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KAPITEL 2 BRECK

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»Work Bitch« von Britney Spears plärrte aus dem Handylautsprecher und riss mich aus einem Albtraum, in dem ich fast in eiskaltem Wasser ertrunken wäre. Ich zitterte immer noch so heftig, dass mir die Zähne klapperten.

Obwohl ich dem unbekannten Anrufer dankbar für meine Rettung war, ärgerte ich mich gleichzeitig sehr über die Frechheit, mich noch vor dem Morgengrauen aus dem Schlaf zu klingeln. Gut, genau genommen war es bereits später Vormittag, aber ich war schon immer eher eine Nachteule als eine Frühaufsteher-Lerche gewesen, also kam es auf das Gleiche raus.

Traurigerweise war mir die eisige Kälte aus dem Land der Träume in die subarktische Wirklichkeit meiner »geborgten« Mietwohnung in Dupont Circle gefolgt.

»Was?«, blaffte ich in das Handy, als der Traum sich verflüchtigt und mein Puls sich beruhigt hatte. Mühsam öffnete ich ein Auge. Zum Glück nur einen Spaltbreit, denn einzelne Strahlen grellen Sonnenlichts stahlen sich an den Rändern der Verdunklungsvorhänge vorbei und drohten, mir die Netzhaut zu versengen. Schnell kniff ich das Auge wieder zu.

»Ich habe Neuigkeiten für dich«, verkündete eine Männerstimme. Sie triefte nur so vor Schadenfreude.

Shit. Emilio. Der stand auf meiner Popularitätsliste ganz weit unten, und wenn man in Betracht zog, mit welcher Art von Leuten ich neuerdings zu tun hatte, wollte das etwas heißen.

Ich schlug die Augen auf und starrte die Zimmerdecke an, wobei ich mich im Stillen mal wieder dafür verfluchte, dass ich nie nachsah, wer anrief, bevor ich abnahm. Zur Strafe würde ich mir jetzt zehn Minuten lang Emilios gehässiges Gerede anhören müssen.

Deswegen wurde die Anruferidentifizierung erfunden, Dumpfbacke.

Für die meisten Leute klingt ihre innere Stimme wahrscheinlich genau wie sie selbst, nur ein bisschen gemeiner. Bei mir war das anders, was einerseits ein Vorteil, andererseits ein Nachteil war. Meine innere Stimme hörte sich genauso an wie die meines Zwillingsbruders Ridge. Er und ich unterschieden uns nur in einer Sache: Ridge war ein Kontrollfreak, der kein Blatt vor den Mund nahm, und er nannte mich gern »Dumpfbacke«. Ich liebte ihn trotzdem mehr als irgendjemanden sonst auf diesem Planeten. Somit galt für meine innere Stimme dasselbe wie für Ridges Existenz: Ich empfand sie gleichzeitig als beruhigend und nervig.

Mann, wie ich ihn vermisste. Meistens. Aber in diesem Moment war ich froh darüber, dass Ridge sich rarmachte, seit ich mich an der George Washington University eingeschrieben hatte. Er würde mir einen mächtigen Tritt in den Hintern verpassen, wenn er wüsste, in was ich mich hineingeritten und was ich mit dem Geld für die Studiengebühr angestellt hatte, das er mir gegeben hatte.

Ridge hatte mich unsere ganze Kindheit hindurch vor den Mobbern beschützt, die es auf mich abgesehen hatten. Er hatte die Schuld auf sich genommen, wenn wir im Supermarkt beim Erdnussbutterklauen erwischt wurden, weil unsere Mutter wieder einmal abgetaucht war und uns ohne Essen allein gelassen hatte. Er hatte mir das ganze Geld aufgezwungen, das sein erster großer Coup ihm eingebracht hatte, weil einer von uns die Chance erhalten sollte, für etwas anderes bekannt zu werden als Diebstähle. Und das würde nicht er sein, hatte Ridge betont. Er würde also ganz sicher einiges zu den Entscheidungen zu sagen haben, die ich in letzter Zeit getroffen hatte.

