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Büffel

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Mrs Carson hatte Queenie bestätigt, dass der Antrag auf einen Zuschuss zu den Klinik- und Arztkosten für ihren Mann in der Privatklinik außerhalb der Reservation abgelehnt war.

Queenie war zumute, als ob sie ausgezogen würde. Es gab niemanden mehr, der nicht wusste, dass Queenie King um Geld verlegen war und um Geld kämpfte. Es gab niemanden mehr, der nicht glaubte zu wissen, dass Joe King ebensowohl im Indian Hospital auf der Reservation hätte gesunden können, dass es aber sein Spleen war, in einer teuren Privatklinik außerhalb seines Heimatgebietes betreut zu werden.

Roger Sligh zuckte die Achseln. Er hatte den Zuschuss beantragt. Der Gesundheitsdienst hatte abgelehnt. Die Angelegenheit war für ihn abgeschlossen. Mr Nick Shaw zuckte nicht nur die Achseln. Er empfahl Mrs King, die Verlegung sofort in die Wege zu leiten.

Mr Brown, Ökonomie, deutete an, dass es nicht infrage komme, eine blühende Ranch zu ruinieren und Vieh und Pferde zu verkaufen, nur weil ein Joe King ungewöhnliche Privatansprüche stellte. Er erwog, ob er gestatten könne, dass der Büffelstier abgeschossen werde. Er müsse das überprüfen. Er konnte dem Antrag nicht von einem Tag auf den andern nachgehen. Es war notwendig, diese Frage sachverständig zu behandeln. Miss Mary Booth wusste in dergleichen Dingen zwar Bescheid, aber vielleicht gab sie auch nur dem Drängen der jungen Mrs King nach, die Geld brauchte. Mrs King war zweiundzwanzig Jahre. Es schien entschuldbar, wenn sie alles für die Ansprüche ihres Mannes opfern wollte. Mr Brown, ein sehr verantwortungsbewusster Dezernent, konnte eine solche Schwäche verzeihen, aber er durfte ihr nicht nachgeben.

Mrs King war zart, liebenswürdig, klug, bestechend.

Doch ein verantwortungsbewusster Dezernent gab in einem solchen Falle nicht nach.

Mrs King wartete von einem Mal zum andern länger, wenn sie die zuständigen Personen auf der Superintendentur zu sprechen wünschte. Die Büffel waren von privat verdientem Geld angekauft worden. Mrs King beanspruchte Handlungsfreiheit für den Verkauf. Über den Anspruch musste entschieden werden. Der Vorgang wurde der Distriktverwaltung zugeleitet.

Queenie King wurde schmaler und nervöser. Sie hatte nicht mehr genug Milch und musste ihr Kind zweimal am Tage Mary Booth mit an die Brust geben. Es fiel ihr nicht leicht. Mrs King war noch zart, aber ihr Ernst war nicht mehr liebenswürdig und ihre Art zu drängen für Amtspersonen nicht mehr bestechend. Wenn Queenie sich vor den Menschen verstecken konnte, die ihre Wünsche abtasteten und Gedanken aus ihr herauszogen wie Fäden aus einem Gewebe, dessen gute Qualität sie bestreiten wollten, so saß sie an ihrer Staffelei und malte den Fisch. Er glotzte.

Sie bot das Bild da und dort schon zum Verkauf an, noch ehe es fertig war.

An einem Vormittag erhielt Mr Brown den Bescheid der Distriktverwaltung, dass der Büffelstier abgeschossen und die Verwendung von Fell und Fleisch Mrs King anheim gegeben werden könne, der Erlös aber auf alle Fälle zu zwei Dritteln in der Ranch investiert werden müsse. Das Schreiben der Distriktverwaltung war von S. Bighorn unterzeichnet. Mr Brown leistete eine halbe Stunde später die Unterschrift unter einen entsprechenden Brief an Mrs Joe King. Einen Zustelldienst auf die King-Ranch gab es nicht. Den Brief würde Mrs King erhalten, sobald sie auf dem Postamt der Agentursiedlung ihre postlagernden Sendungen abholte.

