Читать книгу Winter in Amberley Village - Lillys Romance - Страница 5
3. Romanzen knistern nicht
ОглавлениеAlbert
Ich bin unendlich nervös neben Scarlett. Wir steigen aus meinem Wagen, der direkt vor dem Kino steht. Und für einen Augenblick fängt mich die Szenerie vor mir ein.
„Filmvorführungen im Januar“.
Das unscheinbare Gebäude mit den verglasten Plakaten erinnert mich an alte Schwarzweißfilme. Und ich weiß nicht, warum ich mich beim Anblick des kleinen altmodischen Kartenhäuschens in genau diese alte Zeit der Filme zurückversetzt fühle.
Ich atme tief durch. In den Duft der Nostalgie beim Anblick der roten Vorhänge zu den Seiten der Eingangstür mischt sich meine Aufregung, weil ich mit Scarlett allein bin.
„Es ist klein, aber fein“, wirft Scarlett sofort lächelnd ein und hakt sich bei mir unter. Ihre Wangen sehen rosig aus. Ihre grünen Augen fangen mich ein. Mein Herz schlägt schnell.
„Ich bin froh, dass du gekommen bist.“
Ich reibe nervös über meinen Hinterkopf.
„Das erste Kennenlernen ist immer ein Akt. Aber wir machen einen schönen daraus oder?“, fragt sie mich und nickt mir zu.
„Aber immer.“
Eigentlich bin ich nicht schüchtern und schon gar nicht verlegen. Aber im Moment gebe ich wohl nicht das Bild des bodenständigen und selbstbewussten Unternehmers ab. Vielleicht habe ich einfach Angst, wieder auf die Nase zu fallen.
„Na dann“, raunt sie mir geheimnisvoll zu und holt zwei Tickets aus der Tasche.
„Du hast schon Karten?“
Ich runzle überrascht die Stirn.
„Ja, ich habe gehofft, dass du nicht ablehnen wirst.“
Und Grace? Hatte sie für sie gar keine Karte?
Plötzlich fühle ich mich mies. Grace ist mir zuliebe mit auf diese Kurzreise gekommen und nun sitzt sie allein in einem fremden Haus, statt den Abend mit ihren Freunden ausklingen zu lassen. Aber anderseits, sie wollte es so.
Ich schlucke das ungute Gefühl herunter und streife flüchtig Scarletts Rücken. Sie zuckt zusammen. Prompt räuspere ich mich.
„Na dann!“, triumphiere ich und gemeinsam betreten wir das spärlich beleuchtete kleine Kino.
Mich fängt der Duft von irgendetwas ein. Ich kann noch nicht deuten, was es ist. Doch dann verlassen wir das Halbdunkel eines kurzen Flurs und treten in einen größeren Raum. Dort rechts ist ein Popcornstand und auch dieses rollende Etwas vor dem Verkäufer erinnert mich an den Zauber alter Jahrmärkte. Es fehlt nur die fröhliche Spielmusik.
„Was hättest du gemacht, wenn ich gekniffen hätte?“, frage ich und ermahne mich stumm, weil ich schon wieder meine Hände in meine Jackentaschen stecke. Ich ziehe sie heraus und öffne meinen Anorak.
„Ich habe mich auf dich verlassen. Und das war richtig“, strahlt sie.
Wir gelangen in den Vorführraum. Ich überschlage grob und glaube, dort vor mir sind nicht mehr als zehn Sitzreihen. Vor dem schweren Samtvorhang vor den Sitzbänken scheint eine schwache rote Bodenleuchte.
Scarlett führt uns zu unseren Plätzen in der fünften Reihe. Die goldene Mitte gehört uns.
Ich lege meine Jacke ab. Scarlett stößt versehentlich gegen mich, als sie es mir gleichtut.
„Oh, entschuldige!“ –
„Alles gut. Der Arm ist noch dran“, ziehe ich sie auf und ernte ihr nervöses Lächeln.
Wir setzen uns.
Ich bin völlig aufgedreht. Mein Atem geht schnell und der Duft von Scarletts süßlichem Parfüm tut sein Übriges, meine Aufregung zu verstärken.
„Ich hoffe, du denkst nicht, ich habe das Kino gewählt, weil ich mich nicht mit dir unterhalten will“, erklärt Scarlett plötzlich und die zierlichen Falten auf ihrer Stirn lassen sie dabei sehr ernst aussehen.
