Читать книгу Die polyglotten Liebhaber - Lina Wolff - Страница 5
ОглавлениеÜber die Jahre war ich noch mit ein paar anderen Jungs zusammen, ganz normalen Typen, jedenfalls verglichen mit dem, was dann kam. Ich bin nie mit einem zusammengezogen. Habe einfach vor mich hin gelebt, in den Tag hinein, ohne mir unnötig Stress zu machen. Ich ließ keinen Mann ernsthaft in mein Leben, bis zu der Sache mit Calisto und dem Manuskript. Das Ganze fing damit an, dass ich ein Profil auf einer Dating-Site erstellte, das so begann:
Ich bin sechsunddreißig und suche einen zärtlichen, aber nicht allzu zärtlichen Mann.
Unter Interessen schrieb ich »keine«, das Gleiche unter Lieblingsautoren. Auch bei Lieblingsessen und Lieblingsreisezielen trug ich nichts ein. Bloß unter Motto schrieb ich: Besagten Mann zu treffen. Dann überlegte ich, ob ein Motto nicht eigentlich etwas anderes war, eine Redewendung oder ein Sprichwort, etwas, was man in verschiedenen Lebenslagen als Weisheit heranzieht. Aber so was hatte ich nicht, also ließ ich den Satz stehen, obwohl er etwas über mich preisgab und eine nicht gerade wortgewandte Seite zur Schau stellte, die vielleicht abstoßend wirken konnte. Andererseits war ich ja auf keinen wortgewandten Mann aus. Dann lud ich noch ein Bild von mir hoch. Ein Bekannter hatte mich fotografiert, wie ich bäuchlings auf seinem Bett lag. Auf dem Bild war von Falten keine Spur, es war bei Kerzenlicht gemacht worden, und wie mein Bekannter immer sagt, sieht bei Kerzenschein jeder einigermaßen passabel aus.
Erst eine Woche später loggte ich mich wieder auf der Seite ein. In der Zwischenzeit hatte ich eine ganze Menge Nachrichten bekommen. Verwundert las ich eine nach der anderen. Ich bin nie eines dieser Mädchen gewesen, die viele Komplimente bekommen. Johnny hatte mal gesagt, ich sei wie eine Zwiebel, die man Stück für Stück häuten müsse, um zum Kern vorzudringen. Wahrscheinlich wären die meisten Mädchen beleidigt gewesen, aber Johnny hatte das als Kompliment gemeint. Wenn ich jetzt morgens mein Profil öffnete, hatte ich jedenfalls jede Menge Nachrichten. Ein älterer Herr versprach mir »finanzielle Sorglosigkeit«, wenn ich ihn im Gegenzug dreimal pro Woche sexuell »befriedigte«. Ein Jüngling von zwanzig Jahren fragte, ob ich ihn »anlernen« könne. Ich saß da, mit meiner Kaffeetasse in der Hand, und prustete los. Ich war gerührt, aber nicht wegen der Komplimente (das Foto war ja reine Bauernfängerei), sondern weil mir klar wurde, dass die Männer, die mir schrieben, tatsächlich an die Liebe glaubten und hofften, ich könnte ihnen geben, wonach sie suchten.
Eine Weile loggte ich mich nicht mehr auf der Seite ein. Mir kam immer irgendwas dazwischen, aber als ich eines Tages wieder online war, sah ich, dass mir ein paar der Männer weiterhin geschrieben hatten. Manche fast täglich, über mehrere Wochen. Der Zwanzigjährige, der von mir angelernt werden wollte, schien regelrecht von mir besessen, in einer Nachricht schrieb er: Ich bin immer nur mit Mädchen zusammen gewesen, die in einer Tour geredet haben, die ständig reden und reden wollten, aber Du kommst mir wortkarg und echt vor. Wortkarg und echt. Klang hübsch, fand ich. Ich schrieb zurück:
Die Mädchen haben wohl Lust, sich mit Dir zu unterhalten. Sieh zu, dass sie Lust auf was anderes kriegen. Beste Grüße, E.
Andere Nachrichten klangen fast ein bisschen bedrohlich. Nicht, dass die Männer mich persönlich bedrohten, aber sie deuteten die Möglichkeit an.
Diese Welt ist nicht anders als die richtige Welt, schrieb einer. Hier werden Frauen genauso bedroht wie überall sonst auch, hier musst Du genauso auf Dich aufpassen.