Eben vorher aber geschah es. Mary Booth wollte sich zu Pferd aufmachen. Sie wollte zu Bob und Melitta reiten, den jungen Ranchern, denen sie das Geld für die ersten Anschaffungen zur Verfügung gestellt hatte. Bei diesem Ritt die Büffelweide zu vermeiden hätte einen großen Umweg bedeutet. Den Ritt auszunutzen, um sich bei der Herde umzusehen, schien zweckmäßig. Auch die zweite Kuh hatte inzwischen gekalbt. Es hatte dabei Schwierigkeiten gegeben, und es war nicht leicht gewesen, den Stier fernzuhalten. Die Büffelkuh und ihr Kalb waren wieder bei der Herde. Mary wollte sich darum kümmern. Robert war für die letzten fünf Tage seiner Haft im Stammesgefängnis. Bald würde er wiederkommen. Aber Mary konnte den Weg zu Bob und Melitta doch benutzen, um sich wieder einmal bei den weidenden Büffeln umzusehen.

Sie hatte das Lasso und den elektrisch geladenen Treibstock dabei, und sie nahm ein Jagdgewehr mit, was nicht üblich war. Mary hatte Angst. Sie wollte sich das nicht eingestehen, denn Angst war ein ihr ungewohntes, sie verwirrendes Gefühl. Angst war nicht Mary Booth. Angst war ein Fremdkörper in ihr. Sie hatte sich aber zärtlicher als sonst von ihrem Kind verabschiedet, das bei Queenie in guter Hut blieb, und sie hatte, ehe sie sich aufs Pferd schwang, ins Tal ringsum geschaut, hinüber zu der King-Ranch, wo Queenie in uneingestandenen Ängsten lebte, hinüber zu der Schulranch, wo die Lehrlinge auf Mary Booth warteten und ohne sie nicht genug taten, auch hinauf zu den weißen Felsen, dem Grabmal eines großen Häuptlings, dessen Grab die weißen Männer nicht kannten. Sie hatte den Friedhof nicht vergessen, den Friedhof nahe der King-Ranch, wo Marys schlechter und lügenhafter Bruder Harold seine letzte Ruhestatt gefunden hatte, nachdem er von Queenie erschossen worden war.

Mit Erinnerungen und schweren Gedanken machte sich Mary auf den Weg.

Sie hatte ein junges, schnelles Pferd gewählt.

Das Bild des Tages, an dem Joe die Büffel ins Tal gebracht hatte, schwebte ihr vor Augen. Es war ein Fest der Reservationsbewohner gewesen. Neu erstand das Leben des Indianers. Die Büffel waren wiedergekommen! Der ungeheure Stier hatte sich auch damals den Männern zum Kampf gestellt. Mit Mühe hatten ihn Joe Inya-he-yukan King und sein Wahlvater Harry Inya-he-yukan Okute gebändigt und zur Weide, zur Herde gebracht. Es war eine Stierjagd gewesen, machtvoller und gefährlicher als ein Rodeo, mit allen Künsten des Cowboys und des Indianers.

Während Mary ihr junges Tier zum Galopp trieb, dachte sie an jenen Kampf- und Festtag, und sie kam von diesen Gedanken nicht los. Sie konnte den Tag nicht vergessen, und sie konnte Joe nicht vergessen, den Nachbarssohn, den Vater ihres Kindes, den sie schon geliebt hatte, ehe sie wusste, dass sie ein Weib wurde. Eine einzige Nacht hatte sie ihn besessen, und er würde nie mehr zu ihr kommen. Aber noch immer war er der Nachbar, und an Mary kettete ihn die Arbeit. In ihrem Kind schaute er sie an. Es war Joes Kind.

Mary stieß einen schrillen Ruf aus, um ihr Pferd, das in Schritt gefallen war, wieder anzutreiben.

Es trabte leicht und heiter über die kurzgrasigen Wiesen, die das Element des Pferdes waren. Mary ritt über die Prärie, die ihre Augen kannten, seit sie sich zum Leben geöffnet hatten. Anderes kannte sie nicht.

