Читать книгу Juana - Vom Pech verfolgt - Lee Kojek - Страница 5
Almyra und Clair
ОглавлениеAlmyra war, nachdem sie in der Schatzkammer fertig geworden war, zur Brücke gegangen, wo sie mit Clara das weitere Vorgehen bis zur Ankunft in Spanien plante. Dort, genauer gesagt, bei einem Trockendock in Barcelona, lebte John mit seinen drei Kindern. Er war nicht nur Anlaufstelle für die Crew, sondern auch Mollys Mann. Weder er noch die Kinder der beiden wussten, was alles geschehen war, nachdem die Crew sich vor vier Tagen auf den Weg von Spanien nach Russland gemacht hatte. Sie wussten nicht, dass Rachel unter einem starken Fieber gelitten hatte. Und vor allem wussten sie nicht, dass Molly tot war. Wie sollten sie das der Familie nur beibringen?
Seufzend blickte Almyra Clara nach, die gerade die Brücke verließ, um eine Zigarette zu rauchen. Wie sehr Almyra sich gerade wünschte, ihre Lungen würden es verkraften, wenn sie rauchte. So könnte sie wenigstens Stress abbauen, ohne dafür stundenlang etwas basteln zu müssen. Ihre Gedanken wurden jedoch unterbrochen, als sie Stöhnen vernahm, das aus Clairs Kajüte kam. Sie hatte als Einzige eine Kajüte direkt bei der Brücke, was jedoch zur Folge hatte, dass man ab und an hörte, was bei ihr vor sich ging. Als Almyra hörte, welchen Namen ihr Käpt’n stöhne, wurde ihr schlagartig schlecht, und Erinnerungen bahnten sich unaufhaltsam ihren Weg in ihr Bewusstsein.
***
„Molly…“
Geschockt sah Almyra zu Clair und stoppte sofort in ihrem Tun.
„Bitte was?“
Die Amazone sah sie kurz irritiert, dann jedoch schuldbewusst an. Sie sagte nichts.
„Ich habe mich verhört, oder? Du hast nicht wirklich eben Mollys Namen gestöhnt, während ich dabei bin, dich zu vögeln!“, brüllte Almyra außer sich.
„Almyra, es tut mir leid.“
Clairs Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Wütend stieg Almyra aus dem Bett und kramte ihre Sachen zusammen.
„Während wir Sex haben, stellst du dir also vor, ich wäre Molly?!“
Hektisch zog sich Almyra ihr Kleid über; sie wollte keine Sekunde länger mit Clair in einem Raum sein, als nötig war. Immer noch schwieg die Amazone und am liebsten hätte Almyra ihr dafür eine geknallt.
„Abserviert worden, mh? Wenn du deine Haare schneidest, siehst du Molly vielleicht ähnlich genug.“
Doch selbst diese blöde Bemerkung ignorierte Almyra einfach. In ihrer eigenen Kajüte angekommen, sank sie zu Boden und lehnte sich an die eben geschlossene Tür. Tränen rannen ihr über die Wangen. Clair hatte sie verdammt nochmal zum Weinen gebracht!
***
»Was ist passiert?«
Erst war Almyra von der Frage irritiert, doch dann fiel ihr auf, dass Hope es gar nicht hatte mitbekommen können. Die beiden hatten sich den ganzen Tag nicht gesehen. Almyra nahm Hopes Hand in ihre und lächelte.
»Nicht so wichtig.«
Die Mechanikerin drehte sich weg und nahm sich ihre Schlafkleidung vom Bett. Nachdem sie sich umgezogen und in ihr Bett gelegt hatte, schlief sie auch sehr schnell ein.
»Guten Morgen.«
Almyra erwiderte das Lächeln.
»Guten Morgen. Gehen wir frühstücken?«
»Gerne.«
»Ist bei dir alles in Ordnung? Du bist blasser als sonst.«
»Es geht mir besser, wenn wir wieder in Spanien sind«, antwortete Almyra schnaubend.
