Читать книгу Frontschweine - Léon Lancee - Страница 6

Оглавление

2

Nachdem sie sich bei ihrer Ankunft gemeldet hatten, bekamen sie vom Quartiermeister zu hören, dass die neulich angekommenen Panzer bereits per Bahn weiter zur Stadt Orscha, die zwischen Minsk und Smolensk lag, transportiert worden waren.

Marschpapiere für den nächsten Tag wurden sofort ausgestellt, sodass aus dem versprochenen Urlaub in der Stadt Minsk nicht viel wurde.

Der erste Abend in Minsk war auch gleich ihr letzter.

Wohl besuchten sie an diesem Abend ein ´Soldatenheim`, sodass die abgesprochene Zecherei doch noch stattfinden konnte.

Obgleich keine rechte Stimmung aufkommen wollte, wurde so viel getrunken, dass sie wankend ihr Nachtquartier aufsuchten.

Am nächsten Morgen stieg die einigermaßen benebelte Gruppe wieder früh in einen Lkw, in dem sie während der Fahrt nach Orscha ihren Rausch ausschlafen konnten.

Dort wurde ihnen auf dem Bahnhof ihr neuer Panzer III übergeben, und gleich danach fuhren sie in einem Konvoi in Richtung Smolensk zurück, wo Helmuth die Besatzung nach einer Übernachtung im offenen Feld, wieder bei Leutnant Mayer zurückmelden konnte.

Der war über die Ereignisse unterwegs im Bilde und sprach im Namen des Majors seine Achtung vor ihrem Verhalten aus.

„Es tut mir für euch leid, dass der Urlaub in Minsk ins Wasser gefallen ist, aber es waren eben die Umstände, und daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern. Ihr bekommt von mir zwei dienstfreie Tage, wobei ich allerdings davon ausgehe, dass ihr euren neuen Panzer so schnell wie möglich für den Einsatz fertigmacht. Vollgetankt, voller Munition und mit der alten Turmnummer! Beim Fourier Quartiermeister bekommt ihr eure Ersatzausrüstung und Kleidung. Der weißt Bescheid. Unser Zug ist wieder der Aufklärungsgruppe von Hauptmann von Löwenburg und Leutnant von Hartenstein zugeordnet. (siehe ´Kanonenfutter`) Ihr wisst, was das bedeutet.“

Der Leutnant zeigte mit einem Lächeln auf ihr Eisernes Kreuz 2. Klasse. „Eine ausgezeichnete Gelegenheit, euch noch mehr Auszeichnungen zu verdienen. Aber genauso wie bei den vorigen Malen wird es kein Ausflug ohne Risiken sein, wie ihr mittlerweile bereits erfahren habt. Ich nehme an, dass ich mich auf euch verlassen kann?“

Helmuth nahm Haltung an: „Natürlich, Herr Leutnant, aber uns fehlt noch immer ein Mann an Bord.“

„Brauchst nicht mehr strammzustehen, Kessler“, lachte der Leutnant, „Ihr neues Besatzungsmitglied habt ihr in Minsk nicht getroffen, aber er ist inzwischen hier angekommen. Ich schicke ihn gleich zu euch. Genießt die Ruhe dieser nächsten zwei Tage, denn dann wird es wieder Ernst.“

Helmuth ging zu den anderen zurück und informierte sie.

„Ha“, lachte Wolff zu Mannfred. „Das werden wieder erschöpfende, aber auch spannende Tage mit dem von Hartenstein. Ideal für Grübler wie du zurzeit einer bist. Hübsch ein paar Tage durchs Land ziehen und die Jünger von Onkelchen Josef Stalin ein bisschen auf Trab bringen. So erholst du dich wohl am schnellsten.“

Mannfred grinste wie ehedem: „Hör’ zu, du mobiler Fressladen. Mein größtes Problem ist, dass ich dich nicht mehr als Kindervergewaltiger beschimpfen kann, weil meine Freundin noch jünger war als deine Cindy. Aber der Gedanke, wieder zusammen mit dir in der eisernen Kaffeemühle eingesperrt zu sein und dein Quatschen anhören zu müssen, ohne sofort aussteigen zu können, ist eine totale Katastrophe.“

Wolff pfiff lange durch die Zähne.

