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Agnete stand auf der Straße. Der feuchte Märzwind warf sich ihr in wilden Stößen entgegen und nahm ihr fast den Atem. Merkwürdig, daß ihr diese erste, ungewohnte Weichheit der Frühlingsluft jetzt erst zum Bewußtsein kam. Heute früh hatte sie in ihrer Aufregung nichts von allem gespürt. Und jetzt fühlte sie eine Unruhe in sich, stärker eigentlich als vor dem Besuch bei Printheer. Niemals hätte sie geglaubt, daß der Vater eine Beziehung zu einem Manne wie Printheer gehabt hätte, niemals geglaubt, daß sie selbst je in eine Beziehung zu ihm treten würde. Vielleicht würde er doch einen Weg für sie wissen? Er hatte es ja angedeutet. Aber wie vielen, die zu einem Manne wie Printheer kamen, mochte wohl Ähnliches gesagt werden! Wie vielen etwas versprochen werden, ohne daß das Versprechen je eingelöst wurde. Vermutlich war es dies Unsichere, was sie so bedrängte. Heute früh noch, ehe diese Karte von Printheer ihr aus der Heimat nachgesandt worden war, hatte sie ihr Leben überschauen können, hatte gewußt, daß sie ganz allein auf sich gestellt war und auf das, was die Studentenhilfe ihr an Arbeit übermittelte. Jetzt war alles vage geworden — und doch hatte im Grunde sich nichts geändert. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätte diesen Besuch bei Printheer nicht gemacht. Man hätte sich nicht noch durch solche Dinge in falsche Erwartungen hineinziehen lassen sollen.

Agnete fühlte sich plötzlich sehr allein. Sie hatte das Bedürfnis, mit einem Menschen zu sprechen; darum nahm sie eine Elektrische und fuhr nach dem Studentenhaus in der Johannisstraße. Um diese Zeit würde sie Wolfgang treffen.

*

Ein ununterbrochenes Kommen und Gehen herrschte in dem alten Hause der Johannisstraße. Jetzt, um die Mittagszeit, wurde der Speiseraum fast gestürmt. Für wenig Geld bekamen hier die ewig hungrigen jungen Menschen eine kräftige Mahlzeit. Und wenn es auch nicht gerade so schmeckte wie daheim bei der Mutter, so war man doch froh, sich einmal am Tag richtig satt essen zu können. Studentenleben von heute ist wahrlich kein leichtes Leben. Wo ist die Sorgenlosigkeit geblieben, der fröhliche Leichtsinn, der früher untrennbar verbunden war mit dem Begriff „Student“? „Durchhalten! Fertig werden!“ — das ist der Rhythmus, der heute den gewaltigen Bau der Universität durchpulst. Fertig werden! Nicht mehr den Eltern auf der Tasche liegen, die oft genug das Geld für das Studium ihres Kindes nur mit den schwersten Opfern aufbringen können. Nicht mehr von Tee und trockenen Semmeln leben müssen, wenn der Monat sich seinem Ende nähert und man selbst das Geld für das Mittagessen in der Studentenspeisung nicht mehr hat. Aber Durchhalten! — bis zum Examen. Der wissenschaftlichen Arbeit treu bleiben. Arzt werden, um der Menschheit helfen zu können. Recht studieren, um später Recht zu sprechen. Selbst lernen, viel lernen, um andere einst lehren zu können!

Und dann macht man das Examen, dann ist man glücklich fertig, hat sich mit größten Opfern an Kraft und Geld durchgearbeitet bis zum Abschluß — und was ist dann? Gering die Aussicht auf irgendeine Anstellung, gering die Bezahlung, wenn man so glücklich war, etwas zu bekommen. Jahrelange, trostlose Wartezeit für die meisten.

Es steckt ein ungeheurer Idealismus in dieser studierenden Jugend von heute, die trotz der trüben Zukunftsaussichten weiterarbeitet, weiterhungert, weiterstrebt. Durchhalten! Fertig werden!

