Читать книгу Juana - Vom Pech verfolgt - Lee Kojek - Страница 9
Owen
ОглавлениеVorgängerin schlau zu werden. Doch mittlerweile verstand sie, wie sie die Karten zu lesen hatte. Sie gab die Route an Amelia weiter und blickte dann fragend zu Clair.
Aber warum wollten sie denn jetzt auf einmal zu diesem Owen? Clair blickte Hope an und schmunzelte.
»Owen ist Felicias Vater«, war ihre knappe Antwort.
»Felicias Vater? Achso…«
Sie wusste nicht wieso, aber Hope war immer davon ausgegangen, dass niemand außer Molly noch irgendwo Familie hatte. Die Crew war für die Meisten die einzige Familie, hatte Sarah ihr gesagt. Wenn Hope so darüber nachdachte, wusste sie von den meisten so gut wie nichts.
»Soll ich dann direkt eine Route einzeichnen?«
»Nein. Wir gehen trainieren.«
Verwirrt folgte Hope der Amazone unter Deck.
»In den Trainingsraum.«
Verwirrt folgte die Navigatorin ihrem Käpt’n und sah sich dabei in den Gängen um, als wäre es ihr erster Tag auf dem Schiff.
»Wusstest du das nicht?«
»Wow.«
Einige Crewmitglieder waren hier und hantierten mit den Geräten. Es war schon beeindruckend, zu sehen, wie viel Becky stemmen konnte. Andererseits schüchterte es Hope auch ein. Bestimmt würde sie sich jetzt hier blamieren.
»Wie viele Liegestütze schaffst du?«
»Was? Ich weiß nicht…«, wisperte Hope verlegen und sah peinlich berührt zu Boden. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals Liegestütze gemacht zu haben. Clair drehte sich zu ihr um und nickte.
»Okay, dann mach einfach mal so viele, wie du schaffst«, sagte sie in ruhigem Ton und einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. Hope kniete sich unsicher auf den Boden und blickte sich um. Sie wollte sichergehen, dass außer Clair wirklich niemand zusah.
»Damit kann man doch arbeiten. Mach kurz eine Pause und mach dann die nächsten.«
»Du hast ja doch endlich mal hier her gefunden«, bemerkte Almyra in einem amüsierten Tonfall.
»Ja. Warum hast du mir nie von dem Raum erzählt?«
Doch Almyra zuckte nur die Schultern und antwortete, »Habe ich doch. Ist doch nicht meine Schuld, wenn du mir nicht zuhörst.«
Clair kam zu den beiden und blickte zu Hope.
»Du solltest langsam weitermachen.«
»Ja, natürlich.«
»Das sieht doch schon ganz gut aus.«
Hope atmete erleichtert durch, doch dann hörte sie Almyras Stimme.
»Soll das dein Ernst sein? Komm schon Hope, du schaffst doch wohl mindestens zehn Liegestütze.«
Erschrocken sah Hope ihre Geliebte an.
»Du hast mich schon gehört. Nochmal zehn Liegestütze!«
»Almyra, es reicht doch wohl, wenn sie so viel macht, wie sie schafft.«
»Ich sagte doch, dass du das kannst. Man darf bei sowas nicht schon aufhören, sobald es etwas schwieriger wird.«
Hope antwortete nicht, sondern schnappte nur weiter nach Luft. Wer hätte gedacht, dass Almyra beim Training so eine Tyrannin sein konnte? Clair machte währenddessen unbeirrt weiter Liegestütze. Sicherlich hatte sie jetzt schon fünfzig oder sechzig geschafft. Almyra folgte Hopes Blick.
»Ach, das ist doch gar nichts. Sie trainiert ja auch schon seit sie ein Kind ist. Ihr eigenes Gewicht ist kein Problem. Aber pass mal auf.«
Mit diesen Worten stand Almyra auf und setzte sich einfach auf Clairs Rücken. Diese wurde augenblicklich wackeliger.
»Almyra, verdammt!«, fluchte Clair laut, »geh sofort runter von mir!«
»Du wiegst sicher `ne Tonne! Wie soll man mit dir auf dem Rücken Liegestütze machen?!«
»Du bist einfach nur zu schwach. Komm Hope, du hast genug gemacht.«
Irritiert sah Hope die Mechanikerin an.
»Komm schon.«
Hope trocknete sich ab und verließ mit dem umgewickelten Handtuch das Bad. In ihrer Kajüte zog sie sich etwas über und ließ sich auf ihr Bett fallen. Wie oft würde sie sich an dem Tag denn noch blamieren?
Kurz nach ihr betrat Almyra den Raum und setzte sich zu Hope ans Bett.
»Ist bei dir alles in Ordnung?«
Murrend drehte Hope ihr den Rücken zu.
