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Der Gott. Die Beweise: Der Un-Sinn? - Wie schön Heideggerisch

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Bevor wir hier zu tagespolitisch werden; kommen wir doch zurück zum Thema Gott.

Wollen wir hier entscheiden, ob es ihn gibt oder nicht?

Allein die Frage ist schon lächerlich.

Wir müssen hier viele Ebenen unterscheiden, durch die die Frage nach Gott bestimmt wird: Peter und Jürgen haben sicherlich Recht, wenn sie für die westliche Welt betonen, dass auf die Philosophie bezogen in der westlichen Welt allein die Diskussion um diese Frage peinlich ist, Philosophie muss sich nicht mehr mit Gott beschäftigen - die Gründe sind alt und hinlänglich bekannt.

Vielleicht erörtern Sie das, unserem Publikum ist das in dieser kategorischen Form vielleicht nicht so bewusst.

Das dumme Volk: Glaube schlägt seit Zeiten Wissen und Erkenntnis und Vernunft, noch in zweitausend Jahren wird man an Gott glauben und dafür morden – Dummheit, Verblendung und Unmündigkeit sind das letzte, was ausstirbt.

Nun, ich will dies in aller Kürze versuchen: Im Grunde sind es drei Gründe – wohlgemerkt: Vernunftgründe -, die beweisen sollen, dass Gott existieren muss. Ein großer Teil neuerer Beweisgründe sind mehr oder weniger mit diesen Dreien verwandt. Diese drei wurden schon früh, ausführlich dann von Immanuel hinreichend widerlegt. Es sind dies, und Immanuel geht davon aus, dass es nur diese drei sein können, der ontologische, der kosmologische und der physikotheologische Gottesbeweis.

Der ontologische Beweis versucht aufzuzeigen, dass allein der Begriff Gottes auf dessen Existenz schließen lässt, denn existierte Gott nicht, könne man ihm nicht Attribute wie allmächtig und höchstes Wesen beifügen. Also einem höchsten Wesen seine Existenz abzusprechen, so argumentiert Anselm von Canterbury in seiner Schrift Proslogion aus dem Jahre 1078, wäre ein Widerspruch. Obwohl das Argument von Zeitgenossen wie dem Benediktiner Gaunilo und später auch von Thomas von Aquin angezweifelt wurde, greifen Descartes, Leibniz, Spinoza und Christian Wolff die notwendige Verbindung von Existenz und Vollkommenheit wieder auf. Nach Gassendi widerlegt Immanuel nur den Beweis, nicht – das muss betont werden - das Dasein Gottes, indem er zeigt, dass es zwischen dem Dasein, der Existenz, eines Dinges und dessen Eigenschaften keine notwendige Verbindung gibt, denn seine Eigenschaften wie Vollkommenheit, Allmächtigkeit, Allgegenwärtigkeit sagen nichts über sein mögliches Dasein aus.

Im eng mit den Namen Descartes und Leibniz verbundenen kosmologischen Beweis, der zusammen mit dem dritten Beweisversuch auch heute noch virulent die Alltagsvorstellungen von einem überirdischen Wesen beeinflusst, wird angenommen, dass keine Wirkung vollkommener sein kann als deren Ursache. Jedes Existierende, zufällig Existierende muss eine Ursache haben; so ergibt sich eine kosmologische Kausalkette, an deren Anfang die notwendige erste Ursache steht: Gott. Immanuel betont, dass die Bestimmung von wahrnehmbaren Vorgängen in der Sinnenwelt, der erfahrbaren, gleichsam naturwissenschaftlich beobachtbaren Kausalketten, im Bereich des Nichtwahrnehmbaren unzulässig ist. Die Vernunft kann sich nur auf die wahrnehmbare Welt beziehen. Nur in ihr gelten die Gesetze der Kausalität.

