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Prolog Der Anfang

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V O RD E MA N F A N Gwar nur Rin.

Am Anfang machte Rin Welten aus dem Stoff seiner Gedanken und Sterne aus Gold und Licht, und er formte eine Kugel und gab ihr einen Platz im Tanz seiner Sterne. Er machte Wesen, darauf zu wohnen: die Riesen aus dem Feuer der Sterne, die Menschen aus der braunen Erde, die Tiere aus dem salzigen Wasser, und aus der Luft schuf er Worte und Gesang, Stille und Lachen und Tanz. Er gab ihnen das Geschenk der Freude und die Fähigkeit zur Liebe und errichtete ihnen einen Ort, um darauf zu wohnen, einen Hügel, bewachsen von Wäldern, grün und dunkel, eingehüllt in duftende Wiesen, überschattet von schneebedeckten Bergen. Sie badeten dort in den Seen und in den Bächen, die zu Tale stürzten, sie wanderten durch die Wälder und erklommen die Gipfel und pflegten die Gärten, reich an köstlichen Früchten. Er selbst, Rin, wohnte dort bei ihnen, bei Riesen, Menschen und Tieren, im Gesang. Die Tiere spielten mit den Worten, die wuchsen und gediehen, die Menschen hüteten die Tiere, die vor Vergnügen schnurrten, und die Riesen wachten über den Menschen, die zu ihnen aufblickten, und über ihnen war der Tanz der Sterne und die Größe und Weite aller Welten. Und Rin ging unter ihnen umher und lachte, und sie antworteten ihm mit glockenhellem Lachen.

Dann kam eine Zeit, in der Rin sich zu anderen Ländern in anderen Welten begab. Er vertraute seinen Geschöpfen alles an: den Riesen die Menschen, den Menschen die Tiere, den Tieren die Worte, und ihnen allen zusammen das Land, das er für sie gemacht hatte.

Rin wird nicht zurückkommen, sagten die Riesen. Jetzt sind wir allein. Und sie, in denen das Feuer der Sterne brannte, begannen Herrschaft auszuüben über die Menschen, und die Menschen sahen herab auf die zutraulichen Tiere, und da, gepeinigt, verloren die Tiere die Worte. Ihr Lachen verstummte, der Gesang wurde ihnen zu schwer, und der Tanz stahl sich fort aus ihren Füßen.

Hörten nun die Menschen die Blätter über sich rauschen, wenn der Wind hindurchfuhr, fürchteten sie sich. Und obwohl sie die Wohltat der Nacht kannten, die sich wolkenweich über das Land legte, erschraken sie vor der Dunkelheit.

Was werden wir tun, wenn der Wind stärker wird und die Nacht länger?, fragten sie. Denn nun sind wir allein.

Die Tiere aber versteckten sich zwischen den Bäumen, stumm.

Die Riesen sagten: Wir werden in die Berge hinaufsteigen und dort leben, damit ihr wisst, dass wir über euch stehen. Und dort lebten sie und ihre Herzen wurden kalt wie der Schnee auf den Gipfeln und hart wie der Stein, auf dem sie schliefen.

Die Menschen bauten sich Hütten aus den Stämmen der Bäume, um sicher zu sein in der Nacht und sicher vor den Riesen und sicher vor den Tieren. Ihre Angst wurde so groß, dass sie ihre Liebe zu den Tieren und zu den Gärten vergaßen; sie vernachlässigten die Obstbäume und hatten bald nichts mehr zu essen und mussten die Tiere töten, um an ihr Fleisch zu gelangen. Die Tiere wurden scheu und wachsam und gefährlich, sie griffen ihre Hüter an und fielen übereinander her, und alles, was in ihnen froh gewesen war und vertrauensvoll, war fort. Kein Lachen wurde mehr gehört und niemand tanzte mehr. Die Angst, die sie geschaffen hatten, breitete sich aus und wurde übermächtig, bis es nichts anderes mehr gab als die Angst.

Dann kam Rin zurück, und es war still. Und Rin sah das zerstörte Land und die gefällten Bäume und die toten Tiere und die Angst über allem, und er weinte über das, was er sah. Da rief er die Menschen aus den Hütten, in denen sie sich verborgen hatten, und die Riesen herunter von den Bergen und sagte zu ihnen: Was habt ihr getan! Warum habt ihr die Furcht erschaffen, obwohl ich euch Liebe und Freude gab?

