Читать книгу An meinen Liebhaber | Roman - Lily Hunt - Страница 4

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2. Kapitel

Gegenwart

Mein Geliebter,

heute, am Abend der Party, dann der Super-GAU. Mathias fiebert. Seine Wangen sind knallrot und ein ständiger Hustenreiz quält ihn. Er gehört ins Bett und auf keine Party. Ich bin erleichtert und gleichzeitig fast etwas traurig. Zu groß die Angst, aber auch die Neugier, dich wiederzusehen. Ich rufe bei euch an, hoffe fast, dass du an das Telefon gehst. Ines meldet sich. Ihre Stimme klingt hektisch, gestresst. Wahrscheinlich ist das aber kein Wunder, bei den vielen Vorbereitungen für die Feier. Ich hole tief Luft, um abzusagen.

»Ines, es tut mir leid. Wir können heute nicht kommen. Mathias ist krank.«

Ines protestiert sofort. Wortreich erklärt sie mir, dass ich ja auch allein kommen kann.

»Hör mal«, versuche ich, sie zu überzeugen. »Ich will Mathias so nicht allein lassen ...«

»Papperlapapp«, unterbricht sie mich. »Er ist ein erwachsener Mann mit einer Erkältung. Er wird die ganze Nacht über schlafen. Die Kinder sind nicht da.«

Sie unterbricht sich und schnappt hörbar nach Luft. Ich sehe sie vor meinem inneren Auge, wie sie nach weiteren Gründen sucht.

»Du musst einfach kommen!«, bestimmt sie. »Du übernachtest wie geplant bei uns und kannst morgen deinen Mann wieder umsorgen.«

»Ja, geh bitte«, drängelt Mathias jetzt auch noch aus dem Hintergrund. »Ich werde schlafen und du gehst dich mal amüsieren.«

Amüsieren!

Wie ein Hohn wiederholt sich dieses Wort in meinem Kopf.

Amüsieren!

Ich gebe nach; packe meine Tasche.

Amüsieren!

In die Angst vor unserem Wiedersehen mischt sich jetzt auch eine leise Erregung. Etwas zieht mich unwiderstehlich zu dir hin. So war es auch schon vor fünf Jahren gewesen. Ich war dir vollkommen ausgeliefert.

Wie wird es sein, dir gegenüberzustehen?

Ich halte inne beim Packen und setze mich. Meine Knie sind weich wie Pudding. Wenn mich allein der Gedanke an dich schon so schwachmacht, was passiert, wenn ich mich im selben Raum mit dir aufhalte? Bei einer Sache bin ich mir ganz sicher. Du wirst charmant sein. Jovial. Und falls wir miteinander sprechen sollten, wird – wahrscheinlich im Gegensatz zu mir - dir niemand ansehen, was du mit mir vor langer Zeit getrieben hast.

Du hattest mich ins Visier genommen und verführt. Mich umworben und als ich dir verfallen war, hast du mir die Seele aus dem Leib gevögelt. Unsere gemeinsame Zeit habe ich wie im Rausch verbracht. Süchtig nach dir und deinen Berührungen.

Wird diese alte Leidenschaft wieder aufflammen? Ich seufze. Von meiner Seite aus gibt es da gar keinen Zweifel. Seit ich von der Einladung weiß, ist mein Höschen dauerfeucht.

Bei dir bin ich mir nicht sicher. Du hattest vor mir viele Frauen und nach mir sicherlich auch. Daran habe ich keinen Zweifel. Nur, welchen Stellenwert nehme ich unter all deinen ehemaligen Geliebten ein? Für mich war unser Beisammensein etwas ganz Besonderes. Vielleicht bin ich für dich ja nur eine von vielen. Kaum wert, noch einmal daran zu denken. Das wäre schlimm für mich. Oder wäre es ein Segen?

