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KAPITEL 1: DIE KLEINE SCHLANGE.

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ANACONNY

Tierkomödie von Lewis Cowley

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Die Story:

Friedberg bei Augsburg, 2003: Der Medienkopist Hubert Reiner findet an einem Abend im Wald eine kleine Schlange, die unter einem Stein eingeklemmt ist. Er bringt sie zur befreundeten Tierärztin Lydia Heffner. Erst dort erfährt er, dass es ein Anakondababy ist. Er zieht sie auf.

Jahre später ist Conny, wie er sie nennt, in ganz Deutschland berühmt. Unzählige Besucher wollen Conny sehen. Auch der renommierte Schlangenforscher Dr. Paul Grünig kommt, um die Riesenschlange zu besuchen.

Sogar ein ungewöhnlicher Wanderzirkus taucht in Augsburg auf. Die einzige Attraktion ist die männliche Riesenschlange Ronny. Als die Direktorin Simona Zampelli auch Conny in ihr Programm aufnehmen will, sträubt sich Hubert zunächst. Doch als er erlebt, wie sich die beiden Riesenschlangen verstehen, sagt er doch zu.

Bald darauf werden die Schlangen stolze Eltern von 23 Kindern. Doch die Idylle wird schnell zerstört. Unbekannte töten Ronny und entführen ein Kind. Trotz intensiver Spurensuche bleibt die Polizei erfolglos. Erst Hubert erkennt mit Hilfe des Reporters Kurt Heffner, dem Bruder der Tierärztin, die Wahrheit, doch es ist zu spät, denn Hubert wird von Unbekannten überfallen. Conny spürt intuitiv, was passiert ist. Sie reißt aus und sucht ihr Herrchen. Kann sie ihn noch retten? Hubert forscht weiter und kommt dabei dem Mörder seiner Schwester Cornelia auf die Spur…

Es war ein kleines Haus, genau zwischen Augsburg und Friedberg. Dort wohnte abgeschieden ein jung wirkender Mann.

Es war Hubert Reiner.

Das Haus wirkte zerbrechlich, doch es war von einer sehr stabilen Substanz gebaut. Hubert hatte an alles gedacht. Vor vier Jahren hatte er das riesige Grundstück am Waldrand neben dem Wasserfall gekauft und mit Hilfe verschiedener Handwerker in ein Paradies verwandelt.

Strom holte er sich vom Generatorhäuschen, deren Maschinen vom Wasserfall angetrieben wurden. Er brauchte nur einen geringen Anteil davon. Den Rest schickte er mit Hilfe eines Einspeisezählers ins öffentliche Netz.

Auch mit dem Wasser hatte er eine geniale Idee entwickelt. Nur die Küchenspüle bezog Trinkwasser. Der Rest kam vom Wasserfall. Ein riesiger Wasserboiler, der isoliert in seinem Haus stand, heizte das Wasser elektrisch auf.

Auch mit dem Abwasser hatte er eine Idee. Alles floss in einen riesigen unterirdischen Behälter, den eine Ölfirma ursprünglich entsorgen wollte und der 200 m3 Wasser fasste. Hubert hatte einen Schwimmer eingebaut, der anzeigte, wann der Behälter voll sein würde. Dann bestellte er die Firma Stadler, die das Abwasser absaugte. Hubert zahlte immer bar.

Das Haus selbst wirkte zwar unscheinbar, doch es war schwerer einzunehmen als eine englische Festung aus dem Mittelalter. Statt eines Schlüssels benutzte er seine Hände, die sowohl seine Fingerabdrücke als auch seine Wärmestruktur in den Scanner gaben. Nur so ging die Tür auf, die zwar zerbrechlich wirkte, aber sogar einer Atombombe widerstehen konnte. Auch hatte er die Elemente der Natur fast in den Griff bekommen. Aber nur fast.

Heute hatte er einen Auftrag fertig. Eine große Menge DVD´s hatte er kopiert, nachdem er das Original fertiggestellt hatte. Natürlich musste er nicht alles per Hand machen, das besorgten seine Roboter, die er selbst gebaut und programmiert hatte.

Hubert saß gerade am Telefon.

„Die DVD´s sind schon fertig.“ sagte er. „Wann können Sie sie abholen?“

Zwei Stunden später tauchte ein Kleinlaster auf. Hubert öffnete die Tür und lud die DVD´s in den Wagen. Der Fahrer stieg aus und lachte.

„Sie sind immer noch der „Keinezeitverlierer-Typ.“ sagte er laut.

„Na, dann kommen Sie.“ gab Hubert zurück.

Kaum zehn Minuten waren vergangen, als die Datenträger eingeladen waren und Hubert die Rechnung und den Lieferschein dem Fahrer gab.

„Spätestens am Donnerstag, wie üblich.“ sagte der Mann, stieg in seinen Wagen und fuhr ab.

Hubert wusste, was das hieß. Heute war Freitag. Erst nächsten Donnerstag würde die Rechnung beglichen. Aber er wusste, dass die Filmgesellschaft Line*Cine (auf deutsch Unterhaltungs-Kino) sehr zuverlässig war und immer zahlte.

Kaum war der Wagen verschwunden, ging Hubert in sein Haus. Er machte noch Fotokopien, die am Montag abgeholt würden. Auch ein anderer Großauftrag einer Musikgesellschaft war jetzt dran. Hubert füllte sämtliche Spindeln mit CD-Rohlingen und machte sich an die Cover- und Labeldrucke, die von seiner Maschine geschnitten wurden.

Er stellte die Geräte auf Economy, damit sie nicht heiß liefen. Alle Geräte waren so programmiert, dass sie drei Minuten nach Beendigung auf Standby gingen, bzw. abschalteten. Die nächsten Aufträge liefen bereits.

Er atmete tief durch und seufzte:

“Schluss für heute.“

Er setzte sich auf den bequemen Stuhl, der mitten im Raum stand und schloss kurz die Augen. Dann öffnete er sie und sagte leise:

„Auf geht´s.“

In diesem Moment läutete sein Telefon. Er nahm ab.

"Firma Reiner." meldete er sich.

"Ich bin´s, Christoph Kramer."

"Hi Christoph." sagte Hubert. "Was verschafft mir die Ehre?"

Kramer war Inspektor der Wache, die genau gegenüber der Tierärztin Lydia Heffner lag, mit der Hubert seit vielen Jahren sehr befreundet war.

"Wir haben eine neue Spur bezüglich deiner Schwester." kam es zurück. "Könntest du morgen Vormittag zu mir auf´s Revier kommen?"

"Ja, kann ich." antwortete Hubert. "Ich werde so gegen 11 Uhr kommen, aber vorher werde ich Lydia besuchen."

"Wieso, hast du wieder ein Haustier?" fragte Christoph.

"Nein, eigentlich nicht." gestand Hubert. "Aber da euer Revier um die Ecke der Praxis ist, sollte ich doch vorher bei ihr auftauchen."

"Kannst du machen." sagte Christoph. "Also dann bis morgen."

