Читать книгу Einmal Ragnarök für Zwei: Laoghaire & Loki - Liam Rain - Страница 9

Loki

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»Du wartest draußen«, sagte sie zu ihm und betrat das kleine Haus.

Derweil hatte er sich auf den Rasen dahinter gelegt, in die Nähe eines seltsam anmutenden Gerätes, auf das sie etwas später einen Fisch legte. Rauch kräuselte sich in den Himmel, aber man konnte kein anständiges Feuer ausmachen. Da, brannte etwa der Fisch? Nein, das Gerät schien mit verbranntem Holz gefüllt zu sein und glühte rauchend vor sich hin. Bei dem Barte der Jötun! Beherrschte sie die Elemente, oder wie hatte sie das Feuer so ganz ohne Feuerstein und Stahl gemacht?

»Der Fisch ist für mich, da kannst du mich so mitleiderregend anschauen, wie du möchtest«, sagte sie in mahnendem Ton und hatte dabei einen nachdenklichen Ausdruck in dem anmutigen Gesicht. Dann ging sie erneut in ihr Haus.

»Alvar, lass ihr den Fisch!«, befahl ich, weil ich den vorwitzigen Lump kannte.

Schon kam sie mit einem großen Stück roten Fleisches wieder aus dem Haus. Ich sah, wie sein Fokus automatisch auf das Fleisch fiel.

»Ich hoffe, du beißt mir jetzt nicht die Hand ab, wenn ich es dir direkt gebe!?«, fragte sie, als ihm das Fleisch zaghaft entgegenhielt.

»Wage es nicht, sie zu verletzen!«, grollte ich und er nahm es ganz zart aus ihrer Hand.

»Ich wusste, du würdest mich nicht enttäuschen, mein alter Freund«, lobte ich ihn.

»Da hat aber einer Hunger«, perlten ihre leisen Worte an sein feines Gehör. Plötzlich ertönte ein grell schrillendes Geräusch, es kam aus dem Haus und sie folgte ihm. Doch bevor sie sich gänzlich abwandte, sagte sie mit ernster Miene. »Immer noch mein Fisch.«

Mein treuer Warg legte sich mit dem Kopf auf den Pfoten hin und spitzte die Ohren, damit ich auch alles mitbekam. Sie kam mit einem kleinen Gerät am Ohr aus dem Haus. Ihre Hände zitterten und die Farbe ihres Gesichtes, war der ausgebleichter Knochen sehr ähnlich.

»Devin« keuchte sie entsetzt und ließ fast den Gegenstand fallen, den sie an ihr Ohr presste. Solche Dinger sah ich öfter in der Menschenwelt, Zauberkästchen mit denen sie sprachen.

Eine Stimme erklang, leider verstanden wir nicht was gesagt wurde – bis die Stimme aus dem Zauberkistchen so laut war, dass selbst wir es hören konnten.

»...meine verdammte Frau wärst. Wie kannst du es dich wagen, mich einfach …«

Mit fahrigen Fingern drückte sie auf das Ding und ließ es neben sich auf den Boden gleiten. »Verdammt« sagte sie so leise, dass ein Windhauch ihr das Wort von den Lippen riss und davontrug.

Ihr Gesicht sank in die Hände und sie zitterte am ganzen Leib. Zu gern wäre ich nun bei ihr gewesen und hätte sie getröstet, ihr gesagt, dass sie nie wieder Angst haben müsste. Doch ich saß hier fest. Bei Odins Auge!

Gerade wollte ich meinen treuen Freund auffordern, sie an meiner statt zu trösten, da war er schon an sie herangetreten und stupste sie vorsichtig mit der Schnauze an. Sie vergrub ihre Finger in seinem dichten Fell und sah in seine Augen. Der Gefahr, ihn zu reizen, war sie sich in diesem Moment nicht bewusst. Nicht einmal die lebensmüdesten Krieger wagten sich, einem Warg direkt ins Auge zu sehen. Doch er ließ sie gewähren und presste seinen großen warmen Körper näher an sie, bis ihr Gesicht ebenfalls in seinem warmen Fell versank.

»Ich sollte mir wohl ein Gewehr zulegen, wenn ich hierbleiben möchte«, seufzte sie an seinem Hals. Doch dann hob sie den Blick und sah ihn erneut an, ein Funkeln trat in ihre Augen.

»Oder einen Wachhund.«

Der Sichtwinkel änderte sich etwas, als Alvar den Kopf schief legte.

»Du gehst nicht aufs Sofa und schläfst schon gar nicht mit in meinem Bett. Du sollst nur auf mich aufpassen!«

Was auch immer ein Sofa war, würde er sicher nichts Anderes tun, als das was von ihm erwartet wurde – von mir seinem Herrn.

