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Nicht gerade eine Schönheit

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Madeleine hatte Silber in eine Box vorn an der Stalltür gestellt. Nun kam sie zu mir. Eine Weile standen wir schweigend nebeneinander und schauten einfach nur auf das kleine Tier.

„Wie findest du es?“ fragte Madeleine schließlich.

„Ich weiß nicht recht“, antwortete ich etwas enttäuscht. „Es ist nicht gerade eine Schönheit …”

Das stimmte. Es war ein ulkiges Fohlen! Man konnte es wirklich nicht als schön bezeichnen. Eine große, weiße Blesse breitete sich zwischen den Nüstern des Fohlens aus und streckte sich – wenn auch ein wenig ungleichmäßig – bis zu der dunkelbraunen, nahezu schwarzen Stirn. Das war das erste, was mir auffiel.

„Ein lustiges Abzeichen hat sie mitbekommen“, meinte Madeleine.

Ich betrachtete das dunkle, ein wenig struppige Haarkleid des Fohlens, den dünnen Hals und den Kopf, der für den zarten Körper viel zu groß und viel zu schwer wirkte. Klein und schwächlich war das Tier, seine Ohren aber lang wie kleine Flügel. Die Stirn war noch rund wie bei den meisten Fohlen. Nein, man konnte nicht sagen, daß dieses Fohlen schön war.

„Willst du sie auch wirklich haben?“ fragte Madeleine vorsichtig. „Oder sollen wir sie lieber verkaufen?“

Da spürte ich eine Welle von Zärtlichkeit für dieses eckige, kleine Fohlen in mir aufsteigen. Dieses Fohlen glich nicht dem Pferd meiner Träume, aber es gehörte mir! Ich öffnete die Tür der Box. Gazelle stand still da und sah uns an. Aber als ich in die Box trat, verkroch sich das Fohlen erschrokken unter dem Bauch der Mutter. Ich redete nun ganz leise und liebevoll mit den beiden, und das Kleine schaute doch tatsächlich vorsichtig, immer noch von Gazelle geschützt, zu uns. Als ich eine Hand vorstreckte, um es zu streicheln, fuhr es heftig zusammen und zappelte mit allen vier Beinen, daß es plötzlich hilflos in das Stroh fiel.

„Das wird eine kleine Kratzbürste“, sagte Madeleine lachend. „Aber jetzt sollten wir die beiden wieder zur Ruhe kommen lassen. Wenn morgen schönes Wetter ist, lasse ich sie eine Weile ins Freie. Hast du es sehr eilig, oder kommst du noch mit auf eine Tasse Tee, ehe du zurückreitest? Du kannst Silber inzwischen ein wenig Heu geben!“

Oben im Haus begrüßten uns die beiden großen schwarzen Hunde, Bamse und Rascal, mit lautem, fröhlichem Gebell. Sie rissen uns vor Begeisterung beinahe um und sprangen unermüdlich um uns herum, denn sie wollten geklopft und gekrault werden, eher ließen sie sich nicht auf ihren Platz in der Küche nieder. Dann half ich Madeleine den Teetisch decken und stellte den Brotkorb zurecht.

„Ich habe leider nur gekauftes Brot da“, sagte sie. „Aber bitte bediene dich, es schmeckt trotzdem! Karin und Tove bieten stets Selbstgebackenes an. Ich begreife nicht, wie sie das schaffen. Wie kommt Tove übrigens mit dem Hengst Hoffmann zurecht? Hast du sie in der letzten Zeit gesehen?“

„Ja, und ich glaube, es geht alles tadellos. Dieses Pferd paßt eben zu Tove“, erzählte ich. „Und Göran war bestimmt froh, daß er Hoffmann verkaufen konnte. Nun hat er auch für Pierina einen Käufer gefunden, weißt du das schon?“

„Ja, es spricht sich herum. Dann sind aber für dich nicht mehr viele Reitpferde auf den Hof?“

„Nein, wirklich nicht“, antwortete ich traurig. „Sicher, Hoffmann war zu groß und zu schwer für mich. Trotzdem war es interessant, manchmal auf ihm zu reiten und mit ihm zu arbeiten. Tove half mir meist dabei, und dadurch hat sie wohl ihre Liebe zu ihm entdeckt! Pierina ist ja ziemlich verrückt. Nie weiß man, was sie im nächsten Augenblick vorhat. Ich kann ihr sprunghaftes Wesen nicht so recht verstehen. Trotzdem machte es mir viel Spaß, sie zu reiten. Nun hat sie also ein Junge aus dem Nachbardorf gekauft, besser gesagt: sein Vater.“

„Bist du noch gern bei Göran?“ fragte Madeleine nachdenklich. „Ich meine, befriedigt dich die Arbeit im Stall?“

Ich zögerte mit einer Antwort.