Joe aber würde nie mehr zu ihr kommen. Er hatte sie nicht geliebt. Er hatte mit ihr ein Kind gezeugt, weil sie zu einsam war. Joe liebte Queenie.

Mary liebte das Kind, das Joes Kind war.

Es war ihr schwer ums Herz, weil der Büffelstier abgeschossen werden musste, Joes Büffel. Sie machte darüber zu niemandem Worte, auch nicht zu Queenie. Aber es lag ihr ein würgender Reif um die Brust.

Ehe sie diesen Ritt antrat, der sie jetzt zu dem elektrisch geladenen Zaun und an der geeigneten Stelle durch den Zaun hindurch auf die Büffelweide führte, hatte sie Queenie stillschweigend die Hälfte ihrer Ersparnisse gegeben, damit Queenie einen Monat hindurch keine Sorgen mehr hatte und für Joe bezahlen konnte.

In der Ferne graste die Büffelherde. Mary spähte. Sie zählte die Tiere. Eines fehlte. Sie konnte noch nicht genau sagen, welches. Sie ritt in dem welligen Gelände auf eine Anhöhe und hielt von dort weiter Ausschau. Ein Tier fehlte. Es konnte sein, dass es in der Nähe der Herde, aber noch verdeckt für Mary, sein Gras suchte.

Es war der Stier, der fehlte.

Mary ritt umher, vorsichtig lugend. Sie wollte dem Stier nicht unversehens begegnen. Sie wollte ihren eigenen Weg danach richten, wo sich der gehörnte König dieser Weiden aufhielt. Sie hätte auch einen Umweg um die Weiden machen können. Aber nun war sie hier, und nun musste sie feststellen, wo der Stier sich herumtrieb.

Es war nicht wahrscheinlich, dass ihn jemand abgeschossen und gestohlen hatte. Auf der Reservation wurde nur selten gestohlen; es waren dort keine Reichtümer zu finden, um die sich Mühe und Gefahr lohnten, und die Indianer untereinander stahlen nicht. Sie schlugen sich, manchmal schlugen sie sich tot, aber sie bestahlen einander nicht.

Der Stier pflegte sonst immer bei der Herde zu sein.

Mary ritt im Trab weiter, immer in Sichtweite der Herde. Sie lud ihr Gewehr durch. Sie lächelte dabei über sich selbst. Mary Booth wollte wohl gar einen Büffelstier erlegen. Sie tat alle Männerarbeit, aber diese wäre ihr doch ungewohnt gewesen. Sie hatte seit Jahren keinen Gewehrschuss mehr abgegeben. Und sie hatte nie zielen können wie Joe, der einen Büffel mit einem einzigen Blattschuss erlegen würde.

Die Herde wurde auf irgendetwas aufmerksam. Mary konnte es kaum sein, die die Tiere störte, denn die Büffelkühe kannten dieses Cowgirl. Die Kühe hörten aber auf zu grasen und hoben den Kopf. Zwei Kälber spielten. Sie spreizten die Stelzbeine, senkten den Kopf und drückten die breite, gewölbte, noch hornlose Stirn gegeneinander, sich nach dem Maß ihrer Kraft vor- und rückwärts schiebend. Mary freute sich. Aus diesen Kälbern konnten kräftige Kühe werden. Ein Stierkalb stand daneben und schaute zu. Es war das jüngste, vor wenigen Tagen geboren. Mary wollte vorschlagen, es bald zu schlachten oder lebend zu verkaufen und den jungen herangewachsenen Stier von der Büffelranch außerhalb der Reservation anzukaufen. Im Herbst mussten die Kühe wieder gedeckt werden.

Es schien auch für die Rentabilität der Ranch bedauerlich, dass der alte Stier schon weggebracht werden musste und nicht wenigstens bis zum Herbst gehalten werden konnte.

Aber er hatte zweimal angegriffen. Er konnte nicht mehr auf der Weide bleiben. Stallvieh gab es auf der Ranch nicht.

Mary horchte auf.

