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Kapitel 9

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Rainer Kokoschke. Sein Leben war so durchsichtig wie eine gut geputzte Glasscheibe. Zu einfach. Verdächtig einfach, wie es in Krimis immer heißt. Er war früh Witwer geworden, hatte zwei Töchter großgezogen. Eine achtzehn Jahre, die andere zwanzig. Beide studierten nach dem Abi.

Kokoschke hatte sich in der Firma vom Lehrling zum Prokuristen hochgearbeitet.

Kleine Wohnung, kein Auto (nicht verdächtig bei den Parkplatzproblemen).

Er wollte Tanja beim nächsten Treffen fragen: Verdienstgrenze der Eltern für Bafög.

Langsam schlug Theo das Gewissen. Nach vier Tagen sollte er endlich Frau Müller-Schlomkat anrufen. Selbst die 600 Euro hatte er mit diesem Fall nicht wirklich abgearbeitet. Und eine Erfolgsprämie würde er für diese guten Nachrichten über Rainer Kokoschke garantiert nicht von ihr erhalten. Schade.

Tanja hatte ihn mittlerweile schon weit mehr gekostet als die 200 Euro, die er von seinem Bruder gepumpt hatte. Er sollte sie ihm endlich zurückgeben, bevor die Euros von Frau Müller-Schlomkat komplett im Winde verweht waren! Andererseits war die Miete nächste Woche fällig und der Dispokredit auf seinem Konto nach wie vor voll am Limit. Insgesamt 8oo Euro hatte er an einem Tag kassiert und trotzdem stand er finanziell keinen Deut besser da als zuvor. Irgendwie war das schwer verständlich und nicht durchschaubar für ihn. Der einzige Unterschied bestand darin, dass er sich in den letzten Tagen weder von Tütensuppen noch von altem, vertrocknetem Brot ernährt hatte. Ja, er hatte gut gespeist und stets in angenehmer Gesellschaft. Zu der auch sein Bruder zählte, aber in der Hauptsache Tanja. Sie hatte in ihm ganz ungewohnte Gefühle geweckt und er war zu dem Schluss gekommen, es handle sich um eine Art von väterlichem Stolz. Er freute sich schon auf das Abendessen mit ihr, dieses Mal einfach nur in einer kleinen Pizzeria, die sie vorgeschlagen hatte. Als würde sie spüren, das er klamm war.

Das Telefon läutete gerade zweimal. Frau Müller-Schlomkat schien auf seinen Anruf gewartet zu haben. Zum Ergebnis seiner Ermittlung äußerte sie sich gar nicht, sondern bestand geradezu auf sein persönliches Erscheinen. Am besten heute noch und am allerbesten sofort.

Obwohl er wenig Sinn darin sah, stimmte Theo zu. Man sollte Klienten stets ihren Willen lassen, war gut fürs Geschäft. Bis zum Treffen mit Tanja war noch reichlich Zeit.

Gewohnheitsmäßig fuhr er schwarz mit dem Bus. Beim Aussteigen erkannte er die Kontrolleure. Dieses Mal hätten sie ihn erwischt, wenn er weitergefahren wäre. Er blieb im Eingang der Einkaufspassage stehen und beobachtete die zwei. Sie ließen jedem, der hinter ihnen kam, unauffällig den Vortritt und stiegen erst ein, nachdem alle im Bus waren.

Ich sollte aufhören, schwarz zu fahren, dachte Theo. Wie peinlich, erwischt zu werden.


Aus Frau Müller-Schlomkats Wohnung drang der Kaffeegeruch als sie ihm die Tür öffnete. Diesmal hielt sie sich nicht lange an Begrüßungsfloskeln auf und steuerte das Wohnzimmer an. Der Tisch war bereits gedeckt, die altmodische Warmhaltehaube thronte gleich einer guten alten Bekannten auf dem Couchtisch, begleitet von einem Frankfurter Kranz.

„Oh, ein Frankfurter Kranz“, sagte Theo.

Frau Müller-Schlomkat war hocherfreut ob seiner Kennerschaft und überraschte ihn mit der Antwort: „Hab ich extra für sie gebacken!“

Theo überspielte sein Erstaunen mit verhaltenen, wohligen Knurr- und Grunzlauten. Woher wusste sie im Voraus von seinem Kommen? Die Zeit, die seit dem Anruf vergangen war, hätte niemals für die Herstellung eines solch leckeren Kuchens ausgereicht.

Er gab sich dem Ritual des Genießens, das er von seinem ersten Besuch bei ihr kannte, mit Behagen hin. Sein Frühstück war lange vorbei, er verspürte durchaus einen kräftigen Hunger.

Nach erreichen des Sättigungsgrades war fast der halbe Frankfurter Kranz vertilgt. Das erfreute die alte Dame so sehr, dass sie ihm erneut eine der Lieblingszigarren ihres verstorbenen Mannes anbot. Der Zigarrenrauch hüllte ihn in magische Gefühle: Zufriedenheit in ihrer reinsten, höchsten Form.

„Ich möchte, dass Sie weitermachen!“, verkündete seine Auftraggeberin mitten hinein in sein unsägliches Behagen.

„Ähem“, erwiderte Theo, „und weshalb?“

„Ich habe ihnen doch gesagt, irgendetwas stimmt mit dem Typ nicht! Ich will, das sie ihn rund um die Uhr beschatten!“

Mehr sagte sie nicht. Die Frau wusste immer, was sie wollte. Theos Gehirn fing an zu rattern. Wie sollte er das bewerkstelligen, ohne Auto. Unmöglich. Er konnte doch nicht stundenlang vor der Eingangstür von Kokoschke herumlungern. Andererseits, er brauchte Geld. Und ihr vergilbter Scheck aus ihrem vergilbten Scheckbuch war von ihrer Bank problemlos eingelöst worden. Ein neuer Scheck wäre nicht schlecht. Nein, er wäre sogar sehr willkommen.

Als er Frau Müller-Schlomkats Wohnung verließ, trug er einen Scheck über eintausend Euro in seiner Tasche.


Der viele Kuchen im Bauch löste einen enormen Heißhunger bei Theo aus. Er konnte es kaum erwarten, dass seine Pizza serviert wurde. Tanja amüsierte sich ungehemmt darüber und hielt ihm die Ketchupflasche auffordernd vor die Nase, nachdem er den Müsliriegel aus ihrer Handtasche verweigerte.

Um sich von seinem Hunger abzulenken, erzählte er ihr etwas über seinen Auftrag. Tanja fragte interessiert nach den Einzelheiten seiner Ermittlungsarbeiten und bot ihm ihr Auto für die Überwachung an.

„Aber nur, wenn ich auch mal dabei sein darf!“

„Das ist total langweilig. Man hockt bei so einer Überwachung stundenlang im Auto.“

„Man muss alles mal erlebt haben“, meinte Tanja. „Aus diesem Grund habe ich sogar mal an einer Tupperparty teilgenommen. Würde ich nie wieder tun, war aber trotzdem ganz interessant! Also, wann geht’s denn los? Morgen Abend habe ich Dienst an der Rezeption, aber nur bis zweiundzwanzig Uhr, dann kommt der Nachtportier.“

„Und heute?“

„Willst du heute schon anfangen?“

„Warum nicht?“, fragte Theo zurück.

Plötzlich gefiel ihm der Gedanke, sich mit Tanja die Nacht in ihrem Auto um die Ohren zu schlagen. Die Gespräche mit ihr würden garantiert keine Langeweile aufkommen lassen!



Liebe, gut gekühlt

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