Читать книгу An meinen Liebhaber | Roman - Lily Hunt - Страница 3
Оглавление1. Kapitel
Gegenwart
Mein Geliebter,
ich bin in Schwierigkeiten. Realen, aber vor allem emotionalen. Ausgelöst durch eine einfache Einladung zu dem Geburtstag deiner Frau. Allein der Gedanke daran lässt mich fast vor Panik erstarren.
Schon wenige Minuten, nachdem ich den Parkplatz vor meinem Büro verlassen habe, lenke ich mein Auto an den Straßenrand. Ich schalte den Motor aus und lehne meine Stirn auf das Lenkrad. Mit tiefen Atemzügen versuche ich, die aufkommende Panik zu verhindern. Unwillkürlich wandern meine Gedanken zum heutigen Morgen zurück, als Mathias, mein Ehemann, mir freudig erzählt hat, dass wir von seiner Kollegin Ines eingeladen worden waren. Es soll eine Geburtstagsparty im großen Stil werden. Nicht nur Ines’ Geburtstag würde gefeiert, auch der von ein paar Bekannten. Viele Leute würden kommen. Und es gab keine Chance, mich da rauszureden. Innerlich schockgefroren, konnte ich nur nicken und hoffen, dass mein Mann mir nichts anmerkte. Im Büro fuhr mein Körper den ganzen Tag auf Autopilot. Ich arbeitete mechanisch, vermied bewusst jeden Gedanken an dich.
Ich bin verzweifelt. Was soll ich nur tun?
Erschrocken zucke ich zusammen, als es an die Scheibe der Beifahrerseite klopft. Eine Frau schaut ins Auto. Genervt öffne ich das Fenster.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragt sie mich besorgt. Ich nicke.
»Danke. Mir geht es gut«, behaupte ich, lasse den Motor wieder an und winke ihr zu. Als ich mich in den Straßenverkehr einfädele, fasse ich einen Entschluss. Ich würde zu dieser Party gehen! Mit hocherhobenem Haupt. Auf keinen Fall würde ich mich von deiner Anwesenheit verrückt machen lassen.
Geschehen ist geschehen. Ich kann die Vergangenheit nicht mehr ändern. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, will ich das auch gar nicht. Die Zeit mit dir war wunderschön, auch wenn ich mir in den letzten Jahren jeden Gedanken daran verboten habe.
Das süße Ziehen in meinem Unterleib verrät mir, dass mein Körper sich sehr gut erinnert. Fünf Jahre war es her, seit ...
Schluss damit, ermahne ich mich.
Und doch kann ich die Erinnerungen nicht abschütteln. Die Bilder ziehen ungefragt an meinem inneren Auge vorbei. Deine Küsse im Wald. Deine Hände auf meinen Brüsten. Dein verzerrtes Gesicht, wenn du laut schreiend in mir kommst.
Du – Ehemann von Ines, mein ehemaliger Liebhaber und bekennender Casanova.
***
Hitze breitet sich in mir aus. Ich öffne das Fenster ein Stück, doch es hilft nicht viel. Unruhig rutsche ich auf dem Sitz hin und her, während sich die Feuchtigkeit zwischen meinen Schenkeln ausbreitet. An der roten Ampel drücke ich mit der Hand auf meinen Schritt und reibe darüber. Doch die Erregung bleibt. Ich muss mir dringend noch heute Erleichterung verschaffen und dich dabei aus meinen Gedanken heraushalten. Also gibt es nur eine Möglichkeit für mich. Ich greife nach meinem Handy und wähle die Nummer meines Mannes.
»Mathias! Bist du schon zu Hause?«
Mein Mann antwortet, dass er mit den Kindern noch unterwegs ist.
»Pass auf, bring sie doch lieber zu deinen Eltern«, schlage ich ihm vor. Ich habe ein etwas angespanntes Verhältnis zu meinen Schwiegereltern. Für meinen Geschmack mischen sie sich zu sehr in unsere Belange ein. Allerdings muss ich ihnen zugutehalten, dass sie zu unseren Kindern ein äußerst liebevolles Verhältnis haben.
Kurz herrscht Stille am Telefon.
»Was hast du denn vor?«, fragt Mathias mich. Im Hintergrund höre ich die Geräusche spielender Kinder. Ich lächele und spreche mit tiefer, leiser Stimme.
»Den Großeltern sagst du, dass wir ins Kino wollen. Und dann machen wir zwei es uns zu Hause gemütlich.«
»Gemütlich?«
»Ja, gemütlich«, hauche ich mit verführerischer Stimme ins Handy. »Nur wir zwei. Erst essen wir schön zu Abend und dann lassen wir mal die Hüllen fallen.«
»Alles klar! Wir sehen uns um sieben.« Mathias’ Stimme klingt nun aufgeregt.
In meinem Bauch kribbelt es vor lauter Vorfreude. Im Grunde genommen nehmen wir uns viel zu wenig Zeit für uns, sind immer gestresst. Sex gibt es nur zwischendurch. Schnell und heimlich, damit die Kinder auch ja nichts mitbekommen. Ich freue mich auf den Abend und du bist in die hinterste Ecke meines Kopfes verbannt.