»Das war einfach nur peinlich«, murmelte sie leise und schlug sich die Hände vors Gesicht. Sie spürte, wie Almyra ihr durchs Haar strich.
»Ist doch halb so schlimm.«
Almyra legte sich hinter sie und legte einen Arm um Hope.
»Mach dir nicht immer gleich so viele Gedanken. Wir sind doch alle erwachsen.«
Als Hope darauf nicht antwortete, drehte Almyra sie mit einem Ruck auf den Rücken und setzte sich auf ihren Schoß. Überrascht sah Hope die Ältere an, die ihr Handtuch löste und zur Seite fallen ließ.
»Jetzt sind wir ja alleine. Wenn du also schauen magst…«
»Du bist so wunderschön.«
Doch es gab auch noch etwas anderes, was sie bedrückte, wenn sie, wie jetzt, erschöpft in den Armen ihrer Geliebten lag.
»Almyra?«, wisperte sie leise.
»Ja?«
»Willst du nicht auch mal… ich meine… Also… du warst bisher immer oben und es ist auch toll, aber willst du nicht…«
Hope schaffte es nicht, den Satz vernünftig auszusprechen, doch Almyra schien zu verstehen. Sie küsste Hopes Stirn und sah ihr dann in die Augen.
»Wann immer du dazu bereit bist, Hope.«
»Du willst das aber nicht jetzt sofort ausprobieren, oder?«
»Nein… doch… ich weiß nicht.«
Hope fühlte sich richtig dämlich. Dass Almyra lachte, machte es nicht besser.
Neugierig blickte Hope ihre Geliebte an.
»Warum denn? Ich habe immer gehört, dass es in England toll ist.«
»In England gibt es keinen Krieg. Frauen und Männer sind gleichberechtigt und außerdem gibt es für jeden Arbeit.«
»Das klingt wirklich toll. Was weißt du über die Regierung?«
»Das meinte ich eigentlich nicht«, unterbrach Almyra sie, »weißt du, was das für Menschen sind, der König und die Minister?«
Hope schüttelte verwirrt ihren Kopf.
»Nein, ich kenne sie doch gar nicht.«
»Wie ist es in England denn so? Worauf muss ich mich einstellen?«
Hope sah ihre Geliebte fragend an.
»Was? Warum denn nicht?«
Die Mechanikerin seufzte leise.
Hope konnte erst gar nicht glauben, was sie da hörte.
»Aber es ist doch gar keine Geisteskrankheit, oder?«, fragte Hope geschockt. Sie war doch nicht krank, nur weil sie Almyra liebte! Die Mechanikerin lächelte leicht.
»Natürlich nicht.«
»Ich verstehe das nicht. Wieso sollte man es als krank werten, wenn es doch gar nicht stimmt?«
Hope ließ Almyra nicht weiter sprechen.
»Er setzt sein Volk unter Drogen?!«, platzte es aus ihr heraus. Almyra sah sie daraufhin perplex an.
»Du wusstest das nicht?«
»Nein, woher soll ich das denn wissen?«
»Willst du wirklich wissen, was genau passiert ist?«
»Ja.«
Wieder herrschte für einen Moment Stille, bis Almyra tief durchatmete.
Erschrocken sah Hope die Mechanikerin an.
»Wie bitte?!«
Skeptisch hob Hope eine Augenbraue.
»Und dann wollten sie, dass du das Volk unter Drogen setzt und du hast es gemacht, oder wie?«
Almyra seufzte schwer.
»Ich hätte der Regierung nie vertrauen sollen. Direkt nachdem ich meine Ergebnisse abgeschickt hatte, habe ich mich auf ein anderes Themengebiet spezialisiert. Die Psychologie… es war nichts für mich… Im Normalfall dauert es Jahre, bis ein Medikament auf den Markt kommt. Meines war nach wenigen Wochen schon in der Dauerproduktion. Natürlich hat mich das stutzig gemacht, aber meine Schwester meinte nur, dass Dinge eben schneller ihren Lauf nehmen, wenn man mit der Regierung zusammenarbeitet.«
Hope legte ihren Kopf schief und sah Almyra erwartungsvoll an. Bisher hatte Almyra doch noch nichts Schlimmes gemacht.
»Woher weißt du das?«
Während Almyra erzählte, legte sie sich eine Hand auf die Wunde zwischen ihren Brüsten. Hope brauchte einen Moment, um die Information zu verarbeiten. Es ratterte in ihrem Kopf, bis endlich zu ihr durchgedrungen war, was ihre Geliebte ihr gerade berichtet hatte.
»Deine Schwester? Sie hat…«, schaffte Hope es nicht einmal, auszusprechen, was gerade in ihrem Kopf vorging.