Schon am nächsten Vormittag fuhr Hubert mit seinem Wagen nach Augsburg. An einem großen Altbauhaus hielt er an und stieg aus.

"Na, die wird sich freuen." dachte er sich.

Unten am Zaun war ein Schild befestigt. "Dr. LYDIA HEFFNER, TIERÄRZTIN" stand darauf. Er läutete an der Klingel. Schon öffnete sich die Tür. Er trat ein und meldete sich bei der Sprechstundenhilfe.

"Hallo, Herr Reiner." begrüßte sie ihn. "Haben Sie heute kein Haustier dabei?"

"Nein, ich bin aus einem anderen Grund da." sagte er. "Wo ist Lydia?"

"Sie behandelt gerade einen Hund." antwortete die Frau. "Sie wird gleich für Sie da sein."

Es dauerte tatsächlich nur ein paar Minuten, als eine bildhübsche Frau um die 50 heraustrat und einen Hund bei sich führte.

"Mich laust der Affe. Hubsi!" rief sie erfreut.

"Tag, Lydia!" begrüßte er seine beste Freundin. Beide fielen sich in die Arme.

"Wo kommst du denn her?" fragte sie.

"Von da." sagte Hubert und wies nach hinten.

"Und du willst sicher nach da." fuhr Lydia fort und wies in die andere Richtung.

"So ähnlich." grinste er.

Lydia holte tief Luft und fragte:

"Hast du etwas über den Mörder deiner Schwester gehört?"

"Nein." gestand er. "Aber vielleicht erfahre ich heute etwas. Ich muss zu Christoph. Er hat mich bestellt."

"Bist du deshalb hier?" fragte sie.

"Ja." sagte er. "Aber ich wollte nur so sehen, wie es dir geht."

"Arbeit hab ich genug, ich kann nicht klagen." entgegnete sie.

"Kein Wunder, warum Norbert dich verlassen hat." meinte Hubert.

"Er hat alle Tiere meiner Praxis als Konkurrenten gesehen." sagte sie. "Aber jetzt musst du zu Christoph."

"Bin schon unterwegs." rief Hubert und verschwand aus der Praxis. Wenige Minuten später stand er vor einem Poizeirevier.

"Ich bin Hubert Reiner." meldete er sich am Empfang an. "Inspektor Kramer erwartet mich."

"Bereits seit zwei Minuten." kam es von dem Pförtner zurück. "Kommen Sie rein."

Hubert ging durch den langen Gang, bis er vor einer Tür stand. Auf dem Schild konnte man lesen: "Inspektor Christoph Kramer". Hubert klopfte an.

"Herein."

Hubert öffnete die Tür und fragte:

"Stör ich?"

"Hubsi." sagte der Inspektor erfreut. "Nächstes Mal sagst du es, wenn du wieder in die Stadt kommst."

"Tag, Christoph." grüßte Hubert und gab dem Inspektor die Hand.

"Hast dir keinen schönen Tag ausgesucht." sagte Christoph.

"Tja, das Wetter kann ich auch nicht beeinflussen." meinte Hubert. "Aber sag mir, warum hast du mich kommen lassen?"

"Ich weiß, wo Richard Hamann ist." erklärte Christoph.

"Dick?" fragte Hubert zurück. "Der hat doch meine Schwester nicht umgebracht. Das mögen die anderen glauben, aber ich nicht."

"Du weißt, dass er seit zwei Jahren steckbrieflich von uns gesucht wird." erinnerte ihn der Inspektor. "Die Bundesregierung hat eine hohe Belohnung ausgesetzt."

Hubert schüttelte nur leicht den Kopf und erwiderte dann:

"Nein, nicht Dick. Der gehörte doch zur Familie."

"Kann sein." meinte der Inspektor. "Trotzdem finde ich, du solltest mit ihm reden."

"Wo ist er?" fragte Hubert.

"Seit längerer Zeit gibt es in den Schweizer Bergen einen Tierhändler." erklärte Christoph. "Ein Kunde, der bei ihm war, sagt, das wäre der Mann auf dem Steckbrief."

"Und warum schickst du nicht einige Beamte hin?" wollte Hubert wissen.

"Weil ich möchte, dass du mit ihm redest." sagte der Inspektor. "Außerdem will die Kantonspolizei nicht mit uns zusammenarbeiten, weil sie den Fall nicht kennt."

"Das verstehe ich nicht." meinte der Unternehmer. "Ich dachte, ihr arbeitet eng mit der Kantonspolizei zusammen."

"Das ist in diesem Fall etwas schwerer." erklärte Christoph. "Ich nehme an, dass Herr Hamann dort einen hohen Stellungswert hat."

"Und ich soll jetzt mit ihm reden." stellte Hubert fest. "Wo finde ich ihn?"

Christoph holte eine Karte hervor und faltete sie auf.

"Da hinten im Kanton Graubünden gibt es zu den Bergen nur eine Auffahrtsmöglichkeit mit dem Auto. Dort hat er seine Hütte. Ich kann dir von dem Ausschnitt eine Kopie machen."

"Ja, tu das." bat Hubert. "Mit meinem Auto komme ich nicht sehr weit. Vielleicht kann ich noch heute hinfahren."

"Das solltest du machen, ehe ich mich gezwungen sehe, die Beamten zu benachrichtigen." sagte Christoph. "Du weißt, ich muss mich an die Vorschriften halten, aber ich dachte, zuerst redest du mit ihm."

"Nett von dir." entgegnete Hubert. "Ich krieg das schon hin. Nur würde mich interessieren, warum ihr gerade auf ihn kommt."

"Weil er abgehauen ist, als deine Schwester starb." erklärte Christoph. "Nun, er mag andere Gründe gehabt haben, aber daran glaube ich nicht."

"Das werde ich herausfinden." sagte Hubert. "Mach mir die Kopie, ich fahr sofort dorthin."

Eine Stunde später jagte Hubert in Richtung Schweiz. Bald darauf war er in Graubünden angekommen. Dort besuchte er jenen Kunden, den Christoph erwähnt hatte. Die Adresse hatte er vom Inspektor bekommen.

"Man sagte mir, dass Sie wissen, wo Herr Hamann lebt." begann er.

"Sie müssen nur die Straße nach oben befahren." erklärte der Mann. "Es ist die einzig hier, die zu ihm führt. Seine Hütte liegt am Ende der Straße. Dort hat einst der alte Gretli gewohnt. Der war nämlich auch Tierhändler."

"Alles klar." sagte Hubert. "Haben Sie vielen Dank."

Schon war Hubert unterwegs, nachdem er seine Batterie wieder aufgeladen hatte. Es war schon Nachmittag, und es würde mit Sicherheit spät, wenn er heimkam, doch das war ihm egal. Die Sache mit Richard Hamann zu klären schien ihm wichtiger. Er brauchte auch nicht lange zu fahren, bis er oben ankam.

Hubert stieg aus und holte erst einmal tief Luft. Wie würde Richard auf ihn reagieren nach zwei Jahren?

Er öffnete die Ladentür und sah ihm gegenüber einen großen bärtigen, langhaarigen Mann. Es war Richard Hamann.