„Aber nein, das Kind ist dabei, wieder normal zu werden. Ich habe mich in den letzten Tagen nicht getraut, dir aufgrund von Verführungsversuchen bei sehr jungen Mädchen komische Neigungen anzuhängen, aber diese Schwelle gibt es für mich jetzt natürlich nicht mehr. Nach allem, was ich wegen meiner Beziehung zu einem Mädchen von achtzehn Jahren habe hinunterschlucken müssen, kannst du dich auf einiges gefasst machen, Schätzchen. Wenn bei der russischen Propaganda bekannt geworden wäre, womit du beschäftigt warst, wäre die ruhmreiche deutsche Wehrmacht sofort als ein Verein uniformierter Kinderverführer plakatiert worden.“

Helmuth und Horst sahen gespannt zu, wie Mannfred auf dieses peinliche Thema reagieren würde.

Zur Erleichterung aller höhnte er nur: „Kannst du vergessen, Kindervergewaltiger! Denn ich habe mich auf jeden Fall wie ein Gentleman benommen und meine Freundin nicht sofort vier Wochen in Angst versetzt, ob sie schwanger ist. Und wo wir nun doch gerade davon sprechen, hast du schon eine Nachricht aus der Heimat bekommen, dass die Luft rein ist und dass du nicht Vater wirst? Also nein, umso mehr Grund dafür, dass du auf jeden Fall niemandem etwas vorwerfen kannst.“

Helmuth stöhnte quasi verzweifelt, aber unterdessen erleichtert: „Es ist wieder soweit, Mann. Die zwei haben sich wieder erholt und sind wieder gesund, also können wir uns die ewige Quengelei dieser Halbidioten wieder anhören.“

Wolff schaute bedenklich drein: „Hm, eigentlich wird es tatsächlich Zeit, dass wir endlich mal etwas Post bekommen. Das wäre eine Erleichterung.“

Er schlug seinem Kameraden klatschend auf die Schulter. „Aber ich habe noch eine Überraschung für dich, du Trottel. Ein Geschenk von Peter Zimmermann, dem Kommandanten des ´244`. Er hat gehört, was wir erlebt haben, und schenkte mir spontan die Hälfte seines Zigarrenvorrats, mit der Mitteilung, dass ich sie dir geben sollte.“

Wolff übergab eine kleine Holzschachtel mit einem Feuerzeug.

Mannfred reagierte freudig überrascht: „Jesus, das ist noch mal ein netter Mensch. Eine ganze Schachtel kleine Zigarren! Und noch ein sehr hübsches Feuerzeug dazu, das sieht ja aus wie echtes Gold. Davon werden wir uns nach dem Essen mal eine genehmigen. Und jetzt noch ein Akkordeon, und ich wäre wieder fast ganz auf dem Damm. Was für ein Glück! Ich meine, ich soll mal wieder einen leckeren Kaffee kochen.“

„Natürlich“, bemerkte Helmut, „Aber dann werden du und dein streitsuchender Freund doch zuerst mal zur Intendanz laufen müssen, um unsere Sachen abzuholen. In der Zwischenzeit sorgen Horst und ich für die Munition und den Sprit, und sobald ihr zurück seid, werden wir unsere Sachen auffischen. Dann kannst du den Kaffee fertig haben, wenn wir zurückkommen.“

Mannfred versteckte seinen kostbaren kleinen Zigarren im Panzer und machte sich zusammen mit Wolff auf den Weg.

Horst schaute nachdenklich drein: „Mannfred scheint wohl sehr schnell über den Tod des Mädchens hinweg zu sein. Das kann nicht stimmen, sein Kummer war echt, also spielt er uns in diesem Moment etwas vor, meine ich.“

„Das denk’ ich auch“, erwiderte Helmuth, „Oder so scheint es, aber es könnte natürlich auch sein, dass er es einfach verdrängt. Vergesst nicht, dass dieser Bursche wirklich knallhart sein kann. Es würde mich nicht wundern, wenn dieser Typ seinen Kummer kurz äußert und dann die Sache einfach wegsteckt. Wir merken es. Wir kümmern uns einfach ein bisschen um ihn, wenn es wieder schwierig wird.“