***

Fürs Erste habe ich mir umsonst Sorgen gemacht. Als ich bei eurem Haus ankomme, bist du schon unterwegs, die letzten Partyvorbereitungen treffen. Ich richte mich in dem kleinen Gästezimmer ein. Die Zeit ist etwas knapp, aber Ines ist auch noch nicht fertig. Eilig schlüpfe ich in mein neues Kleid. Es ist raffiniert ausgeschnitten und bringt meine Brüste gut zur Geltung. Dazu trage ich schwarze Strumpfhosen und elegante Pumps. Als ich mich prüfend im Spiegel betrachte, schiebe ich den Gedanken, dass dir dieses Outfit wohl äußerst gut gefallen wird, weit zurück. Ich will jetzt nicht an dich denken. Sonst kommt die Angst zurück. Oder ich werde wieder feucht. Beides behagt mir im Moment nicht.

Ines läuft hektisch durch das Haus und lässt dadurch meine Aufregung noch weiter steigen. Meine Hände fühlen sich feucht an. Sie plappert unaufhörlich irgendwelches Zeug und ist keine Sekunde ruhig. Eigentlich passt mir das ganz gut, da ihr so hoffentlich nicht auffällt, dass ich so still bin. Erst als wir im Auto sitzen, schweigt sie.

Als wir in dem Gasthaus ankommen, ist die Party schon in vollem Gange. Es sind zahlreiche Leute gekommen. Ich schaue mich um, und entdecke viele Kollegen meines Mannes. Den meisten nicke ich aus der Ferne zu. Andere begrüßen mich persönlich, fragen nach dem Befinden von Mathias und bedauern, dass er nicht da ist. Irgendwer drückt mir ein Glas Wein in die Hand. Meine innere Unruhe legt sich ein wenig. Irgendwie habe ich das Gefühl, neben mir zu stehen und zuzusehen. Alles ist so entrückt.

Ich plaudere mit den Leuten, kenne viele von ihnen seit Jahren. Bald stelle ich überrascht fest, dass ich tatsächlich Spaß habe. Du bist in meinem Kopf ganz an den Rand gewichen. Es tut gut, einmal aus dem Alltagstrott auszubrechen. Die Musik dröhnt.

»Hey! Das ist aber schön, dass du auch da bist!«

Ein schlaksiger Mann mit Brille drängelt sich durch die Menge direkt auf mich zu. Er arbeitet ebenfalls in Mathias’ Firma und ich habe mich schon ein paarmal mit ihm unterhalten. Angestrengt suche ich in meinem Kopf nach seinem Namen. Er beugt sich vor und drückt mich mit einem Arm kurz an sich. Unbeholfen tätschele ich ihm die Schulter. Wie hieß er denn nur?

Das Einzige, was mir zu ihm einfällt, ist, dass er unglaublich langweilig ist. Seine Monologe sind endlos und ichbezogen. Und dann legt er auch schon los.

»Ich hatte ja gar nicht damit gerechnet, dich hier heute zu treffen, als ich erfuhr, dass Mathias krank ist. Was hat er denn? Die Grippe?«

Ich öffne den Mund, um ihm zu sagen, dass es wohl nur ein Infekt sei, doch schon spricht er weiter.

»So eine Grippe ist wirklich furchtbar. Ich hatte letzten Winter ...«

Ich klinke mich gedanklich an dieser Stelle aus. Lächele und nicke ab und zu und hoffe, dass ich die richtigen Stellen treffe. Unauffällig blicke ich mich um. Ich habe dich noch nicht gefunden. Kein Wunder, bei all den Leuten. Der Mann, dessen Name mir immer noch nicht einfällt, lacht laut. Verunsichert stimme ich mit ein. Höchstwahrscheinlich war es nicht witzig, aber es fällt mir schwer, andere vor den Kopf zu stoßen. Selbst wenn diese dumm und langweilig waren.