»Du hast es gehört, schütze sie mit deinem unsterblichen Leben! Und finde ihren Namen heraus, bei Yggdrasils Wurzeln – ich muss ihn wissen!«

Der Staub wirbelte auf und kündigte die Ankunft eines Besuchers an. Ein lauter Donnerhall, und mein Bruder stand vor mir.

»Thor, Bruder, was verschafft mir die Ehre deines Besuches?«

»Loki, Bruder, wie lange gedenkst du noch dem Trotz zu frönen? Vater ist bereit dich zurückzunehmen, sobald du ihn um Verzeihung bittest. Lange musste ich besänftigend auf ihn einreden, doch endlich gab er nach.«

»Thor, Bruder, ich werde mich nicht entschuldigen. Er hat zuerst gegen das Gebot der Ehre und Wahrheit verstoßen. Wusstest du, dass wir nicht vom gleichen Blute sind? Er hat mich als Kind meinen Eltern geraubt und all die Jahre behauptet, ich wäre sein Spross.«

Die blauen Augen meines Bruders weiteten sich kurz, doch dann blickte er grimmig drein.

»Mir ist egal, wessen Blut durch deine Adern fließt – du bist und bleibst mein Bruder! Und ich vermisse dich.« Den letzten Satz sagte er so leise, dass das Grollen Mjolnirs es fast übertönte. Er nahm seinen Hammer und schwang ihn im Kreise, über dem Kopfe, bis er mit einer schwungvollen Wurfbewegung in einem steilen Aufstieg davonflog.

Seufzend schloss ich die Augen und beobachtete erneut die Maid durch die meines treuen Freundes. Gerade gingen sie zusammen spazieren, durch Wiesen und als der Himmel sich verdunkelte, liefen sie eilig zurück. Das Häuschen war bereits in Sichtweite, als die Himmelsschleusen sich öffneten und ein Regenguss beide bis auf die Haut durchnässte. Schnell huschte sie in ihr Haus und hielt Alvar die Tür offen, damit er hineinkonnte. Auf einem Stück bunten Flickenstoffes hieß sie ihn warten. Kurz darauf erschien sie mit einem kleineren Stoffteil und rieb ihn mit festen Strichen ab. Ihr Geruch nach Wiese und Erde drang in seine Nase und ich konnte ihn ebenfalls wahrnehmen.

Manchmal gelang es mir, vollständig in seinen Geist einzudringen, sodass wir regelrecht verschmolzen. Er war mein Seelentier und in der Not konnte ich ihm meine göttliche Macht leihen, damit er meine Gestalt annehmen konnte. Doch dazu mussten wir auf einer Energieebene sein, so wie gerade in diesem Moment. Sie war in eine Kammer geeilt und kam nun feucht wieder heraus. Ihren Leib hatte sie in ein großes Stofftuch gehüllt, das an der Seite verschlungen war. Mit einem Kleineren rieb sie die prächtigen, langen Haare, welche mich an flüssiges Pech erinnerten.

»Du brauchst dringend einen Namen, mein Großer … nur welchen?« Sie tippte mit einem Finger an ihr Kinn und Alvar wandte den Kopf zum Bücherregal.

»Schon klar, ein Tier, das mich versteht«, murmelte sie und strich mit den Fingern über die Bücher, bis sie an einem das nordische Mythologie behandelte hängen blieb. Dieses Buch stand in der untersten Reihe und sie musste sich bücken, um es heraus zu nehmen. Alvar winselte, er wusste, was man über uns erzählte. Sie griff zu und nahm das Buch in die Hand. Sein Blick wanderte unweigerlich zu dem Spalt, den das Tuch nun bot und vom Boden aus, hatte ich perfekte Sicht auf ihre blanke Weiblichkeit. Nun wandte sie den Kopf, richtete sich auf und schnappte nach Luft.

»Du hast jetzt nicht … mir zwischen die Beine gestarrt?«, fragte sie beinahe schon entsetzt.

»Sie darf nicht erfahren, wer du bist!«, mahnte ich ihn und er sprang auf, um ihr das Buch aus den Händen zu stoßen. Es fiel auf den Boden und blätterte durch den Aufprall an genau der Stelle auf … wo Alvar und ich zusammen abgebildet waren. Über meinem Kopfe prangte die Schrift Odins Feind und Verursacher des Ragnarök (Weltuntergang).

Bei Thors Hammer! Ich war nie Odins Feind gewesen und das Ragnarök war eher eine Begleiterscheinung, denn geplant!

Natürlich trat sie neugierig näher, als Alvar grollte. Schon wanderte ihr Blick über seine steifen Schultern und sie las vor. »Loki, Verursacher des Ragnarök mit Alvar dem Götterwarg.«

Meine Beine gaben nach und ich sackte kraftlos zu Boden. Nun war alles verloren.