Horst lachte: „Soweit ich weiß, ist er doch derjenige, der sich ein bisschen um uns kümmert, wenn es echt schwierig wird. Was ich in letzter Zeit von ihm gesehen habe, lässt an Klarheit wenig zu wünschen übrig. Dieser Bursche lässt sich durch nichts von etwas abhalten, wenn es sein muss. Einen besseren Kameraden kann man nicht haben, und dass meine ich nicht nur im Falle des Elends oder einer Gefahr.“

„Das stimmt“, stimmte Helmuth zu, „Komm, lass uns unseren Teil der Arbeit erst mal machen, bevor die Zwei wieder zurück sind. Sonst werden wir noch zusammengestaucht, das ist ihnen zuzutrauen. Ich sorge für die Munition und den Sprit. Du regelst die Schablonen und die Farbe, sodass wir die Nummern und Divisionszeichen auf die Kaffeemühle spritzen können.“

Fast zwei Stunden später saß die ganze Besatzung unter der neuen Zeltplane, die sie zwischen den Panzer und ein paar Bäume gespannt hatten.

Sie lagen faul mit ausgetreckten Beinen auf dem Boden und tranken in aller Ruhe einen Becher Kaffee.

Ein Soldat in schwarzer Panzeruniform mit einem Kleidersack auf der Schulter blieb stehen und sprach sie an: „Könnt ihr mir sagen, wo ich die Besatzung des ´242` finden kann? Ich sehe nirgends einen Panzer mit dieser Nummer.“

Neugierig blickten alle zum stämmigen blonden Soldaten auf, der vor ihnen stand.

Das Eiserne Kreuz 1. Klasse hing auffällig auf seiner Uniformjacke, ebenso wie das Abzeichen für Mann-gegen-Mann-Kämpfe.

„Wenn du den ´242` suchst, dann bist du hier richtig.“ Helmuth stand auf: „Wir haben noch keine Turmnummer auf unsere Maschine malen können. Wen suchst du?“

Der blonde Soldat überragte Helmuth ein ganzes Stück. „Dann möchte ich mich kurz vorstellen. Ich bin Joseph Heinemann und wurde als euren neuen Lader eingeteilt. Meine Freunde und die Kameraden nennen mich übrigens immer Sepp.“

„Willkommen an Bord“, lachte Helmuth, während er ihm die Hand schüttelte.

„Ich bin Helmuth Kessler, seit fast einer Woche Panzerkommandant des ´242`, weil unser voriger Kommandant gefallen ist. Die beiden robusten Jungs dort sind Mannfred und Wolff, der Kanonier und der Fahrer, und der andere ist Horst, unser Funker und Bugmaschinengewehrschütze.“

Die anderen standen ebenfalls auf, um den Neuling zu begrüßen und ihm die Hand zu schütteln.

„Du bist gerade zur rechten Zeit eingetroffen“, lachte Wolff, während er auf Mannfred zeigte. „Unsere feste Küchenhilfe hat gerade frischen Kaffee gekocht, und niemand kann das besser als er. Setz’ dich hin, würde ich meinen, und lass dir einen leckeren Becher einschenken.“

„Whow“, lachte Horst, „Ich meinte, dass sie keine Riesen bei den Panzern annahmen, aber du bist wohl eine Ausnahme. Du wirst regelmäßig krumm stehen an Bord.“

Der große blonde Soldat lachte, während er den Becher Kaffee annahm, den Wolff ihm reichte, und sich ins Gras setzte. „Ob ich eine Ausnahme bin, weiß ich nicht, aber ich komme von der Waffen-SS, und dort wurde eine robuste Statur geschätzt.“

Helmuth sah ihn erstaunt an: „Wieso bist du denn jetzt zur vierten Panzerdivision eingeteilt, wenn du zu den schwarzen Jungs gehörtest?“