"Hi, Dick." grüßte er.

Erst jetzt erkannte Richard, wen er vor sich hatte.

"Hubsi, du?" fragte er gedehnt. "Verdammt, bin ich erleichtert. Ich dachte schon, die Bullen hätten herausbekommen, wo ich jetzt wohne."

"Das haben sie bereits." erklärte Hubert. "Zumindest weiß Inspektor Kramer Bescheid. Er hat mich geben, dich aufzusuchen, bevor er die Beamten informiert."

Dabei entdeckte er den Steckbrief, der an der Wand hing.

"Tut mir leid." begann er. "Das da hat jemand veranlasst, ohne, dass ich es wusste. Als man den Wagen meiner Schwester abgedrängt hat, bist du verschwunden. Da hat natürlich jeder geglaubt, du wärst es gewesen."

"Aber du hast doch nicht an mir gezweifelt, oder?" fragte Richard.

"Ach komm schon, Dick." beruhigte ihn Hubert. "Das weißt du doch besser als ich. Aber warum bist du angehauen?"

"Ich wollte nicht ausreißen." schwor Richard. "Aber ich hab´s im Radio gehört. Da wurde auch gemeldet, das man mich verdächtigt. Und da hatte ich Angst, dass mir niemand glauben würde. Seitdem bin ich hier."

"Armer Dick." sagte Hubert bedauernd. "Die zwei Jahre allein gewesen für nichts. Das heißt, du weißt auch nicht, wer es war."

"Woher denn?" fragte der Tierhändler. "Ich hab´s doch aus dem Radio erfahren."

"Also weißt du nichts." Hubert setzte sich auf einen Stuhl und fuhr fort:

"Und ich hatte gehofft, du könntest mich weiterbringen."

"Tut mir leid, dass ich dir nicht helfen kann." sagte Richard. "Aber ich fürchte, es bleibt bei der Polizei. Sie hätte damals die Spuren sichern sollen. Zumindest hätten sie herauskriegen müssen, von wem die Farbe des anderen Autos war. Aber die hatten ja nichts Eiligeres zu tun, als mich zu jagen."

"Was ist dann passiert?" fragte Hubert.

"Ich habe meine Zelte dort abgebrochen und bin dann in die Schweiz geflohen." berichtete Richard. "Einfach so, ohne Perspektiven. Ich kam dann hier bei dem alten Gretli unter, der mich aufnahm. Du siehst doch, dass die Hütte groß genug für zwei ist. Vor einem Jahr ist er gestorben. Herzversagen."

"Hat denn keiner auch nur den leisesten Verdacht geschöpft, du könntest etwas mit seinem Tod zu tun haben." fragte Hubert.

"Es wurde einwandfrei Herzversagen festgestellt." erklärte Richard. "Aber das hilft mir auch nicht mehr. Fest steht, dass die Bullen mich suchen."

"Ich nehm dich einfach mit zurück." sagte Hubert.

"Wie stellst du dir das vor?" fragte der Tierhändler. "Sobald ich in Deutschland auftauche, werde ich sofort festgenommen. Nein nein, ich muss abwarten, bis man den richtigen Mörder findet."

"Das kann doch ewig dauern." meinte der Unternehmer. "Nein, es geht nicht anders. Ich bringe dich zurück und rehabilitiere dich."

"Wie willst du das denn anstellen?" wollte Richard wissen.

"So genau weiß ich das auch nicht." gestand Hubert. "Aber irgendwie schaffe ich das schon."

"Irgendwie, du hast also keine Ahnung." gab Richard zurück. "Mein Gott begreifst du das denn nicht. Ich sitze hier fest. Außerdem kann ich in Augsburg keine neue Existenz mehr aufbauen. Nein, ich muss hier ebenfalls weg. Wahrscheinlich ziehe ich woanders in die Berge hin."

"Aber gib mir wenigstens Bescheid, wenn es soweit ist." sagte Hubert. "Ich fahre inzwischen zurück und überrede den Inspektor, dass er die Anklage fallen lassen soll. Schließlich ist er ein Freund von mir."

"Das schaffst du doch nur, wenn du den wahren Mörder ablieferst." entgegnete Richard. "Außerdem habe ich dir gesagt, dass ich keine Perspektive in Augsburg habe."

"Wenn´s nur was nützt." meinte Hubert. "Also ich schau, was sich machen lässt. Als erstes werde ich den Inspektor aufsuchen, aber das geht erst am Montag. Morgen arbeitet er nicht."

"Ich hoffe, du erreicht was, bezüglich dieser Sache." sagte Richard. "Sonst sieht´s schlecht für mich aus."

"Ich mach das schon." versprach Hubert. "Schon am Montag werde ich ihn aufsuchen. Dann werden wir sehen."

Bald darauf war Hubert wieder auf dem Rückweg. Zum Glück schaffte sein Wagen mit einer Stromfüllung locker seine 500 Kilometer. Als er zuhause ankam, war es schon spät geworden. Er stellte seinen Wagen in die Garage und steckte ihn an. Dann ging er in sein Haus.

Zwei Tage später suchte er die Polizei auf. Sein Freund hatte gerade Dienstschluss, als Hubert dort ankam.

"Ich muss dringend mit dir reden." sagte er bestimmt.

"Geht es um Herrn Hamann?" fragte der Inspektor.

"Genau um den." erwiderte Hubert. "Ich habe ihn am Samstag aufgesucht und mit ihm gesprochen. Er war´s nicht."

"Wer soll es denn sonst gewesen sein?" wollte Christoph wissen.

"Fest steht, dass damals der Wagen nicht genau untersucht wurde." stellte Hubert fest. "Sonst hätte man das Unfallauto gefunden und den Mörder gestellt."

"Ich habe damals die Ermittlungen geführt, wie du weißt." erinnerte ihn der Inspektor. "Und das nur, weil du mich darum gebeten hast, weil du nicht an einen Unfall glaubtest."

"Ich bin heute mehr denn je überzeugt, dass es Mord war." sagte Hubert. "Ich weiß nur nicht, warum."

"Wir hielten es nicht für nötig, den Wagen auf Fremdspuren zu untersuchen." erklärte Christoph. "Für uns war klar, wer der Täter ist."

"So ein Blödsinn." verwarf sich Hubert. "Und das glaubt ihr nur, weil Dick abgehauen ist. Ich sagte doch, er hat es im Radio erfahren."

"Das hat er dir jedenfalls gesagt." wehrte Christoph ab. "Du glaubst doch nicht im Ernst, dass da was dran ist. Ich sehe mich nun genötigt, ihn in der Schweiz festzunehmen."

"Das wird nicht mehr gehen." sagte Hubert. "Er will jetzt untertauchen, bis der Fall geklärt ist."

"Hat er dir gesagt, wohin er flüchten will?" fragte Christoph.

"Wenn ich ihn richtig verstanden habe, nach Südamerika." log Hubert. "Die liefern nicht aus, das weiß er. Wahrscheinlich ist er schon drüben."

"Und sein Hab und Gut lässt er hier?" fragte Christoph etwas ungläubig.

