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Loki

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Seit Jahrhunderten schon wandelte ich nun über diese triste, tote Welt, stets begleitet von meinem Warg, einem riesigen wolfsähnlichen Wesen. Seit mein Vater mich aus dem Reich Asgard, unserer göttlichen Heimat, verstieß, war ich einsam. Die Sterblichen hatten sich weiterentwickelt, sie bewegten sich in eigenartigen Metallkästen über ihren Planeten und richteten ihn langsam mit ihrem Unrat zugrunde. Doch eine Maid war mir besonders ins Auge gefallen. Sie lebte auf einer kleinen Insel, auf der das Volk der Kelten sich niedergelassen hatte. Onyxfarbene, lange Haare, Augen von der Farbe des Grasmeeres, weiche weibliche Kurven und ein Mund, der mir die ewige Verbannung schwermachte. Immer wieder sandte ich meinen treuen, tierischen Begleiter zu ihr, um sie durch seine Augen zu beobachten. So auch jetzt.

»Alvar, geh und leiste ihr Gesellschaft.«

Ein kurzes Knurren zur Bestätigung und mein Warg stieg durch die dünne Dimensionsschicht hindurch, die für mich eine unnachgiebige Barriere darstellte.

Meinen Blick vor der tristen Welt, auf der ich festsaß, verschließend, sah ich durch seine Augen. Ein breiter schwarzer Weg mit weißen, kurzen Strichen in der Mitte, über den Metallkästen rauschten. In einem ruhigen Moment, in welchem keines der Fuhrwerke kam, rannte er zur anderen Seite. Ein wenig abseits des Weges wogte dichtes grünes Gras hin und her. Vereinzelte Blüten standen im saftigen Grün. Fast schon konnte ich die frische Luft schmecken, die ihm dort um die Nase wehte. Eine unbedachte Bewegung meines Fußes wirbelte eine Staubwolke auf die sich trocken über mein Gesicht legte und mir das Atmen erschwerte. Dadurch wurde meine Konzentration gestört und die Verbindung zu meinem Warg unterbrochen. Erst ein kräftiges Niesen erleichterte mir die Atmung. Sofort konzentrierte ich mich auf Alvar und seine Eindrücke. Die Verbindung entstand erneut und die Vielfalt in dem Grasmeer beeindruckte mich ebenso, wie die stille Schönheit, die das Ziel seiner Reise darstellte. Die Maid überragte meinen Begleiter kaum an Höhe, dennoch war ich mir gewiss, dass sie an meiner Seite nicht zu klein wirken würde.

Endlich erreichte er den Ort. Während er zu seinem auserwählten Beobachtungsplatz unterwegs war, wichen ihm die Menschen aus und wechselten auf die andere Seite des Weges. In dem Moment wo er sich hinsetzte, kam sie aus einem Gebäude. Mit ihr lief eine Schar fröhlicher Kinder. Sie alle schienen noch sehr jung zu sein, vielleicht gerade einmal sechs Menschenjahre, und verabschiedeten sich von der Frau, ehe sie zu ihren Eltern liefen. Einige der Kleinen deuteten auf Alvar, meinen Warg und riefen begeistert etwas von einem großen zottigen Hund. Mein pelziger Freund folgte der Schwarzhaarigen in einigem Abstand. Sie war auf ein seltsam anmutendes Gestell mit zwei Rädern gestiegen, dass sich nun bewegte. Mit ihren Füßen schob sie kleine Paddel im Kreis auf und ab, was das Gefährt vorantrieb.

Alvar lief ihr gemächlich hinterher, den breiten Weg entlang, bis er auf einen noch kleineren, sandigen Pfad stieß. Vorbei an einer Umzäunung mit Pferden darin und abgegraster Wiese. Eine niedrige Hütte war ihr Ziel. In einigem Abstand streifte der Warg nun um das Gebäude, denn sie war hineingegangen, und hatte die Tür geschlossen. Seufzend rief ich ihn zu mir zurück. So gern ich dortgeblieben wäre, wenn die Sonne unterging und die Tür zu war, gab es sicher nichts mehr zu sehen für Alvar und mich.

Er kam zurück durch die verhasste Dimensionsbarriere und trat an meine Seite, als ob er nie fort gewesen wäre. Einmütig wanderten wir über die staubige Welt, die einst der Planet Midgard war - ehe ich den Weltenbrand ausgelöst hatte. Seufzend wurde ich mir erneut meines unendlichen Vergehens bewusst. Wäre ich nicht so töricht gewesen und hätte Söhne gezeugt, die ich niemals hätte haben sollen, hätte ich nie das gefürchtete Ragnarök eingeleitet. Zur Strafe wurde ich wie ein trotziges Kind mit Arrest bedacht. Weggesperrt zwischen Raum und Zeit, damit ich keine Streiche mehr spielen und über meine Fehler nachdenken konnte.

Jeden Tag gab mir Odin Gelegenheit ein Einsehen zu zeigen und für mein Vergehen einzustehen. Mein Begleiter drückte seine Schnauze in meine Hand und ich wusste diese tröstende Geste zu schätzen. Doch niemals würde ich Göttervater, den Obersten der Asen, Odin, um Verzeihung bitte, nicht nachdem er mich mein Leben lang angelogen hatte!

»Komm Alvar, lass uns noch ein wenig gehen. Etwas Anderes kann ich ohnehin nicht tun.«

Gemeinsam bewegten wir uns wieder voran, einen Fuß vor den anderen setzend.

Erst durch einen Angriff der Riesen auf Asgard erfuhr ich, dass Odin nicht mein leiblicher Vater war. Nein, er hatte mich meinen Eltern geraubt und zu sich geholt, um so den Riesenkönig zu zwingen, Frieden zu halten. Meine Hände waren zu Fäusten geballt, vor Zorn auf meinen Gottvater und auf mich.

Unerwartet trieben meine Gedanken wieder zu der Maid. Was wohl ihre Sorgen waren? Was mochte sie? Was fand sie abstoßend? Was brachte sie zum Lachen?

Ich war stehen geblieben und richtete den Blick auf die Welt der Sterblichen. Dort lag die Nacht mit ihrem sanften Schleier über der Insel und sie schlief gewiss. Ein Blatt von Yggdrasil für ihre Träume.

Einmal Ragnarök für Zwei: Laoghaire & Loki

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