Eine Weile saß sie schweigend da und dachte einfach nur nach. Was machte sie eigentlich hier oben?
»Gibt es noch etwas Wichtiges?«
Clara schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe alles im Griff.«
Die Mechanikerin stand auf und sah Clara an.
»Ich bin im Maschinenraum. Halte mich auf dem Laufenden.«
»Aye.«
»Weißt du Almyra, jetzt verstehe ich auch, warum du dich immer wieder von Clair hast verarschen lassen. Sie ist wirklich gut im Bett. Aber hat es dich nicht gestört, wenn sie statt deinem Namen Mollys gestöhnt hat? Ich meine, diese Nacht konnte ich es ja nachvollziehen, aber bei dir hat sie das ja auch schon gemacht.«
»Was meint Mary damit?«
Almyra machte einen Schritt von Mary weg und sah Hope schuldbewusst an. Was genau sollte sie jetzt nur darauf antworten? Wie sollte sie das Ganze erklären? Bedauerlicherweise hatte sie nicht viel Zeit zum Nachdenken, da Estella sich nun ebenfalls einmischte.
»Mary, das hättest du nicht tun sollen. Almyra und Clair sind doch so ein schönes Paar.«
Hope sah Almyra aufgebracht an.
»Du hattest was mit Clair?!«
Almyra nickte leicht.
»Ja. Wir hatten eine Beziehung«, murmelte die Mechanikerin und konnte Hope dabei nicht in die Augen sehen. Mary lachte amüsiert.
»Lass Mary da raus! Du hattest also was mit Clair und hast es mir nicht gesagt?! Das ist vielleicht etwas, was ich hätte wissen sollen!«
»Hope, es tut mir leid.«
Doch die Navigatorin hörte ihr nicht zu.
»Und was ist das jetzt zwischen dir und Clair? Dass sie dir immer Essen in den Maschinenraum bringt und sich von dir rumkommandieren lässt?! Habt ihr noch etwas miteinander?!«
Hektisch schüttelte Almyra den Kopf.
»Nein, natürlich nicht! Das mit Clair und mir ist schon lange vorbei.«
Skeptisch hob Hope eine Augenbraue.
»Und deswegen reagierst du so heftig auf Mary?«
Almyra wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie sah Hope einfach nur entgeistert an und schwieg. Offenbar deutete Hope aus dem Schweigen eine falsche Antwort.
»Also doch.«
Die Mechanikerin schüttelte den Kopf.
»Ich muss hier weg.«
»Hope, bitte…«
»Lass mich in Ruhe!«
»Ist gut. Ich gehe.«
Almyra sah zu Clara und schluckte. Die Rothaarige hatte sich komplett aus dem Gespräch rausgehalten. Das war auch verständlich. Immerhin war Clair die Freundin von Claras großer Schwester gewesen, da wollte man solche Geschichten nicht unbedingt mitbekommen.
»Halte mich auf dem Laufenden.«
Die Mechanikerin sah noch einmal zu Hope.
»Es tut mir wirklich leid.«
***
Hope blieb auf der Brücke zurück und wusste nicht, wohin mit ihren Gefühlen. Sie setzte sich neben Clara.
»Und ihr wusstet es alle?«
Die Anwesenden nickten, blickten Hope dabei aber nicht an. Nur Mary sah sie an und seufzte.
»Ich hatte dich vorgewarnt, oder? Man kann Almyra nicht vertrauen.«
Die Rudergängerin verließ die Brücke und verschwand unter Deck. Hope konnte nicht fassen, was sie gerade erfahren hatte. Sie hatte doch von Anfang an gemerkt, dass da etwas zwischen Clair und Almyra gewesen war. Trotzdem war sie jetzt die Dumme, während alle anderen an Bord wussten, was Sache war und es ihr einfach verschwiegen hatten.
Amelia tippte Hope auf die Schulter und sah sie besorgt an.
