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Prolog

Wie jeder Mensch habe auch ich nicht darum gebeten, geboren zu werden. Es geschah einfach an einem nebeligen und grauen Novembertag im Jahre 1949. Natürlich habe ich keine Erinnerungen an diesen Tag, und das, obwohl ich maßgeblich daran beteiligt war. Das Leben ist eben doch von Anfang an ungerecht. Ungeachtet der Jahreszeiten oder der Ereignisse, die sich um einen herum abspielen, wird man aus seinem schützenden Kokon hinaus ins Leben befördert, und von da an muss man sehen, wie man sich zurechtfindet. Da ist es gut, dass man nicht alleine ist. Es gibt wohl keine anderen Säugetiere, jedenfalls keine, die mir bekannt sind, deren Nachkommen so lange in elterlicher Obhut leben wie wir Menschen. Aber es gibt auch keine, die so viel lernen müssen wie wir. Insofern ist es gut, dass die Evolution uns eine lange Phase der Entwicklung gewährt.

Glaubt man der Geschichte, die sich seit meiner Geburt im Wirtshaus erzählt wird, so lief mein Vater trotz Nebel und eisiger Kälte unter freudigem Gejohle ins Dorf. Immer wieder soll er lauthals gerufen haben: »Ein Junge, ein Junge! Er ist da – unser Sonnenschein!« Unter anerkennenden Blicken, freundschaftlichen Schlägen auf seine Schulter, aber auch erstaunten Gesichtern ob seiner sonst üblichen Zurückhaltung, gab er eine Wirtshausrunde nach der anderen aus. Dabei betonte er immer wieder, wie glücklich er doch sei. Irgendwann – kurz vor Mitternacht – ging er dann torkelnd nach Hause.

Im Dorf wunderte man sich wochenlang, dass ihm trotz der schlechten Witterung und eisigen Kälte nichts passiert war. Mancher, auch das erzählte man sich, war weit weniger angetrunken im Graben gelandet. Solange ich mich erinnern kann, habe ich ihn jedoch nie betrunken gesehen. Überhaupt war er ein sehr disziplinierter Mensch. Vielleicht ist es auch unerheblich, wie meine Eltern oder ich waren. Und doch trägt es zum Verständnis meiner Rolle in dieser abstrusen Geschichte bei, denn letztendlich kann sich niemand seiner Erziehung entziehen. Deshalb gehören die ersten Zeilen meiner Kinderstube und meiner Vergangenheit.

Die Sklavin im Zug

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