Danke. Wir haben nun die ersten beiden Beweise gehört und müssen das erst einmal auf uns wirken lassen. Wir machen eine kleine Werbepause und sind gleich mit dem dritten Beweis wieder zurück. Übrigens: sollten Sie sich für die Literatur, die hier angesprochen, oder aus der zitiert wird, interessieren, wir blenden unten die Internetadresse ein, auf der Sie sich die Liste herunterladen können.

*

So, können Sie nach dem Werbeblock die ersten beiden noch einmal knapp wiederholen, die hat, glaube ich … vollendet veredelt …, keiner richtig verstanden - ich auch nicht. Und den dritten dann etwas allgemeinverständlicher. Ansonsten läuft es ganz gut.

Denke ich - womit. Einschaltquoten, dass wir so brav miteinander diskutieren? … 97% der Frauen sind schon überzeugt … Mal sehen, wie es läuft, wenn mal einer von uns in die Tiefe geht. Mal sehen, wer sich’s als erster traut.

Kürzlich habe ich einen interessanten Gottesbeweis … nur die schöne Erinnerung … entdeckt, in Michael Jürgs amüsantem Buch Warum wir hemmungslos verblöden, ganz knapp, ein paar Sätze nur, so stringent wie all die anderen auch: Am Erfolg des Mario Barth, der nach Jürgs maßgeblich … sichtbar und fühlbar … an der Verblödung der Deutschen beteiligt ist, ließe sich beweisen, dass es Gott geben müsse, „den des Neuen Testaments, den gütigen. Den, der sich … jetzt für kurze Zeit … um alle Menschenkinder sorgt“, denn „Gott ernährt auch ihn, also muss es Gott geben. Beweis erbracht“.

Bitte, Johann!

Ich habe das Gefühl, wir werden hier nur viel schon Altbekanntes auftischen.

Hab ich dir schon am Telefon … völlig neu entwickelt … gesagt. Es interessiert auch keinen mehr, ob es Beweise gibt oder nicht, jeder denkt: ich glaube und damit … Regel Nummer eins … Basta. Oder ich glaube nicht.

Richtig. Aber man kämpft bis aufs Blut für seine Überzeugung. Da hat sich … träumst du auch davon, ein … mach deinen Traum jetzt wahr … nichts geändert.

Selbst denken – das hat sich schon lange erledigt. Man wird gedacht.

Gemacht … ausgezeichnete Angebote, weil sie Freude bereiten …, von Moden und Religionen und Politik und Psychologie.

Und jeder denkt, er wäre sein Ich … Menschen lassen sich gerne begeistern … selbst, wenn sie stillstehen

Das ist vielleicht ein altdeutscher Pessimistenkreis …gute Unterhaltung …

Noch fünf Sekunden: drei, zwei, eins.

*

Nochmals herzlich willkommen, sehr verehrte Damen und Herren. Unsere Diskussion zum Thema: Rückkehr der Religionen ist noch im Stadium – man könnte sagen – des Brainstormings.

Eher ein laues Lüftchen.

Aber mit der Hinwendung zur Erörterung der drei so genannten Gottesbeweise bewegen wir uns auf die wissenschaftliche Ebene - was immer das sein mag in diesem Zusammenhang. Ich darf nun um eine kurze Zusammenfassung der ersten beiden Beweise bitten, um dann den dritten darzulegen.

Ganz kurz zusammengefasst fürs Fernsehvolk bedeutet der ontologische Gottesbeweis, dass, weil Gott als höchstes Wesen alle Eigenschaften beinhaltet, er allein aufgrund des Begriffes, den wir uns von ihm bilden, existieren muss – ganz einfach. Der kosmologische Gottesbeweis glaubt, da eine Wirkung ohne Ursache unvorstellbar ist, an eine kosmologische Kausalkette von der wahrnehmbaren Welt bis zur letzten Ursache, die er als Gott bestimmt.