»Ist bei dir alles in Ordnung?«
»Nichts ist in Ordnung! Meine Freundin hatte etwas mit dem Käpt’n und nicht eine Person an Bord, einschließlich ihr selbst, hielt es für nötig, mir das zu erzählen!«
Neugierig blickte Estella in die Runde.
»Du hast eine Freundin? Wen denn?«
So gern Hope Estella hatte, jetzt gerade würde sie die Rudergängerin am liebsten erwürgen. Sie hatte doch alles mitbekommen!
»Ja, ich habe eine Freundin! Almyra!«
»Aber Almyra ist doch mit Clair zusammen«, murmelte Estella sichtlich verwirrt. Clara stand auf und murrte genervt.
Nach dieser Standpauke verließ Clara die Brücke, stellte sich draußen an die Reling und zündete sich eine Zigarette an. Hope blieb vorerst sitzen und versuchte, ihre Wut zu schlucken. Sie hatte doch nun wirklich nichts falsch gemacht! Es war Almyra, die diesen ganzen Stress verursacht hatte. Amelia seufzte.
»Es tut mir leid, Hope. Ich dachte, es wäre Almyras Aufgabe, dir das zu erzählen.«
»Schon okay. Du kommst ohne mich zurecht, oder?«
»Natürlich.«
Hope betrat die Kajüte, ohne zu klopfen, und wurde rot, als sie sah, wie Mary sich gerade anzog.
»Tut mir leid, ich komme später nochmal.«
»Schon gut, aber wenn du hier bist, um mit mir Sex zu haben und dabei einen anderen Namen zu stöhnen als meinen, dann kannst du gleich wieder gehen! Wenn man sich nicht den Namen des Sexpartners merken kann, soll man einfach die Klappe halten!«
Mary schien ziemlich genervt zu sein. Sie zog sie ein bauchfreies Top zu ihrer kurzen Hose an und setzte sich auf ihr Bett. Hope sah sie verwirrt an.
»Ich wollte nicht mit dir schlafen.«
»Nicht?«, fragte Mary verblüfft, »schade, so könntest du Almyra eins auswischen.«
»Ich will es ihr doch gar nicht heimzahlen.«
Hope setzte sich neben Mary.
»Was war denn los?«
Mary verdrehte genervt die Augen.
»Maxine kam auf einmal in meine Kajüte und hat mich angemeckert, weil ich Sex mit Clair hatte. Dann wollte sie aber auf einmal auch mit mir schlafen. Ich habe mir nichts dabei gedacht, aber dann hat sie Clairs Namen gestöhnt – die ganze Zeit. Ich hatte in den letzten 24 Stunden mit zwei Frauen Sex, die beide einen anderen Namen gestöhnt haben. Ich habe keine Lust mehr.«
Maxine hatte also Sex mit Mary? Hope hätte der Blondine nicht zugetraut, einfach so mit Mary zu schlafen. Andererseits war das ja nicht die einzige Überraschung an diesem Tag. Hope ließ sich seufzend in Marys Bett fallen und sah die Rudergängerin an.
»Wieso hast du mir nicht früher schon erzählt, was zwischen Clair und Almyra gelaufen ist?«
Mary sah Hope schwermütig an.
»Hättest du es mir denn geglaubt?«
»Ich weiß nicht. Aber ich hätte Almyra bestimmt darauf angesprochen.«
»Es tut mir leid. Du hast es nie gut vertragen, wenn ich über Almyra geredet habe. Und die anderen glauben ihr eher als mir.«
Hope nickte verstehend und ließ Mary weitersprechen.
»Früher oder später wird Almyra dich für Clair verlassen. Das sage ich nicht, weil ich sie schlecht machen will, sondern weil ich mir Sorgen um dich mache. Beende das mit ihr lieber, bevor sie es tut.«
»Du weinst ja.«
Irritiert fasste Hope sich an die Wange. Ihr waren tatsächlich Tränen gekommen. Sie richtete sich auf und sah Mary traurig an.