"Wer auf der Flucht ist, kümmert sich nur um das nackte Überleben." erklärte Hubert. Schließlich hat er damals auch alles aufgegeben und ist verschwunden."

"Na also, das heißt, er ist schuldig." meinte der Inspektor.

"Eben nicht." entgegnete Hubert. "Er ist untergetaucht, weil ihn jeder für schuldig hält. Er hat nicht die Möglichkeit, seine Unschuld zu beweisen, das ist Sache der Polizei."

"Warum lässt du nicht deine Fähigkeiten als Detektiv spielen so wie damals?" fragte der Inspektor.

"Du weißt, ich befasse mich nicht mehr mit solchen Sachen." sagte Hubert bestimmt.

"Du bist also immer noch der Überzeugung, dass der Mordanschlag eigentlich dir galt." meinte Christoph. "Aber was macht dich so sicher."

"Ich war dicht an einer Bande dran." erklärte Hubert. "Wahrscheinlich haben sie Wind bekommen und sind untergetaucht. Dann wollten sie mich beseitigen, erwischten aber meine Schwester."

"Die Theorie ist nicht uninteressant, aber eben nur eine Theorie." sagte Christoph.

"Aber Christoph." entgegnete Hubert. "Angenommen ich habe recht, dann heißt das, dass sie es wieder versuchen werden."

"Dann hätten sie es längst gemacht." erwiderte der Inspektor. "Hubsi, es hat keinen Sinn, darüber nachzudenken. Tatsache ist, dass Herr Hamann untergetaucht ist seit den Mord an deine Schwester. Solange wir keine verwertbaren Spuren haben, die darauf hinweisen, bleibt er der einzig Verdächtige."

"Ich sehe schon, es hat keinen Sinn, mit dir darüber zu reden." meinte Hubert.

"Nein, nicht wirklich." bestätigte der Inspektor. "Außerdem habe ich schon seit 10 Minuten Feierabend. Entschuldige mich bitte."

Schon war er verschwunden.

"So ein sturer Bock." brummte Hubert.

Er machte sich auf den Heimweg und ging ins Haus. Er wechselte das Papier, das ausgegangen war und drückte auf Start. So konnten wieder neue Kopien gemacht wrden, die eine große Versicherung brauchte.

Dabei fiel sein Blick auf das Foto seiner geliebten Schwester Cornelia.

Du fehlst mir, Conny." sagte er leise. Dabei erinnerte er sich an eine frühere Zeit, in der Conny noch gelebt hatte. Hubert hatte damals sein neues Kopiergeschäft eröffnet und arbeitete gerade, als seine Haustür aufging. Seine Schwester Cornelia stand da.

"Hi, Großer." rief sie fröhlich. Ihr verräterisches Grinsen sagte schon alles. Zumindest für ihren Bruder.

"Was ist denn mit dir los?" fragte er. "Bist du etwas verknallt?"

"Ist das so offensichtlich?" wollte sie wissen.

"Nur für den, der dich kennt." sagte er.

"Na schön, dann kann ich es dir sagen." strahlte sie. "Ich habe einen unwahrscheinlichen Jungen kennengelernt. Nur ein Jahr älter als ich und total süß."

"Das hast du von Werner auch behauptet." erinnerte er sie. "Und was war dann? Gesoffen hat er bis zu Bewusstlosigkeit und geschlagen hat er dich auch."

"Das ist jetzt anders, glaub mir." versicherte sie. "Er trinkt nicht und verabscheut Gewalt."

"Na, hoffentlich hast du recht, Conny." meinte er. "Wenn ich dabei an früher denke."

"Ich hatte lange Zeit keine Lust auf Männer nach Werner." gestand sie. "Aber jetzt wird das anders."

"Wie hast du ihn denn kennen gelernt?" fragte ihr Bruder.

"Im Restaurant "Il Duomo" vor zwei Wochen." sagte sie.

"Was, vor zwei Wochen schon?" kam es von Hubert zurück. "Und da erzählst du es mir erst jetzt?"

"Ich wollte sichergehen, ob es diesmal was Ernstes ist." gestand sie. "Deswegen habe ich dich so lange nicht besucht. Aber jetzt weiß ich es."

"Na, dann solltest du ihn aber mal herbitten."

"Er ist draußen im Wagen." sagte Conny.

"Echt?" fragte Hubert erstaunt. "Dann hol ihn doch rein."

"Aber sei nett zu ihm." bat sie. "Er ist nämlich sehr schüchtern."

"Spricht für ihn, nehme ich an." meinte ihr Bruder. "Also komm´ schon und hol ihn rein."

Schon war seine Schwester verschwunden. Doch schon nach zwei Minuten öffnete sich seine Haustür erneut. Conny stand wieder da, diesmal in männlicher Begleitung.

"Das ist Richard Hamann." stellte sie ihn vor.

Der brachte zunächst kein Wort hervor. Hubert wusste schon von seiner Schwester, dass man ihren neuen Freund mit Samthandschuhen anfassen musste.

"Das ist Richard Hamann." stellte sie ihn vor. "Mein Bruder Hubert."

"Willkommen in meinem Heim." grüßte Hubert.

"Tag." sagte der andere nur. Hubert musterte ihn. Ihm war klar, dass jedes falsche Wort alle kaputtmachen wurde, und das wäre das letzte gewesen, was er wollte. Schließlich ging es um das Glück seine kleinen Schwester."

Nur spärlich kamen sie zum Gespräch. Aber dann lockerte es sich doch. Hubert machte zwischendurch seine Arbeit (schließlich war Donnerstag) und kümmerte sich um seinen Besuch. Er gab sich Mühe, ein formvollendeter Gastgeber zu sein, was ihm auch gelang, wie er später von seiner Schwester hörte. Schließlich war sein selbstgebackener Kuchen, den er am Tag zuvor für seine Schwester gemacht hatte, ein Gaumenschmeichler. Schließlich hatte sie für heute ihren Besuch angekündigt. Seine Freundin Carola hatte ihn erst kürzlich verlassen, wohl, weil er sich zu sehr um seine Schwester gekümmert hatte.

Hubert´s Erinnerung hörte auf, als er noch tschüss zu Conny gesagt hatte.

Es war Freitag geworden. Hubert hatte sein Tagwerk getan und schaltete seine Geräte auf Economy. Auf diese Weise schalteten sie automatisch nach Beendigung ab.

Hubert öffnete die Tür und ging aus dem Haus. Die Sonne prallte heiß auf sein Gesicht, obwohl es schon Abend war. Hubert hatte das Haus verlassen und die Tür schloss automatisch.

Nur Hubert kam mit seiner Hand durch die schwere Tür. Ein Laser konnte die Fingerabdrücke lesen und ihm öffnen.

Hubert ging in Richtung Wald. Das Plätschern des Wasserfalls, neben dem er lebte, und der für ihn den Strom lieferte, wurde immer leiser, bis es nicht mehr zu vernehmen war. Unzählige Vögel zwitscherten und das Zirpen einer Grille war zu hören.