Hinter sich oder von der Seite her – sie vermochte es noch nicht genau zu unterscheiden – hörte sie ein Geräusch, das sie seiner Natur nach von Kind auf kannte. Ein schweres Stück Vieh galoppierte über den Wiesenboden. Dumpf klang der Schlag der Hornhufe.

Mary trieb ihr Pferd mit einem Ruck an und zwang es, den Hang der nächsten Anhöhe hinaufzugaloppieren. Sie wollte die Übersicht zurückgewinnen. In ihrem Innern grollte die Furcht auf wie das erste Grollen vor einem Gewitter.

Sie ließ die Zügel fahren und nahm das Gewehr so zur Hand, dass sie sofort anlegen konnte.

Der dunkelmähnige Feind war schon da.

Das Pferd, von keinem Zügel mehr gelenkt, brach zur Seite aus und flüchtete samt seiner Reiterin.

Mary gab einen ersten Schuss ab.

Sie wusste nicht, was oder wie sie getroffen hatte, aber sie wusste, dass der Bison mit Wut zum Angriff ansetzte.

Der Bison war schneller als Marys schnelles Pferd.

Er war ein schlauer, zäher Bursche, auf alle Finten gefasst, mager und sehnig, und von sinnloser Wut besessen.

Marys Pferd stürzte.

Sie schoss noch einmal, aber sie hatte dabei schon kein Ziel mehr. Das Gewehr entfiel ihren Händen.

Sie lag auf dem gestürzten Pferd, das sich wand und nicht mehr aufkam, denn der Bison schlitzte es mit den Hörnern auf. Mary lag im Blut des Pferdes, sie hatte die Waffe verloren, ihre Hand konnte den Treibstock nicht fassen.

Über ihr war das Haupt des Stiers, schwarzmähnig, ungeheuer, die Augen fast verschwindend, die Hörner krumm und spitz, und dahinter der Nacken mit seiner übermenschlichen Kraft.

In Mary war nur noch Furcht vor dem Tierischen und dem Tode. Sie dachte nichts mehr.

Wenn sie noch hätte denken können, so hätte sie denken müssen, dass Mary Booth nie glücklich gewesen war, ein Leben hindurch nie glücklich. Ihre Mutter hatte den Sohn Harold mehr geliebt als die Tochter Mary. Mary war fleißig gewesen, aufrichtig, hilfsbereit. Die Menschen vertrauten ihr, aber niemand liebte Mary Booth.

Mary liebte ihr Kind.

Sie wollte nicht sterben.

Sie schrie, das war das letzte ihres Lebens. Sie schrie: »Joe!«

Aber kein Ohr hörte Mary Booth, als sie sterben musste.

Sie starb unter furchtbaren Schmerzen.

Der Stier zerschlitzte und zertrampelte das Pferd und den Menschen. Als er seine Wut gesättigt hatte und kein Leben mehr da war, zog er ab.

Die Herde begrüßte ihn.

Mary kehrte des Abends nicht zurück, doch hatte niemand Anlass, sich darum Sorgen zu machen. Jedermann wusste, dass Mary das junge Ehepaar Bob und Melitta besuchen und die Nacht über dort bleiben wollte. Es konnte sein, dass Mary zwei oder drei Tage auf der Ranch der jungen Leute verweilte.

Telefon von Ranch zu Ranch gab es nicht.

Queenie sorgte für Marys Kind und für ihre eigenen Kinder. Da die Muttermilch nicht reichte, fütterte sie Kindernahrung dazu, die sie in dem Selbstbedienungsladen der Agentursiedlung erhielt. Die Kassiererin quittierte freundlich. Mrs King bestätigte sich als eine fortschrittlich denkende Indianermutter.