In meinem Fünfjahresplan war Prostitution eigentlich nicht vorgesehen gewesen, und genauso wenig hatte ich vorgehabt, Ridges Geld unserer drogenabhängigen Mutter zu geben. Aber wie man so schön sagt: Pläne ändern sich.

»Rocky, hörst du mir überhaupt zu?«, erkundigte sich Emilio.

Rocky. Der dämlichste Deckname aller Zeiten. Frag niemals einen betrunkenen, verängstigten und heimwehkranken Escort-Boy aus Colorado nach seinem Namen. Denn er wird den erstbesten nennen, der ihn an die Berge seiner Heimat erinnert, und dann für die nächsten Monate damit leben müssen, dass die Leute ihm »Hey, Adrian!« hinterherrufen, wenn sie ihn sehen.

»Eigentlich nicht. Wenn du möchtest, dass ich dir zuhöre, darfst du nicht so früh anrufen.«

»Es ist fast zehn!«

»Und ich bin erst um drei ins Bett gekommen«, entgegnete ich schnippisch und ohne nachzudenken.

»Oh-ho-hooooh!« Keine Ahnung, wie er es anstellte, aber Emilio klang gleichzeitig neckend, bewundernd und bedrohlich. »Weiß Cisco, dass du gestern Abend feiern warst?«

Verdammt.

Cisco war unser Arbeitgeber, unser Vermittler, unser … Ach, was soll’s: Er war unser Zuhälter, und ihm würde es gar nicht gefallen, wenn ich mir nebenbei auf Partys etwas dazuverdiente. Was nicht der Fall war. Unglücklicherweise würde Cisco das, was ich wirklich getan hatte, jedoch noch viel weniger gefallen.

»Man kann doch mal lange auf sein, ohne zu feiern«, protestierte ich. »Ich war zu Hause und habe ferngesehen.«

»Na klar. Also, wenn ich mich umhören würde oder Cisco das täte, dann hätte dich niemand in den Klubs oder Hotels gesehen, richtig?«

Shit. Ich war wahrscheinlich auf den Sicherheitsvideos von gut einem halben Dutzend der Hotels zu finden, die Ciscos Jungs regelmäßig benutzten. Aber ich war aus einem anderen Grund dort gewesen – ich hatte nach Danny gesucht. Das durften jedoch weder Emilio noch Cisco erfahren. Meine einzige Chance war also, auf die erste Lüge noch eine draufzusetzen.

»Oh ja, ich weiß, es ist schwer zu verstehen. Aber genau das bedeutet ›zu Hause sein‹, Schätzchen«, konterte ich affektiert.

Emilio lachte leise auf. »Und wo genau ist dieses Zuhause?«

Das war eine verdammt gute Frage.

Ich rollte mich in dem großen Doppelbett auf die Seite, zog mir die Decke bis unters Kinn und genoss den künstlichen Winter, den ich mithilfe der Klimaanlage und ohne Rücksicht auf die Kosten erzeugt hatte. Die Rechnung war zum Glück nicht mein Problem, denn ich würde sie nicht bezahlen müssen.

Ich überlegte kurz, wie es Chad, dem Angeber aus meinem Moderne-Ethik-und-Kultur-Kurs, der eigentlich hier wohnte, wohl gerade auf dem Rucksacktrip durch Skandinavien erging, von dem er das ganze letzte Semester über unentwegt geschwärmt hatte. Die günstige Gelegenheit, für ein paar Wochen keine Miete zahlen zu müssen, hatte ich mir nicht entgehen lassen und mich kurzerhand in seiner Wohnung eingenistet. Er würde wahrscheinlich vor Wut abgehen wie ein Zäpfchen, wenn er das wüsste, aber da ich seine Pflanzen für ihn goss, war es meiner Ansicht nach ein fairer Deal.

»Kein Mensch weiß auch nur das kleinste bisschen über dich, Rock. Es wird Zeit, dass du uns endlich mal alle zu Kaffee und Kuchen zu dir einlädst«, verlangte Emilio.