„Nein. Alles gut“, sage ich sanft und sinke tiefer in meinen Sitz.
Sie sieht wunderschön aus. Ich widerstehe dem Drang, die Strähne ihres Haars zurückzustreichen, die sich gerade aus ihrem Zopf gelöst hat. Ihre grünen Augen strahlen. Wohl einen Augenblick zu lange lasse ich meinen Blick auf der silbernen Kette ruhen, die sie trägt. Scarlett räuspert sich.
„Oder wolltest du noch Popcorn oder Cola?“
Sie spielt mit ihren Fingern und spricht schnell.
„Nein“, sage ich selig und ihre Aufregung ist richtig süß anzusehen und lässt meine etwas schwinden.
Der Vorhang vor uns wird zur Seite gezogen. Die Leinwand wird erhellt. Ich höre ein Knattern. Auf die Werbung, wie in unseren modernen Londoner Kinos, wird verzichtet. Sofort beginnt der Film.
„Sally im Schnee“.
Ich reibe meine Lippen übereinander. Grace würde jetzt wahrscheinlich über meinen Gesichtsausdruck lachen.
„Was für ein Titel, nicht?“, schmunzle ich amüsiert, doch Scarlett erkennt nicht, dass ich dies sarkastisch meine. Sie antwortet mir ernst.
„Ich hoffe, der Film gefällt dir.“
Ich seufze stumm in mich hinein.
„Sicher“, lüge ich prompt.
Und schon folgen wir der Geschichte von Jonathan, der sich auf sein Blind Date vorbereitet.
Und während wir dabei zusehen, wie er sich in Vorfreude duscht, rasiert und ankleidet, wächst meine Anspannung.
Alles, was ich spüre, ist mein schneller Atem, der sich mit diesem süßlichen Parfüm vermischt, das mich von Scarletts Seite her sanft einhüllt.
Ihre Hand liegt auf der Armlehne. Mein Arm ist dicht daneben. Verstohlen schaue ich sie an, aber sie bemerkt es nicht. Begeistert folgt sie dem Film und hat keine Augen für mich.
Ich rutsche und suche mir eine bequemere Haltung auf meinem Stuhl.
Und wieder schaue ich zu ihr, während Jonathan im Film mit seiner Mutter erzählt und von seiner bevorstehenden Verabredung erzählt.
Ich bin mir sicher, Scarlett hat diesen Film bewusst gewählt. Er soll wohl unser Kennenlernen spiegeln.
Wie süß sich um ihre Mundwinkel herum kleine Grübchen zeigen, während sie still von Jonathan schwärmt!
Ich lege meinen Arm ein Stück näher an die Lehne. Wir berühren uns fast. Fast. Ich will nicht zu aufdringlich sein. Oder wartet sie darauf?
Das weiche Polster meines Sitzes hilft mir beim Entspannen. Meine Augen sind nun starr auf die Leinwand gerichtet.
Ich glaube, sie hat mich angesehen! Mir war so, aus dem Augenwinkel heraus.
Doch nein. Sie erwidert meinen Blick nicht.
Es ist warm in diesem kleinen Filmpalast. Ich lockere meinen Pullover am Hals und muss plötzlich schmunzeln. Ich weiß, wie sehr Grace diesen Pullover meiner Tante liebt. Ich lächle selig während dieses sarkastischen Gedanken.
Meine Hände trippeln unruhig auf meinem Bein und sofort beiße ich mir auf die Lippe. Scarlett schaut mich irritiert an.
„Nicht dein Fall, der Film?“, fragt sie.
Alles, worin ich mich verlieren möchte, sind diese grünen Augen im Halbdunkel.
„Doch. Doch. Alles gut“, lächle ich ertappt.
Sofort ist sie wieder in die Story vertieft.
Grace hätte sofort erkannt, dass ich flunkere.
Ich lehne mich relaxt zurück. Den Film kriegen wir schon rum.
Ich lasse meine Gedanken ziehen und ich bin unendlich erleichtert. Wir haben den ersten Schritt hinter uns gebracht und meine Angst davor, dass Scarlett live total eingebildet und unsympathisch ist, hat sich in Luft aufgelöst. Sie ist fabelhaft.
Jonathan verlässt endlich das Haus. Er fährt mit dem Fahrrad, grüne Wiesen, weite Landstraße. Und wieder lächle ich listig. Das wäre die perfekte Umgebung für Grace.
