Читать книгу Ein Häufchen Glück - Lenja Uhrich - Страница 5
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ulia verteilte etwas Gel in ihren kurzen, noch nassen Haaren und strubbelte sie durch, bis sie schön unordentlich und wild abstanden. Dann klopfte es an der Zimmertür.
„Jule, spielst du was mit mir?“ Ihr sechsjähriger Bruder Luka stand hinter ihr. Luka war der Einzige, der sie Jule nennen durfte. Er hatte immer schon Schwierigkeiten gehabt, ihren Namen richtig auszusprechen und vor einiger Zeit hatten ihre Mutter und sie ihn nicht mehr korrigiert. Sie drehte sich vom Spiegel weg, lächelte und sah in seine riesigen, blauen Kulleraugen. Sie liebte ihren kleinen Bruder. Das war schon immer so gewesen. Für ihn hatte sie immer Zeit. Passte auf ihn auf, wenn sich ihre Mutter in einen neuen Kurs verliebt hatte und selbst die mieseste Stimmung oder Stress in der Schule konnten sie nicht davon abhalten, sich mit ihm zu beschäftigen. Julia fand, dass der kleine Kerl schon genug durchmachen musste. Mit zwei Weibern im Haus, ohne Vater.
„Hey, kleiner Hosenscheißer. Ähem, ich meinte Luka, auf was hast du denn Lust?“ Das musste sie sich schleunigst abgewöhnen. Ihre Mutter kollabierte jedes Mal, wenn sie ihn so ansprach. Und das war einer der wenigen Punkte, in denen Julia auch Verständnis zeigte. Insbesondere, weil Luka schon anfing, andere Kinder “Hosenscheißer“ zu nennen.
„Die Schlümpfe!!!“ rief er und warf seine kleinen Ärmchen in die Luft.
„Du möchtest an die Playstation?“ Julia war es sehr wichtig, seine Sprache zu fördern und ihm beizubringen, sich besser auszudrücken.
„Ja, spiel mit mir die Schlümpfe. Bitte.“ Sie wollte ihn einfach nur drücken, sich mit ihm vor den Fernseher hocken und sein Lieblingsspiel zocken. Sie empfand das Spiel trotz der FSK 0 Angabe noch zu schwer und schnell für ihn, aber Luka liebte es. Es war ein “Jump and Run”- Spiel und wenn er mal nicht weiter wusste oder seine Schwester an der Reihe war, schaute er mit Begeisterung den kleinen, blauen Männchen zu. Mittlerweile hatten sie ‚Die Schlümpfe’ schon sooft gespielt, dass Julia den Ton abdrehen musste, sonst würde ihr die Melodie noch den letzten Verstand kosten.
Es fiel ihr immer sehr schwer, ihrem Bruder etwas abschlagen zu müssen. Aber manchmal gewann die Verantwortung und Verstand über ihre Teenager-Trotzeinstellung.
„Hör mal, mein Süßer. Heute habe ich einen schulfreien Samstag, da habe ich den ganzen Tag Zeit für dich. Und im Moment ist so ein schönes Wetter. Sollen wir nicht zuerst auf den Spielplatz gehen?“ Die Ärmchen fielen schlaff herunter, sein strahlendes Gesicht verwandelte sich in ein Regengesicht. Schnell sagte sie: „Und später holen wir uns ein Eis.“ Schwupp, die Sonne ging wieder auf.