Agnete schob sich zwischen ein paar Kommilitonen hindurch, nickte hier und da. Es waren Studenten, die sie von den Hörsälen und Kollegs kannte. Ein Klappern von Tellern, Geruch von Kohl und Suppe schlug ihr aus dem niedrigen Eßsaal entgegen.

„Tag, Fräulein Reyersdorff“, sagte ein blonder junger Mann hinter ihr — er fuhr nachts eine Taxe, um am Tage studieren zu können — „na, beehren Sie uns auch einmal wieder? Wen suchen Sie denn?“

„Wolfgang, Wolfgang Rautenberg, ach, ich sehe ihn schon.“

Agnete steuerte zwischen ein paar Studentinnen hindurch, die ihren Teller mit der Mittagssuppe vorsichtig durch den menschenvollen Raum trugen.

Aus einer Ecke hinter einem weißgescheuerten Tisch winkte Wolf Rautenberg.

„Hallo, Agnete!“ schrie er über den summenden Lärm hinweg und hielt seine Hand wie einen Wegweiser hoch.

„Tag, Wölfchen.“

Agnete schob sich neben ihn auf die Bank. Ein Student rückte zur Seite.

„Tag, Agnete, wie geht’s? Hast du schon gegessen, oder soll ich dir etwas von dem köstlichen Mahl besorgen? Herrlicher Lunch, sage ich dir. Ganz neues Gericht, Weißkohl mit Fleisch. Das heißt, fürs Fleisch hätten wir eigentlich das Mikroskop mitbringen müssen. Mit unbewaffneten Augen vermochte ich wenig davon zu entdecken.“

„Bist du schon fertig, Wolfgang, oder geht’s erst los?“

„Nee, danke“, Wolf schüttelte sich. „Für den ersten Hunger reicht’s, und für den zweiten möchte ich hier nicht noch mal. Ich weiß nicht, euer Essen, das ist — —“

„Na, wie ist es denn, du Materialist?“

„Preußisch ist es“, sagte Wolfgang mit tiefster Verachtung. „Meiner Ansicht nach beginnt die Trennung zwischen Süd- und Norddeutschland nicht beim Main, sondern bei der Kohlsuppe.“

Er sah mit tiefstem Widerwillen auf seinen Nachbarn, der geräuschvoll das Esssen auslöffelte.

„Weißt du was, Wölfchen, ich lade dich ein zu einer Tasse Kaffee und Kuchen. Wie wäre es damit? Aber nicht hier. Drüben bei Dobrin am Tiergarten. Mir ist so nach Tiergarten und einem guten Kaffee.“

„Welchen reichen Mann hast du totgeschlagen?“ fragte Wolfgang mißtrauisch. „Jetzt? Hast du den Kalender im Kopf, meine Teure? Siebenundzwanzigster. Oder hast du die Studentenhilfe ausgeraubt? Kaffee und Kuchen bei Dobrin? Verwegener Gedanke!“

„Ach, man muß auch einmal verwegene Gedanken haben, Wolfgang. Mit der Vorsicht kommt man auch nicht weiter. Wer weiß, vielleicht geht’s einem bald mal besser.“

„Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf“, zitierte Wolfgang und schob rücksichtslos ein paar Kommilitonen beiseite.

„Einen Augenblick.“

Agnete blieb gewohnheitsmäßig vor dem schwarzen Brett mit den Arbeitsvakanzen stehen.

„Keine Schreibmaschinenarbeiten, nichts zu machen.“

Ihr Gesicht war schon wieder bedrückt.

„Was ist denn mit dir, Agnete?“

Wolfgang sah sie von der Seite an: „Du bist ja so ungleich. Ist dir etwas Unangenehmes passiert? Erzähl’ doch schon, Mädchen.“

Er schob seinen Arm in den ihren.