»Kaum ist dein Mann nicht da, schon fängst du an, mit anderen zu flirten.«

Beim Klang deiner so vertrauten Stimme fahre ich erschrocken herum. Ein Rauschen beginnt in meinen Ohren; alles um mich herum verschwindet. Ich sehe dich wie im Tunnelblick, alles andere ist ausgeblendet. Du lächelst unverbindlich, reichst mir die Hand und gibst mir einen Kuss auf die Wange. Ich rieche dein mir bekanntes Rasierwasser und tausend Erinnerungen ziehen durch meinen Geist. Das Blut schießt mir in den Kopf, wahrscheinlich verfärbt sich mein Gesicht burgunderrot. Ich hoffe, dass das niemandem bei dem schummrigen Licht auffällt. Du wendest dich an meinen Gesprächspartner und schüttelst ihm zur Begrüßung die Hand.

»Peter! Wie immer bei den schönen Frauen zu finden.«

Peter! Da hätte ich doch eigentlich selbst draufkommen können. Wenn irgendjemand wie ein Peter aussieht, dann er, fährt es mir durch den Kopf. Aber eigentlich ist mir sein Name recht gleichgültig. Nichts anderes zählt mehr als deine Anwesenheit. Ich habe das Gefühl, mit dir in einer kleinen Blase zu stehen. Nichts dringt von außen zu uns. Ich sehe nur noch dich.

Dein Auftreten ist wie immer selbstbewusst und unverbindlich.

»Wie geht es dir?«, fragst du mich und ich lächele dich an. Ich habe etwas Mühe, dich zu verstehen und beuge mich zu dir hin. Ich spüre deine Nähe mit jeder Zelle meines vibrierenden Körpers.

»Wir haben uns lange nicht gesehen. Schade, dass Mathias krank ist. Er verpasst heute etwas.«

Ich nicke. Mein Kopf ist wie leer gefegt. Mir fällt nicht ein, was ich erwidern könnte. Doch das ist auch gar nicht nötig, denn Peter versucht, dich in ein Gespräch zu verwickeln. Dein Blick wendet sich von mir ab und ich habe Zeit, dich aus dem Augenwinkel zu mustern.

Du hast dich kaum verändert. Nur deine Haare sind vielleicht etwas grauer geworden, was ich aber sexy finde. Du hebst die Hand und Peter verstummt.

»Tut mir leid. Ich muss noch ein paar Gäste begrüßen. Wir sehen uns später.«

Du musterst mich anerkennend mit einem kurzen, anzüglichen Blick. Hitze und Verlangen breiten sich in meinem Schoß aus. Dann verschwindest du in der Menschenmenge. Wenn ich deinen Blick richtig deute, gefällt dir mein Aufzug.

Mit meinen Ellbogen kämpfe ich mich zur Bar durch und lasse Peter einfach stehen. Keine Minute länger ertrage ich sein tumbes Geschwätz mehr. Ich brauche jetzt dringend etwas zu trinken. Es ist zu laut, zu voll hier.

Seit du in der Menschenmenge untergetaucht bist, fühle ich mich allein. Der Kellner schiebt mir über die Theke ein volles Glas Wein zu, welches ich schnell hinunterstürze. Dann schnappe ich mir ein weiteres Glas und beschließe, an die frische Luft zu gehen. Ich brauche ein wenig Ruhe und Zeit für mich, um mich wieder zu beruhigen. Mein Herz schlägt wie verrückt und im meinem Schoß pocht es verlangend.

Kurz vor der Tür hängt Ines sich an meinen Arm. Ausgerechnet! Ich habe Mühe, sie nicht von mir wegzustoßen. Sie seufzt neidisch, als sie mein gefülltes Weinglas sieht.

»Leider muss ich mich heute zurückhalten. Ich habe morgen Frühschicht und muss pünktlich aus dem Haus.«

Versteinert bleibe ich stehen. Ich breche unter ihren Worten fast zusammen. Ob sie weiß, was sie mir da gerade offenbart hat?

So viele Möglichkeiten für uns. Das konnte doch kein Zufall sein! Offenbar spielte Fortuna wieder mit ihrem Glücksrad. Doch war das wirklich Glück für mich? Oder eher eine Katastrophe?