Im physikotheologischen oder teleologischen Gottesbeweis - der ist richtig schön – nimmt man aufgrund der offensichtlichen Geordnetheit, der Schönheit und der Zweckmäßigkeit allen Seins an, dass dies nur möglich sei, weil ein höheres Wesen, eben Gott, diese Welt so eingerichtet habe. Wir wissen ja alle, was Voltaire und Russel zu dieser göttlichen Zweckgerichtetheit gesagt haben – sie weiß es nicht. Nun, das mit der Zweckmäßigkeit haben schon die beiden scherzhaft in Zweifel gezogen, indem Voltaire die Krümmung der Nase als zweckmäßigen Brillenhalter interpretierte, Russel anekdotisch erwähnt, das die weißen Schwanzunterseiten der Hasen sicherlich zweckmäßig für die Jäger sei; boshaft könnte man auch hinzufügen, dass die geordnete Jahrtausende alte Unterdrückung der Mehrzahl der Bevölkerung, erst als Sklaven, dann als Lohnabhängige, den Zweck erfüllt, die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer zu machen. Aber ernsthaft: Diese Annahme wirft Fragen auf: Ist die Welt wirklich so geordnet gestaltet? Dem widerspricht schon die Evolutionstheorie, nach der die Entwicklungsgeschichte auf Versuch und Irrtum und Selektion und Anpassung beruht. Oder: Benötigt eine geordnete, zweckmäßige Welt wirklich einen Schöpfer, ist Zweckmäßigkeit nicht eine innere Voraussetzung jeder Entwicklung?

Kein Wunder, dass die verblendeten – ich glaub eher geistig zurückgebliebenen – Anhänger des Intelligent Design, deren Thesen sich ja an den teleologischen Gottesbeweis anlehnen, die Evolutionstheorie so vehement ablehnen. Denn sie zerstört die Illusion von gradliniger Zweckmäßigkeit und göttlichem Ordnungssinn. Gerade die wahnwitzige Verkürzung der Entwicklungsgeschichte ist notwendig, um halbwegs die Legende von der störungsfreien Ordnung im Universum aufrecht zu erhalten.

Diese drei Gründe, die Sie uns so deutlich aha dargelegt haben, sind Vernunftgründe.

Ja, und die Vernunft hat sie widerlegt.

Das erkennt die Kirchenmacht in der Regel heute auch an, deshalb betonen ihre Vertreter auch gerne, dass der Glaube an Gott nur an den Glauben gebunden ist, und deshalb sanktionieren sie die Unantastbarkeit und Widerspruchslosigkeit dieses Glaubens auf eine unnachahmlich autoritär-fundamentalistische Weise.

Außer unser Papst Benedikt, der wieder versucht, Glaube und Vernunft aneinander zu ketten, indem er diese als Erfüllungsgehilfin des Glaubens interpretiert.

Da spielt ihm sogar die Grammatik in seine patriarchalischen Hände.

Grundsätzlich also, so denke ich, herrscht das Phänomen vor, dass die Vernunft aus der Diskussion um Gott, Glauben, Religion expediert wird – ihre Argumente sind stumpfe Waffen gegen die bornierte Machtposition religiösen Glaubens. Aber das, was die religiösen Despoten mit Glauben bezeichnen, ein wie auch immer begründetes religiöses Gefühl der Existenz etwas Übersinnlichen, ist in ihren Augen absolutes Wissen um dieses Übersinnliche, ein Wissen, das Millionen von Menschen infiziert hat und immer weiter infiziert.

Deshalb habe ich es ja Pest genannt. Und es ist genauso tödlich wie die Pest.

Sie verwechseln schlicht und einfach – wie Herbert Schnädelbach sagt – Gewissheit und Wissen. Auch ein Schizophrener ist gewiss, die eingebildete andere Person zu sein, so gewiss wie ein Hypochonder, der glaubt, unheilbar erkrankt zu sein, so gewiss wie die frühen Adventisten, die glaubten, dass das Ende nah ist, so gewiss wie die, die sich der direkten Einflussnahme von Göttern und Gott auf ihre Geschicke gewiss sind, so gewiss wie die Märtyrer, die ihren Lohn im Jenseits erwarten. Mit Wissen hat das alles nichts zu tun. Es ist nur paranoide Gewissheit, die verteidigt wird.