„Unangenehmes eigentlich nicht. Bloß etwas Merkwürdiges. Und darum habe ich dich ja abgeholt, weil ich selbst mich nicht so ganz zurechtfinde. Eine komische Sache, die mir da passiert ist.“

Während sie beide durch den Tiergarten gingen, erzählte Agnete.

Wolfgang blieb mitten auf dem Wege stehen.

„Was“, sagt er, „Printheer, der große Printheer? Printheer, die Kohle, das Eisen, die Bergwerke, der Mammon? Wie kommt der Glanz in deine niedere Hütte?“

„Das weiß ich eben nicht, Wolf. Warum hat er mich kommen lassen? Nur so aus Dankbarkeit für meinen Vater? So was gibt’s doch eigentlich nicht.“ Wolfgang bemerkte philosophisch:

„Es gibt nichts, liebe Agnete, was es nicht gibt. Vielleicht will er dich zur Universalerbin einsetzen?“

„Du bist verdreht. Mit dir kann man auch kein vernünftiges Wort über solche Angelegenheit reden.“ Wolfgang machte ein halb ernstes, halb spöttisches Gesicht:

„Gib doch zu, Agnete, bei einer solch mysteriösen Aufforderung kann man sich alles mögliche denken. Da bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten, was dabei herauskommt.“

Plötzlich sagte er nachdenklich:

„Du, Agnete, kannte dich der Printheer eigentlich schon vorher?“

„Nein. Warum fragst du denn?“

„Ach, nur so.“

Aber das Übermütige und etwas Freche seines Jungengesichts war überschattet. Er ging ganz gegen seine Gewohnheit schweigsam neben Agnete her. Agnete, selbst in ihren unruhigen Gedanken versunken, spürte nichts davon.

Wolfgang Rautenberg sah von der Seite ihr Gesicht. Wie schön es war in seiner herben Fügung. Wie schön die kluge Stirn und, im Gegensatz dazu, der zarte, unerweckte Mund. Er bemerkte es wohl, wie die Blicke der ihnen entgegenkommenden Männer das geliebte Mädchen neben ihm begehrlich streiften. Zärtlichkeit durchrann ihn erneut. Wie sehr war er an Agnete gebunden. Viel mehr als er verriet und sie wußte. Es war gut, daß man den etwas rauhen Ton kameradschaftlicher Herzlichkeit hatte. Und mit ihm ließ sich vieles verbergen an Sehnsucht, Wünschen. Solange Agnete unangerührt von der Liebe durchs Leben ging, war eine hoffnungslose Neigung erträglich. Man mußte nur die Zähne zusammenbeißen. Agnete sah in ihm nichts anderes als den Freund und Arbeitsgenossen. Bisher aber hatte sie auch noch niemals mehr in irgendeinem anderen Mann gesehen. Wenn sie einmal erwachte, dann würde es schwer für ihn sein.

*

Vor Printheer lag eine Mappe mit dem Vermerk: „Agnete Reyersdorff.“ Er las nochmals die Informationen. Sie ergänzten das Bild, das Agnete ihm von ihrem bisherigen Leben gegeben. Armut, Arbeit, Studium, Hunger und Versuche, durch Arbeit aller Art sich obenzuhalten. Aber eines hatte sie ihm nicht gesagt. Hier stand es: Doktorexamen summa cum laude bestanden. Thema der Doktorarbeit: „Moderne Krebsprobleme.“ Besondere Bemerkung: „Wegen hervorragender Ergebnisse wurde diese Arbeit auf Kosten der Fakultät gedruckt und in den Annalen für Krebsforschung publiziert.“

Das hatte sie ihm nicht gesagt. Sie glich offenbar sehr dem Vater. Der hatte sich auch nie ins Licht gestellt, war verschlossen bis zur Starrheit gewesen. Sonst wäre alles anders gekommen. Ob seine Tochter wirklich auch so war? Was verbarg sich hinter diesem schönen und strengen Gesicht?

