeichneten Ereignisse tatsächlich erlebte.

«Das ist nicht fair», hatte sich Martine bei Grace beklagt. «Wenn die Buschmänner des San-Stammes so viel über mein Schicksal wussten, hätten sie ihre Malereien doch etwas verständlicher gestalten können. Dann wäre es mir nämlich gelungen, all die negativen Ereignisse abzuwenden. Wenn ich zum Beispiel gewusst hätte, was sich im Juni auf dem Schiff ereignen würde, wäre ich niemals an Bord gegangen.»

«Genau», hatte Grace geantwortet. «Wenn du könntest blicken in deine Zukunft, du würdest dich nur für das Angenehme und das Bequeme entscheiden. Dann würdest du gar nicht kennenlernen und erleben das Wichtige in dieser Welt, denn oft sind die wichtigen Dinge auch die schwierigsten. Wenn du nie gegangen wärest auf dieses Schiff, wo wären jetzt die Delfine?»

«Oh», hatte Martine damals gesagt, «oh, jetzt verstehe ich dich.»

Martine fühlte sich sehr wohl in der Gesellschaft von Grace. Sie war eine weise, lustige Frau, die faszinierend viel über afrikanische Medizin wusste. Sie mochte ihr exzentrisches Haus, in dem Hühner ein- und ausgingen, vor allem aber mochte sie ihre leckeren Bananenpfannkuchen. Allerdings würde Gwyn Thomas ihre Enkelin nach längerem Aufenthalt bei Grace wohl dreimal so schwer vorfinden wie vor ihrer Abreise. Vielleicht würde sie dies allerdings positiv werten, weil sie und Grace ständig versuchten, Martine zu mästen.

Je länger Martine darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr die Idee, während der Abwesenheit ihrer Großmutter bei Grace zu bleiben. Schließlich war Grace die beste Freundin von Gwyn Thomas in Storm Crossing – was konnte sie schon dagegen einwenden? Jetzt musste sie nur noch Grace überzeugen.

Der Plan hatte in ihren Gedanken gerade erst konkrete Formen angenommen, als sie eine Stimme mit breitem karibischen Akzent hörte: «Ich habe gerade getrunken Tee mit meinem Neffe, da höre ich doch dieses fürchterliche Heulen und Schluchzen. Und ich habe gesagt zu mir: Kein Kind, das lebt in Sawubona unter der strahlenden Sonne des Herrn, hat Grund zu weinen, als würde untergehen die Welt zu Mittagsstunde. Ich muss mal sehen, was ist passiert. Und jetzt sehe ich dich, mein liebes Kind, mit schelmischem Blick und ein Lächeln auf den Lippen. Was ist denn bloß los mit dir, Kind?»

Das plötzliche Auftauchen der Sangoma, gerade in dem Augenblick, als sie an sie gedacht hatte, war für Martine wie ein Sonnenstrahl, der durch dunkle Gewitterwolken bricht. «Grace!», rief sie, schoss auf und lief auf sie zu, um sie zu umarmen. «Ich habe gerade an dich gedacht.»

Grace ließ sich neben ihr auf die Bank sinken. Normalerweise war sie traditionell gekleidet, heute jedoch trug sie einen Rock mit Oberteil in grellem Rosa, ein Halstuch und dazu passende Schuhe in Lila. Grace, die wegen ihrer Vorliebe für ihre selbstgemachten Pfannkuchen an sich schon eine beeindruckende Gestalt war, wirkte in diesem Aufzug noch auffälliger. Sie blickte Martine erwartungsvoll an.

Martine erzählte Grace von der geplanten Simbabwe-Reise ihrer Großmutter. Zum Schluss nahm sie sich ein Herz und fragte sie: «Grace, darf ich dich um einen Gefallen bitten? Meinst du, ich könnte einen Monat lang bei dir wohnen?»

Zuerst sagte Grace gar nichts, was die Schmetterlinge in Martines Bauch zum Flattern brachte. Grace würde ihr diesen Wunsch doch nicht etwa ausschlagen? Schließlich sagte die Sangoma: «Du kannst immer wohnen bei mir, Kind, aber nicht dieses Mal.»

Martine war völlig baff und auch ein wenig verletzt, doch nachdem sie sich diesen perfekten Plan ausgedacht hatte, war sie nicht bereit, unverrichteter Dinge aufzugeben. «Ich weiß, vier Wochen sind eine lange Zeit, aber ich werde mich vorbildlich benehmen», versprach sie. «Du wirst gar nicht merken, dass ich da bin. Ich brauche nicht einmal ein Bett. Ich kann auf dem Sofa oder der Grasmatte schlafen.»

Doch die nächsten Worte von Grace zerschlugen all ihre Pläne auf einmal. «Und was ist mit der Botschaft von den Ahnen? Die willst du einfach schlagen in den Wind?»

«Welche Botschaft», sagte Martine, doch dann erinnerte sie sich mit einem Mal. Als sie im letzten Juni mit ihrer Großmutter, Ben und dessen Eltern am Strand spazieren gegangen war, hatte sie im Sand die Zeichnung eines Leoparden entdeckt. Seine Darstellung war so greifbar und genau gewesen, dass selbst die Schnurrhaare und Flecken des Raubtiers in allen Einzelheiten zu erkennen waren. Die Zeichnung war bestimmt erst vor wenigen Minuten in den Sand geworfen worden. Doch abgesehen von ein paar Fischern, die in einiger Entfernung ihren Fang ausluden, und Martines Begleitern weiter vorne war der Strand menschenleer gewesen. Sie rief Ben herbei, um ihm den Leoparden zu zeigen, doch im Sekundenbruchteil, in dem sie der Sandzeichnung den Rücken gekehrt hatte, war diese von einer Welle für immer weggewischt worden.