5 Jahre zuvor

Glücklicherweise war an diesem Tag im Büro wenig zu tun. So konnte ich in Ruhe meinen Gedanken nachhängen. Was hatte ich nur getan? Ich könnte natürlich dem Alkohol die Schuld geben, aber wenn ich ehrlich zu mir war, war das nur die halbe Wahrheit.

Ich stützte meine Ellbogen auf die Tischplatte und legte mein Gesicht in beide Hände. Was hatte mich da nur geritten? Meine Haut fühlte sich heiß an, wie im Fieber. Was sollte ich nur tun, wenn er heute Mittag plötzlich hier im Büro auftauchte? Wie sollte ich das meinen Kollegen erklären? Vielleicht konnte ich ihn ja als entfernten Verwandten vorstellen?

Reiß dich zusammen, schimpfte ich mich selbst aus. Wahrscheinlich hat er die ganze Sache inzwischen wieder vergessen.

Das Telefon klingelte und riss mich aus meinen Überlegungen. Ich hob den Hörer ab, meldete mich und lauschte.

»Hallo! Erschreck dich nicht. Ich bin es.«

Ich erkannte seine dunkle Stimme sofort. Stocksteif saß ich auf meinem Bürostuhl.

»Hallo!« Meine Stimme glich einem Flüstern. Ich räusperte mich.

»Erinnerst du dich an unser Gespräch bei der Weihnachtsfeier?«

Was für eine Frage!

»Ja, natürlich.«

Er lachte. »Ich würde dich immer noch gern einmal besuchen. Wann hast du Zeit?«

In meinem Kopf herrschte Chaos. Was tat ich da nur? Sollte ich mich wirklich mit ihm verabreden? Andererseits, warum nicht? Vielleicht wollte er ja wirklich nur einen Kaffee mit mir trinken und ich brach hier grundlos in Panik aus. Irgendwie glaubte ich aber selbst nicht daran.

»Ich ... ich weiß nicht.« Ich ärgerte mich immens über meine Stotterei. »Jetzt vor den Feiertagen ist das schlecht.«

Wieder dieses sexy, dunkle Lachen, welches ein Kribbeln in meine Magengegend sendete.

»Du willst dich doch aber noch mit mir treffen, oder?«

Ich schwieg. Es fühlte sich an wie ein Scheideweg, an dem ich stehe. Wie sollte ich mich nur entscheiden? Moralisch gesehen war die Antwort glasklar. Sofort abwiegeln. Dann könnte ich mein Leben wie bisher weiterleben. Insgeheim sehnte ich mich aber nach mehr Aufregung. Und ehe ich michs versah, flüsterte ich:

»Ja, ich möchte mich mit dir treffen.«

Mein Herz schlug bei diesen Worten wie verrückt. Sein dunkles Lachen tönte aus dem Hörer.

»Gut. Du weißt aber, dass ich nicht der Typ fürs Händchenhalten bin, oder?«

Bei diesem Satz brannte alles in mir. Ich umklammerte den Telefonhörer so fest, dass er knackte.

»Ich möchte dich dann küssen und anfassen.«

Feuchtigkeit sammelte sich zwischen meinen Beinen. Oh mein Gott, was tat ich da nur?

»Okay«, wisperte ich in den Hörer und ahnte in diesem Augenblick schon, dass ich mich ihm damit auslieferte.

»Wir treffen uns und reden darüber.«

Tief in mir wusste ich, dass ich mir mit diesem Satz nur ein Alibi für meinen Seelenfrieden verschaffte. So konnte ich mir bis zu diesem Treffen immer wieder sagen, dass ich ja nur reden wollte. Gleichzeitig wusste ich aber, dass wir nicht darüber sprechen würden. Wenn ich zu diesem Treffen gehen sollte, und das würde ich, wäre das der Beginn meiner ersten Affäre.

»Gib mir deine Telefonnummer. Wir machen den Rest dann per SMS aus.«

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