In hundert Jahren nicht. Danny war der Einzige, mit dem ich mich in den letzten Monaten angefreundet hatte, und nicht einmal er kannte meinen richtigen Namen oder wusste, wo ich gerade unterkam. »Du weißt doch, wie wichtig mir meine Privatsphäre ist, Emilio. Ein paar Dinge behält ein Mädchen eben lieber für sich.«

»Klar«, meinte Emilio, »dann nehme ich an, der Grund, warum du dich in den letzten Wochen kaum hast blicken lassen, ist auch so eine Sache, die du lieber für dich behältst?«

Die Neugierde in Emilios Stimme sprang mich fast an, und für einen Augenblick war ich versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber Cisco hatte mir deutlich zu verstehen gegeben, dass es besser für mich war, wenn ich nichts über die Angelegenheit verriet. Nicht, dass er mir viel hätte antun können. Schließlich hatte ich mir dieses Leben ausgesucht. Ich musste im Notfall nur meinen Stolz hinunterschlucken und Ridge um Hilfe bitten. Danny jedoch war ein Straßenkind. Er konnte nirgendwohin und hatte niemanden, an den er sich wenden konnte.

Cisco hatte es besser drauf als ein vierzehnjähriger Teenager, die Schwachpunkte eines anderen zu erkennen, und er hatte gedroht, es an Danny auszulassen, wenn ich den Mund nicht halten könnte. Vertraute ich mich Emilio an, würde er mich schneller bei Cisco anschwärzen, als mein Vater nach einem Blick auf den positiven Schwangerschaftstest meiner Mutter die Stadt verlassen hatte.

Also würde ich Stillschweigen bewahren, bis ich Danny gefunden hatte, und einen Weg, wie wir beide aus diesem Schlamassel wieder herauskamen. »Genau«, bestätigte ich, »ich musste was Persönliches regeln.«

»Aha. Aber es wird allmählich Zeit, dass du dich wieder in den Sattel schwingst, Herzchen, und dich von deiner schmutzigen Seite zeigst. Ich habe einen Job, für den ich dich brauche.«

»Welcher Kunde?« Schon der Gedanke an einen Freier, egal welchen, verursachte mir Übelkeit.

»Snow White.«

Oh, fuck. Auf keinen Fall!

Aus Sicherheitsgründen benutzte in diesem Geschäft niemand seinen echten Namen. Weder die Escorts noch die Freier. In Washington, D. C., war die Wahrscheinlichkeit groß, dass man den Joe Smith, dem man in der letzten Nacht einen geblasen hatte, am nächsten Tag im Fernsehen wiedersah, wo er behauptete, dass die Einwanderer uns unsere Waffen abnehmen wollten, oder einen ähnlichen Blödsinn. Selbst wenn man den richtigen Namen eines Freiers kannte, behielt man ihn lieber für sich, denn sonst bestand die Gefahr, dass man noch am selben Tag einen Prozess und eine Räumungsklage am Hals hatte.

Die mächtigsten Männer waren gleichzeitig die perversesten. Das war eine Tatsache, die man in diesem Geschäft ganz früh lernte. Und je mehr sie ihre Homosexualität versteckt hielten, desto bösartiger waren die Freier. Und Snow White war der schlimmste von allen.

Dieser Psychopath war schuld an Dannys Verschwinden. Seinetwegen hatte ich mich tagelang in Chads Wohnung verkrochen und meinen Plan geändert. Anders als ursprünglich gedacht, würde ich die Stadt nicht erst dann verlassen, wenn ich Ridge das Geld zurückgeben konnte, sondern sobald ich Danny gefunden hatte.

Das College war mir inzwischen scheißegal, und ich würde schon einen anderen Weg finden, das Geld für meinen Bruder aufzutreiben. Wenn man ausgeknockt wird, während man versucht, zu verhindern, dass jemand den besten Freund zu Brei schlägt, überdenkt man schon mal seine Lebenssituation.