„Das lässt sich ziemlich einfach erklären. Beim Wachkommando der ´Leibstandarte`, sozusagen der persönlichen Leibwache des Führers, wird so ziemlich schwer auf Rassenmerkmale und Hintergründe geachtet. In meinem Fall stellte sich heraus, dass die Oma meiner Mutter hundertprozentig jüdisch war. Das war für die Idioten, die bei uns die Büros besetzt halten, Grund genug, mich versetzen zu lassen. Und dann war ich, so stellte sich heraus, auf einmal auch nicht mehr gut genug für die Waffen-SS, von der ich wohlgemerkt zu ihnen gekommen war. Ich habe vorhin bei der Waffen-SS gedient. Dort wurde ich auch ausgebildet. Wegen meiner guten Dienstvergangenheit durfte ich angeben, wo ich am liebsten unterkommen wollte, und dann habe ich um Versetzung zur einer Panzerdivision gebeten. Ich bin in Frankreich für den Rest meines Lebens genug gelaufen und wollte jetzt mal in Luxus per Panzer statt zu Fuß über das Schlachtfeld ziehen. Deshalb bin ich jetzt hier.“

„Das ist eine seltsame Verhaltensweise“, brummte Mannfred.

„Zunächst befördern sie einen von einer Eliteeinheit wie die Waffen-SS zur echten SS, und dann ist man mit einem Mal nicht mehr gut genug für die Einheit, von der man gekommen ist. Lustige Typen sind dort bei der ´Leibstandarte` tätig.“

„Womit hast du das Eiserne Kreuz 1. Klasse eigentlich verdient?“ fragte Wolff neugierig.

„In Frankreich an der Somme, wo ich bei einem französischen Gegenangriff auf unsere Stellungen mit gebündelten Handgranaten drei französische Panzer vom schwereren Typ Char B ausgeschaltet habe. Deshalb wurde mir vorgeschlagen, bei der Leibwache des Führers zu dienen. Ich selbst habe mich niemals für das Wachkommando angemeldet.“

Horst sah das neue Besatzungsmitglied Sepp gespannt an.

„Hast du unseren Führer wohl mal aus nächster Nähe gesehen?“

„Ja, gewiss, ich habe sogar auf dem Berghof, Hitlers Villa bei Berchtesgaden in den Alpen, Wachdienst machen müssen. Dort habe ich ihn mehrere Male aus nächster Nähe gesehen. Aber er hat niemals ein Wort zu uns gesagt. Das war nur den hohen Tieren vorbehalten und nicht dem einfachen Fußvolk.“

Mannfred warf seinen Becher ins Gras.

„Das muss ein ziemlicher Schlag für dich gewesen sein. Denn letztendlich kommt es darauf hinaus, dass sie dich einfach fortgeschickt haben, weil eines deiner Vorfahren nicht ganz dem Idealbild entsprach. Dafür konntest du doch keinen Dreck.“

Sepps Gesicht verfinsterte sich: „Nein, das stimmt. Das war auch etwas, mit dem ich natürlich nie gerechnet hatte. Meine Welt brach zusammen, als ich hörte, dass ich gehen musste, denn das wurde auch als ein unehrenhafter Abgang betrachtet, weil ich kein reiner Deutscher mehr sei. Aber das habe ich eigentlich ziemlich schnell verkraftet. Warum, erkläre ich euch später wohl noch mal. Dass ich nicht einmal mehr zur Waffen-SS als Elitekorps zurückkehren durfte, war für mich noch viel schlimmer. Aber wie gesagt, wegen meiner Dienstvergangenheit bin ich jetzt hier gelandet, und wenn es nach mir geht, machen wir das Beste daraus. Ich bin im Nachhinein nicht wirklich unzufrieden mit dieser Zuweisung.“

„Hat das etwas damit zu tun, dass Panzeruniformen fast mit denen der SS gleich sind?“ fragte Helmuth scharfsinnig.

