Читать книгу Was geschieht mit uns, wenn wir sterben? - Lisa Williams - Страница 12
Meine beiden Welten
ОглавлениеAls Erwachsene erinnern wir uns gewöhnlich nicht mehr an die Zeit, die wir zwischen unseren irdischen Leben im Jenseits verbracht haben. Manche Kinder haben jedoch noch Erinnerungen daran; die Gründe dafür werde ich in einem späteren Kapitel erläutern. Als Kind konnte ich mich noch an vieles aus dem spirituellen Reich erinnern und in meiner Kindheit hatte ich auch ganz reale Erlebnisse in der spirituellen Welt. Daher dachte ich manchmal schon, ich sei verrückt.
Erst viel später wurde mir meine Verbindung zu den Geistern von einem Numerologen bestätigt. Er stellte fest: »Sie kommunizieren nicht nur mit der spirituellen Welt – Sie erinnern sich sogar daran.« Eine zweite Bestätigung erhielt ich von einer Astrologin, die mir sagte: »Vom Tod fasziniert zu sein, liegt in Ihrem Wesen.« Ich wunderte mich zuerst über ihre Bemerkung, doch dann fügte sie hinzu, dass ich meine Todesfaszination dazu verwende, um anderen zu helfen. Ihre Erkenntnis war absolut richtig. Es war eine große Erleichterung, endlich Menschen zu begegnen, die mich verstanden.
Als ich noch jünger war, bekam ich keine Unterstützung bei der Verarbeitung meiner Erlebnisse, die mich manchmal ziemlich beunruhigten. Heute bin ich Lisa Williams, ein Medium mit einer eigenen Fernsehsendung, das mit verstorbenen Angehörigen anderer Leute kommuniziert. Doch als ich ein Kind war – ein Kind, das Tote sehen konnte –, machte diese Fähigkeit mir Angst.
Genauer gesagt waren es nicht die verstorbenen Seelen, vor denen ich mich fürchtete. Ihr regelmäßiges Kommen und Gehen war für mich ganz normal. Es waren die Reaktionen der Erwachsenen um mich herum, die mich dazu brachten, Angst vor den Stippvisiten verstorbener Seelen zu entwickeln. Ich besuchte eine christliche Schule, obwohl mein Vater überzeugter Atheist war und noch heute ist. Als ich meinen Eltern erzählte, dass ich Geister sah und mit ihnen redete, hieß es nur »das Kind hat zu viel Fantasie«. Nur so konnten sie mit meinen Schilderungen fertig werden, die in ihren Augen eine beunruhigende Verhaltensstörung waren.
So lernte ich, über das zu schweigen, was für mich völlig normal war. Dadurch war ich als Kind ziemlich einsam und bemüht, mich in beiden – so grundverschiedenen – Welten einzurichten. In der einen Welt, in der auch meine Familie und Freunde lebten, passte ich mich den Ansichten anderer über das Leben an. Ich hörte mir ihre Meinungen an und tat, was von mir erwartet wurde, ohne jemals meine eigene Wirklichkeit zu erwähnen. Doch in der anderen Welt, die für mich in vielerlei Hinsicht viel realer war, unterhielten sich meine spirituellen Freunde und Besucher mit mir. Meine ganze Kindheit über fühlte ich mich mit meiner eigenen Welt eng verwurzelt, weit weg von der Welt, die andere für die reale hielten.
Ja, ich sah die Seelen Verstorbener. Ich sprach mit ihnen und sie mit mir. Doch es kam mir vor, als würde ich mit lebendigen Menschen reden – und in meinen Gedanken waren sie das auch. Ich habe das Wort tot nie begriffen. Es klang so verstörend endgültig. Tot zu sein ist etwas, das in meiner Realität gar nicht existiert.
*
Mein frühestes Erlebnis mit einem Geist, der mit mir gesprochen hat, hatte ich im Alter von ungefähr drei Jahren. Ich spielte gern auf meinem Zimmer mit meinen Freunden (die nur ich sehen konnte). Sie waren ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen. Beide waren bei einem Brand ums Leben gekommen und besuchten mich oft. Häufig nahm ich auch einen Mann wahr, der im Zimmer saß und uns beim Spielen zuschaute. Da er nie etwas sagte, ignorierte ich ihn. Währenddessen machte meine Mutter den Haushalt, kümmerte sich um meinen jüngeren Bruder Christian und nahm von dem Kichern, das aus meinem Zimmer ertönte, kaum Notiz. Falls sie es doch mitbekam, hielt sie es sicher nur für »Lisa beim Spielen«.
Eines Abends wurde ich zum Essen gerufen. Diesmal begleitete der Mann in meinem Zimmer mich ins Esszimmer – das heißt, er schwebte neben mir her, denn ich konnte keine Beine erkennen – und nahm auf einem Stuhl in der Ecke Platz. Ich setzte mich an den Tisch. Während ich die Erbsen mit der Gabel aufspießte, um sie mir in den Mund zu stecken, passierte etwas Unerwartetes. Der Mann sagte zum ersten Mal etwas zu mir.
»Iss die Erbsen nicht, sonst stirbst du!«, warnte er mich.
Erschrocken legte ich die Gabel hin. Während ich die restliche Mahlzeit aß, passte ich auf, dass keine einzige Erbse auf meiner Gabel landete. Meine Mutter wollte natürlich wissen, warum ich die Erbsen liegen ließ.
»Er hat gesagt, dass ich sterbe, wenn ich sie esse!«, erklärte ich ihr und zeigte auf den Mann in der Ecke.
»Sei nicht albern – da ist doch niemand«, entgegnete meine Mutter und versuchte, mich zu überreden, die Erbsen aufzuessen.
Doch ich weigerte mich beharrlich und blieb mit verschränkten Armen und zusammengepresstem Mund sitzen. Ich war entschlossen, keine einzige Erbse zu verzehren, und selbst der Bestechungsversuch meiner Mutter, dass ich zum Nachtisch Eis bekommen würde, brachte mich nicht dazu, die kleinen runden grünen Dinger zu essen, die mich umbringen konnten. Nie im Leben!
Ich weiß noch, dass meine Eltern damals zum ersten Mal meinten, ich hätte zu viel Fantasie. Aber noch heute mag ich keine Erbsen, obwohl ich vor kurzem erfahren habe, dass der Großonkel meines Vaters an einem Mundvoll Erbsen erstickt ist! Es muss jener Großonkel gewesen sein, der mich beim Spielen in meinem Kinderzimmer beschützt hat und der mich vor diesem »tödlichen« Gemüse gewarnt hat.