»Alvar, der Götterwarg. Ich finde, du siehst diesem Burschen ziemlich ähnlich, ich werde dich Alvar nennen!«, sagte sie voller Inbrunst und mir stockte der Atem. Wieso bekam diese Frau keine Angst, nun wo sie Alvars wahre Natur kannte? Oder glaubte sie nicht an das, was in dem Buch stand? Sie war seit Jahrhunderten, der erste Mensch, der keine Gänsehaut bei meinem Namen bekam. Vielleicht hatten die Sterblichen einfach nur meinen Fehltritt vergessen?

Ob ich ihr in ihren Träumen erscheinen sollte? Langsam reifte dieser Entschluss in mir. Irgendwie musste sie mich ja kennenlernen, damit ich mir sicher sein konnte, dass sie nicht laut schreiend vor mir davonlief. Mit geübten Handgriffen entfachte sie ein Feuer in der eingemauerten Feuerstelle. Langsam trat sie zu einem lang gestreckten Gegenstand von einigen Schritten Länge und einem Schritt Breite und legte sich auf die niedere Fläche. Obwohl das Ding ziemlich hart und unbequemen aussah, versank sie teilweise in der dunklen Oberfläche. Die Füße lagen übereinander und das Buch hatte sie in den Schoß gelegt. Nicht lange und ihre Augen fielen immer wieder zu – bis sie einschlief und ihr das Buch ins Gesicht kippte. Mit einem Schreck fuhr sie hoch und sah Alvar an.

»Zeit für mich schlafen zu gehen.« Sie erhob sich und das Tuch glitt an ihrem Körper herab. Hastig griff sie danach und hielt es behelfsmäßig vor sich. Rückwärts ging sie in einen kleinen Flur, auf dem Türen zu Kammern abgingen. Mit der freien Hand tastete sie sich an der Wand entlang, bis sie in eine der Kammern verschwand.

Alvar war ihr neugierig gefolgt, auch um sie nicht aus den Augen zu lassen, damit er sie im Notfall beschützen konnte. Als er die Nase um die Kante des Kammereingangs schob, kam das große Stofftuch geflogen und legte sich über seinen Kopf. Sofort wollte er sich unwillig schütteln, da rief sie: »Wehe du guckst jetzt!« Schon hielt er still, bis sie ihm das Tuch abzog.

Nun hatte sie ein Kleidungsstück an, das wie eine Nebelschwade ihren Körper bedeckte. Nicht wirklich verdeckend, was sich darunter befand, aber auch nicht durchsichtig genug, um alles sehen zu können. Ein winziges Stück schwarzen Stoffes bedeckte mit einem Dreieck ihre Weiblichkeit und verschwand mit einem schmalen Band zwischen ihren Schenkel, um auf der Rückseite wieder aufzutauchen. Langsam ließ sie sich zwischen die Laken gleiten und das Rascheln des kühlen Stoffes erfüllte die gespannte Stille im Raum. Die Versuchung in Alvars Leib zu gleiten, ihn in meine göttliche Gestalt zu wandeln und mit ihr die Schlafstatt zu teilen, war sehr groß. Doch zuerst wollte ich sie kennenlernen.

Kaum lag sie, sprang der freche Warg einfach zu ihr und legte sich neben sie. Ihre Hand versank in seinem dichten Fell und sie murmelte schlaftrunken: »Du solltest doch nicht ins Bett!« Schon war sie entschlüpft ins Reich der Träume, wo ich sie besuchen wollte.

Alvar lag ganz ruhig und überließ mir seinen Leib, wir verschmolzen gänzlich und ich nutzte den Körperkontakt um in ihren Traum einzutreten. Sie trug ein rotes Stofftuch um die Schultern und ihre Haare flatterten offen im Wind. Eine männliche Stimme wehte von hinten, an mir vorbei, zu ihr.

»Lao, Liebste.«

Sie zuckte zusammen, als ob man sie ausgepeitscht hätte und ihre zarten Finger krallten sich in den Stoff. Wer war der Mann, der ihr solche Angst bereitete? Da ich nicht hinter mich sehen konnte, weil sie es auch nicht tat, beschloss ich, den Mann verschwinden zu lassen und ihr die geliebten Wiesen oder den winzigen Strand zu zeigen. Schweiß stand auf meiner Stirn, weil es ungewohnt schwerfiel den Verlauf ihres Traumes zu beeinflussen. Ganz langsam flackerten die ersten Wellen durch das Bild, bis ich es endlich schaffte den geliebten Strand herauf zu beschwören. Ich setzte mich auf einen erhöhten Stein in der Brandung, ließ sie den schmalen Weg und die Treppe herabsteigen. Sie sah mich und zog eine ihrer hochgeboren wirkenden Brauen nach oben. Vorsichtig trat sie Schritt um Schritt die ehernen Stufen hinab. Alvar zeigte sich hinter ihr und seine Nähe gab ihr Sicherheit. Ganz langsam ging sie an mir vorbei und setzte sich in den Sand. Die Zehen vergrub sie in dem weichen Untergrund und nachdem sie eine Weile still auf das wogende Nass gestarrt hatte, sprach sie mich an.

