Читать книгу Ein Häufchen Glück - Lenja Uhrich - Страница 3
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ie Badezimmertür wurde zugeschmissen und die Kleider sorgsam auf den Boden verstreut. Die zwei Meter zum Wäschekorb waren so früh am Morgen einfach nicht zu schaffen. Sie waren auch um zwölf oder abends zu mühsam, aber nun ja, Mutter war ja eh gerade am Putzen.
Julia befüllte erst einmal die Wanne mit einer halben Flasche Badeschaum und heißem Wasser, steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und quälte ihr Trommelfell zum tausendsten Mal mit dem Song ‚Suffer’ (dt. leiden).
Vor fünf Jahren hatte Ihr Vater die ganze Familie sitzen gelassen. War mit zwei Koffern, dem Auto und einer blonden Bankangestellten abgehauen. Ihre Mutter, der kleine Luka und sie mussten sich von da an alleine auf die Nerven gehen. Seine Plattensammlung war die kümmerliche Erinnerung an seine Existenz. Aber Julia liebte je einzelne von ihnen. Die Sammlung bestand unter anderem aus Alben von The Clash, Bad Religion, Ramones und Blondie. Das war natürlich eine Ironie, die zum Himmel schrie. Aber Julia war mit dieser Musik aufgewachsen und liebte sie. Aus dieser vorgeprägten Kindheit hatte sie einen wilden und punkigen Musikgeschmack entwickelt. Sie konnte kein Verständnis für ihre Klassenkamerden aufbringen, die bei Rihanna, Justin Bieber oder One Direction dahinschmolzen. Auf ihrem I-Pod oder Smartphone suchte man nach dem üblichen Teeniegesülze vergeblich. Da hätte sie lieber komplett auf Musik verzichtet.
Aber nicht nur bei den alten LPs von ihrem Vater konnte sie denken und abschalten. Genauso entpannend war für sie The Prodigy, Beastie Boys oder Extreme. Möglichst schön laut, damit die Gehörwindungen auch noch lange etwas davon hatten. Ihre Mutter behauptete immer, dass die Musik aggressiv und nervös machen würde. Julia bestand darauf, die wären für ihre gute Laune verantwortlich.
Als sie nach fast einer Stunde so gut es ging das Badezimmer unter Wasser gesetzt hatte, ihre Haut sich fast vom Körper pellte und Dampfschwaden keine Sicht weiter als drei Zentimeter zuließen, stieg sie aus der Wanne. Das Badewasser blieb da, wo es war, das triefendnasse Handtuch gesellte sich auf dem Boden zu Shorts, Socken und T-Shirt und der dichte Dunst durfte seine Freiheit nur durch ein geschlossenes Fenster genießen.
Mit einem akzeptablen Wochenendgefühl steuerte Julia auf die Küche zu. Das Baden hatte sie hungrig gemacht und ihre Mutter saugte immer noch. Es blieb ihr also noch ein wenig Zeit, bis das Gemecker über die Klamotten und die Wanne ins Rollen kommen würde.