Ich schrieb zurück: Dann blockier ich Dich jetzt, Du Psycho!, und damit war die Sache gegessen.
Manchmal dachte ich: Warum bist du abgehauen, Johnny? Warum konntest du dich nicht um mich kümmern? Jetzt treib ich hier draußen im kalten Wasser und weiß nicht, ob ich überlebe.
Aber ich habe überlebt, sonst säße ich ja nicht hier und würde das hier schreiben.
Mein nächster Freund war Klaus Bjerre aus Kopenhagen. Ihm gefiel es, wenn ich ihn meinen »Freund« nannte, dann fühlte er sich jung. Auf Dänisch sagt man kæresta, Liebster. Seine Wohnung lag nicht weit vom Kopenhagener Drogenstrich. Ja, zu der Zeit gab es in Kopenhagen noch einen echten Drogenstrich, und man konnte Leute beobachten, die im Dezembernebel an Straßenecken rumlungerten oder auf dem Gehsteig pennten. Klaus Bjerre meinte, sie seien harmlos, und das stimmte auch. Ich blieb die meiste Zeit in der Wohnung, weil Bjerre mit einer Handbewegung zum Fenster hin immer sagte: »In Kopenhagen kann alles passieren.« Das Haus gegenüber hatte eine rote Backsteinfassade. Mir hatte Kopenhagen schon immer gefallen, aber insgeheim fragte ich mich, warum Bjerre sich ausgerechnet eine Schwedin ausgesucht hatte. Ob er etwas an sich hatte, was die Däninnen auf den ersten Blick erkannten, aber eine Schwedin nicht. Die Dänen halten uns Schweden für blöd. Auch dann, wenn man aus Schonen kommt, das ist das Gleiche in Grün. In ihren Augen taugen wir höchstens dazu, Lebensmittel zu verkaufen, Brücken zu bauen und die Wälder schön sauber zu halten, damit sie an den Wochenenden zum Spazierengehen rüberkommen können. Bjerre jedenfalls wollte offensichtlich herausfinden, ob eine Schwedin vielleicht auch zur Gattin oder wenigstens zur Geliebten taugte.
»Ich hab allerdings ein kleines Laster«, sagte er bei unserem ersten Treffen, »ich trinke ziemlich viel.«
Im ersten Moment machte ich mir keine Sorgen, ich wusste nichts übers Trinken und konnte mir kaum vorstellen, dass es irgendwelche Auswirkungen haben würde. Aber dann fasste er mich an, und ich nahm den Geruch seiner Hände wahr. Selbst das Bett, in dem wir miteinander schliefen, roch nach ihm, und manchmal, wenn er aufgestanden war, drückte ich meine Nase in sein Kissen und musste mich fast übergeben. Es stank nach Alkohol und Dreck, körperlichem Dreck, als wüsste sein Körper nicht, wohin mit dem ganzen Gift, weshalb er ein Gegengift produzierte. Am Anfang verursachte mir Bjerre Übelkeit, aber irgendwann hatte ich mich an ihn gewöhnt. Außerdem mochte ich seine Wohnung. Sie lag im Stadtteil Frederiksberg und war schön warm, es gab eine Heizung direkt neben dem Küchentisch, an die man beim Kaffeetrinken die Beine lehnen konnte.
Eigentlich passierte zwischen uns nichts Besonderes, nichts, das nicht auch zwischen normalen Paaren passiert. Speziell waren nur die Momente, in denen Bjerre über unsere Zukunft sprach. Er malte sie sich als eine Art Schloss aus, und wenn er das tat, lag Glück in seinem Blick, ja manchmal, wenn er so vor sich hin redete, vergaß er sogar das Trinken. Er schlug mir vor, ich solle bei ihm einziehen, er könne ein größeres Bett kaufen und andere Dinge, die ich mir wünschte. Wir würden gemeinsame Freunde haben, sie zu uns einladen, und er würde für mich ein Bankkonto eröffnen, auf dem immer genug Geld wäre, plus ein ganzer Jahreslohn als Reserve, für den Fall, dass ihm etwas zustieße.
»Ich kümmer mich um alles«, sagte er, »bei mir kannst du dich zurücklehnen und dir sicher sein, dass ich hinter dir stehe und für dich sorge.«
Wenn er sein Leben auf die Kette kriegen wolle, antwortete ich, müsse er als Allererstes mit dem Trinken aufhören.