»Wie du siehst habe ich überlebt«, sprach Almyra weiter, »aber darum geht es gerade auch gar nicht. Ich habe das Medikament hergestellt, das die Regierung jetzt benutzt, um das Volk zu manipulieren.«
Hope streichelte Almyras Wange.
»Du wurdest hintergangen.«
»Ich war naiv genug, ihnen zu glauben.«
»Du bist nicht schuld daran.«
Vom Flur konnte sie Claras Stimme hören, die sagte, dass sie bald landen würden. Warum ausgerechnet jetzt? Almyra drückte Hope sanft weg und stand auf.
»Wir sollten auf unsere Positionen.«
»Ja.«
Sie standen auf und zogen sich noch die restliche Kleidung über. Bevor Almyra die Kajüte verlassen konnte, küsste Hope die Ältere noch einmal innig und lächelte aufmunternd.
»Ich liebe dich.«
Almyra erwiderte das Lächeln.
»Ich liebe dich auch.«
»Ist dir die Luft hier noch nicht ungesund genug«, fragte sie die Rothaarige mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Clara blickte zu ihr, blies den Zigarettenrauch aus und zuckte mit den Schultern.
»So etwas wie ›ungesund genug‹ gibt es nicht«, antwortete sie in so einem ernsten und ruhigen Tonfall, dass jemand, der die Rothaarige nicht kannte, wohl den Sarkasmus gar nicht herausgehört hätte. Felicia grinste und sah wieder von der Reling. Die Sonne schaffte es ab und an durch die Wolkendecke und sorgte dann dafür, dass es warm wurde. Felicia merkte, wie jemand auf sie zukam und drehte sich erneut um. Vor ihr stand Sarah. Sie trug eines ihrer schönen blauen Kleider und darüber einen gewaltigen Schal als Überwurf. Molly hatte ihn vor ein paar Jahren für Sarah gestrickt. Obwohl Sarah sich, wie jeden Tag, geschminkt hatte, war ihre Nase rot von dem Schnupfen, den sie seit Russland mit sich herumschleppte. Doch das hinderte die blonde Frau nicht daran, wie jeden Tag atemberaubend schön zu sein. Sarah blickte Felicia an und seufzte.
»Felicia, du solltest dir etwas Wärmeres anziehen«, sagte sie mit leicht verschnupfter Stimme, »sonst wirst du wieder krank.«
Die Angesprochene wusste, dass Sarah damit auf die Blasenunterkühlung anspielte, die Felicia erst vor kurzem losgeworden war. Es war einfach schrecklich gewesen. Sie hatte die ganze Zeit auf Toilette gemusst und deswegen auf dem Deck und in Spanien im Haus bleiben müssen. Ganz besonders unangenehm war das bei Mollys Bestattung gewesen, als Felicia sich zweimal ins Haus hatte schleichen müssen, um auf Toilette zu gehen. Eine gefühlte Ewigkeit hatte sie lange Hosen und Oberteile getragen, was sie in ihren Bewegungen eingeengt hatte. Jetzt, wo es wärmer war, hatte sie sich endlich wieder etwas Normales angezogen. In ihrer kurzen Lederhose und dem bauchfreien Oberteil war ihr auch nicht kalt. Sie verschränkte die Arme.
»Ich brauch nichts Wärmeres. Mir geht es gut.«
»Aber du wirst nur wieder krank«, entgegnete die hübsche Frau.
Felicia schimpfte vor sich hin. Ganz kampflos wollte sie nicht aufgeben.
»Ich habe gar keine langen Klamotten und ich will jetzt auch nicht mehr nach Becky suchen.«
»Clair hat selbst nur ein einziges langes Hemd, aber eine Hose kann sie dir geben.«
»Sarah, ich…«, begann Felicia, doch als sie Sarah sah, wie sie ihr die Hose entgegenhielt und dabei bittend schaute, konnte sie gar nicht anders, als die Hose zu nehmen und sie sich seufzend über ihre eigene Kurze zu ziehen. Sarah lächelte zufrieden, doch sie schien sich immer noch an etwas zu stören.
»Du brauchst noch ein warmes Oberteil«, bemerkte sie besorgt. Sie schien einen Moment zu überlegen und begann dann auf einmal, zu Felicias Überraschung, sich des langen Schals zu entledigen. Als sie ihn ihr umlegen wollte, trat Felicia einen Schritt zurück.
»Bitte, ich hab Owen versprochen, dass ich auf dich aufpasse. Du musst den Schal ja nur für den Weg tragen.«
Und dann kam Sarah mit dem einen Satz, der Felicia komplett entwaffnete.
»Bitte, Felicia, für mich.«
Augenblicklich waren alle Einsprüche vergessen und Felicia nickte leicht.
»Na gut, aber nur, weil du es bist.«
Sarah legte Felicia den Schal um und lächelte glücklich.