Von Tag zu Tag erholte sich Queenie und konnte die beiden Kinder wieder ausreichend stillen. Sie hatte mit Hilfe von Marys Ersparnissen zwei Raten der Schuldentilgung und die Kosten des laufenden Monats bezahlt. Sie hatte Nachricht erhalten, dass Interessenten für das Bild »Leben hinter Glas« vorhanden seien. Der Druck war von ihr abgefallen, alle ihre Nerven arbeiteten frischer. Robert Yellow Cloud kam auf die Ranch zurück. Er war misslaunig und konnte nicht damit zurechtkommen, dass er nun als ein Vorbestrafter galt. Auch dass er sich in dieser Hinsicht mit Joe in guter Gesellschaft befand, beruhigte ihn nicht. Er war ungerecht verurteilt worden. Der kleine Polizist war ein Dickhornschaf, und ein Sidney Bighorn hatte nicht auf der King-Ranch herumzuschnüffeln. Warum kamen Leute ins Gefängnis, die Schlangen verjagten? Warum verurteilten Indianer Indianer?

Queenie fühlte die aufsässige Stimmung Roberts wohl. Sie sagte nicht viel. Sie hoffte, dass er bei der Arbeit auf der Ranch in seinen täglichen Pflichten bald wieder vernünftig werden würde.

Was Queenie vernünftig nannte, unterschied sich von dem, was Robert vernünftig schien. Solche Unterscheidungen kannte Queenie. Schließlich hatte sie einen Joe King geheiratet. Sie hielt ihr Zutrauen zu Robert aufrecht. Er war ihre einzige Hilfe auf der Ranch.

Der Bursche hatte bei den Schweinen, den Rindern und als ehrenamtlicher Helfer auch auf der Schulranch viel zu tun. Doch drängte es ihn zu den Büffeln, und als Mary am vierten Tage nicht zurückgekommen war, beschloss er, auf die Büffelweide zu reiten und von dort zu Bob und Melitta, um Mary zu treffen. Frank Morning Star hatte sich bereiterklärt, den Stier zu erschießen. Frank wollte Bescheid haben, wann er kommen könne. Mary Booth musste sprechen.

Robert war es, der die blutigen Reste von Mary und ihrem Pferd fand. Das Blut und das Fleisch stanken schon, und Schwärme von Fliegen saßen daran.

Robert hielt an und stieg ab.

Er stand da, allein, und es graute ihm vor dem, was er sah. Aber er kam nicht davon los.

Es dauerte lange, bis er das Jagdgewehr, das Mary entfallen war, an sich nahm. Er untersuchte es. Zwei Schuss waren abgegeben. Sie hatte sich wehren wollen.

Robert schloss die Augen, nahm die Hand vor den Mund und betete zu Wakantanka, dem Gott der Indianer.

Er war zwanzig Jahre alt. Er hatte die Mutter sterben sehen, und er hatte seine drei Geschwister sterben sehen. Viele Indianerkinder starben früh. Der Vater war im Krieg gefallen. Robert kannte den Schmerz, der die Eingeweide des Menschen in seine Faust nimmt und sie zusammendrückt, dass der Atem vergeht. Der Hass stand zum ersten Mal in ihm auf.

Was hier geschehen war, das war Mord. Die Mörder waren die, die Robert eingekerkert hatten und die auf ihren Stühlen an den Tischen saßen und Briefe schrieben, ehe ein Büffelstier erschossen werden durfte.

Robert beschloss, Mary Booth zu rächen.

Noch brauchte niemand zu wissen, was Robert sich geschworen hatte. Ein Indianer hatte Zeit. Aber ein Indianer vergaß nie.

Sidney Bighorn musste eines Tages sterben.

Der Entschluss machte Robert ruhig.

Er schnallte die Decke ab, die ihm ohne Steigbügel als Sattel gedient hatte, und deckte die Tote zu. Er nahm ihr Gewehr mit, ihren Treibstock und ihr Lasso. So machte er sich auf den Rückweg zu der King-Ranch. Er hatte gesehen, dass die Büffel in der Ferne friedlich weideten. Am nächsten Tag konnte Frank Morning Star kommen und den Stier abschießen.

Zu der Beerdigung von Miss Mary Booth, Mitglied des Stammesrats, Rancherin, Lehrkraft der Schulranch, kamen viele Leute. Der zerschundene Körper lag in einem Sarg, der die Menschen vor dem Entsetzen abschirmte.