»Für den bin ich noch nicht wieder bereit«, verkündete ich. »Aber trotzdem danke, Emilio.«

»Ich denke schon, dass du es bist«, erwiderte Emilio. »Sonst muss ich Cisco sagen, dass du dich weigerst.«

Das war also der Preis für Emilios Schweigen. Entweder ich übernahm den Job, oder er würde Cisco fragen, wo ich mich letzte Nacht herumgetrieben hatte. Und wenn Cisco erst einmal mit seinen Nachforschungen anfing, würde er sehr bald herausfinden, dass ich nach Danny suchte, der seit der Nacht untergetaucht war, in der Snow White uns verprügelt hatte. Womöglich würde Cisco mich sogar benutzen, um Danny ausfindig zu machen. Und eines war sicher – falls Danny noch am Leben war, wollte er auf keinen Fall von Cisco aufgespürt werden.

Ich zog mir das Kissen über den Kopf und hieb mit der flachen Hand auf die Matratze ein. Von draußen drang der Lärm eines Müllwagens herein, der seine Runde machte, und der Mieter der Wohnung über mir spielte auf seiner Tuba. Die tiefen Töne drangen mühelos durch die Decke. In dieser Stadt lebte eine halbe Million Menschen, die alle mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hatten, das war mir klar. Trotzdem hätte ich in diesem Moment mit jedem von ihnen getauscht.

»Hast du das schon mit Cisco besprochen?« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Cisco mich noch einmal zu Snow White schicken würde. Nicht nachdem der Typ vor zwei Wochen komplett ausgerastet und im Drogenrausch wie ein wütender Bulle auf Danny und mich losgegangen war.

Andererseits war es jedoch vielleicht genau das, was Cisco tun würde. Er war kein besonders warmherziger, mitfühlender Zuhälter, falls es so was überhaupt gab.

»Ja, Cisco wollte, dass ich dich anrufe«, räumte Emilio ein. »Snow White schmeißt eine Riesenparty, irgend so eine Spendenaktion, die er jedes Jahr veranstaltet. Du weißt schon, alte weiße Geldsäcke in Designerklamotten, die Champagner trinken und sich über wichtige Themen unterhalten wie zum Beispiel … Pferde? Oder Aktien? Über was stinkreiche Leute eben so reden. Aber da unser guter Snow White bekanntlich ein Perverser ist, findet gleichzeitig noch eine ganz andere Party statt, verstehst du?« Er lachte leise und bewundernd. »Die Weiber denken, ihre Männer ziehen sich ins Hinterzimmer zurück, um übers Geschäft zu reden, dabei geht es in Wirklichkeit um die Art von Geschäft, bei der Schwänze gelutscht werden und sich die Leute das Hirn rausvögeln lassen. Letztes Jahr war es der pure Wahnsinn. Es gab verdammt viel Trinkgeld. Außerdem können du und ich doch Spaß miteinander haben, oder? Wir könnten denen eine tolle Show bieten.«

Spaß, nun ja. Es hatte eine Zeit gegeben, da wäre Emilio genau mein Typ gewesen: dunkelhaarig, mit dunklen Augen, sonnengebräunt und fit. Traurigerweise konnte ich mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann ich mich das letzte Mal ehrlich zu jemandem hingezogen gefühlt hatte. Vor einem halben Jahr hatte ich angefangen, mich mit Freiern einzulassen, also musste es irgendwann davor gewesen sein.

»Hell und dunkel? Die Typen stehen auf den Kontrast«, meinte Emilio.

Die Kerle standen tatsächlich auf meine blonden Locken und blauen Augen, die mir das Aussehen eines Engels verliehen. Manche wollten mich entweihen, andere wollten mich anbeten. Aber alle waren der Überzeugung, so gut wie mit ihnen wäre Sex für mich noch nie gewesen, und sie bezahlten mich prächtig dafür, dass ich sie in dem Glauben ließ.

Zynisch? Ich? Na gut, vielleicht ein bisschen.

