Читать книгу Anna Karenina, 1. Band - Лев Толстой, Лев Николаевич Толстой, Leo Tolstoy - Страница 24
Erster Teil
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ОглавлениеWronskiy tanzte mit Kity mehrere Touren. Nach Beendigung des Walzers ging diese zu ihrer Mutter und kaum hatte sie einige Worte mit der Gräfin Nordstone gewechselt, als Wronskiy ihr schon folgte, um für die erste Quadrille zu bitten.
Während der Dauer dieses Tanzes wurde kein Gespräch von Bedeutung gepflogen, die Unterhaltung drehte sich fast ununterbrochen bald um die Korsunskiy, Mann und Frau, die er sehr ergötzlich zu schildern wußte, als gutmütige vierzigjährige Kinder, bald um ein projektiertes Gesellschaftstheater und nur einmal wurde ihr die Unterhaltung empfindlich, als er bezüglich Lewins frug, ob dieser noch anwesend sei und hinzufügte, derselbe habe ihm sehr gefallen.
Kity hatte sich indessen auch nicht viel von der Quadrille versprochen; sie sehnte sich vielmehr mit ganzem Herzen nach der Mazurka und in dieser, meinte sie, müsse sich alles entscheiden.
Daß er sie während der Quadrille nicht für die Mazurka engagiert hatte, beunruhigte sie nicht, denn sie war überzeugt, sie würde dieselbe ebenso mit ihm tanzen, wie auf den früheren Bällen, und schlug mindestens fünf Herren den Tanz aus unter dem Vorgeben, sie tanze ihn schon.
Der ganze Ball bis zu der letzten Quadrille war für Kity ein zauberhaftes Traumgesicht anmutiger Farben, Töne und Bewegungen. Sie tanzte nur dann nicht, wenn sie zu sehr ermüdet war, und um Erholung bat. Als sie jedoch die letzte Quadrille mit einem langweiligen jungen Manne tanzte, dem sie nicht hatte absagen können, bildete ihr vis-a-vis Wronskiy mit Anna Karenina.
Sie hatte Anna nicht wiedergesehen seit deren Erscheinen hier und jetzt zeigte sich diese wieder völlig anders und unerwartet. Sie entdeckte in ihr, die ihr selbst so gut bekannt war, den Zug der Eitelkeit auf Erfolge. Sie sah, wie Anna trunken war von dem Wein des durch sie erweckten Festrausches.
Sie kannte dieses Gefühl und kannte seine Merkmale: sie gewahrte diese Merkmale an Anna; sie sah den bebenden, lohenden Glanz in deren Augen, das Lächeln der Seligkeit und Verzückung, das unwillkürlich ihre Lippen kräuselte, die sichere Grazie, Wahrheit und Eleganz ihrer Bewegungen.
„Wer lebt in ihr?“ frug sie sich selbst. „Sind es alle, oder ist es einer?“ Und ohne ihrem jungen Tänzer beizustehen, der sich abquälte in der Unterhaltung während des Tanzes, den Faden, den er verloren, wiederzufinden, sich äußerlich aber den lustig schallenden Kommandos Korsunskiys unterordnend, der bald alles in grand rond oder in chaine verwandeln ließ, beobachtete sie, und ihr Herz wurde ihr schwerer und schwerer.
„Nein, das ist nicht die Verehrung des Haufens, welche sie trunken gemacht hat, das ist die Verzückung über einen Einzelnen. Und dieser Eine, wer war es? Sollte Er selbst es sein?“
Jedesmal, wenn er mit ihr sprach, glänzte ein freudiges Funkeln auf in ihren Augen, kräuselte ein Lächeln des Glückes ihre roten Lippen.
Sie schien sich zu bemühen, ihrerseits diese Kennzeichen der Freude nicht hervortreten zu lassen, aber sie erschienen von selbst auf ihrem Gesicht. Und wie verhielt er sich dazu?
Kity blickte nach ihm hin und erschrak. Das, was ihr so klar auf dem Spiegel des Gesichts Annas erschienen war, das gewahrte sie jetzt auch auf seinen Zügen. Wohin war seine stets ruhige, feste Haltung, der unbewegt stoische Ausdruck seines Gesichts gelangt? Nein, jetzt, jedesmal, wenn er mit ihr sprach, nickte ihr sein Haupt leise zu, als wünsche es zu fallen vor ihr, und in seinem Blick lag ein Ausdruck der Ergebenheit und zugleich der Besorgnis „ich will dich nicht kränken“, es war, als spräche sein Blick stets „aber retten möchte ich mich vor dir, ohne daß ich weiß, wie“.