Scarlett bewegt ihre Hand. Sie rutscht vor und lehnt sich weiter auf meine Seite. Mein Herz schlägt schneller. Dieser Duft!
Ich richte mich genauso ein Stück auf und lege meinen Kopf etwas auf meine Schulter, als wollte ich mir Jonathan aus einer anderen Perspektive ansehen.
Wie kann sie diesen Film nur so wahnsinnig interessant finden? Aber geben wir ihr eine Chance, was bedeuten schon Filme? Scarlett ist die erste Frau, die nicht gefragt hat, wie mein Unternehmen läuft und wie meine Finanzen aussehen. Alles, was sie interessiert, ist meine Nähe, wie ich so bin. Und das macht mich glücklich.
Vielleicht habe ich neben mir endlich die Richtige sitzen.
Ich atme tief durch. Ich lege meine Hand neben Scarletts auf die Lehne. Unsere kleinen Finger berühren sich. Scarlett reagiert nicht auf diese kleine Geste. Ihr Filmlächeln ist noch immer verzaubernd.
Doch plötzlich bemerke ich, dass sich jemand zu uns umdreht. Er sitzt rechts von uns und drei Reihen vor uns. Es ist ein Mann. Dunkelhaarig, soweit ich das beurteilen kann.
Täusche ich mich?
Nein. Er tut es schon wieder.
Er dreht sich ständig um und starrt zu uns. Kein Zweifel oder?
Ich schüttele den Kopf und drehe mich um. Wahrscheinlich meint er das Paar hinter uns. Aber das sieht unbeeindruckt aus und lässt sich nicht stören. Stattdessen fange ich einen tadelnden Blick der jungen Frau hinter mir, weil ich scheinbar durch mein Umdrehen ihre Sicht auf den Film störe.
Ich sinke wieder in meinen Sitz. Scarletts Hand ist meiner so nah. Ich spüre mein Herz beben. Ich habe mich lange nicht zu einer Frau hingezogen gefühlt.
Ich presse meinen Rücken gegen die Lehne. Verstohlen blicke ich wieder auf sie. Auf ihren schmalen Lippen liegt ein rosa Film. Um ihre Nase herum sind unauffällige Sommersprossen. Ihre Wimpern wirken unendlich lang und wunderschön. Ich verspüre das Bedürfnis, ihre Wange zu berühren.
Scarlett räuspert sich. Prompt starre ich wieder auf die Leinwand, doch scheinbar hat sie nur etwas im Hals.
Und wieder schaut dieser Typ mit den breiten Schultern zu uns.
Aber immerhin: Jonathan hat sein Ziel erreicht. Er lehnt sein Fahrrad an eine Wand und betritt einen Blumenladen. Oh bitte kein endlos langes Rosenkaufen! Wie überzogen!
Meine Kehle ist trocken. Ich fühle mich wie gefangen in Scarletts Duft, in ihrer Nähe. Es ist eine angenehme Gefangenschaft. Was werden wir in den nächsten Tagen gemeinsam erleben? Was werde ich sie fragen? Was wird sie von mir wissen wollen?
Und nun trifft Jonathan auf seine Liebste, mit Rosen und inniger Umarmung. Ich fühle diese Umarmung und ich wünsche sie mir auch. Ich lasse verspielt meinen Kopf auf Scarletts Schulter sinken und hebe ihn sofort wieder.
„Wie herzzerreißend“, hauche ich ihr verspielt zu, doch sie nickt nur und erkennt nicht meinen verschwörerischen Tonfall.
Ich folge der Geschichte beiläufig und genieße stattdessen die spärliche Nähe unserer Finger.
Jonathan bekommt Konkurrenz. Ein alter Schulfreund taucht auf und macht seiner Liebsten schöne Augen. Das soll wohl der Spannungsbogen des Films sein. Ich runzle die Stirn und schaue mich im Kino um. Ich scheine der Einzige zu sein, den das nicht packt.
Und wieder dreht sich dieser Typ zu uns um. Scharfsinnig erwidere ich seinen Blick. Ist er eifersüchtig? Kennt er Scarlett?
Ich rutsche lässig tiefer in den Sitz. Aber ich bin ganz und gar nicht entspannt.
Ich rücke noch dichter an Scarlett heran.
