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Wronski hatte niemals ein Familienleben gekannt. Seine Mutter war in ihrer Jugend eine glänzende Weltdame gewesen und hatte während ihrer Ehe, besonders aber nachher, mancherlei Liebesverhältnisse gehabt, die der gesamten feineren Gesellschaft bekannt waren. Seinen Vater hatte er kaum gekannt; er war im Pagenkorps erzogen worden.

Nachdem er das Korps als ein sehr junger, glänzender Leutnant verlassen hatte, geriet er sogleich in die Kreise der reichen Offiziere Petersburgs hinein. Seine Liebesgeschichten spielten alle außerhalb der vornehmen Petersburger Gesellschaft, obgleich er ab und zu auch dort verkehrte.

In Moskau lernte er nach dem üppigen, rohen Petersburger Leben zum ersten Male den Reiz des Umgangs mit einem liebenswürdigen, unschuldigen Mädchen aus guter Familie kennen, das ihn liebgewonnen hatte. Es kam ihm nicht im entferntesten in den Sinn, daß in seinem Verhältnisse zu Kitty irgend etwas Schlechtes liegen könne. Auf den Bällen tanzte er vorzugsweise mit ihr; er verkehrte im Hause ihrer Eltern. Er redete mit ihr so, wie man gewöhnlich in Gesellschaft redet, allerlei unbedeutendes Zeug; aber unwillkürlich verlieh er diesem unbedeutenden Zeuge für Kitty einen bedeutsamen Unterton. Obwohl er nichts zu ihr sagte, was er nicht hätte vor aller Ohren sagen können, fühlte er doch, daß sie immer mehr und mehr in eine gewisse Abhängigkeit von ihm hineingeriet, und je deutlicher er das merkte, um so angenehmer war seine Empfindung dabei und um so zärtlicher wurde sein Gefühl für sie. Er wußte nicht, daß eine Handlungsweise wie die seinige Kitty gegenüber einen bestimmten Namen trägt, daß das, ohne die Absicht, sie zu heiraten, eine Betörung junger Mädchen ist und daß solche Betörung zu den schlechten Streichen gehört, wie sie bei vornehmen jungen Männern wie ihm nur zu gewöhnlich sind. Er hatte die Vorstellung, als sei er der erste, der dieses Vergnügen entdeckt habe, und freute sich dieser seiner Entdeckung.

Hätte er hören können, was Kittys Eltern an diesem Abend miteinander sprachen, hätte er erfahren, wie die Sache vom Standpunkte der Familie aus betrachtet wurde, daß er Kitty unglücklich machen würde, wenn er sie nicht heiratete, so hätte er sich höchlich gewundert und es nicht geglaubt. Er konnte nicht glauben, daß das, was ihm und namentlich auch ihr ein so großes, schönes Vergnügen bereitete, etwas Schlechtes sei. Und noch weniger hätte er glauben können, daß es seine Pflicht sei, sie zu heiraten.

Daß er sich verheiraten werde, war ihm überhaupt noch nie als möglich erschienen. Das Familienleben hatte für ihn nichts Verlockendes; ja, mit dem Begriffe der Familie und besonders des Ehemannes verband er, in Übereinstimmung mit der in der Junggesellenwelt, in der er lebte, allgemein üblichen Anschauung, die Vorstellung von etwas Fremdartigem, Feindlichem und namentlich von etwas Lächerlichem. Aber obgleich Wronski nicht die geringste Ahnung von dem Inhalte des elterlichen Gespräches hatte, so fühlte er doch, als er an diesem Abende von Schtscherbazkis wegging, daß das geheime seelische Band, das zwischen ihm und Kitty vorhanden war, durch den heutigen Abend so sehr an Festigkeit zugenommen habe, daß er etwas unternehmen müsse. Aber was er unternehmen könne oder müsse, das vermochte er sich nicht zu sagen.

›Das ist ja eben das Reizvolle‹, dachte er, als er auf dem Heimwege von Schtscherbazkis begriffen war und, wie immer, von ihnen ein angenehmes Gefühl der Reinheit und Frische mitnahm (das allerdings zum Teil auch davon herrührte, daß er den ganzen Abend über nicht geraucht hatte) und zugleich ein ihm neues Gefühl der Rührung über Kittys Liebe zu ihm, › ... das ist ja eben das Reizvolle, daß weder von meiner noch von ihrer Seite bis jetzt etwas ausgesprochen ist und wir einander doch bei diesem geheimen Gespräche der Blicke und des Stimmklanges verstanden haben; und auf diese Art hat sie mir heute deutlicher als sonst je gesagt, daß sie mich liebt. Und wie lieb, wie schlicht und wie zutraulich kam es heraus! Ich fühle, daß ich ein Herz habe und daß viel Gutes in mir lebt. O diese lieben, verliebten Augen, als sie sagte: »und sehr«! – Na, und was ist dabei? Nichts, gar nichts. Mir macht es Vergnügen und ihr auch.‹ Und nun überlegte er, wo er wohl diesen Abend beschließen könne.

Er ging in Gedanken die Orte durch, wo er hingehen könnte. ›In den Klub? Eine Partie Besik und eine Flasche Champagner mit Ignatow? Nein, dahin mag ich nicht. Ins Château des fleurs? Da träfe ich Oblonski. Aber Couplets und Cancan? Nein, das ist mir jetzt zuwider geworden. Gerade darum verkehre ich so gern bei Schtscherbazkis, weil ich da selbst ein besserer Mensch werde. Ich will nach Hause fahren!‹ Er ging im Hotel Dussot geradenwegs auf sein Zimmer, ließ sich ein Abendessen dorthin bringen, kleidete sich dann aus und hatte den Kopf kaum auf das Kissen gelegt, als er auch schon in festen Schlaf versank.

Anna Karenina | Krieg und Frieden

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