Auf seinen Zügen lag ein Ausdruck, wie sie ihn noch niemals zuvor an ihm wahrgenommen hatte.
Sie sprachen beide von gemeinsamen Bekannten, führten die denkbar langweiligste Unterhaltung, und dennoch schien es Kity, als wenn jedes Wort, das von ihnen gesprochen wurde, nicht nur ihr Schicksal besiegelte, sondern auch das jener beiden.
Seltsam, daß, obwohl sie in der That nur davon sprachen, wie lächerlich Iwan Iwanowitsch mit seinem Französischen sei, oder daß man für die kleine Helene eine bessere Partie suchen müsse, ihre Worte dennoch für sie selbst eine gewisse Bedeutung hatten, und sie dies ganz ebenso fühlten wie Kity.
Der ganze Ball, die ganze Umgebung, alles hüllte sich in Nebel in der Seele Kitys, und nur die strenge Schule der Erziehung die sie durchlaufen hatte, erhielt sie aufrecht und ließ sie das thun, was man von ihr forderte, das heißt, tanzen, auf Fragen antworten, reden, ja selbst lächeln.
Vor dem Beginn der Mazurka indessen, als man schon anfing die Stühle zu stellen und einige Paare sich aus den kleinen Räumen nach dem großen Saale bewegten, überkam Kity ein Augenblick der Verzweiflung und des Schreckens.
Sie hatte fünf Tänzern abgesagt und sollte jetzt die Mazurka gar nicht tanzen. Es war auch keine Hoffnung mehr, daß man sie noch engagierte, weil sie einen allzugroßen Erfolg in der Gesellschaft davongetragen hatte, und deshalb niemand in den Kopf kommen konnte, daß sie bis jetzt noch nicht engagiert sei. Man mußte also Mama sagen, daß man sich unwohl fühle und nach Haus fahren, dazu aber mangelte ihr die Kraft, sie fühlte sich gebrochen.
Sie begab sich nach der Stille eines kleinen Nebenraumes und sank hier in einen Lehnsessel. Der luftige Rock des Kleides hob sich wie eine Wolke um ihre zarte Taille; die eine unbekleidete, schmächtige und zarte Mädchenhand kraftlos herabgesunken, verschwand in den Falten der rosenfarbenen Tunika, in der anderen Hand hielt sie den Fächer und fächelte sich mit schnellen heftigen Bewegungen das glühende Antlitz.
Aber mochte sie auch dem Schmetterling gleichen, der sich soeben im Grase niederließ und im Begriff ist, die Flügel wieder zu recken und weiterzuflattern – eine furchtbare Verzweiflung lastete ihr auf dem Herzen.
„Aber vielleicht kann ich mich noch irren, vielleicht verhält es sich gar nicht so,“ dachte sie und stellte sich nochmals alles im Geiste vor, was sie gesehen hatte.
„Aber Kity, was ist denn das?“ frug die Gräfin Nordstone, die unhörbar auf dem Teppich zu ihr herangetreten war. „Ich verstehe das nicht!“
Kitys Unterlippe begann zu zucken; das Mädchen erhob sich schnell.
„Kity, tanzest du die Mazurka nicht?“
„Nein, nein,“ antwortete Kity mit einer Stimme, in welcher Thränen zitterten.
„Er hatte sie in meiner Gegenwart um die Mazurka gebeten,“ sagte die Gräfin Nordstone, in der Annahme, Kity werde wohl verstehen, wer Er und Sie sei. „Sie hat aber geantwortet, ob er denn nicht mit der jungen Fürstin Schtscherbazkaja die Mazurka tanzte!“
„O, mir ist alles gleichgültig,“ versetzte Kity.
Niemand als sie selbst verstand ihre Lage, niemand wußte, daß sie gestern einen Mann den sie vielleicht liebte, von sich gewiesen, weil sie einem anderen vertraut hatte.
Die Gräfin Nordstone fand Korsunskiy mit dem sie eine Mazurka getanzt hatte und befahl ihm Kity zu engagieren.