Aber erst von einiger Zeit, genauer 2007, hat wieder jemand versucht, gerade die Vernünftigkeit des Glaubens an Gott zu beweisen.

Jetzt kommt Spaemanns Erguss.

Robert Spaemann bemüht sich auf nicht mehr als zwanzig Seiten, Vernunft und Glauben zu verschweißen, wobei auf seinen eigenen Ansatz gerade einmal ganze zwei Seiten entfallen.

Tja, Gott beweisen scheint einfach zu sein, wenn man ihn nur klipp und klar voraussetzt und von vorneherein die Ansichten Nichtgläubiger als abstrus, abwegig und falsch vorstellt.

Der größte Teil seines Aufsatzes befasst sich mit dem ontologischen und dem kosmologischen Beweis, deren Beweiskraft er nicht anzweifelt, sondern bestätigt. Bevor er aber zur Darstellung dieser Beweise und seines eigenen kommt, stellt er zwei Dinge fest: Zum einen betont er, dass es eigentlich keines Beweises bedarf …

Warum versucht er ihn dann?

Wegen der vielen Ungläubigen, Andersgläubigen, Nichtgläubigen.

… weil „angesichts der überwältigenden Allgemeinheit und Dauer des Gerüchts von Gott und angesichts der Gotteserfahrung vieler Menschen derjenige die Begründungspflicht [trägt], der dieses Gerücht als irreführend und diese Erfahrung als Einbildung abtut“.

Ein Quantitätsbeweis also: Millionen Menschen, erfasst von Hysterie, können nicht irren.

Danke Johann. Zum anderen beschwört er Dostojewskis Satz: „Wenn Gott nicht existiert, ist alles erlaubt“ und nutzt ihn zur Formulierung seiner Ausgangsfrage, welchen Grund wir haben, „dass dem, was wir meinen, wenn wir ‚Gott’ sagen, etwas in der Realität entspricht“. Spaemann gibt auch unumwunden zu, dass Gottesbeweise an Voraussetzungen gebunden sind, wobei seine Anlehnung an Leibniz, für den Beweise argumente ad hominem sind, ein schwaches Argument ist – insgesamt sind die Argumente, mit denen er seine Beweise einleitend unterstützt, eher der Kategorie: es gibt Gott, basta, zuzuordnen als einem wissenschaftlichen Diskurs, er behauptet mehr als zu argumentieren. Wissenschaftlichkeit wird dabei entweder als zu rationalistisch abgelehnt oder vereinnahmt, indem er behauptet, auch die Naturwissenschaften würden mehr und mehr an ihre Grenzen stoßen, immer mehr Naturwissenschaftler in der Unerklärbarkeit einiger Phänomene oder des Ursprungs der Welt als Ganze eine göttliche Kraft vermuten.

Er liest eindeutig zu viele populärnaturwissenschaftliche Heftchen.

Nun, die Sehnsucht einiger Astrophysiker und Mathematiker, die Welt aus einer Formel erklären zu wollen, könnte man natürlich auch religiös motiviert interpretieren. Als Suche nach dem ersten Ursprung. Obwohl durch eine undurchsichtige komplizierte mathematische Formel der Begriff Gott schon etwas von seinem Charme verliert. Wem nützt es, wenn ich am Ende sagen kann: Gott ist 0.

Darauf sollten wir noch einmal zurückkommen.

Wie dem auch sei, Spaemann führt eine „intuitive Gewissheit“ an, Paulus’ Diktum des vernünftigen Gehorsams und behauptet, es besage nicht viel, dass die Gottesbeweise strittig seien.

Was ist aber nun seine Voraussetzung? Seine eigene Gewissheit, es gebe Gott?