5 Jahre zuvor
Schon früher war mir der Mann von Ines aufgefallen. Er war groß, sportlich und trat mit sehr viel Selbstbewusstsein auf. Die Kolleginnen von Mathias sprachen oft von ihm. Natürlich nur, wenn Ines nicht dabei war. Sie flüsterten hinter vorgehaltener Hand, dass er eine Affäre nach der anderen hatte. Okay, wenn ich fragte, mit wem er diese angeblichen Affären gehabt haben sollte, wurde meist mit den Schultern gezuckt. Namen wurden nie genannt.
Ich kannte jemanden, der fremdging! Das faszinierte mich. Oft trafen wir ja nicht aufeinander – vielleicht einmal im Jahr, höchstens zweimal –, doch wenn, dann beobachtete ich ihn neugierig. Er sah gut aus. Tolle Figur. Äußerst charmant. Und mehr als fünfzehn Jahre älter als ich. Meist sahen wir uns bei irgendwelchen Feiern oder Unternehmungen der Firma, in der Mathias arbeitet.
Wir begrüßten uns immer nur kurz, sprachen kaum miteinander. Er wusste meinen Namen, doch das war es wahrscheinlich auch schon wieder.
Bei dieser einen Weihnachtsfeier fühlte sich irgendetwas anders an. Ich war von Anfang an kribbelig. Etwas Unbekanntes lag in der Luft. Die Atmosphäre schien vor Spannung wie aufgeladen. Ging das nur mir so? Unauffällig blickte ich mich um. Alle anderen amüsierten sich, während ich auf etwas wartete und dabei dem Wein etwas mehr zusprach als gewöhnlich. Ich schrak leicht zusammen, als mir und meinem Mann jemand auf die Schulter tippte.
»Darf ich deine Frau zum Tanz entführen?«, fragte er Mathias. Mein Mann nickte. »Klar, warum nicht.«
Ich fühlte mich wie elektrisiert. Alles kribbelte an mir. Wortlos stand ich auf und folgte ihm auf die Tanzfläche.
Dort blieb ich unbeholfen stehen.
»Tanzen wir zusammen oder getrennt?«
Er lachte und griff nach meiner Hand.
»Mit dir am liebsten zusammen.«
Souverän führte er mich über die Tanzfläche. Seine rechte Hand auf meiner Hüfte. In seiner Linken meine Hand. Ich war nervös, traute mich kaum, ihn anzusehen.
»Wie gefällt dir die Feier?«, fragte er mich. Ich antwortete durch meine Befangenheit nur einsilbig.
Normalerweise mag ich den Trubel solch großer Partys nicht. Doch in diesem Moment, mit ihm auf der Tanzfläche, war alles anders. Ein ganzer Schwarm Schmetterlinge tanzte in meinem Bauch. Stimmten die Gerüchte? Schlief er mit anderen Frauen? Wieso tat er das? Genügte ihm seine Frau nicht? Meine Gedanken überschlugen sich.
»Du siehst in dem Kleid sehr hübsch aus. Ich mag es, wenn Frauen Schwarz tragen. Das ist sexy.«
Überrascht blickte ich in seine Augen, die schelmisch funkelten. Meinte er das ernst?
»Danke«, stotterte ich leicht verlegen. Was sollte das heißen? Fand er mich in dem Kleid etwa sexy? Absurd. Ich war gewiss nicht hässlich, hielt mich eher für Durchschnitt. Ich trug am liebsten Jeans, T-Shirts oder Hemdblusen. Für Kleider hatte ich wenig übrig und trug sie nur zu besonderen Anlässen.
Natürlich, mein Mann fand mich sexy. Auch von anderen Männern hatte ich dann und wann mal ein Kompliment bekommen. Und doch ... Dieses fühlte sich anders an.
Ich war dankbar für das schummrige Licht. So bemerkte hoffentlich niemand meine Verlegenheit. Das Lied, zu dem wir tanzten, verklang. Ich wollte mich von ihm lösen und verspürte leises Bedauern dabei. Doch er hielt mich fest, tanzte einfach weiter mit mir zum nächsten Song.
»Das Büro, in dem du arbeitest, liegt doch in der Wilhelmstraße in eurer Stadt, richtig?«
Er wohnte mit Ines in einer Kleinstadt, unweit unserer.
Mein Kopf flog hoch, sprachlos starrte ich ihn an, bevor ich mich zu einem Nicken durchrang. Wo führte dieses Gespräch nur hin? Meine Nervosität nahm zu. Ich klammerte mich an seine Hand, bemerkte dies und versuchte, mich zu entspannen. Es kribbelte immer mehr in meinem Bauch und fühlte sich verboten an. Verboten gut.
»Ich könnte dich dort doch mal besuchen. In der Mittagspause oder so. Hast du Lust dazu?«
Mir schoss das Blut in den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich schauen sollte. Er zog mich näher an sich. Sein Mund flüsterte verführerisch an meinem Ohr:
»Es muss ja keiner etwas davon wissen. Willst du?«
Meine Knie wurden weich. Ich wollte dieses Treffen. Wollte es unbedingt. Doch das war falsch. Alle Alarmglocken in meinem Kopf schrillten.
Entgegen aller moralischen Bedenken, nickte ich. Er strahlte mich an.
»Gut.«
Ich senkte meinen Kopf, hätte ihn am liebsten an seine Schulter gelegt. Wir tanzten schweigend, bis der Song vorbei war und er mich an den Tisch zu Mathias brachte.