»Hallo, Sie sind neu hier in der Gegend.« Kein Vorwurf, keine Frage – eine einfache Feststellung.

»Ja, ich denke schon«, antwortete ich.

Ihre grünen Augen sogen jeden Fingerbreit meiner Erscheinung in sich auf. Für einen winzigen Moment zuckte ihr rechter Mundwinkel nach oben, ehe sie wieder einen neutralen Ausdruck annahm.

Meine Gestalt würde sie um eine Haupteslänge überragen und meine Schulter boten genug Platz, damit sie sich daran schmiegen konnte. Feingliedrige und doch kräftige Hände an schlanken, starken Armen. Meine Hüfte war schmal genug, dass ich eine Schlangenhaut als Band darumlegen konnte um die Beinlinge zu halten, doch nicht zu schmal. Die Beine waren die eines Kriegers. Meine honigbraunen Augen bannten ihren Blick, als sie in meinem Gesicht ankam. Mir waren meine breiten Kieferknochen, die etwas hervortraten bewusst. Heute wusste ich, das kam, weil ich ein halber Jötun war.

»Seid Ihr so gnädig, holde Maid und verratet mir Euren Namen?«, fragte ich. Ein glockenheller Ton perlte von ihren Lippen und das Grün ihrer Augen begann zu strahlen, als ob sich die Sonne in Kristall brechen würde.

»Was für eine altmodische Aussprache.« Erneut eine Feststellung.

Unverwandt sah sie mich an und mir glitt ein eisiger Schauer den Rücken hinab. Für ihre Zeit mochte ich zu grobschlächtig wirken. Plötzlich fielen mir meine Manieren wieder ein. »Verzeiht holde Maid, ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Loki.«, sagte ich und verbeugte mich galant.

Forsch blickte sie mich an und murmelte etwas, was sich anhörte wie: »Das muss ein Rollenspiel sein.«

Unsicherheit und Misstrauen huschten nacheinander durch ihre schönen Augen, die mich bannten. Plötzlich begann das Traumbild zu flackern, schwarze Schlieren durchzogen das Bild – wie dunkle Nebelschwaden. Sie hatte einen starken Geist, sonst würde sie meiner Macht nicht beinahe trotzen können. Dann legte sich die Störung und sie murmelte leise: »Nur ein Traum, was soll‘s«. Tief atmete sie durch, ehe sie mir endlich antwortete. »Laoghaire.« Die Stimme war dünn und trug nicht richtig, doch sie räusperte sich und wiederholte es noch einmal mit fester Stimme. »Mein Name ist Laoghaire.«

Erneut verbeugte ich mich. »Es ist mir eine Ehre Eure Bekanntschaft zu machen, holde Laoghaire.«

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, die ich in diesem Moment zu gern berührt hätte.

»Würden Ihr mir die Ehre erweisen und meine weitere Neugier stillen?«

Eine ihrer sanft geschwungenen Augenbrauen hob sich, dann nickte sie. »Einverstanden.« Sie kam langsam auf mich zu und blieb drei Ellenlängen vor mir stehen.

»Was sind Eure Lieblingsblumen, Laoghaire?« Ihr Name glitt mir über die Zunge wie warmer Met, würzig und weich. »Welche Farbe mögt Ihr am liebsten? Mit welchen Klängen kann ich Euer Herz erfreuen? Was ist Eure Leibspeise? Und was, bei Yggdrasils Wurzeln, hat Euch vorhin solche Angst bereitet?«

Erneut flackerte das Bild, da trat auch mein treuer Alvar heran und schob seinen mächtigen Schädel unter ihre zitternde Hand. Sie beruhigte sich, lächelte ihn an und schien über meine Fragen nachzudenken.

»Verzeiht meine Indiskretion, aber diese Fragen brannten mir auf der Seele. Drum lasst mich nicht als ahnungslosen Toren zurück.«

Ihr Blick ruht auf mir und wieder versank ich ihren Augen, die in diesem Moment dunkel wie das Moor waren. Ebenso tief und unergründlich.

Einmal Ragnarök für Zwei: Laoghaire & Loki

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