Bei seiner Erklärung greift er zunächst einmal ganz tief in die philosophische Mottenkiste.

Tief im Sinne von Tiefe, Bedeutung oder veraltet, lange nicht benutzt, schon weggeworfen, vergessen?

Spaemann verknüpft, für ihn nur logisch - aber damit beginnt sein unzulässiger Zirkelschluss -, den Glauben an die Existenz Gottes „mit dem Gedanken der Wahrheit und der Wahrheitsfähigkeit des Menschen“. Geben wir die Wahrheitsfähigkeit des Menschen, den Glauben an eine Wahrheit jenseits subjektiver Einsicht und Wahrnehmung und szientistischer Richtigkeit auf, sind wir verdammt, im Absurden zu leben.

Interessant, wie er den möglichen gottlosen Zustand charakterisiert, was es bedeutete, wenn Gott nicht existierte: es herrschte der banale „Nihilismus der Spaßgesellschaft“. Er zeichnet nicht das Szenario von Anarchie, Grausamkeiten, moralischer Zügellosigkeit, des Krieges jeder gegen jeden, sondern eine hedonistische Kulisse. Als ob er weiß, dass alles andere im Zustand der Gottesgläubigkeit schon besteht, Realität ist: Massenmord, Ausgrenzung, Genozid, Folter sind integrale Bestandteile der Religionen und eines paranoiden Glaubens an Gott. Er aber macht, wie eh und je, das Hedonistische als Urfeind des Glaubens aus.

Neben dem Szientismus, der den Menschen nur als Genverbreitungsmaschine sieht.

Wahrheitsfähigkeit und der Gedanke der einzigen Wahrheit sind aber nicht die einzigen Voraussetzungen. Spaemann identifiziert den Menschen als „Spur Gottes in der Welt“, die Gott durch sich erkennen wollen muss, da sie ohne ihn nicht existiert.

Oder nur als hedonistischer wahrheitsloser Spaßvogel.

Gott aber, so fügt er schnell hinzu, existiert auch unabhängig davon, egal, ob „wir ihn erkennen, von ihm wissen …

Aha, manche wissen sogar.

… oder ihm danken“.

Warum macht er überhaupt den Umweg über die Wahrheit, die Wahrhaftigkeit und das Wollen des Erkennens; er setzt Gott voraus, das ist alles, das sagt er in einem Nebensatz.

Ich sagte ja: philosophische Mottenkiste. Das gibt seiner Argumentation etwas Erhabenes, auch Wissenschaftliches.

Vielleicht wäre sein Beweis ohne den Umweg noch schmaler ausgefallen. Ein Buch aus zwei Seiten Behauptungsbeweis wäre schon etwas dürftig.

Man hätte den Kommentar ja noch etwas länger machen können.

Was bemüht er aber, um seinen Beweis (?) zu vollenden?

Die Grammatik!

Spaemann behauptet ganz einfach, dass die grammatische Form des Futurum exactum, die notwendigerweise Zukunft und Gegenwart miteinander verknüpft, indem sie vergangene Wirklichkeit im Erinnern aufbewahrt, das Sein eigener Wahrheit im Zukünftigen bedingt, denn „das Gegenwärtige bleibt als Vergangenheit des künftig Gegenwärtigen immer wirklich“. Vergangenes, so argumentiert er, hat seine „Wirklichkeit eben im Erinnertwerden“; und weil er nicht, nicht wir, denken kann, dass gewesene Wirklichkeit zukünftig seine Wirklichkeit verliert, muss die Erinnerung an Vergangenes in einem absoluten Bewusstsein aufgehoben sein – in einem Gott.

Er treibt also den Anthropozentrismus auf die Spitze.