»Danke. Dann hole ich mir noch eine Jacke.«
»Ich war noch nie in England,« begann sie, herumzudrucksen, »wäre… naja.. wäre es für dich in Ordnung, wenn ich mitkomme?«
Darum ging es also.
»Natürlich darfst du mitkommen.«
Hope strahlte und hastete dann, ein glückliches ›danke‹ sagend, unter Deck. Belustigt schaute Felicia zu Sarah, die amüsiert kicherte.
»Sie geht durch die Speisekammer von Bord.«
»Achso…«
Felicia hatte ganz vergessen, dass Hope Höhenangst hatte. Kaum war Hope unter Deck, kam Clair auf Felicia und Sarah zu.
»Die Crew wird nur dringendste Besorgungen machen und ansonsten hier auf euch warten. Ich weiß, du hast deinen Vater lange nicht gesehen, aber es ist wichtig, dass ihr spätestens heute Abend wieder hier seid. Wir können es uns nicht leisten, länger in England zu sein, als wir müssen.«
»In Ordnung.«
Jemand hielt ihr Handgelenk fest, was Felicia aus den Gedanken riss. Sie drehte sich zu der Person, bereit, zuzuschlagen, doch da war kein Angreifer. Es war Sarah, die sie festhielt und dabei besorgt schaute.
»Sarah, was ist?«, fragte sie, ehe sie sich umsah.
»Wir sind da. Felicia, ist alles…«, doch die Zahlmeisterin redete nicht weiter, sondern sah kurz zu Hope und versuchte dann, ihre Sorge hinter einem Lächeln zu verbergen.
»Die Häuser sehen sich alle so ähnlich. Aber wir sind schon bei Nummer 69.«
Felicia brauchte einen Moment, um sich wieder zu sammeln. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie beinahe an dem Haus, in dem ihr Vater eine Wohnung hatte, vorbeigegangen wäre.
»Oh… ja…. Stimmt«, stammelte Felicia. Sie klingelte bei ›O’Conner‹ und kurz darauf surrte es an der Tür und Felicia drückte sie auf. Sie hatte das Gefühl, dass das Treppenhaus jedes Mal, wenn sie hier war, enger wurde. Sie ging voran und hörte hinter sich Hopes enttäuschte Stimme.
»Das ist also England?«, fragte sie betrübt.
»Es ist nicht überall so. Wir können uns ja später mal etwas in der Stadt umsehen«, antwortete Sarah in dem Versuch, Hope etwas aufzuheitern.
»Gerne!«
Die Wohnungstür stand schon offen und als Felicia hineinging, sah sie direkt ihren Vater, der im Flur auf sie wartete und glücklich lächelte. Mit einem Mal waren alle ihre Sorgen vergessen und sie ging hastig zu ihrem Vater, um ihn zu umarmen. Ihr Vater drückte sie an sich.
»Ihr werdet beide ja immer hübscher! Habt ihr auch gut aufeinander aufgepasst?«
»Wir haben es zumindest versucht«, begann Sarah, »aber manchmal macht Felicia es einem echt schwer.«
»Ich bin Owen, Felicias und Sarahs Vater.«
Felicias Vater ignorierte das wie so oft und schloss die Tür hinter Hope.
»Kommt doch ins Wohnzimmer! Ich will euch ein paar Leute vorstellen.«
»Hallo, mein Name ist Kanika! Seid ihr hier, um mich abzuholen?«
Sie redete so schnell, dass es Felicia schwerfiel, sie zu verstehen.
»Genau«, antwortete Sarah ruhig, »ich weiß nicht, ob du dich noch an uns erinnerst. Mein Name ist Sarah, das ist Felicia und das«, dabei deutete sie auf die Navigatorin, »ist Hope. Sie war damals noch nicht in der Crew.«
Kanika nickte eifrig und strahlte so sehr, dass sie der Sonne Konkurrenz hätte machen können.
»Es freut mich so, dass ich endlich mitkommen kann!«
Felicias Vater räusperte sich und bekam so die Aufmerksamkeit der vier Frauen. Neben ihm stand der Mann, der nervös das Gewicht von einem auf das andere Bein verlagerte.
»Das ist Jeff, mein Freund.«
Ihr Vater wendete den Blick ab und brauchte einen Moment, bis er antwortete.
»Ich wollte nicht, dass du es über einen Brief erfährst. Du solltest ihn persönlich kennenlernen.«
Felicia nickte und musterte Jeff. Es trat eine lange Stille ein, die von Sarahs sanfter Stimme unterbrochen wurde.
»Ich würde mich mit Hope gerne etwas in der Stadt umsehen. Kanika, möchtest du uns begleiten?«
»Erzählt mir alles.«