Sepp lächelte: „Ehrlich gesagt ein bisschen, denn so fiel es zuhause weniger auf. Es wird von manchen Leuten doch wohl als eine Schande oder Degradierung gesehen. Und so habe ich das anfangs auch erfahren, aber das ist mittlerweile ziemlich vorbei, weil ich mich damit abgefunden habe. Aber ich bin einfach ehrlich, wenn ich sage, dass ich gern zur Waffen-SS zurückgegangen wäre.“

„Bei welcher Einheit der Waffen-SS hast du gedient?“

„Das war bei der Motorisierten Division ´Das Reich`.“

„He, das ist aber ein starkes Stück“, reagierte Wolff überrascht, „Wir kennen dort einen Untersturmführer mit seiner Gruppe. Michael von Losswitz heißt er.“

Sepp staunte: „Nicht zu glauben! Der war mein Chef in Holland und auch in Frankreich. Ein großartiger Kommandant, aber auch ein stahlharter Soldat. Woher kennt ihr ihn um Himmels willen?“

Helmuth lachte: „Das ist eine lange Geschichte, Mann, aber die heben wir uns für heute Abend auf, wenn es dir recht ist. Heute soll unsere Kaffeemühle noch bemalt werden und müssen wir noch unsere Sachen verstauen und ihnen ein Plätzchen geben. Das gilt auch für dein Zeug. Danach sind wir noch zwei Tage dienstfrei, weil wir gerade einen jämmerlichen Marsch durch feindliches Gebiet hinter uns haben und unser Urlaub in Minsk deswegen gescheitert ist. Und obgleich unser Zugkommandant Leutnant Mayer ein netter Mensch ist, kann er sehr unbequem werden, wenn wir unsere Sachen nicht ordentlich geregelt haben. Dann wäre ich vermutlich die längste Zeit Panzerkommandant gewesen, und das will ich doch lieber nicht geschehen lassen.“

Sepp stand auf: „Prima, ich bin auch nichts Anderes gewöhnt. Wenn wir unsere Sachen nicht perfekt geregelt hatten, wurde einfach eine schwere Strafe erteilt, um dafür zu sorgen, dass so was kein zweites Mal passierte.“

Helmuth verteilte die Aufgaben und nahm selbst auf sich den neuen Lader zu instruieren und einzuweisen.

Es war bald Essenszeit, als die Arbeit getan war und Leutnant Mayer vorbeikam, um nach dem Rechten zu sehen.

Er zeigte sich zufrieden: „Anscheinend habt ihr alles wieder in Ordnung und seid fertig für den nächsten Einsatz. Genießt die zwei kommenden Tage Ruhe und nutzt die Zeit auch wirklich, um euch gut auszuruhen. Die bevorstehende Erkundungsfahrt wird nicht leicht werden, denn der Widerstand des Russen wird immer heftiger.“

Er wandte sich zu Sepp.

„Ich hoffe, dass du dich hier ein bisschen zuhause fühlen wirst. Die Besatzung des´242`, von der du jetzt ein Teil bist, hat einen guten Ruf und gehört zum besten Zug unserer Panzerdivision. Deine Personalakte habe ich mittlerweile durchgeblättert. Das einzige, was ich darin lese, und was ich auch am Wichtigsten finde, ist, dass du ein guter Soldat bist. In Anbetracht deines Hintergrunds brauche ich nicht klarzumachen, dass Kameradschaft und Mannschaftsgeist zu einem wichtigen Teil bestimmen, wie ihr als Besatzung funktioniert und wie groß eure Chancen sind, den Kampf gut zu überstehen. Darauf verlasse ich mich denn auch, wenn wir wieder losgehen.“

Sepp nahm Haltung an: „Auf meinen Einsatz können Sie sich verlassen, Herr Leutnant.“

Leutnant Mayer klopfte ihm auf die Schulter.

„Ich habe auch nichts Anderes erwartet, Soldat. Willkommen im meinem Zug! Abmarsch zum Kantinenwagen, es ist Essenszeit!“

Nach der üblichen Wartezeit in der Reihe beim Küchenwagen setzte die Besatzung sich mit ihren gefüllten Essensdosen wieder aufs Gras beim Panzer.

Sie ließen sich das Gulasch gut schmecken und nach dem Essen ließ Mannfred sein Kistchen mit Zigarren herumgehen.

Nur Wolff und Sepp nahmen eine Zigarre aus dem Kistchen, wonach Mannfred ihnen sein Feuerzeug vorhielt.

Sepp sah sich das Feuerzeug an, als Mannfred ihm Feuer gab, und fragte, ob er es sich etwas näher ansehen durfte.