Ja! Die Grammatik hat sich im Laufe der Sprach- und Sprachenentwicklung gleichsam evolutionär – böses Wort – entwickelt; wir wissen nicht, ob im Tierreich verwendete Sprachen auch einer Grammatik folgen. Jedenfalls ist die, die das Futurum exactum beinhaltet, menschlichen Ursprungs, wobei insbesondere die Sprachen, die unter dem Einfluss des Lateinischen standen und stehen, auch das Futurum exactum kennen, wenn auch teilweise mit verschiedener Bedeutung. Uramerikanische Sprachen kennen es zum Beispiel erst nach der Einführung des Spanischen.

So könnte man sagen: Kulturen, in denen sich Sprachen ohne Futurum exactum entwickelt haben, sind gottlos, verlieren sich – wie nichtmenschliches, grammatikloses Leben auch – in der Erinnerungslosigkeit.

Spaemann verbindet aber nicht nur ein in der menschlichen Entwicklungsgeschichte entstandenes, von gesellschaftlichen Einflüssen abhängiges, wandelbares sprachliches Ordnungsprinzip, die Grammatik, mit der Vorstellung einer unveränderbaren Wahrheit in einem erdachten göttlichen Bewusstsein, sondern er benutzt für diese Verbindung ein grammatisches Tempus, das sich insbesondere im indogermanischen, westeuropäischen Sprachraum entwickelt hat. Damit bestimmt er auch den Ort der Wahrheit: der Kulturkreis des monotheistischen Ursprungs. Eine einstige Wahrheit kann als Erinnerung nur in einem einzigen Bewusstsein aufgehoben werden. Wahrheit ist nicht spaltbar.

Aber was beweist Spaemann? Ist das, was er vorträgt, ein Beweis, der letzte, wie der Titel es Buches verspricht?

Naiver geht es wohl nicht mehr. Das Letzte.

Nein. Der Titel ist ein Werbegag. Wie so oft verspricht die Verpackung mehr als drin ist. Wäre der Titel nicht so marktschreierisch, hätte das Buch wohl kaum Leser gefunden – und wir würden uns nicht so lange damit beschäftigen.

Schon viel zu lange.

Spaemann und auch sein Kommentator, Rolf Schönberger …

Wer?

… wissen, dass das Versprechen, einen Gottesbeweis zu liefern, nie eingelöst werden kann. Beide setzen, wie alle Beweisführer vorher, das Sein Gottes voraus – letztlich führt jeder Beweis auf den Satz Jaspers hinaus, den Schönberger auch zitiert: „Das Gott ist, das ist genug“.

Das Problem ist nur, dass dieses „Basta“-Argument so viel Wohlwollen erfährt, dass der ähnliche, aber negativ gewendete Satz: Dass Gott nicht ist, das ist genug, tödlich sein kann. Ersteres Argument bleibt unantastbar: weil Gott selbst die Idee seiner Existenz ins menschliche Bewusstsein gepflanzt hat, weil viele schlaue Menschen und die Masse an ihn glauben, wegen des so genannten Substitutionszwangs bei seinem Wegfall, weil er notwendig ist, um Wahrheit, einzige Wahrheit zu denken. Viele Weils, keines ist zu beweisen. Letztlich führt auch jedes Weil, das einen Beweis suggeriert, nur zur simplen Feststellung: „Das Gott ist, das ist genug“. Ein unerträgliches Absolutum, das jede Diskussion um Gott bestimmt. Ein totalitäres, ausschließendes Absolutum: Wer an Gott glaubt, ist grundsätzlich im Recht.

Es sei denn, man glaubt gerade an den falschen.

Und wie jedes Absolutum hat auch der Glaube an das Göttliche totalen, gefährlichen Charakter. Schönberger sagt selbst: „Wahrheit hat den Charakter von Absolutheit“. Und wenn er die Wahrheit als „Dimension des Sinnes“ interpretiert, kann individueller Glaube, indoktrinär erzeugter, erfundener Glaube, ein paranoider Wahn zur absoluten Wahrheit pervertieren. Jeder Glaube, religiöser im Besonderen, ist davon betroffen. Besonders, wenn man ihn von rationalen Erwägungen expediert.

Schattenspiele

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