Doch dann vernahm Hubert ein Geräusch, das er vorher noch nie gehört hatte. Es war ein zischendes Fauchen, das wie ein sanfter und heiserer Schrei klang. Hubert ging langsam weiter und das Geräusch wurde immer lauter.

Nun sah er, dass sich etwas Längliches im Gras bewegte. Als Hubert näherkam, erkannte er es. Es war eine Schlange.

Sie mochte knapp einen halben Meter lang sein und war unter einem Stein eingeklemmt. Hubert wälzte den Stein vorsichtig weg.

„Na, wer bist du denn?“ fragte er.

Als Antwort fauchte ihn die Schlange an. Offensichtlich hatte sie Schmerzen. Ganz vorsichtig hob er die kleine Schlange hoch. In der Mitte hatte sie eine Verletzung. Offenbar hatte sie bei dem Versuch, sich zu befreien, ihre Seite aufgerieben. Hubert holte ein kleines Tuch heraus, das er immer bei sich trug, denn auch er holte sich des Öfteren Verletzungen, wenn er sich im Wald befand. Schnell trug er die kleine Schlange zu seinem Haus, öffnete die Garage und ging zu seinem Wagen.

Bei diesem Modell handelte es sich um einen Elektrowagen, der durch Antrieb Strom erzeugte und noch weiter fahren konnte, als die alten Modelle.

Hubert legte die Schlange auf den Rücksitz und sagte:

„Keine Angst. Tante Doktor macht dich wieder gesund.“

Schon startete er den Wagen, der übrigens auch nach seiner Wärmestruktur funktionierte. So war ein Diebstahl zwar möglich, aber sinnlos.

Hubert dachte an die Tierärztin Lydia Heffner, die er schon viele Jahre kannte. Er war kein normaler Tierfreund. Immer wieder brachte er Lydia die ungewöhnlichsten Tiere mit.

„Na, die wird sich wundern.“ sagte er schmunzelnd, als er durch die Straßen fuhr.

Er erinnerte sich daran, als er vor Jahren eine Spinne mitgebracht hatte, die mit ihren Beinen fast 60 cm maß. Schon damals hatte eine Frau, die ihren Hund zu Lydia gebracht hatte, vor Schreck aufgeschrienen.

Unterwegs kam es zu einem Zwischenfall. Die kleine Schlange fauchte und stürmte auf Hubert zu. Schon biss sie ihm in den rechten Unterarm. Hubert hielt sofort an. Obwohl er von Schlangen nicht viel wusste, eins war ihm klar. Er packte sie hinter dem Kopf und sagte:

„Jetzt wird nicht gefressen. Also geh nach hinten und sei still. Ich bring dich jetzt zu Tante Doktor.“

Sofort kroch die Schlange nach hinten. Hubert wunderte sich. Hatte er es tatsächlich geschafft, die Schlange einzuschüchtern, oder gab es einen anderen Grund?

Etwa 20 Minuten später war er in Augsburg bei einer kleinen Straße in der Nähe vom Königsplatz angekommen. Hier gab es genug Parkplätze vor der Praxis. Hubert nahm die Schlange aus dem Wagen und ging die Stufen des Hauses hoch, bis er vor der bewussten Tür stand.

„DR. MED. LYDIA HEFFNER. TIERÄRZTIN.“ stand auf dem Schild. Hubert trat ein. Tierpatienten waren im Wartezimmer keine zu sehen, aber Hubert vernahm die Stimme der Ärztin. Offensichtlich hatte sie noch Besuch.

Bald darauf ging die Praxistür auf und Hubert vernahm die Stimme der Ärztin, was er nicht verstand. Eine Frau mittleren Alters kam mit einem kleinen Hund heraus. Als sie Hubert sah, schrie sie laut auf. Schon ertönte hinten eine Frauenstimme:

„Was zum Kuckuck ist denn jetzt wieder los? Bist du das wieder, Hubsi? Was hast du denn jetzt angeschleppt? Einen Alligator?“

Schon erschien Lydia. An ihrem Kittel waren einige Blutstropfen. Mit einem tödlich wirkenden Blick schaute sie Hubert an, doch all das minderte ihre Attraktivität nicht.

Jetzt entdeckte sie, dass Hubert keinen Alligator bei sich hatte.

Inzwischen war die andere Frau mit ihrem Hund durch die Tür verschwunden, als Lydia rief:

„Eine Schlange, ich fass es nicht. Was schleppst du denn noch alles an? Ich habe echt geglaubt, du würdest normal werden. Erst die Riesenspinne, dann die Löwin und wer weiß noch alles noch, und zuletzt das Möchtegernstinktier…“

„Das war ein Eichhörnchen!“ unterbrach Hubert sie barsch. „Und jetzt hör endlich auf. Sie ist verletzt und muss behandelt werden.“

„Du bist unmöglich.“ herrschte ihn die Ärztin an. „Und ich habe geglaubt, dass du endlich einmal vernünftiger werden würdest, seit du damals mit diesem komischen Wildschwein aufgekreuzt bist.“

„Das war ein Frischling.“ korrigierte Hubert die Ärztin.

„Hör endlich auf, mir zu widersprechen.“ rief Lydia.

„Ich weiß nicht, was ihr alle habt.“ verteidigte sich Hubert und deutete auf die Schlange. „Sie ist doch so klein und außerdem verletzt.“

„Das hast du damals von dem Wildschwein auch behauptet.“ erinnerte ihn Lydia. „Und dann hat es mich gebissen.“

„Du musstest ja unbedingt ihre Klauen anfassen.“ erklärte Hubert. „Und ich dachte, du kennst dich mit Tieren aus.“

„Mit Haustieren.“ vollendete Lydia. „Aber Wildschweine sind keine Haustiere.“

„Du sollst mich nicht dauernd verbessern.“ erboste sich Hubert. „Du sollst sie behandeln. Du siehst doch, dass sie Schmerzen hat.“

„Ich auch.“ meinte Lydia süffisant. „Besonders, wenn ich an Uschi denke, diese Zitteraaldame. Die hat mir nämlich einen ganz schönen Stromstoß verpasst.“

„Weil du in ihr Maul gefasst hast.“ erinnert Hubert sie. „Das mochte sie nicht. Aber sie hat mir einiges an Strom geliefert. Und jetzt Schluss mit der Debatte. Behandle sie.“

Inzwischen hatte die Schlange mehrfach gefaucht. Endlich erbarmte sich Lydia des kleinen Wesens, nahm es in ihre Arme und ging in den Behandlungsraum.

„Unmöglicher Kerl.“ sagte sie in einem abfälligen Ton.

Hubert wartete draußen. Am liebsten wäre er reingegangen, doch er wusste von früher, dass er sich da nicht einmischen durfte. Dazu kannte er Lydia viel zu gut. Die temperamentvolle und resolute Ärztin hasste nichts mehr, als bei einer Behandlung gestört zu werden. Hubert hatte das selbst erlebt, als er einst seine Spinne Thekla zu Lydia gebracht hatte.

Eine halbe Stunde war vergangen, als Lydia wieder aus der Tür trat, allerdings allein. Hubert erwartete sie schon voller Ungeduld.