Er nickte und nahm einen Schluck.
»Stimmt. Du sagst mir nicht, was ich hören will, sondern was ich hören muss. Du bist eine echte Freundin, Ellinor.«
Dabei blickte er mich mit seinen blutunterlaufenen Augen an. Sie waren glasig, als würde er jeden Moment losheulen. Er griff nach meiner Hand, seine Finger waren lang, die Nägel abgeknabbert. Er beugte sich vor, um mich zu küssen, aber er stank so scheußlich, dass ich den Kopf wegdrehte. Da trank er noch einen Schluck und blinzelte das glasige Schimmern in seinen Augen weg.
»Wenn ich an das Leben denke, das ich mit dir führen möchte, Ellinor«, sagte er dann, »ein ruhiges, angenehmes Leben, dann hab ich das Gefühl, ich kann alles schaffen. Ich würde sonst was dafür tun. Morgen holen wir die Flaschen, die ich versteckt hab, und kippen sie aus. Das wird unser Neuanfang.«
Er lächelte wieder, und seine Hand umklammerte meine.
»Sollen wir uns ein Auto anschaffen?«, fragte er. »Dann können wir an den Wochenenden nach Schonen rüberfahren. Wir könnten Waldspaziergänge machen und in Malmö billig einkaufen.«
Ein Auto sei nicht nötig, sagte ich, in Kopenhagen könne man ja praktischerweise überall Fahrräder ausleihen, und nach Schonen komme man auch mit dem Zug. Bjerre sah enttäuscht aus, als wäre das Auto die Voraussetzung für alles andere.
»Einen Hund vielleicht?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Uns geht’s doch wunderbar«, sagte ich. »Nur mit dem Trinken musst du aufhören.«
Am nächsten Tag wollten wir den Alkohol aus dem Haus schaffen. Die Flaschen auskippen und entsorgen, ein neues, stabiles Leben beginnen. Klaus Bjerre stand ganz früh auf, duschte, sprühte sich mit Eau de Toilette ein, trank Kaffee und rührte die Flaschen in der Küche nicht an. Als er zu mir herübersah, kamen mir seine Augen weniger rot vor.
»Alles wird gut, du wirst schon sehen«, sagte ich. »Hat man erst mal einen Entschluss gefasst, läuft der Rest von allein.«
»Ja«, sagte Klaus. »Ich geh jetzt zur Arbeit. Und wenn ich nach Hause komme, essen wir zu Abend und trinken Wasser. Danach kümmern wir uns um die Flaschen.«
Als er die Wohnung verließ, blieb ich hinter ihm in der Tür stehen. Am Treppengeländer drehte er sich noch einmal um, winkte und lächelte mir zu.
Ich ging wieder rein, setzte mich in die Küche und frühstückte. Klaus Bjerre war vielleicht eine halbe Stunde weg, da klopfte es an der Tür. Kräftig und entschlossen. Ich hatte vorher keine Schritte im Treppenhaus gehört, die Person musste also schon eine ganze Weile vor der Tür gestanden haben. Dann hatte sie sich offenbar ein Herz gefasst, die Hand gehoben und dreimal entschlossen angeklopft. Ich hörte auf zu kauen und stellte meine Tasse auf den Tisch. Bestimmt irgendein Vertreter oder ein Zeuge Jehovas, dachte ich. Wobei, ein Vertreter oder ein Zeuge Jehovas hätte anders geklopft. Solche Leute achten schon beim Klopfen darauf, als Freund wahrgenommen zu werden, als jemand, der dein Leben zum Guten verändert. Als ich nicht reagierte, klopfte es erneut. Fest und fordernd, als wüsste die Person, dass jemand in der Wohnung war, und sie schien fest entschlossen, sich nicht so leicht abwimmeln zu lassen. Ich stand auf und blieb mitten im Zimmer stehen. Reglos, in meinem Nachthemd, den Blick auf die Tür gerichtet, aber ich konnte mich nicht dazu aufraffen, sie zu öffnen. Das Klopfen wurde noch lauter, und ich hörte, wie jemand rief: »Machen Sie auf, Frau Bjerre, bitte, Frau Bjerre, ich bitte Sie!«
Ich öffnete die Tür einen Spaltbreit. Draußen stand eine Nachbarin. Ich hatte noch nie mit ihr geredet, wusste nur, dass sie mit ihrer Tochter im siebten Stock wohnte. Klaus nannte sie »die Irre«. Sie war genauso schlampig angezogen wie ich, wenn nicht noch schlampiger, und ihr Nachthemd war auf der Brust mit Kaffee oder Marmelade bekleckert.