»Ich weiß nicht, Süßer«, sagte ich zögerlich. »Lass mich drüber nachdenken.«

Emilio seufzte. »Es ist so, Rock. Ich wollte es dir schonend beibringen, aber du hast in dem Fall keine Wahl. Dein Freund Danny, der sich wer weiß wohin verdrückt hat, hat angerufen und Cisco mitgeteilt, er wäre raus. Als ob das so einfach ginge. Schließlich steht er tief in Ciscos Schuld, dafür, dass er ihn gerettet hat.«

Mein Magen vollführte einen Salto. »Er hat sich bei Cisco gemeldet?«

»Vor zwei Tagen«, berichtete Emilio, und ich schloss vor Erleichterung die Augen. Dann war Danny am Leben, oder zumindest war er das vor zwei Tagen noch gewesen.

»Tja, und da Snow White ausdrücklich nach Danny verlangt, hat Cisco seine Männer auf die Suche geschickt. Aber Danny ist spurlos verschwunden.« Damit bestätigte Emilio, was ich gestern Nacht auf meiner stundenlangen Tour durch die Stadt ebenfalls herausgefunden hatte.

»Also hat Cisco beschlossen, dass du am Samstag an Dannys Stelle zu Snow White gehst. Ich schicke dir eine Nachricht mit den Einzelheiten. Und wenn du nicht erscheinst, verschwindest du besser für immer, denn Cisco wird ein Kopfgeld auf dich aussetzen.«

Ich zuckte zusammen. »Verdammt!« Mir war klar, dass Emilio nicht scherzte. Aber wenn Snow White hinter Danny her war, war Cisco mein kleinstes Problem. Snow White interessierte sich ganz sicher nicht wegen der guten Blowjobs für Danny, sondern weil er sicherstellen wollte, dass Danny über jene Nacht den Mund hielt. Und zwar für immer.

Ich warf die Decke beiseite, sprang aus dem Bett und lief in dem schmalen Raum hin und her. Obwohl die Klimaanlage praktisch Eiswürfel ausspuckte, war ich in Schweiß gebadet. Die Lage war wirklich übel.

»Weißt du, ich verstehe dich nicht. Dieses ganze Drama, nur weil du deinen Job machen sollst«, sagte Emilio, und ich wäre beinahe in Lachen ausgebrochen. Der Typ hatte doch keine Ahnung, worum es hier wirklich ging. »Du hast zu den besten Pferden in Ciscos Stall gehört. Du hattest Potenzial.«

Damit lag Emilio nicht ganz falsch. Im Büro des Vertrauenslehrers an meiner alten Highschool hing ein Poster an der Wand, das uns wohl als Inspiration hatte dienen sollen. Es zeigte einen bunt gestreiften Heißluftballon, und darüber prangte völlig zusammenhanglos die Überschrift: »Was immer du tust, mach es gut!« Ich war mir ziemlich sicher, dass Mr Cheever nicht von mir erwartet hätte, dieses Motto auch auf die Prostitution anzuwenden, allerdings nur, weil die Erziehungsbeauftragten von Alamosa, Colorado, unvorstellbar einfallslose Blödmänner waren.

Ich war nie der Illusion aufgesessen, Sex sollte eine heilige, magische Erfahrung sein – ich hatte einfach Spaß daran, fertig. Deshalb war ich auch nicht völlig entsetzt gewesen, als Cisco mich an jenem Abend an der Bar des Klubs angesprochen hatte, wo ich meine Sorgen wegen der fünfzigtausend Dollar zu ertränken versuchte, die mir dank meiner lieben Mutter für die Studiengebühr fehlten. Warum zum Teufel eigentlich nicht, hatte ich gedacht und die Gelegenheit bereitwillig ergriffen.

Escort-Boy steht bei niemandem auf der Liste der Traumberufe, und die Aufstiegschancen sind gleich null, aber ich war noch nie der Typ für halbe Sachen. Ich will nicht angeben, aber als ich mich dem ältesten Gewerbe der Welt erst einmal ernsthaft verschrieben hatte, war ich sensationell gut darin. Äußerst professionell plante ich jede Begegnung mit kühlem Kopf und größter Präzision. Sowohl Männer als auch Frauen standen auf mich. Ich war durchtrainiert, gepflegt und hatte meine Fähigkeiten perfektioniert.