Vater, Mutter und Geschwister Marys, die außerhalb der Reservation auf freien Ranches lebten, kamen. Sie hörten die Grabrede und den Segen, die der alte Pfarrer der Agenturkirche sprach, und interessierten sich für die Hinterlassenschaft. Queenie war da mit ihren beiden Pflegesöhnen und den Zwillingen. Die Kleinsten hütete Robert in der Blockhütte. Als er gehört hatte, dass auch ein Vertreter der Agenturverwaltung erwartet werde, hatte er sich geweigert, mit an das Grab zu kommen. Vater und Mutter Halkett, die Eltern Queenies, und ihre Geschwister hatten den weiten Weg gemacht. Mr und Mrs Whirlwind fehlten nicht, Frank Morning Star, der stellvertretende Häuptling mit den übrigen Ausschussmitgliedern des Stammesrats, die Lehrlinge, Yvonne, die die Schwägerin Frank Morning Stars geworden war, gehörten zu dem Freundeskreis; auch die ehemaligen Lehrlinge der Schulranch kamen. Mrs Carson hatte den Auftrag erhalten, die Verwaltung zu vertreten, und sie hatte Mr Sligh überredet, sich mit ihr eine indianische Beerdigung anzusehen. Als sich die Nachricht hiervon verbreitet hatte, machten sich auch Barn und Walker auf. Sie begrüßten unter den Trauergästen Margot Crazy Eagle und ihren blinden Mann.

Es erschienen noch viele Menschen, alte und junge, die sonst nie auf der King-Ranch und auf der Booth-Ranch gesehen wurden. Mary Booth wurde geehrt. Würdig wurden ihre blutigen Reste zu Grabe getragen, und nun lag sie in der Erde neben ihrem Bruder, der ein Lügner und Dieb gewesen war und den Queenie King erschossen hatte.

Die Würmer und die Erde machten keinen Unterschied. Sie verzehrten und vernichteten alles, und alles wurde wieder neu, wenn die Gräser wuchsen und die Blumen wurzelten.

Als der Mond aufging, lagen die Gräber einsam.

Am Grab von Mary Booth aber saß Queenie Tashina King und weinte. Es schüttelte sie, und sie schluchzte erbärmlich. Sie weinte über alles, was sie Mary Booth im Leben nicht zugute getan hatte, und sie weinte, weil sie einsam und verlassen war. Ihr Pflegesohn Wakiya-knaskiya – Geheimnisträchtiger Donner –, lang gewachsen, in dreizehn Jahren seiner Kindheit älter geworden, als die Zahl der Jahre sagte, kam langsam zum Friedhof herbei und blieb für sich allein an dem Grabe des alten Häuptlings Inya-he-yukan stehen, der hier seine Ruhestatt gefunden hatte. Als er aber sah, dass Tashina sich nach ihm umwandte, ging er zu ihr hin und setzte sich zu ihr. Der Mond schien über den weißen Felsen. Früher hatten zu Füßen der Berge die Büffel geweidet. Sie weideten dort nicht mehr. Die Fenster des Hauses, das Mary Booth bewohnt hatte, schimmerten dunkel. Es war verlassen.

Im Wohnhaus der Schulranch blieb es still und finster. Keiner der Schüler wusste, was nun aus ihm werden sollte. Joe King war gelähmt. Mary Booth war tot.

»Mutter Tashina!«

»Wakiya-knaskiya, unser Sohn.«

Das war alles, was die beiden an dem Grabe von Mary Booth miteinander sprachen. Tashina erhob sich. Ihre Augen waren trocken geworden und taten weh. Sie ging mit Wakiya zu der Hütte, wo der Junge mit seinem Bruder Hanska und mit Robert zusammen schlief. Queenie ging weiter, in das neue Haus, in dem ihre Zwillinge, das Jüngstgeborene und nun auch Marys Kind aufwuchsen. Sie stillte die Säuglinge und legte sich schlafen. An Joe hatte sie geschrieben. Er sollte das Unglück von keinem anderen früher erfahren als von ihr.

Stein mit Hörnern

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