Printheer schloß die Augen. Agnetes Antlitz war vor ihm. Sie wußte nichts von ihm, nichts von dem, was sich zwischen ihm und dem Vater ereignet hatte. Die Sorge, die er seit Christian Reyersdorffs plötzlichem Tode gehabt, war unbegründet gewesen. Aus dieser Sorge heraus hatte er Agnete zu sich gebeten. Er hatte geglaubt, das Schweigen, das der Vater freiwillig gewahrt, nach seinem Tode von ihr erkaufen zu müssen. Doch Christian Reyersdorff hatte auch alle Papiere vernichtet. Seine Tochter wußte von ihm nichts, und man hätte sie ihres Weges gehen lassen können. Doch nun er sie gesehen, würde er sie nicht mehr aus den Augen verlieren. Die uneingelöste Schuld, die er gegenüber Christian Reyersdorff durchs Leben getragen, sollte nun endlich beglichen werden. Um so mehr, als die Gläubigerin nun diese Agnete war.

Printheer schloß die Mappe.

Er wandte sich der eingegangenen Post zu. Neben den geöffneten Geschäftsbriefen ein geschlossener Privatbrief mit steiler, männlicher Handschrift. Er öffnete das Schreiben, sah verblüfft auf einen Scheck, der mit einem Brief zusammen herausfiel.

„Sehr geehrter Herr Konsul“, las er. „Es war sehr gütig von Ihnen, mir mit der Übersendung des Schecks meine augenblickliche schwierige Lage erleichtern zu wollen. Ich hoffe, daß Sie mir nicht zürnen, wenn ich den Scheck in Ihre Hände zurücklege. Es widerstrebt mir, Geld ohne Arbeit und Gegenleistung anzunehmen. Da Sie aber soviel gütiges Interesse an mir bezeigen, erlaube ich mir, Sie nochmals zu bitten, ob Sie nicht irgendeine Anstellung für mich wissen. Ich würde jede Arbeit, die ich leisten kann, annehmen, um zu verdienen und nicht auf die Güte anderer angewiesen zu sein.

Mit bester Empfehlung

Ihre sehr ergebene Agnete Reyersdorff.“

Printheer las den Brief zweimal. Dann hob er den Telephonhörer ab.

„Stellen Sie Verbindung her mit dem Kultusministerium, Medizinalabteilung. Ich möchte den Personalreferenten sprechen.“

Dann begann er zu arbeiten. Draußen gab die Sekretärin die Meldung weiter. Nach wenigen Minuten hörte Printheer:

„Hier Ministerialrat Brechlin.“

„Hier Printheer. Guten Morgen, Herr Ministerialrat. Ich glaube, wir kennen uns. Bei dem letzten Abend des Kultusministers hatte ich den Vorzug. Doch, natürlich. Ich habe ein ausgezeichnetes Personengedächtnis. Würden Sie mir einen großen Gefallen tun, mir eine Viertelstunde zu einer Unterredung zur Verfügung stehen?“

„Wie? Sie wollen sich selbst zu mir bemühen? Mehr, als ich verlangen kann, Herr Ministerialrat. Wann darf ich Ihnen meinen Wagen schicken? Schön, zwölf Uhr zwanzig. Ich danke Ihnen, ich erwarte Sie also bei mir.“

Printheer griff zum Diktaphon:

„Chauffeur Adberg zwölf Uhr zwanzig vor dem Kultusministerium, Ministerialrat Brechlin abholen. Direkt zu mir fahren.

Herr Doktor Sonneberg mit Unterlagen in Sachen Sidkaudis zu mir.

Bitte, Fräulein Claas, nehmen Sie auf.“

Draußen, in Printheers Privatsekretariat, saß in einer Art Extraabteil ein junges Mädchen. Sie schrieb nach Printheers Diktat.

„An unsere Vertretung in Lieblau, Bezüglich der Waldterrains (vergleiche Angebot Sidkaudis, zwölften März).