Etwas später warf er das Feuerzeug wieder zu Mannfred, der es auffing und in die Brusttasche seiner Feldbluse steckte.

„Das ist nicht nur ein schönes Feuerzeug, sondern auch ein teures Exemplar, Mann. Es ist klar, wer hier Geld hat und wer nicht.“

Mannfred sah ihn verblüfft an. „Du kannst es glauben oder nicht, aber dieses Feuerzeug und dieses Kistchen mit Zigarren sind momentan meine einzigen Besitztümer hier auf Erden. Dank diesen verfluchten Iwans habe ich weiter alles verloren, was ich noch hatte, seit diesem Feldzug angefangen hat. Mein Akkordeon ist mit unserem vorigen Panzer verbrannt, zusammen mit meinem Vorrat Zigarren. Die Sachen, die ich bei mir hatte, wurden mir von den Iwans abgenommen, als wir vor einigen Tagen kriegsgefangen genommen wurden, und meinen goldenen Siegelring habe ich vor einigen Tagen zusammen mit meiner kleinen Freundin im russischen Wald neben der Rollbahn begraben. Dieses Feuerzeug habe ich zufällig heute von Peter Zimmermann, dem Kommandanten des ´244`, bekommen, zusammen mit dem Kistchen mit den Zigarren.“

Nun war es Sepp, der staunte.

„Ich weiß nicht, ob ihr dicke Freunde seid, aber dieser Bursche muss dich wohl sehr schätzen, Mann. Das Feuerzeug, das er dir geschenkt hat, ist aus purem Gold. Das Ding hat viel Geld gekostet.“

„Das wundert mich nicht“, kam Horst dazwischen.

„Peters Eltern haben ein enormes Grundstück in Ost-Preußen, und wenn es stimmt, was ich gehört habe, fährt er privat sogar ein Maybach Cabriolet, und das sagt genug. Diese Leute sind schwerreich.“

Mannfred stand auf.

„Es war sowieso meine Absicht, ihm zu danken, aber wo ich nun weiß, dass das Ding so teuer ist, muss ich ihn zunächst mal aufsuchen. Wir mögen uns, aber man kann nicht sagen, dass wir dicke Freunde sind. Also warum er mir so ‘n Geschenk gibt, weiß ich auch nicht. Aber das finde ich gleich heraus. Ich gehe zuerst mal zu seinem Panzer und komme dann später wieder zurück, wenn ihr frischen Kaffee fertig habt.“

„Warum auch nicht“, lachte Wolff, „Schön auskneifen und dann auch noch Aufträge zurücklassen. Na, du bist mir der Richtige! Aber gut, Tante Fuhler wird deine Haushaltsarbeit wohl wieder übernehmen und Kaffee kochen. Obgleich ich lieber ein paar Bierchen hinunterkippen möchte.“

Sepp nahm die Geschirrdosen.

„Dann werde ich das Geschirr mal putzen. Wenn ihr beim Kaffee dann etwas mehr über die Kriegsgefangenschaft erzählen wollt, denn so was überleben und wieder freikommen, muss doch ein besonderes Abenteuer gewesen sein. Da bin ich neugierig. Dann weiß ich auch etwas mehr über euch, und erzähle ich noch ein paar Dinge über mich selbst, sodass wir alle wissen, mit wem wir zu tun haben.“

„He Horst“, grinste Helmuth, während Sepp mit den Essensdosen fortging, „Wir haben das wieder prima geregelt. Die Arbeit wird gemacht, und wir können ruhig auf unserem Rücken liegen bleiben.“

Horst schmunzelte: „Es gibt nun mal Arbeitspferde und Luxuspferde. Und niemand hier im Lager hat einen echten SS-Mann, der seine Essensdosen für ihn putzt. Vielleicht putzt er auch gern Stiefel und so.“

Wolff lachte auf: „Da würde ich aber ein bisschen vorsichtig sein, mein Junge. Als ich mir diesen Putz-SS-Mann von dir so ansehe, ist er bis auf die Knochen durchtrainiert und gewinnt er bei einer Partie Ringen gegen Mannfred und mich mit links. Dazu kommt noch, dass die Jungs der echten schwarzen SS-Elite genauso einfach einem Kameraden den Hals abschneiden wie den Feinden des Vaterlands.“

Wolff hatte den Kaffee gerade fertig, als Sepp wieder zurückkam und mit einem flauen Lächeln um den Mund Horst seine Essensdose zurückgab.

