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Prolog:

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Es gibt Geschichten und es gibt Geschichten. Man braucht nicht viele Zutaten für eine Story und es ist nur eine Frage der Zubereitung, um sie schmackhaft zu machen.

So bekommt im Buchhandel jeder das Seine!

Vampirromanliebhaberinnen werden zum Beispiel darauf beharren, dass ihr Held schön und bissig ist und natürlich auch den Gentleman rauskehrt, wobei die berechtigte Frage eigentlich nicht weit hergeholt ist, warum ein Vampir-Gentleman die vor morbider Lust ganz zappeligen Tanten ungestraft aus dem Leben reißen darf und andere, gewöhnliche Gentlemen, sich ans Knigge-Protokoll halten müssen.

Sekretärinnen wiederum, die heimlich unter ihrem Schreibtisch, oder, wie immer öfter zu beobachten, ganz offen in der U-Bahn Liebesromane lesen, verlangen nach einem Cover mit geprägter Goldschrift über leicht bekleideten, sich stürmisch liebenden Protagonisten, als Hinweis auf in Bälde erfüllte Liebe und als Hoffnung erzeugende Stimulanz.

Dann gibt´s noch die etwas stärkeren Leser/innen, die über genügend Muskelkraft verfügen, um schwere, siebenhundertseitige Trilogien von netten Zwergen in heikler Mission stundenlang in Händen halten zu können, ohne von der langen, einseitigen Belastung eine Sehnenscheidenentzündung zu bekommen.

Und dann wären da noch die Liebhaber historischer Romane, in denen es historisch, aber nicht historisch korrekt zugehen soll. Ganz eigenes Genre!

Weiters auf den Büchertischen:

Vorkriegs/Nachkriegs-Eltern-Kind-Problemgeschichten/DDR

Ost-West-Gefälleanalyse-Familienepen/DDR

Abnehmratgeber, Rauchentwöhnratgeber, Ratgeber-Ratgeber

Männer-Erkenn-Fibeln für Frauen

Frauen-Versteh-Handbücher für Männer

Schwulen/Lesben-Polit-Problemromane/DDR

Ich glaube, ich habe nichts ausgelassen.

Na dann! Probieren wir´s mal mit Vampir:

Der dunkle Fremde mit dem gepflegten Dreitagebart, hypnotisierendem Moschusduft und trainierter Bauchmuskulatur unter anthrazitfarbenem Hemd, dessen oberste zwei Knöpfe offenstanden und solcherart einen Blick auf die sinnliche Brustbehaarung freigaben, beugte sich über Vanessa.

»Tu´s nicht! Oh bitte, tu´s!«, gab sie von sich und er schenkte ihr ewiges Leben, als das Blut des Fürsten der Finsternis sich mit dem der Sekretärin mischte …

Ich versteh das nicht! Wieso fällt mir sowas nie ein? Längst hätte ich mich auf das umsatzsichere Untoten-Terrain begeben, aber ich komm auf sowas einfach nicht!

Oder:

Der dunkle Fremde mit dem gepflegten Dreitagebart, hypnotisierendem Moschusduft und trainierter Bauchmuskulatur unter anthrazitfarbenem Hemd, dessen oberste zwei Knöpfe offenstanden und solcherart einen Blick auf die sinnliche Brustbehaarung freigaben, beugte sich über Lisa.

»Tu´s nicht! Oh bitte, tu´s!«, hauchte sie, als sie ihn wegstieß, um ihn im nächsten Moment besser an sich reißen zu können und ihm zu geben, was nur eine Frau einem Mann geben kann …

Liebesromane! Ist das denn wirklich so schwierig? Bin ich denn ein solcher Miesepeter, dass ich den Lesern die einfachsten Wünsche zu erfüllen nicht bereit bin?

Oder ganz was anderes:

Der dunkle Fremde mit dem gepflegten Dreitagebart, hypnotisierendem Moschusduft und trainierter Bauchmuskulatur unter anthrazitfarbenem Hemd, dessen oberste zwei Knöpfe offenstanden und solcherart einen Blick auf die sinnliche Brustbehaarung freigaben, beugte sich über die tapfere Zwergin aus Trulla.

»Tu´s nicht! Oh bitte, tu´s!«, gab die Zwergin von sich und er brach den vergifteten Pfeil, zog ihn seiner kleinen Verehrerin aus der Schulter und verarztete die Wunde …

Warum nicht Zwergen-Fantasy? Wenn´s die Menschen halt so gern lesen! Gib ihnen Zwergengeschichten aus Trulla. Doch scheinbar besitze ich leider nicht die nötige charakterliche Größe zu solchem Werk.

Also probieren wir´s mal so:

Der Mann mit den Ei-Resten im Vollbart und den durchlöcherten Frotteesocken schlug den Fisch immer wieder auf das Küchenregal. Die Schuppen flogen wild durch den Raum. Die pensionierte Krankenschwester war besorgt – um ihre Einrichtung, um die Tassen, um den Fisch …

»Tu´s nicht! Oh bitte, tu´s!«, flehte sie.

Der Mann hielt inne. Völlig perplex starrte er sie an:

»Ja was jetzt. Ja oder nein.« Er steckte den Fisch wieder in das Futteral an seinem Gürtel.

»Menschenskind, entscheid dich mal endlich …!«

Ich drehe an den Reglern, verstelle die Parameter und mache aus einer einfachen, verständlichen Geschichte komplizierte, nervenzehrende Lektüre.

Aber hier die gute Nachricht: Wenn sie´s bis hierher geschafft haben, wird ihnen der Rest mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gefallen. Trotzdem erwarte ich bereits freudig die unvermeidbaren Einwände der Leser:

Muss das denn sein, eine Geschichte in der Geschichte? Ist es nicht völlig verkehrt, dass die Protagonistin, gerade mal als strahlende Heldin des Volkes aufgebaut, so mir nichts, dir nichts … ?

Frau mit Schwanz, oh mein Gott, kann man den Kindern doch nicht zu lesen geben!

Nihilistisch/narzisstischer Protagonist, buaah!

Schreiben als Therapie - versuchen sie´s auch! Es kann zwar dauern, aber irgendwann, eines Tages, ist es ihnen sowas von wurscht, was andere über ihr Werk denken – dann sind sie zwar nicht geheilt, aber irgendwie, ich weiß auch nicht …, keine Ahnung …, man fühlt sich einfach besser – oder?

Nein, auch nicht wirklich.

Wozu sind Therapien eigentlich nochmal gut?

ACHTUNG:

Jegliche Ähnlichkeit zwischen der fiktiven Figur Mario Carponi und einem u.a. wegen diverser Straftaten verurteilten italienischen Ex-Premier sind zufällig und nicht beabsichtigt. Es ist jedoch nicht verboten, privat – sozusagen zum eigenen Vergnügen – hier Parallelen zu sehen.


Das Mädchen mit dem Fisch

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