Wir haben nach wie vor Interesse an dem Erwerb. Doch werden wir Caloweit dazwischenschalten. Caloweit wird in den nächsten Tagen mit genauen Direktiven bei Ihnen eintreffen.

Sollte das russische Kommissariat für Holzverkäufe inzwischen Angebote machen, so können Sie etwas davon durchsickern lassen.

Über den finanziellen Status der Firma Sidkaudis und ihre Möglichkeit, noch durchzuhalten, erwarte ich binnen acht Tagen zuverlässige Information.“

„Weiter. Nächster Brief. An die Generaldirektion unserer Bleigruben in Bilhao:

Wie Ihnen schon durch Chiffretelegramm mitgeteilt wurde, sind die neuen Lohnforderungen durchaus abzulehnen. Falls es zum Streik kommt, braucht uns das nicht zu stören. Im Gegenteil. Wir hätten dann einen guten Grund, die Bleigruben stillzulegen, was bei der dauernd sinkenden Tendenz der Weltmarktpreise für uns nur vorteilhaft sein kann. Ich habe im Ministerium bereits vertraulich auf die Möglichkeit der Stillegung als Beantwortung eines Streiks hingewiesen. Sie wollen unverzüglich sich direkt mit dem Ministerium ins Benehmen setzen, inwieweit wir auf militärischen Schutz bei Unruhen rechnen können.“

*

Punkt zwölf Uhr zwanzig wurde Ministerialrat Brechlin bei Printheer gemeldet.

Der ging ihm mit liebenswürdigem Lächeln und ausgestreckter Hand entgegen:

„Wirklich ungemein freundlich von Ihnen, Herr Ministerialrat, daß Sie mir Ihre kostbare Zeit —“

„Aber ich bitte Sie, Herr Konsul“, der weißhaarige, zerknitterte Herr lächelte zuvorkommend, „ich glaube, daß Ihre Zeit bedeutend kostbarer ist als die meine. Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen gefällig sein zu können. Das Kultusministerium und besonders die medizinische Abteilung verdankt Ihrer Hochherzigkeit so viel.“

„Na, übertreiben Sie nicht, Herr Ministerialrat“, lachte Printheer. „Ich habe nun einmal ein Faible für die Medizin. Auch meine heutige Bitte an Sie — aber nehmen Sie doch Platz. Rauchen Sie? Ich bitte sehr! Schwerer? Leicht? Ja, also, meine heutige Bitte geht aufs Medizinische. Ist allerdings etwas persönlich. Wollen wir gleich in medias res gehen. Es handelt sich um folgendes:

Ein mir befreundeter Professor Ihrer Fakultät hat sich geradezu begeistert über eine Arbeit aus dem Krebsforschungsgebiet ausgesprochen, die von einer jungen Ärztin namens Reyersdorff hergestellt wurde. Er sagte mir, es wäre eine Fülle von neuen Gedanken in dieser Arbeit enthalten, denen im Interesse der leidenden Menschheit nachgegangen werden müsse. Der Professor bezeichnete es geradezu als ein Unglück, daß eine solche Kraft nicht von Staats wegen die Möglichkeit hätte, ihre Ideen weiter auszubauen. Nun ist die betreffende junge Ärztin vollständig mittellos. Ich habe mir die Sache notiert, weil ich glaube, man könnte hier etwas tun. Selbstverständlich habe ich auch Erkundigungen eingezogen. Die Angaben des mir befreundeten Professors sind in allem bestätigt worden. Daraufhin habe ich bereits lose Fühlung mit der betreffenden Dame genommen.“ Er reichte dem Ministerialrat das Blatt mit der Spezialinformation herüber. „Ich habe nun versucht, der Dame den Weg etwas zu ebnen, ohne Sie erst zu bemühen. Habe aber daneben gegriffen. Die junge Person scheint außerordentlich stolz und empfindlich zu sein und lehnt eine Geldbeihilfe für ihr Studium durchaus ab. Einen Scheck über fünfhundert Mark, den ich ihr zur Vervollständigung ihrer Ausbildung sandte, schickte sie mir glatt zurück.“

