Читать книгу Britta, die Reitlehrerin - Lisbeth Pahnke - Страница 6
ОглавлениеDer Reitklub
Es war ein Sonntagmorgen. Ich hatte frei und übte auf Silber eben Schenkelweichen im Trab. Während Göran mit dem Besitzer eines Trabers verhandelte, kam Madeleine mit ihrem kleinen Auto angefahren. Auf den Hintersitzen ihres Wagens drängten sich ihre großen Hunde. Madeleine sprang aus dem Wagen und winkte mir zu. Ich gab Silber lange Zügel und kam ihr im Schritt entgegen.
Schenkelweichen
Beim Schenkelweichen muß das Pferd seine Beine über Kreuz setzen. Durch diese Übung bekommt es ein besseres Gleichgewicht und wird geschmeidiger.
„Du bist hart an der Arbeit, wie ich sehe!“ begrüßte sie mich fröhlich. Ich klopfte meinem braven Silber den Hals.
„Heute war er tüchtig“, lobte ich ihn. „Es ist sonderbar, manchmal scheint er furchtbar gelangweilt und lustlos beim Schulreiten, aber heute war mir, als hätte Silber richtig Freude daran gehabt.“
Wir waren vor der Stalltür angekommen, und ich ließ mich aus dem Sattel gleiten.
„Für heute reicht es wohl! Wie geht es unserem kleinen Fohlen?“
Madde lachte. „Oh – es wird von Tag zu Tag munterer und frecher! Heute drehte es mir das kleine Hinterteil zu und schlug heftig nach mir aus, als ich Gazelle aus dem Stall führte. Ich glaube, dieses kleine Stutenfräulein hat Temperament! Du kannst dich auf allerhand gefaßt machen, wenn du einmal mit ihr zu arbeiten beginnst. Sie ist ein rechter Bösewicht!“
Ich ließ mich nicht beunruhigen: „Wenn ich nur öfters Zeit hätte, zu dir zu reiten, um mich mit ihr zu beschäftigen“, sagte ich. „Alles ist ja viel leichter, wenn man junge Pferde zeitig an das Halfter gewöhnt und wenn man sie täglich selbst ausführt!“
„Hör mal“, unterbrach mich Madeleine, „könntest du Silber heute ganz schnell versorgen? Du mußt wissen, ich bin auf dem Wege zu Kicki, meiner Freundin, von der ich dir schon erzählt habe. Vielleicht könntest du mitkommen?“
Wenig später saßen wir nebeneinander im Auto und nahmen Kurs nach Norden.
„Wie weit ist es eigentlich?“ wollte ich wissen. Gleichzeitig versuchte ich, mir Bamse vom Leib zu halten, denn sein warmer Atem kitzelte mich am Hals.
„Etwa siebzig oder achtzig Kilometer. Wir müssen richtig aufs Land hinausfahren, und wenn man Kicki glauben darf, soll es ein bezaubernd schönes Fleckchen Natur sein.“
„Und wie viele Pferde haben sie?“
Ganz genau konnte Madeleine diese Frage nicht beantworten, sie meinte aber, im Umkreis gebe es nicht nur viele Reitpferde, sondern auch Ponys, die alle zu dem Reitstall gebracht werden sollten, sobald dieser fertiggestellt wäre.
„Kicki behauptet ja, sie würden von früh bis spät nur hämmern und sägen.“
Nachdem wir etwa eine Stunde auf der großen Autostraße gefahren waren, bogen wir nach rechts in einen schmalen Schotterweg ein.
„Hoffentlich stimmt es, ich bin nicht ganz sicher“, sagte Madeleine. „Aber in dieser Richtung müßte der alte Gutshof liegen.“
Zunächst fuhren wir etliche Kilometer über Acker- und Wiesenwege. Bald tauchten ältere Bauernhöfe auf, von denen manche völlig unbewohnt wirkten.
„Schau nur: dort sehe ich ein Pferd!“ rief ich plötzlich und zeigte über das Feld vor uns. Drüben am Waldrand stand ein kräftiges Pferd mit gelblichem Fell. Es konnte ein Fjordpferd sein. Immerhin etwas, dachten wir und faßten Mut. Und wirklich, nach einer weiten Kurve hatten wir unser Ziel erreicht! Ein altes Gebäude, rot gestrichen, lag vor uns. Es machte den Eindruck, als sei es sehr lange unbewohnt gewesen, denn es war von einem verwilderten Garten umgeben, in dem nur alte, vertrocknete Kirschbäume standen, die ihre dürren Äste der schwachen Frühlingssonne entgegenstreckten. Dann entdeckten wir ein weißgetünchtes Stallgebäude, vor dem drei oder vier Autos geparkt waren. Gleich darauf jagte ein silbergrauer Pudel an uns vorbei hinter einer Ziege her, die mit rotgestrichenen Hörnern das Weite suchte. Auf einem Feld, schräg hinter dem Haus, waren mehrere Leute damit beschäftigt, einen soliden Zaun mit Gattertor aufzubauen.
Wir bogen auf den weiten Platz ein und stellten unser Auto neben den anderen ab. Sobald Madde den Motor abgestellt hatte, klangen die Hammerschläge deutlich zu uns herüber, dazwischen aber auch Stimmen aus dem Inneren des Stallgebäudes. Irgend jemand schlug das Tor des roten Hauses mit lautem Knall zu, und im selben Augenblick kam ein braun-weiß geschecktes Shetlandpony gemütlich um die Hausecke getrabt und betrachtete uns mit neugierigen Augen und gespitzten Ohren.