Worüber gewöhnlich niemand spricht, das ist die seltsame Macht, die man ausüben kann. So war es jedenfalls für mich. Ganz ehrlich, es war eine lebensverändernde Erfahrung, als ich das erste Mal vor einem Mann kniete und hörte, wie er mich um mehr anbettelte.

Über diesen ersten Freier könnte ich nicht mehr viel sagen. Weder sein Aussehen noch sein falscher Name oder die erfundene Geschichte, die er über sich erzählte, sind mir im Gedächtnis geblieben. Aber was ich nie vergessen werde, ist seine Armbanduhr, eine Patek Philippe Triple Complication mit Ziffernblatt aus Weißgold, die er an einem schwarzen Band aus Krokodilleder ums Handgelenk trug. Diese Uhr war mehr wert als der Wohnwagen, in dem Ridge und ich aufgewachsen waren. Ach was, den ganzen Wohnwagenpark hätte man damit bezahlen können, und einen Sportwagen von Bugatti noch dazu.

Aber als ich mit seinem Schwanz im Mund vor ihm kniete, war es völlig egal, dass er genug Geld hatte, um mich im wahrsten Sinne des Wortes kaufen zu können. Ich besaß die Macht, ihn betteln zu lassen. Ich hielt ihn immer ganz knapp vor dem Höhepunkt, und er hätte alles dafür getan, dass ich ihn endlich kommen ließ. Auf meinen Befehl hin hätte er wie ein Hund gebellt, mir die Uhr überschrieben oder ewige Liebe geschworen – und das alles ohne das geringste Zögern.

Ich hatte die Kontrolle gehabt. Mich stark gefühlt. Unantastbar.

Bis ich den unumstößlichen Beweis dafür erhalten hatte, dass ich keineswegs unantastbar war.

»Was auch immer du für ein Problem hast, Rocky, komm drüber weg«, riet mir Emilio. »Cisco entscheidet, wann er mit uns fertig ist. Vergiss das nicht.« Er schwieg kurz. »Und mit dir ist er noch nicht fertig.«

Das Handy bestätigte mit dreimaligem Piepen, dass er aufgelegt hatte.

Na super. Verdammte Scheiße.

Ich zog mir ein T-Shirt und Basketballshorts an und machte mir zur Beruhigung eine Tasse Zitronentee. Etwas anderes hatte ich in Chads Küchenschrank nicht gefunden.

Während der Tee zog, rief ich Danny an. Seine Mailbox ging dran. Mal wieder.

»Verdammt noch mal, Danny, ruf mich endlich zurück. Emilio sagt, Cisco ist auf der Suche nach dir, und Snow White auch. Ich will dich zu nichts überreden, in Ordnung? Ich will nur wissen, ob es dir gut geht.«

Ich warf das Telefon auf die Arbeitsplatte, wo es geräuschvoll landete, und drückte mir die Handballen gegen die Augen. Was ich brauchte, war ein Plan. Eine Liste. Sich einzugestehen, dass man ein Problem hatte, war immer der erste Schritt.

Das bezieht sich auf Suchtabhängige, Dumpfbacke.

Die bissige Bemerkung war tröstlich wie eine warme Decke, und zum ersten Mal dachte ich ernsthaft daran, Ridge anzurufen. Allerdings hatte er selbst bis zum Hals in irgendeiner schwierigen Situation in Florida gesteckt, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen hatten.

Abgesehen davon hatte ich mir etwas geschworen, als Ridge mir das Geld für die Studiengebühr gegeben hatte. Ein weiteres Mal würde ich seine Hilfe nicht in Anspruch nehmen. Auf keinen Fall wollte ich enden wie unsere Mutter, die andere ausnutzte, bis sie alle vergrault hatte.

Pros & Cons: Steele

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