»Ja?«, fragte ich durch den Türspalt.
»Sie müssen mitkommen«, sagte sie. »Regina hat sich im Bad eingeschlossen und sagt die ganze Zeit schlimme Sachen.«
»Regina?«, fragte ich.
»Meine Tochter.«
»Ich glaub, da kann ich Ihnen nicht helfen«, sagte ich.
»Sie müssen aber«, beharrte sie, »sonst bringt Regina sich noch um.«
Ich sagte, ich hätte viel um die Ohren und würde so früh morgens nie vor die Tür gehen. Gleichzeitig versuchte ich, die Tür zuzudrücken, aber da wurde die Frau im Flur regelrecht hysterisch.
»Nein, nein«, schrie sie. »Sie verstehen nicht, Frau Bjerre, Regina bringt sich sonst um, Sie müssen mir helfen, sie bringt sich sonst um.«
Ohne zu wissen warum, öffnete ich die Tür und trat auf den Treppenabsatz. Da standen wir, umgeben von kompakter Stille. Es war, als wären wir vom Kopenhagener Leben und Trubel vollkommen abgeschnitten, als hätten wir, ohne uns dessen bewusst zu sein, jede in ihrer Wohnung, etwas Eigenes, Unbehagliches und Schreckliches herangezüchtet. Unser eigenes Vakuum, ein krankes Universum. All das ging mir damals durch den Kopf, und ich dachte, dass ich weder etwas über ein Vakuum noch über ein krankes Universum wissen wollte.
»Was soll ich denn tun?«, fragte ich.
»Sie müssen mir helfen, sie aus dem Bad zu kriegen«, antwortete die Frau.
»Ich bin krank«, platzte ich heraus.
»Was haben Sie denn?«
Die ansteckendste Krankheit, die mir auf Anhieb einfiel, war Ausschlag.
»Man sieht gar nichts«, sagte sie. »Was für ein Ausschlag denn? Eiterflechte?«
»Nein«, sagte ich. »Ein ganz normaler Ausschlag halt.«
»Ein normaler Ausschlag?«
»Was wollen Sie von mir?«, fragte ich noch einmal.
»Helfen Sie uns!«, flehte sie. »Wir brauchen Ihre Hilfe.«
»Können Sie denn niemand anders fragen?«
»Sie sind die Einzige, die tagsüber Zeit hat.«
Sie hatte recht. Von allen Hausbewohnern war ich die Einzige, die nichts zu tun hatte. Alle anderen Türen waren verschlossen und würden das bis sechs oder sieben bleiben, wenn die Leute von der Arbeit zurückkämen. So mitten am Tag war nur ich zu Hause.
»Na, dann muss ich wohl mitkommen«, sagte ich.
Ich ging zurück in die Wohnung, schnappte mir den Schlüssel und folgte ihr.
Die Luft in der Wohnung war stickig, und es herrschte Chaos. Da kaum Tageslicht hereinfiel, brannten sämtliche Lampen. In der Mitte der Wohnung war ein schmaler Schacht, der vermutlich mal eine Art Müllschlucker gewesen war und jetzt als Lichtquelle für die Wohnungen diente, die keine Fenster zum Innenhof oder zur Straße hatten. Durch den Schacht konnte man von der Küche ins Badezimmer blicken. Ich trat näher an die Scheibe und blickte hindurch. Und dort, im Raum gegenüber, saß eine Frau und starrte mich an. Sie saß ganz still da, nur ein paar Meter von mir entfernt. Ihre Augen verschwammen hinter dicken Brillengläsern, und ihr Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Den Mund hatte sie zu einem schmalen Strich zusammengepresst, und auch sie trug ein sackartiges Nachthemd, unter dem sich zwei Hängebrüste abzeichneten.
»Können Sie mir die Tür zeigen?«, fragte ich.
Wir gingen durch einen schmalen Flur.