Martine erinnerte sich an den Schauder, der ihr damals über den Rücken lief, als die Zeichnung weg war – als wäre sie für sie allein bestimmt gewesen.

Auch jetzt lief ihr ein Schauder über den Rücken. «Woher weißt du vom Leoparden? Ich war doch die Einzige, die ihn gesehen hat.»

«Du musst nach Simbabwe fahren», fuhr Grace fort, als hätte Martine kein Wort gesagt. «Was wird geschehen, steht schon geschrieben. Es ist dein Schicksal.»

Der Telefonanruf, Sadies Unfall, der plötzliche Auftritt von Grace und vielleicht auch der Zwischenfall mit dem Warzenschwein – all diese Ereignisse des heutigen Morgens waren vielleicht kein Zufall gewesen, sondern standen irgendwie miteinander in Zusammenhang. Martine wusste nicht so recht, ob sie diesen Gedanken tröstlich oder nur unheimlich finden sollte.

Ein Windstoß blies zwei Federn aus dem Eulenkäfig. Sie wirbelten durch die Luft, bis sie neben der Bank quer übereinander auf den Boden fielen und ein X bildeten. Seltsamerweise waren sie weder gefleckt noch gelbbraun wie die Eule selbst, sondern glänzten pechschwarz. Fast – so dachte sich Martine später – wie die Federn eines Adlers.

Als Grace die Federn sah, wurde sie plötzlich sehr aufgeregt. Sie packte Martines Arm. «Dieser Junge», sagte sie eindringlich. «Dieser ruhige Junge, der Buddhist.»

Verblüfft fragte Martine: «Ben?»

«Ja, genau der. Weißt du, jetzt gehört er zu deiner Geschichte. Ihr beide seid verbunden miteinander. Auf eurer Reise nach Simbabwe müsst ihr beiden immer bleiben zusammen. Wenn ihr seid getrennt, kommt Gefahr.»

Martine konnte mit den Weissagungen und Vorahnungen von Grace nicht immer viel anfangen, aber diese Warnung erschien ihr jetzt durch und durch unvernünftig und unrealistisch. «Wir können nicht immer zusammenstecken», sagte sie Grace. «Ben ist gerne allein, und er begibt sich immer wieder auf Fährtensuche. Überhaupt: Vielleicht erlauben seine Eltern ja gar nicht, dass er mit nach Simbabwe mitkommt.»

Aber Grace blieb hart. «Ihr müsst bleiben zusammen», sagte sie unerbittlich. «Ihr müsst.»

Martine lehnte sich auf der Bank zurück und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sah sie, wie Grace die Federn in den Lederbeutel steckte, den sie um den Hals trug.

«Was bedeutet das alles, Grace? Werde ich je wieder ein normales Leben führen können. Also, ich bin ja froh über meine Gabe, auch wenn ich nicht genau weiß, wozu sie taugt, und ich will so viele Tiere heilen wie möglich, aber es wäre auch schön, einmal ganz normale Schulferien zu verbringen, um auszuruhen, Bücher zu lesen, auf Jemmy zu reiten und all die Dinge zu tun, die andere Kinder tun können.»

Grace legte ihren Arm fürsorglich um Martines Schulter. «Wie viele Kinder hast du schon gesehen, die haben geritten auf weißen Giraffen? Hm? Wir können den Weg unseres Lebens nicht immer wählen selbst, Kind. Und der Weg, der wurde gewählt für dich, ist kein leichter Weg. Vertraue auf deine Gabe. Deine Gabe wird dich beschützen.»

Die Wüstenluchse begannen, um ihr Futter zu kämpfen, und Martine musste in ihr Gehege, um sie voneinander zu trennen. Als sie sich umdrehte, war Grace nur noch ein rosa Punkt, der sich über den staubigen Weg entfernte. Sie hatte sich nicht einmal verabschiedet. Jetzt, als Martine ihr hinterherblickte, hob sie eine Hand und winkte, ohne sich umzudrehen.

Martine setzte sich wieder auf die Bank und starrte mit leerem Blick auf die Tiere im Asyl: die Wüstenluchse mit ihren spitzen Fellöhrchen, die Eule, Shaka, der kleine Elefant, und sein neuer Gefährte, ein Zebrafohlen, das von seiner Mutter verstoßen worden war und jetzt von Tendai mit der Flasche aufgepäppelt wurde. Sie dachte an den Leoparden im Sand. Es war ein außergewöhnlich großer Leopard gewesen. Kauernd, wie zum Angriff bereit. Sie erinnerte sich immer noch an seine Klauen und wie er die Zähne gefletscht hatte.

Die Wüstenluchse begannen, in ihrem Käfig hin und her zu laufen. Sie mussten etwas gehört haben. Martine blickte auf. Vielleicht war Grace zurückgekommen. Doch es war Ben. Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht.

«Ich habe mit meinen Eltern gesprochen», sagte er. «Ich darf mitkommen. Ich fahr mit nach Simbabwe.»

So leise, dass höchstens die Wüstenluchswelpen sie hören konnten, antwortete Martine: «Ich auch.»


Der letzte Leopard

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