„Gern bin ich bestimmt bei Karin und Göran“, sagte ich schließlich nach einigem Nachdenken. „Sie sind beide so herzensgut. Nie gibt es Streit im Hause, und ich darf völlig nach meinem Gutdünken und nach meiner Zeitplanung arbeiten, aber … ich weiß nicht recht! Es ist alles so anders geworden. Du weißt doch, daß Göran sich diesen Traber-Hengst angeschafft hat. Ich habe immer mehr den Eindruck, als wolle er sich ernstlich und ausschließlich mit Trabern beschäftigen. Er plant, im Frühjahr mehrere Stuten zu kaufen, die dann gedeckt werden sollen und auf dem Hof bleiben werden, bis Sie im nächsten Frühjahr fohlen. Ich bin überzeugt, daß Göran ganz bestimmte Pläne hat.“

Traber sind Rennpferde, die nicht geritten, sondern vor einen Wagen gespannt werden. Diese Wagen nennt man Sulky. Bei Trabrennen dürfen die Pferde nur traben. Wenn sie galoppieren, ist es ein grober Fehler, und sie scheiden aus.

„Vermutlich wird er auch fremde Traber-Stuten in Pflege nehmen“, sagte Madeleine. „Das kann sich allerdings gut bezahlt machen.“

„Aber es macht nicht viel Spaß“, hielt ich ihr entgegen. „Ich meine, wenn man an Trabern eben nicht interessiert ist. Schon jetzt kommen an den Wochenenden und an den Feiertagen viele Pferdebesitzer zu uns, um nach ihren Stuten und Jungpferden zu sehen, und es wird pausenlos über Traber geredet. Traber-Resultate, Traber-Tips, Rekordzeiten, Rekordspannen zwischen Einsatz und Gewinn … ständig geht es nur um Geld! Soll ich ehrlich sein? Langsam erscheint es mir recht trostlos, immer nur jeden Morgen die Pferde auf die Weide zu führen, die Boxen zu säubern und abends die Tiere wieder ins Haus zu holen. Irgendwie wird es monoton.“

Ich goß mir eine frische Tasse Tee ein und redete dann gleich weiter. Nun war ich einmal dabei, mein Herz auszuschütten, und es war schön, jemanden zu haben, der zuhörte.

„Ich finde eben, man bekommt dadurch zu wenig Kontakt mit den Pferden. Was mir vorschwebt, ist, mich wirklich der Reiterei und den Reitpferden zu widmen! Vielleicht einmal als Lehrerin in einer Reitschule. Irgend so etwas muß doch möglich sein. Aber glaube jetzt bitte nicht, ich hielte mich für eine hervorragende Reiterin. Aber Anfängern die Grundbegriffe der Reitkunst beizubringen, das traue ich mir schon zu!“

„Apropos Reitschule“, ging Madeleine sofort auf meine Gedanken ein, „gerade gestern bekam ich einen Brief von meiner Freundin Kicki. Sie lebt in Dalen, und dort haben sich einige junge Leute zusammengefunden und bauen einen alten Stall um. Kicki und ihr Freund arbeiten fest mit, denn sie wollen im Sommer eine Reitschule eröffnen. Sie schreibt mir, ich solle sie einmal besuchen – und das will ich auch tun!“

„Das klingt einfach herrlich“, sagte ich, und Madeleine hörte bestimmt die Sehnsucht in meiner Stimme. „Ein Stall voller Reitpferde, das ist schon etwas anderes als ein Stall mit Trabern …“

„Fahre doch mit mir“, schlug Madeleine vor. „Ich fände es schön, wenn wir gemeinsam fahren könnten.“

„Gern, furchtbar gern!“ antwortete ich glücklich.

Britta, die Reitlehrerin

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