Geschafft.
Es scheint ihn dort vorne gestört zu haben. Er dreht mir den Rücken zu.
Ich glaube, der Filmhöhepunkt ist an mir vorbeigegangen. Jonathan ist längst wieder in den Händen seiner Liebsten.
Scarlett scheint durch diese Szene zu vergehen. Es ist faszinierend.
Ich verliere mich wieder in ihr und meinen Gedanken.
Grace sagte immer, ich soll mich endlich auf dieser Singleseite anmelden, aber ich hielt das für Quatsch. Aber nun sitze ich neben einer atemberaubenden Frau. Danke Grace!
Und plötzlich holt mich der Strudel der Vergangenheit zurück und ich denke an Emily zurück. Ich hielt Emily für meine große Liebe, aber alles, was sie von mir wollte, war mein Geld.
Scarlett ist anders. Ich bin das erste Mal von einer Frau ins Kino eingeladen worden. Ich bin etwas verlegen deshalb. Aber ich werde auch ihr eine Freude machen.
Emily. Rose. Abigail.
Die Frauen meiner Vergangenheit.
Prompt erhebe ich mich, um die düsteren Erinnerungen abzuschütteln.
Wie Scarlett zu mir aufschaut, entschädigt mich für alles, was ich die letzten Jahre durchlebt habe.
Ich verliere mich in ihren Augen und den zarten Grübchen. Auf ihre Stirn legen sich Falten.
„Bin gleich wieder da“, flüstere ich sanft.
„Aber du verpasst das große Happy End“, drängelt sie leise.
Wie süß sie verspielt zetern kann!
„Ich bin zurück, wenn Jonathan sein Baby nie wieder loslässt“, verspreche ich.
Sie nickt und ihr Blick ist bestimmend.
Ich verlasse zügig meine Reihe und schüttele den Kopf, als ich den leeren Flur passiere. Gut, sie hat nicht meinen Filmgeschmack, aber ich bin kompromissbereit.
Ich bilde mir ein, selbst hier ihr Parfüm zu riechen.
Ich steuere den Popcornstand an und irgendwie wäre mir jetzt tatsächlich ein Jahrmarkt lieber. Für den älteren Herrn am Popcornglas scheine ich das Highlight des Tages zu sein.
„Eine große Tüte bitte“, sage ich höflich.
„Sehr gerne.“
Und nun ist es ganz der Geruch von Süßem, der mich einhüllt. Sehr angenehm.
„Dankeschön.“
Ich reiche ihm zwei Münzen und er nickt dankbar.
„Du solltest aufpassen!“
Was?
Eine männliche Stimme.
Ich drehe mich irritiert um und verschütte dabei fast meine kostbare Ladung.
Groß, dunkelhaarig, breite Schultern. Es ist der Typ aus der zweiten Reihe!
„Wie?“, stammele ich.
„Diese Frau. Sie ist gefährlich“, nickt er mir zu und geht wieder in den Vorführraum.
Ich sehe ihm nach. Meine Stirn liegt sicher in tiefen Falten.
Meint er Scarlett? Warum? Was ist mit ihr? Was will er?
Ich richte mich an den Verkäufer, doch auch dieser zuckt genauso ratlos wie ich mit den Schultern.
Ich presse meine Lippen aufeinander. Unruhig kehre ich zurück auf meinen Platz und nicke Scarlett etwas verklemmt zu. Prompt starre ich auf den Rücken des Fremden.
Was sollte das?
Mein Herz bebt hart.
Eifersucht?
Soll ich Scarlett nach ihm fragen oder verliere ich dann gleich ihre Sympathie?
Ich beiße mir auf die Lippe.
„Popcorn. Super“, sagt sie erfreut.
Ich strahle. Wir haben etwas gemeinsam.
Wir greifen in die Tüte und unsere Finger treffen sich. Ihr Blick ist hypnotisierend.
Essen! Ich sollte jetzt Popcorn essen.
Scarlett beugt sich zu mir herüber. Ihre Lippen nähern sich meinen.
Doch dann lacht sie und schnappt mir die Tüte aus der Hand weg.
„Aber nun psst!“, ermahnt sie mich schmunzelnd.
Ich erwidere selig und genieße noch die Nachwehen dieses sinnlichen Moments. Mir ist warm. Doch dann blicke ich wieder auf den, der mich gewarnt hat.