„Und?“ fragte er. „Wo ist sie?“

„Ich habe sie betäubt, damit sie sich erholen kann.“ erklärte die Ärztin. „Wo hast du die denn aufgegabelt?“

„Aufgegabelt?“ gab er zurück. „Sie ist doch nichts zum Essen.“

„Schon gut, Hubsi.“ herrschte Lydia ihn an. „Woher hast du sie?“

„Im Wald gefunden, wie alle anderen.“ erklärte er. „Warum, was ist mit ihr?“

„Ich habe dir alles zugetraut, aber das nicht.“ sagte sie.

„Auf deutsch, bitte.“ wollte Hubert wissen.

Lydia ging auf ihn zu und erklärte:

„Sie ist ein Anakondababy, höchstens drei Tage alt.“

„Was heißt `sie´?“ fragte Hubert. „Ist das etwas schon wieder ein Weibchen?“

„Der Kandidat kriegt 10 Punkte.“ bestätigte Lydia. „Also braucht sie auch einen Namen, wie die anderen.“

„Warum reagierst du denn immer so abfällig?“ wollte Hubert wissen. „Immerhin habe ich das Eichhörnchen nach dir benannt.“

„Weil du die Wildsau erst später gefunden hast.“ erklärte Lydia.

„Das ist meine Sache.“ sagte Hubert.

„Was willst du damit sagen?“ fuhr sie ihn an.

„Das liegt doch klar auf der Hand.“ kam es zurück. „Zu den anderen bis du immer nett, aber deinen Frust lässt du immer an mir aus. Ich bin nicht Kurt.“

„Lass meinen Bruder aus dem Spiel.“ gab sie bestimmt zurück. „Außerdem habe ich mich immer gut um deine Haustiere gekümmert.“

„Bis Thekla starb.“ ergänzte er. „Du hättest ihr kein Chloroform geben sollen.“

„Hör endlich auf.“ rief Lydia. „Du wirst doch nicht behaupten wollen…“

„Jetzt verschon mich damit.“ unterbrach Hubert sie. „Wo ist die Schlange?“

„Komm mit.“

Lydia führte ihn in ihren Behandlungsraum. Auf dem Tisch lag die kleine Schlange. Das mittlere Teil ihres Körpers war verbunden und sie schien vor sich hinzudämmern.

„Ich hab ihr ein Schlafmittel geben müssen, weil sie so zappelte.“ erklärte Lydia. „Sie wird bald wieder aufwachen.“

„Doch nicht schon wieder Chloroform.“ stieß Hubert hervor.

„Nein, diesmal nicht.“ beruhigte sie ihn. „Inzwischen weiß ich, dass Reptilien das nicht vertragen. Übrigens ist deine Schlange keins.“

„Erklär mir das.“ kam es erstaunt von Hubert.

„Die Anakonda ist laut Überlieferung die erste Schlangengattung, die keine Eier legt, sondern ihre Jungen lebendig gebärt.“ erklärte Lydia. „Sie ist eine Art Mischung zwischen Reptil und Säugetier. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Anakonda eine Brücke zwischen diesen Arten geschaffen hat. Vermutlich gibt es sie schon seit der Dinosaurierzeit.“

Nun vernahmen beide ein leises Zischen.

„Sie wacht auf.“ stellte Lydia fest.

Sofort war Hubert bei seiner Schlange. Sie schaute ihn an. Dann streckte sie ihren Kopf nach oben und geriet ganz nah an sein Gesicht.

Was jetzt passierte, entzog sich jeder Logik. Hubert gab der kleinen Schlange einen Kuss. Als Lydia das sah, stöhnte sie leise:

„Nicht schon wieder. Wie mit dem Wildschwein damals.“

Sie hielt sich zurück und wartete ab.

Innzwischen war es 19.00 Uhr geworden. Lydia schaltete die Geräte ab. Hubert sah es und bemerkte:

“Man sieht sich.“

„Das kenn ich doch aus einem Film.“ erkannte Lydia. „Zwei Geschwister, die sich hassen und durch eine Notlage doch noch zusammenfinden.“

„Nur mit dem Unterschied, dass wir keine Geschwister sind.“ bemerkte Hubert. „Und jetzt gib mir die Schlange.“

Lydia hob das Tier behutsam hoch und legte es in Hubert´s Arme.

„Versorge sie gut.“ sagte sie.

„Und wie soll ich das machen?“ erkundigte sich Hubert.

„Damit.“ Lydia steckte einen Zettel in seine Hosentasche. „Da steht alles drauf.“

Ohne ein Wort zu sagen, ging Hubert mit seiner Schlange aus dem Behandlungszimmer. Dann verschwand er in seinen Wagen und brauste davon. Lydia schaute ihm hinterher.

„Armer guter Hubsi.“ sagte sie in einem mitleidigen Ton. „Er gibt die Hoffnung nicht auf. Aber auch jetzt schafft er es nicht.“

Keine 5 Minuten später verließ Lydia ihre Praxis. Schon stand ein üppig gebauter Mann vor ihr.

„Was willst denn du hier?“ fragte sie.

„Du musst ihm sofort folgen.“ befahl der Mann. „Dieser blöde Rudi vom Julienblatt muss Wind von der Sache bekommen haben.“

„Und warum machst du das nicht?“ wollte Dr. Heffner wissen.

„Weil er mich doch kennt seit der Sache mit dem Wildschwein.“ antwortete der Mann.

Bald darauf war Hubert mit seiner Schlange zuhause angekommen. Was er nicht wusste, Lydia war ihm gefolgt. Heimlich stellte sie ihren Wagen in der Nähe seines Hauses ab und lief lautlos zu seinem Haus.

Etwas abseits huschte ein anderer Schatten durch die Bäume. Eine männliche Gestalt versteckte sich hinter einem dicken Stamm und sah dasselbe wie Lydia. Dann verschwand er.

Sie beobachtete, wie Hubert mit der kleinen Schlange aus der Garage kam und in sein Haus ging. Langsam schlich sie sich an sein Haus, doch es war kein Laut zu hören. Lydia wusste, dass das Haus völlig schalldicht war.

Plötzlich ging seine Haustür auf.

„Ich schätze es nicht, wenn du wie eine ausgehungerte Wölfin um meine Hütte schleichst.“ ertönte Hubert´s Stimme. Er trat aus dem Haus und fuhr fort:

„Immer das Gleiche. Willst du wirklich behaupten, dass ich sie auch noch…“

„Ich bin aus einem anderen Grund hier.“ unterbrach Lydia ihn. „Bevor die Polizei kommt, muss ich dich warnen. Ich weiß nicht, wer hinter der Sache steckt, aber es kann sein, dass du beobachtet worden bist.“

„So, wie du mit deinem Wagen gelärmt hast, ist es auch kein Wunder.“ gab er zurück. „Jetzt haut er ab. Entweder ist der Typ mir oder dir gefolgt. Also, verschwinde lieber.“

„Gib mir die Schlange, nur heute Nacht.“ bat sie ihn. „Morgen bringe ich sie dir zurück. Du hast doch eben gesagt, dass der Typ abhaut, also weiß er nichts und ihr kann nichts passieren.“

Hubert schaute auf seine Überwachungskameras. Doch es ließ sich in der unmittelbaren Umgebung keine Wärmestruktur erkennen, die von einem Menschen stammen könnte. Gerade im Sommer wäre eine Tarnung fast unmöglich gewesen.