„Schau nur an, es läuft ja ganz frei herum!“ rief ich begeistert aus. „Das ist doch herrlich!“
Das Pony kam uns entgegen, als gehöre ihm ganz allein der alte Stall. Langsam und bedächtig kam es auf seinen kurzen kräftigen Beinen daher und ließ sich willig den Hals klopfen und die Mähne kraulen.
„Madde! Madeleine! Wie schön, daß ihr da seid!“
Ein Mädchen von vielleicht achtzehn Jahren kam aus dem Haus gelaufen. Das kastanienbraune Haar trug es in zwei langen Zöpfen geflochten. Die Kleidung bestand aus einer grünen Manchesterhose und einem herrlichen, großen Wollpullover.
Wir begrüßten uns, und Madeleine stellte vor: „Das ist also Kicki, von der ich dir schon viel erzählt habe!“
„Wie ich dich kenne, hast du bestimmt die greulichsten Räubergeschichten über mich verbreitet!“ lachte Kicki.
„Und dies ist Britta.“ Madeleine ließ sich nicht beirren. „Du weißt, Kicki, daß ich mit Britta zusammen Gazelle und das Fohlen habe! Britta interessiert sich sehr für euer Vorhaben“, fügte sie hinzu.
„Kommt mit, dann zeige ich euch alles“, antwortete Kicki. „Am besten gehen wir zuerst gleich in den Stall. Wenn man diesen alten Schuppen schon so nennen kann. Jedenfalls wird dies unser Stall, Thomas und seine Freunde arbeiten wirklich hart daran.“
In der Stalltür tauchte jetzt die Ziege wieder auf, die bei unserer Ankunft an uns vorbeigaloppiert war.
„Diese Jungen!“ schimpfte Kicki und zeigte auf die rot bemalten Hörner der Ziege. „Sie streichen ihre Pinsel ab, wo es ihnen gerade paßt. Letzte Woche hatte die Ziege weiße Hörner, denn da malten wir gerade das Dach …“
Im Stall wurde eifrig gearbeitet. Alle Altersstufen waren vertreten. Überall herrschte Unordnung. Bretter und Planken lagen herum, daneben Hammer, Beile, Sägen.
Ein paar kleine Mädchen bemühten sich angestrengt, die Wand eines Verschlages ganz in der Nähe der Stalltür mit roter Farbe zu streichen. Weiter vorn zimmerten zwei Jungen die Türen der Boxen zurecht, unterstützt von Freunden, die aus dem bereitliegenden Bauholz alte Nägel herauszogen und die Latten zurechtsägten. Niemand kümmerte sich um uns. Deshalb blieben wir nahe der Stalltür stehen, um sie nicht zu stören.
„Wir wollen ganz hinten vier große Boxen machen“, erklärte Kicki und zeigte zum Ende des Ganges. „Dann Verschläge zu beiden Seiten, und hier, an der Tür, wo die Kinder arbeiten, sollen Pony-Verschläge gebaut werden. Die sind ja beinahe fertig. Zunächst werden wir also für zehn Pferde Platz haben. Aber wenn es notwendig ist, können wir ja weiter ausbauen.“
„Und wieviel Pferde habt ihr jetzt?“ fragte ich.
Kicki antwortete: „Haben … haben … ehe der Stall und auch die Weideplätze nicht ganz fertig sind, können wir keine Pferde annehmen. Demnach haben wir im Augenblick nur zwei. Sie stehen drüben im alten Fahrzeughaus, neben dem kleinen Anbau. Dort gab es zwei riesengroße Boxen für Ardenner, die haben wir schon gerichtet. Der Scheck ist unser Hauspferd. Ihr habt ihn schon gesehen, sicher läßt er es sich auch heute gutgehen und läuft ums Haus herum. Dann haben wir noch Rauhbein. Er arbeitet zufällig einmal! Hasse hat ihn angespannt und fährt gerade die Latten für den Zaun zur Reitbahn hinaus.“
Rauhbein – das mußte also das Pferd sein, das wir oben am Waldsaum gesehen hatten, überlegte ich, während wir den Stall verließen.
„Und hier seht ihr den alten Stall“, sagte Kicki und zeigte auf ein kleines Haus, das etwas abseits stand.
„Aber das ist doch ein Haus!“ protestierte ich.
Kicki lachte.
„Stimmt genau! Es wurde auch, bis unser Klub das ganze Anwesen mietete, bewohnt. Das gute dabei ist, daß der Stall an das Haus angebaut wurde.“ Sie kicherte verschmitzt. „Wer weiß, vielleicht lagen die Schlafräume unmittelbar daneben? Müßte es nicht gemütlich sein, bei Pferdegetrampel und Gestampfe und was noch alles so durch die Wände dringt, einzuschlafen? – Aber seht doch!“ rief sie plötzlich und zeigte zur Reitbahn. „Sie haben tatsächlich schon den halben Zaun aufgestellt. Da kommt auch Hasse mit Rauhbein angefahren. Sie bringen eine neue Ladung Bretter! Die einzige, die hier nichts tut, bin also ich. Es wird Zeit, daß ich ins Haus gehe. Drinnen warten die Mädchen auf mich, wir waren nämlich gerade dabei, Gardinen aufzuhängen, als ihr ankamt …“
„Können wir nicht irgendwie mithelfen?“ fragte ich voller Eifer.
„Wenn du Lust hast, kannst du Kaffee kochen. Ich bin überzeugt, daß Hasse gern eine Tasse trinken würde, ehe er die nächste Ladung rausfährt. Also, kommt ins Haus!“