Die Menschen sagten: Die Riesen wollten über uns herrschen, darum fürchteten wir uns.

Die Tiere schwiegen, denn sie hatten keine Worte mehr.

Und die Riesen bissen die Zähne zusammen und machten sich dasselbe Schweigen zu eigen und beugten sich nicht.

Warum habt ihr mir nicht vertraut?, fragte Rin die Menschen. Die Riesen hatten keine Macht, euch etwas anzutun. Aber nun, da ihr ihnen die Macht dazu gegeben habt, werden sie niemals aufhören, über euch zu herrschen. Jetzt wird über euch kommen, was ihr gefürchtet habt, und wovor ihr euch versteckt habt, das wird euch einholen. Stürme werden über euch gehen, über die Länder und durch eure Reihen und durch eure Herzen, und die Nächte werden länger werden und kälter und sie werden euch nicht Wohltat sein, sondern euch Grauen und Albträume bringen. Baut euch aus dem Holz, das ihr geschlagen habt, obwohl ihr doch Wärme und Schutz und Nahrung hattet, Flöße und Boote und verlasst dieses Land.

Als Rin die Menschen verbannte, da fragten sie: Wohin schickst du uns?, und auch sie weinten, denn nun erkannten sie, was sie verspielt hatten.

Dorthin, sagte er, ans andere Ende der Welt.

Dürfen wir zurückkommen?, fragten sie. Irgendwann, jetzt oder bald oder am Ende der Zeiten?

Da gab er denen, die die Gabe der Liebe und das Geschenk der Freude verachtet hatten, die Gabe der Sehnsucht, als Schmerz und als Hoffnung.

Allein diese Sehnsucht, sagte Rin, wird euch mit Rinland verbinden. Und wenn sie stark genug ist, wird sie euch hierhin zurückbringen. Wenn eure Hoffnung größer ist als die Angst und größer als der Zweifel, der kommen wird, wenn die Erinnerung verblasst, dann wird die Sehnsucht euch über die Brücke führen können, die ich bauen werde. Denn das verspreche ich euch: Ich werde eine Brücke errichten, die über das große Meer führen wird. Aber es wird eine schmale Brücke sein, hoch über dem tiefen Wasser, und wer nicht genug vertraut und wankt, der wird hinabstürzen und ertrinken.

Zu den Tieren sagte er: Geht mit ihnen, als Erinnerung an das, was war, als Verheißung an das, was einmal sein wird. Dies sei euer Trost: Ich habe euch aus Wasser gemacht, und so seid ihr immer verbunden mit mir und den Tränen, die ich geweint habe und weinen werde.

Zu den Riesen sagte er: Ich schicke euch fort, übers Meer.

Da ist kein Meer, widersprachen sie, und in ihren Augen funkelte das Licht der Sterne.

Ich schicke euch fort, übers Meer, wiederholte Rin, mit der ganzen Kraft, die ich euch gegeben habe, und der großen Macht, die ihr euch genommen habt, die ihr die Hüter sein solltet über alles. Nur wer sich beugt vor meiner Kraft und vor meiner Macht, die größer sind als euer Verstand, darf diesen Ort je wieder betreten.

Das wird niemals geschehen, sagten die Riesen voller Stolz, aber Rin lächelte traurig und sagte nichts mehr.

Und Rin weinte, und seine Tränen heilten die zerstörten Gärten und Wälder. Bäche flossen durch die Täler und schwollen an und trugen die Verbannten mit ihren Schiffen fort, zu einem anderen, blasseren Land am Ende der Welt. Rins Tränen flossen weiter, und ein Meer überflutete die Erde und wurde sehr groß und sehr tief, so dass niemand zu der Insel gelangen konnte, wo Rin wohnte. Er machte Riffe und gefährliche Strömungen, und diejenigen, die eigenmächtig zurückkehren wollten, zerschellten mitsamt ihren Schiffen.

Die Riesen dagegen schwammen und vertrauten sich dem Wasser an, mit nichts als ihrer übermenschlichen Kraft, und durchmaßen die Wellen, ohne müde zu werden, und gingen dort, am Ende der Welt, an Land, wo sie ihre Herrschaft errichteten, ohne je zurückzublicken.

Die weiße Möwe

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