„Er ist nicht mehr da.“ meldete er, schlich sich zurück und griff nach seiner Schlange.

„Tut mir leid, Mädchen.“ sagte er leise. „Du musst sofort umziehen.“ Er packte seinen Koffer und befahl:

„Schnell hier rein.“

Die Schlange schien zu verstehen und kroch in den Koffer. Hubert bohrte mit seinem Brieföffner ein paar Luftlöcher hinein und schloss den Koffer. Schnell gab er ihn der Ärztin.

„Beeil dich.“ flüsterte er.

„Wisch schnell das Blut auf, das sie verloren hat.“ sagte sie bestimmt.

„Halte dich an unseren Code.“ erinnerte Hubert die Ärztin. „Und gib Kurt Bescheid. Bye.“

Während Lydia mit dem Koffer in ihren Wagen stieg und davonfuhr, ließ Hubert langsam warmes Wasser in seine Badewanne laufen. Inzwischen nahm er einen alten Lumpen und wischte die Blutstropfen auf, die die Schlange verloren hatte. Zum Glück hatte er einen PVC-Boden, der sich mit Hilfe von Spiritus schnell reinigen ließ. Das Wasser, das gerade 40 Grad hatte, kam von seinem riesigen Boiler, der vom Wasserfall gespeist und von einem kleinen Generator angeheizt wurde. Schnell entsorgte er den Lappen draußen, wusch sich die Hände und desinfizierte sie, so dass kein Geruch mehr festgestellt werden konnte. Natürlich könnte man jetzt noch Spuren feststellen, doch das würde jetzt sicher nicht passieren. Lydia hatte ihn gewarnt und er handelte sofort.

Und wirklich: Es dauerte nicht lange, da läutete es an seiner Tür.

„Polizei, aufmachen!“ ertönte eine männliche Stimme.

Hubert hatte sich dank seiner besten Freundin gut vorbereitet. Nur in Unterwäsche bekleidet öffnete er die Tür. 5 Polizeibeamte standen vor ihm.

„Is was?“ fragte er etwas irritiert.

„Wir haben einen Hinweis gegen Sie erhalten.“ sagte ein Polizist.

„Nicht schon wieder.“ stöhnte Hubert. „Immer, wenn ich ins Bad will, tauchen die Kasperlköpfe auf. Was ist denn jetzt wieder los?“

„Sie sollen eine Riesenschlange haben.“ antwortete der Polizist.

„Eine was bitte?“ gab Hubert zurück. „Das wird ja immer toller. Wer hat euch diesmal angeschmiert?“

„Das geht Sie nichts an.“ sagte der rechte Polizist.

„Und ob mich das was angeht.“ herrschte Hubert. „Schließlich bin ich es, der attackiert wird. Ich frage euch nochmal: Wer hat euch angeschmiert?“

„Haus durchsuchen.“ befahl der Mann, ohne auf Hubert´s Frage einzugehen.

„He, was soll das denn werden?“ fragte Hubert erbost. „Darf ich denn nicht einmal baden? Heute ist Freitag.“

Schon durchforsteten vier Beamte das ganze Haus von Hubert. Dieser stand völlig perplex wirkend da und wagte keine Bewegung. Der Polizist, der neben ihm stand, ahnte, dass er wieder keinen Erfolg haben würde.

„Darf ich fragen, was hier überhaupt los ist?“ erboste sich Hubert. „Ich meine, die Sache mit der Spinne war doch schon ein Schwachsinn, aber was soll das jetzt? Eine Schlange? Wenn Sie jetzt keinen Erfolg erzielen können, wird der Typ sicher behaupten, dass ich ein Rhinozeros habe, dabei ist er doch selbst eins.“

„Das bilden Sie sich doch nur ein.“ entgegnete der Polizist.

„Ach ja?“ herrschte ihn Hubert an. „Und warum sind Sie dann hier? Bilde ich mir das etwas auch ein? Ich schätze es nicht, wenn man mich verarscht!“

Es dauerte nicht lange, als die anderen Beamten zurückkamen.

„Und?“ fragte der Polizist.

„Wieder nichts.“ meldete ein Polizist. „Wir haben alles mit Scannern und Wärmemeldern durchsucht. Nichts.“

„Ich weiß, wer hinter der der Sache steckt.“ vermutete Hubert. „Dieser Rudi vom Julienblatt, der Kurt und mich fertigmachen will. Und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Sorgen Sie endlich dafür, dass er aufhören soll mit dem Scheißdreck, bevor ich sauer werde. Und dann wird die Sache weniger harmlos.“

„Das lassen Sie gefälligst bleiben.“ ermahnte ihn der zweite Polizist.

„Na schön, dann werde ich auch gegen die Polizei arbeiten müssen.“ gab Hubert entrüstet zurück.

„Ist ja gut.“ erwiderte der erste Polizist. „Wir gehen.“

Kaum hatten die Beamten sein Haus verlassen, setzte sich Hubert auf den Stuhl, der im Raum stand. Er wartete, bis sein Bad voll war. Was er nicht wusste: einer der Beamten hatte eine Funkkamera in sein Bad installiert. Doch Hubert war raffiniert genug, um diesen Plan zu durchschauen. Nachdem er tief Luft geholt hatte, ging er zur Badewanne und begann, sich auszuziehen.

„Arschloch, ich krieg dich!“ schrie Hubert.

„Okay, Schluss für heute.“ sagte der erste Polizist. „Wenn an der Sache etwas gewesen wäre, hätte er doch anders reagiert.“

„Vielleicht hat er recht, und wird wieder nur verleumdet.“ sagte die Frau, die neben ihm stand. „Wir wissen doch von der Sache damals. Das Problem ist nur, dass er wie ein Verbrecher aussieht.“

“Sei still.“ ermahnte der Kollege sie.

„Ob es wirklich Verleumdung ist?“ fragte der andere Polizist. „Kein Mensch könnte so schnell Spuren beseitigen. Außerdem haben wir wieder nichts gefunden.“

„Vielleicht schaffen wir das über das Netz.“ meinte ein dritter Polizist.

„Vergiss es, das haben wir doch schon probiert.“ sagte ein anderer Polizist. „Ich glaube nicht, dass an diesen Anschuldigungen überhaupt etwas dran ist. Ich bin doch schon das dritte Mal hier. Was hat der Mann gegen ihn?“

„Wer ruft denn dauernd an?“ fragte die Frau.

„Ach, irgend so ein Reporter.“ sagte der andere Polizist.

„Doch nicht der vom Julienblatt.“ stieß die Frau hervor. „Der will doch die Wochenschau kaputtmachen. Ich weiß von der Sache damals. Nur weil der Mann hier ein Eichhörnchen aufgenommen hat, steht er jetzt im Kreuzfeuer.“

„Du glaubst also auch nicht daran.“ sagte der Polizist.