»Hier ist es«, sagte die Frau und deutete auf die Badezimmertür. »Da drinnen ist sie.«
Ich legte meine Hand auf die Klinke und rüttelte an der Tür. Abgeschlossen. Ich klopfte an.
»Hallo?«, fragte ich.
»Sind Sie Frau Bjerre?«, fragte Regina von drinnen.
»Ja«, sagte ich, auch wenn sich »Frau Bjerre« ziemlich albern anhörte.
»Sie müssen die Tür eintreten«, sagte Reginas Mutter.
»Ja«, antwortete ich. »Ich trete jetzt die Tür ein.«
Ich raffte mein Nachthemd hoch, steckte es in den Slip und blieb einen Moment stehen. Klaus’ Nachbarin ließ ihren Blick langsam und abschätzig über meinen Körper wandern.
»Ich trete jetzt die Tür ein!«, rief ich Regina zu. »Gehen Sie so weit von der Tür weg wie möglich! Hören Sie? Bringen Sie sich in Sicherheit!«
Ich trat einen Schritt zurück, um Anlauf zu nehmen. Jetzt trete ich zum ersten Mal eine Tür ein, dachte ich und beschloss, mich nicht zurückzunehmen wie beim Training, wenn ich auf meinen Gegner eintrat. Ich verlagerte mein Gewicht aufs linke Bein und hob das rechte, um gegen die Tür zu treten. Da sagte Reginas Mutter schnell und leise, fast fiepend: »Stellen Sie sich jemanden vor, den Sie hassen.«
Und noch bevor ich einen klaren Gedanken fassen und mir so richtig darüber klar werden konnte, was sie gesagt hatte, sah ich Klaus Bjerre vor mir. Sein Gesicht, die blutunterlaufenen Augen, und schon stieg mir sein fauliger Mundgeruch in die Nase. Und in dem Moment, in dem mein Fuß die Tür traf, sah ich Bjerres schiefes Lächeln. Ich donnerte ihm meine Ferse direkt in die Fresse. Die Türangeln kamen zum Vorschein, und die Tür wackelte einen Moment. Dann löste sie sich aus dem Rahmen und krachte zu Boden. Drinnen, auf dem Klodeckel, saß Regina. Schielend, schlaffbrüstig, panisch.
»Frau Bjerre hat die Tür aufgekriegt!«, jauchzte Reginas Mutter. »Da hast du’s, Regina, ein Mann war gar nicht nötig.«
Regina stand von der Toilette auf, kam auf mich zu und fiel mir um den Hals, und ihre Mutter machte es ihr nach. Dann standen wir da, umgeben von dem weichen Schweißgeruch ihrer Achseln und vielleicht auch meiner, ich glaube, den eigenen Schweißgeruch nimmt man weniger wahr. Sie zerrten mich in die Küche und luden mich zu Likör und Kuchen ein.
»Bitte, Frau Bjerre. Nehmen Sie Platz, damit wir Ihnen unsere Dankbarkeit beweisen können.«
Während die beiden über den Linoleumboden hin und her trippelten, blitzten ihre nackten Füße unter den Nachthemden hervor. Ich betrachtete die trockenen, rissigen Fersen, die langen Zehennägel, die Abdrücke, die sie auf dem Boden hinterließen, der wie von einer Fettschicht überzogen war.
»Ich muss wieder runter«, sagte ich. »Herr Bjerre kommt gleich nach Hause.«
Sie nickten verständnisvoll. Als ich nach unten ging, winkten sie mir von oben hinterher. Ich öffnete die Wohnungstür, und als ich eintrat, schlug mir Klaus Bjerres jämmerlicher Mief entgegen. Einen Augenblick lang stand ich da und sah mich um. Der Frühstückstisch. Die Heizung. Die Backsteinfassade auf der anderen Straßenseite. Die Flaschen, die wir am Abend entsorgen wollten. Unser kleines Leben, die Existenz, die wir uns zusammen aufgebaut hatten.
Dann ging ich ins Schlafzimmer, nahm meinen Koffer und packte meine Sachen. Verließ die Wohnung und ging Richtung Hauptbahnhof. Kurz blieb ich stehen und beobachtete das Gewimmel unter dem Glasdach. Nicht weit von mir stand ein Blumenverkäufer. Ein paar Minuten später saß ich im Zug zurück nach Schonen.