„Ach nein“, der Ministerialrat machte ein geradezu erschrockenes Gesicht. Fünfhundert Mark, heutzutage? Das war ein großer Bruchteil seines Monatsgehalts. War Möglichkeit, aus immer wieder sich ansammelnden Rechnungen herauszukommen, Luft zu bekommen, die einem allmählich bei dem chronischen Gehaltsabbau ausging. — Er gab sich einen Ruck:

„Ideal gedacht“, sagte er mit einem dünnen Lächeln, „unzeitgemäß, aber sympathisch.“

„Nicht wahr? Sie ist wirklich sympathisch. Die Dame hat auf mich den allerbesten Eindruck gemacht. Sie scheint sehr genau zu wissen, was sie will. Nun möchte ich einen Weg finden, ihr die Arbeitsmöglichkeit zu sichern, ohne daß sie auch im entferntesten ahnt, wer dahintersteht. Wollen Sie mir dabei behilflich sein?“

„Aber gern.“

„Wie stellen Sie sich das vor?“

„Etatmäßige Stellen sind an den beiden Instituten, an denen zur Zeit über Krebsforschung gearbeitet wird, nicht frei. Ich habe Sie aber wohl richtig verstanden, wenn ich annehme, daß Sie eine neu zu schaffende Assistentenstelle aus Ihren Mitteln dotieren würden?“

Printheer nickte.

„Dann kommen zwei Institute in Betracht. Das eine ist das Staatliche Forschungslaboratorium, dem Sie, Herr Konsul, als Ehrendoktor angehören. Das andere ist das Universitätsinstitut. Die intensivere Arbeit ließe sich am Staatlichen Institut ermöglichen.“

„Einverstanden.“

„Wie hoch gedenken Sie die Stelle zu dotieren?“

„Machen Sie mir einen Vorschlag.“

„Ich denke, ein junger Mensch, der wirklich unbeschwert arbeiten soll, müßte wenigstens dreihundert Mark Gehalt bekommen.“

„Sagen wir vierhundert.“

„Damit allein ist es noch nicht gemacht, Herr Konsul. Krebsforschungen bedingen einen großen Verbrauch an Versuchsmaterial. Und der Etat des Instituts ist in diesem Jahre schon um dreitausend Mark überschritten worden. Aus diesem Grunde sind besondere Sparmaßnahmen bereits verfügt worden.“

„Bedauerlich! Wie hoch ist der gesamte Materialetat für diese Abteilung?“

„Immerhin fünfundzwanzigtausend Mark, Herr Konsul.“

„Moment“, Printheer griff zum Hörer, „soziale Abteilung! Bitte, die Aufstellung über Dotationen an wissenschaftliche Institute. Wie hoch ist mein jährlicher Beitrag zum Staatlichen Forschungsinstitut?“

„Fünftausend Mark“, hörte er durchs Telephon.

„Machen Sie Vermerk, wird mit Wirkung vom Ersten ab verdoppelt. Genügt’s Ihnen, Herr Ministerialrat, für unsere Zwecke?“

„Mehr als genügend, Herr Konsul.“

„Natürlich wünsche ich, daß der Mehrbetrag vorzugsweise der Krebsforschungsabteilung zur Verfügung steht. Würden Sie nun doch die Freundlichkeit haben, mir zu sagen, auf welchem Weg man der jungen Forscherin die Anstellung verschaffen könnte, ohne daß sie im geringsten merkt, daß sie begünstigt wird?“

„Das stelle ich mir sehr einfach vor. Wir teilen dem Akademischen Arbeitsamt mit, daß eine solche Stelle frei ist. Ich wette neunundneunzig zu hundert, daß sich die junge Dame bewerben wird. Das übrige lassen Sie meine Sorge sein.“

„Gemacht, Herr Ministerialrat.“

Das Gesetz in uns

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