Fast eine Stunde lag Hubert in der Wanne und las ein Buch. Dabei wurde er von der Polizistin beobachtet. Diese ging zum Wagen zurück und meldete:

„Der sitzt immer noch in der Wanne und telefoniert nicht einmal. So verhält sich doch keiner, der Dreck am Stecken hat.“

„Möglich aber auch, dass er sich mit einem Komplizen so verabredet hat.“ meinte der Kollege.

„Du spinnst doch.“ gab die Frau zurück. „Wie sollte er das so schnell geschafft haben? Ich versteh nur nicht, warum er seinen Freund vom Verlag noch nicht angerufen hat. Vielleicht hat er sich doch mit jemandem verständigt.“

„Wie soll er das gemacht haben?“ lachte der Kollege. „Mit dem Badewasser? Soll da ein Telefon versteckt sein? Jetzt sei doch mal ehrlich, Bea. Du wirst doch nicht im Ernst glauben, dass so etwas möglich ist. Es sei denn, dass er über Telepathie verfügt. Aber warum bräuchte er dann ein Telefon?“

„Du hast recht.“ gab die Frau zu. „Vielleicht sollten wir uns doch diesen Reporter vornehmen.“

„Eine Riesenschlange.“ schmunzelte der Mann. „Woher soll er die denn bekommen? Und selbst, wenn es so wäre, wie hätte er sie unbemerkt verschwinden lassen können?“

„Vielleicht hast du recht.“ gab die Kollegin zu. „Am besten sollten wir uns doch diesen Reporter vorknöpfen. Fahren wir zur Wache zurück und machen dort weiter.“

„Okay.“ bestätigte der Kollege. „Wir haben seine Leitungen angezapft.“

Kaum war der Streifenwagen weggefahren, stieg Hubert aus seiner Wanne, allerdings nicht hastig. Er ließ das Wasser aus. Nachdem er sich und seine Haare getrocknet hatte, ging er ins Wohnzimmer. Dort setzte er sich auf sein Sofa und schaltete den Fernseher an.

Die Polizisten beobachteten es auf ihrem Monitor.

„Wir hatten unrecht.“ sagte die Frau. „Vielleicht sollten wir…“

Weiter kam sie nicht, denn jetzt läutete es an den Lautsprechern und auf dem Monitor ging Hubert an sein Telefon.

„Firma Reiner.“ meldete er sich.

„Hubsi, ich bin´s Kurt.“ kam die Stimme des Reporters zurück. „Die Bullen werden gleich bei dir sein. Du sollst eine Riesenschlange bei dir aufgenommen haben.“

„Ist schon vorüber.“ lachte Hubert. „Die waren schon da und sind jetzt abgezogen. Sag mal, kannst du nicht endlich dafür sorgen, dass diesem blöden Kerl das Mülleimermaul gestopft wird? Der macht mich noch total fertig.“

„Das krieg ich schon hin.“ gab Kurt zurück. „Und ich muss ihn gar nicht `mal angreifen. Erinnerst du dich an die Sache vom April? Den mach´ ich auf meine Weise fertig. Wird langsam Zeit, dass er vom Platz geräumt wird.“

„Mach bloß nichts Unüberlegtes.“ warnte ihn Hubert. „Vielleicht sind die Bullen sogar hinter dir her. Würde mich nicht wundern.“

„Das kann ich mir nicht vorstellen.“ sagte Kurt. „Aber den krieg ich auf meine Art. Es gibt ja Pressefreiheit. Damit kriege ich ihn.“

„Ich verstehe, was du meinst.“ sagte Hubert. „Mach´s gut.“ und legte auf.

Die beiden Polizisten hatten das Gespräch mit angehört.

„Was meinst du?“ fragte der Fahrer.

„Wenn wir uns an diesen Kurt Heffner anhängen, könnte uns der wahre Täter aus den Kufen laufen.“ vermutete seine Kollegin. „Vielleicht ist es das, was er will.“

„Nachdem wir dem Herrn Reiner nie etwas nachweisen konnten, was dieser Reporter behauptet hat.“ überlegte der Mann. „Irgendwie riecht das faul.“

„Das riecht nicht nur, das stinkt.“ sagte die Frau. „Den sollten wir uns lieber gleich vornehmen.“ Schon sauste der Wagen los.

Darauf hatte Hubert gewartet. Schon wählte er an seinem Handy eine Nummer.

„Heffner.“ meldete sich eine Frauenstimme.

„Hi, Lydia, ich bin´s, Hubsi.“ sagte er. „Stell dir vor, die Bullen waren gerade da und haben behauptet, ich hätte eine Riesenschlange. Ich lach´ mich scheckig. Wahrscheinlich soll ich die aus einem Zoo geklaut haben, würde mich nicht wundern.“

„Hubsi…“ versuchte Lydia zu unterbrechen.

„Die haben doch `ne Vollklatsche.“ fuhr Hubert fort. „Und das nur, weil du Tierärztin bist. Lydia, was soll ich machen? Die Bullen haben mich doch in der Zange. Und was noch schlimmer ist, ich darf nicht einmal baden, schon tauchen sie auf. Haben die etwa Überwachungskameras bei mir installiert? Das würde mich auch nicht wundern. Jede Wette, dass sie nicht nur meine Telefonleitung, sondern auch mein Handy abhorchen. Leg auf.“

Lydia folgte seiner Anforderung und legte auf.

„Jetzt bin ich gespannt.“ dachte sich Hubert.

Obwohl mehrere Minuten vergingen, geschah nichts. Dennoch blieb Hubert kühl. Doch als sieben Minuten vergangen waren, tauchte wieder ein Streifenwagen auf.

Sofort sprang ein Polizist aus dem Auto und läutete an Hubert´s Tür. Dieser öffnete und fragte:

„Ist wieder was?“

Bald darauf war der Streifenwagen wieder verschwunden. Der Polizist hatte lediglich mit einem Elektriker die Abhöranlage abgebaut.

„Es tut mir leid, Sie wieder belästigt zu haben.“ sagte der Polizist. „Ich denke, wir sollten doch diesen Reporter im Auge behalten.“

„Ich kapier einfach immer noch nicht, warum ihr dauernd auf diesen Affenpinscher reinfallt.“ erboste sich Hubert. „Der reißt sein Maul auf, wie ein Alligator, und schon stehe ich auf der Anklagebank. Was soll das Ganze eigentlich?“

„Ich werde mich darum kümmern, dass er Sie nicht mehr belästigt.“ versprach der Polizist. „Wir stehen auch mit ihm auf Kriegsfuß.“

„Und trotzdem der ganze Aufwand für nix und wieder nix?“ fragte Hubert. „Das hättet ihr euch ein paar Jahre früher überlegen müssen. Wer weiß, vielleicht schlägt er jetzt woanders zu, weil dieser Fall für ihn nur ein Ablenkungsmanöver sein soll.“

Gleich darauf war der Streifenwagen abgefahren.

Anaconny

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