Читать книгу Wackernells Visionen - Leo Hillebrand - Страница 7
Einleitung
ОглавлениеAm Anfang waltete der Zufall: Ich war bei meiner Arbeit für das Dorfbuch Nals – Geschichte und Geschichten auf den Namen Norbert Wackernell gestoßen. Ich betreute das Thema Landwirtschaft, und es war der Meraner Ingenieur, der Mitte der 1950er-Jahre in Nals für eine der ersten großen Beregnungsanlagen Südtirols verantwortlich zeichnete. Nahezu 60 Jahre nach ihrer Fertigstellung rief ich im Rahmen meiner Recherchen ein Studio Wackernell in Bozen an, um nach so langer Zeit nachzufragen, ob es denn noch Unterlagen zu dieser Anlage gebe. Am Telefon antwortete mir ein resolut wirkender Mann mit kräftiger Stimme. Erst war ich etwas verwirrt, doch dann begriff ich, dass es sich nicht nur um das richtige Studio handelte, sondern ich den Entwickler der Nalser Anlage persönlich am Apparat hatte. Das war mein erster Kontakt mit Norbert Wackernell. Da das Gespräch gleichermaßen interessant wie ergiebig war und mir sein Name in der Folge noch öfters unterkam, ergab es sich, für die Rubrik „Geschichte am Freitag“ in der Neuen Südtiroler Tageszeitung eine biografische Skizze von ihm zu verfassen. Es folgten zwei ausführliche Gespräche im Februar und März 2017 und der entsprechende Zeitungsartikel.1 Dabei wurde mir erst bewusst, wie facettenreich und vielfältig Leben und Werk dieses Ingenieurs waren, wie zahlreich seine Projekte, an denen er in der einen oder anderen Form beteiligt war. Weil das Genre Biografie zu den Schwerpunkten meines Curriculums zählt, war der Gedanke naheliegend, dieses gleichermaßen beruflich wie privat bemerkenswerte Leben in Buchform aufzuarbeiten. Wenn das Leben von Norbert Wackernell von objektivem Interesse ist, dann in erster Linie, weil es in vielerlei Hinsicht das Klischee vom Leben des typischen Südtirolers der Zwischen- und Nachkriegszeit kontrastiert: Er stammt nicht aus bäuerlichem Milieu, er hatte nicht zahlreiche Geschwister, er litt nicht unter der Schule im Faschismus, er musste sich nicht mit abstrakten Berufswünschen zufriedengeben, weil die Eltern bildungsfern waren oder sich die Ausbildung der Kinder schlichtweg nicht leisten konnten. Der 1927 geborene Wackernell steht vielmehr für ein Lebensmodell, das in Südtirol erst viele Jahrzehnte später durch den anhaltenden Wirtschaftsaufschwung, die Liberalisierung und Individualisierung der Gesellschaft Verbreitung fand. Auch der Homo Faber Wackernell stellt ein interessantes Modell dar. Nicht so sehr, weil er an zahlreichen bedeutenden Projekten teilnahm und am Ende seiner Tätigkeit als Ingenieur zu den bekannteren Vertretern seiner Zunft zählte. Bemerkenswert ist seine berufliche Laufbahn vielmehr, weil er sich nicht von Beginn auf einen Bereich konzentrierte und dann nur mehr Gewinnmaximierung betrieb. Ob als Lehrer, als Planer so disparater Dinge wie Kegelbahnen, Langlaufloipen oder Laufställe, als Projektant zum Teil kühner Vorhaben –, immer standen die Bereitschaft, Neues aufzunehmen, Motivation, Interesse, ja die Neugierde im Zentrum. Und das bis ins hohe Alter! Mit diesem Buch liegt eine Lebensbeschreibung vor, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern das Typische, Exemplarische herausheben möchte. Methodisch basiert die Arbeit in erster Linie auf insgesamt zehn ausführlichen Interviews, die ich im Spätwinter 2017 bzw. zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 mit Wackernell führte. Zusätzlich wertete ich die von ihm publizierten Texte, vor allem in der Tageszeitung Dolomiten, in der Kulturzeitschrift Der Schlern und im Fachblatt Der Landwirt aus. Er stellte mir außerdem eine Reihe von Manuskripten aus seinem Archiv zur Verfügung, in erster Linie zur Südtiroler Landesgeschichte. Das vielleicht interessanteste Material sind die Mappen mit den technischen Berichten zu verschiedenen Projekten, wobei gerade jene Studien am interessantesten waren, die nicht umgesetzt wurden.
Im Rahmen dieses Buchprojektes erhielt ich Unterstützung von verschiedener Seite: Mein Dank geht an Felix Obermair und Thomas Kager von der Edition Raetia, die diese Publikation durch ihr Engagement ermöglicht haben. Außerdem danke ich den Wackernell-Töchtern Prisca, Lioba und Itta. Sie haben das Entstehen dieses Buches nicht nur wohlwollend begleitet, sondern auch den umfangreichen Fotobestand der Familie zur Verfügung gestellt. Abschließend danke ich der Südtiroler Landesregierung, der Stiftung Südtiroler Sparkasse sowie der Autonomen Region Trentino-Südtirol für die finanzielle Unterstützung des Projektes.