Kity tanzte im ersten Paar und zu ihrem Glück brauchte sie hier nicht zu reden, da Korsunskiy die ganze Zeit über hin- und herlief und von seiner Eigenschaft als Herr des Balles Gebrauch machte. Wronskiy und Anna befanden sich ihr ziemlich gegenüber.
Sie beobachtete beide mit ihren scharfen Augen, sah sie nahe zusammen als sie Paare bildeten und je länger sie sie beobachtete, umsomehr überzeugte sie sich, daß ihr Unglück vollkommen sei.
Sie sah, wie jene beiden sich völlig allein fühlten inmitten des überfüllten Saales und auf dem Gesicht Wronskiys, welches stets so fest und unabhängig erschien, gewahrte sie jenen sie verwirrenden Ausdruck der Selbstverlorenheit und Ergebung, welcher eher dem Gesichtsausdruck eines klugen Hundes ähnlich war, der sich einer bösen That bewußt ist.
Anna lächelte und ihr Lächeln pflanzte sich auf ihn über. Sie wurde nachdenklich, da wurde er ernst. Eine fast übernatürliche Kraft hielt Kitys Augen auf das Gesicht Annas gerichtet.
Diese war verführerisch in ihrem einfachen, schwarzen Kleid; verführerisch waren ihre vollen Arme mit den Bracelets, reizend der kräftige Hals mit der Perlenschnur, reizend die sich ringelnden Locken der locker gewordenen Frisur, reizend die graziösen, leichten Bewegungen der kleinen Füße und Hände, reizend dieses schöne Gesicht mit seiner Lebhaftigkeit – aber es lag etwas Furchtbares und Hartes in ihrem Reiz. —
Kity beobachtete sie noch mehr als vorher, und im selben Maße stieg ihr Leid. Sie fühlte sich zerschmettert und ihr Gesicht verlieh dem Ausdruck. Als Wronskiy ihrer ansichtig wurde, während der Mazurka mit ihr zusammentreffend, erkannte er sie nicht sogleich – so sehr hatte sie sich verändert.
„Ein reizender Ball!“ sagte er zu ihr, um doch etwas zu sagen.
„Ja,“ versetzte Kity.
Inmitten der Mazurka, bei der Wiederholung einer Figur, die Korsunskiy ganz neu ausgedacht hatte, trat Anna in die Mitte eines Kreises, nahm zwei Kavaliere und rief eine Dame und Kity zu sich.
Kity blickte erschrocken auf sie, und näherte sich. Anna schaute sie mit den Augen blinzelnd an und lächelte, ihr die Hand drückend. Als sie aber bemerkte, daß Kitys Züge ihr nur mit dem Ausdruck der Verzweiflung und des Staunens antworteten, wandte sie sich ab von ihr und unterhielt sich heiter mit der anderen Dame.
„Ja, etwas Fremdes, Dämonisches und zugleich Verführerisches liegt in ihr,“ sagte Kity zu sich selbst.
Anna wollte nicht zum Essen bleiben, allein der Hausherr begann sie zu bitten.
„Genug nun, Anna Arkadjewna,“ sagte Korsunskiy, und nahm ihren entblößten Arm unter den Ärmel seines Frackes; „o welche Idee habe ich für den Cotillon! Un bijou!“ —
Er bewegte sich ein Stück weiter in dem Bestreben, sie mit sich zu ziehen. Der Hausherr lächelte billigend dazu.
„Nein; ich werde nicht bleiben,“ antwortete Anna lächelnd, aber trotz des Lächelns erkannten Korsunskiy wie der Hausherr an dem entschiedenen Tone, mit welchem sie antwortete, daß sie nicht bleiben werde.
„Nein, nein; ich habe in Moskau auf Eurem einen Balle schon mehr getanzt, als ich in Petersburg den ganzen Winter hindurch tanze,“ sagte Anna, auf den neben ihr stehenden Wronskiy blickend. „Ich muß mich vor der Rückreise noch erholen.“
„Fahrt Ihr entschieden morgen schon wieder weg?“ frug Wronskiy.
„Ja, ich denke,“ versetzte Anna, gleichsam wie in Verwunderung über die Verwegenheit seiner Frage; aber der nicht zu dämpfende, bebende Glanz ihrer Augen und ihres Lächelns versengten ihn, als sie dies sprach.
Anna Arkadjewna blieb nicht zum Essen da, sondern fuhr weg.