„Schau dir das an, mein Junge, schön sauber geputzt, speziell für dich. Nicht schlecht, dachte ich mir so, denn es gibt doch sonst niemanden im Lager, der einen echten SS-Mann hat, der seine Essensdosen für ihn putzt.“

Horst wurde blass und sah ihn erstaunt an, ebenso wie Helmuth.

„Jesus, wie weißt du…..?“

Wolff fing an, schallend zu lachen.

„Sieh dir das Kerlchen doch an. Klar, dass du Schiss hast vor einem echten Abwasch-SS-Mann. Oder wäre es dir vielleicht lieber gewesen, wenn ich dir gesagt hätte, dass Sepp noch neben dem Panzer stand, um Sachen zu packen, als du anfingst, dich über den Luxus eines Abwasch-SS-Manns zu verbreiten?“

Schluchzend vor Lachen fing er an, Kaffee einzuschenken. „Ich habe mich insgeheim die ganze Zeit totgelacht.“

„Mein Gott“, stöhnte Horst, „Du und dieser beknackte Mannfred ihr seid ja direkt eine Katastrophe. So was von unzuverlässig.“

Wolff lachte weiter: „Meinst du, dass ich das vor Mannfred verschweigen will. Der wird es bestimmt genießen, wenn er hört, dass du ihn für ´beknackt’ hältst. Außerdem, vielleicht ist dies auch gleich der richtige Moment, Sepp zu bitten, ob er ein Bedürfnis hat, deine Stiefel zu putzen. Hast du das auch gleich geregelt.“

Horst bekam es langsam mit der Angst zu tun.

Argwöhnisch blickte er zum großen blonden Soldaten, der lässig einen SS-Dolch aus seinem Stiefel zog und auffallend damit zu spielen anfing.

Hatte Wolff nicht auch etwas über Halsabschneiden gesagt?

„Weißt du“, sagte Sepp höhnisch langsam, „Vielleicht ist es besser, dass du meine Vergangenheit in Zukunft einfach ruhen lässt.“

Seine Stimme klang etwas tiefer: „Du möchtest doch wohl nicht, dass ich bereits an meinem ersten Tag bei euch die Fassung verliere? Deswegen wurden von uns ganze Volksstämme niedergemetzelt.“

Er wandte sein Gesicht langsam von Wolff zu Horst und sah diesen drohend an, während er seinen Daumen vorsichtig über die scharfe Seite des Dolchs spielen ließ.

Sogar Helmuth spürte die Drohung, die vom ehemaligen SS-Mann ausging, und stand auf.

Aber ehe er etwas sagen konnte, fuhr Sepp mit einer schrecklich hohen Pieps Stimme fort: „Was meinst du, Tante Fuhler?“

Sofort darauf rollten die beiden brüllend vor Lachen über den Boden. Helmuth und Horst durchschauten, dass sie reingelegt worden waren. „Ihr fiese Dreckstücke“, sagte Horst mit einem Seufzer der Erleichterung.

„Allmächtiger Gott“, murrte Helmuth, während er sich wieder ins Gras setzte. „Anstelle von zwei dieser Idioten haben wir jetzt drei solche Exemplare an Bord. Da können wir wohl besser um Versetzung bitten. Die zwei haben sich auch gefunden. Was für eine Katastrophe.“ Wolff und Sepp gaben sich klatschend die Hand.

„Der trifft!“ schluchzte Wolff, „Willkommen beim Klub. Ich hatte dir gesagt, dass wir ein gemütlicher Haufen waren. Du wirst dazu passen, dachte ich so. Mannfred lacht sich total krumm, wenn er von diesem Streich erfährt.“

Sepp hatte den Dolch wieder in seinen Stiefel gesteckt und streckte versöhnend seine Hand zu Horst aus.

„Mach’ dir nichts ´raus, Mann, aber eine solche Chance konnte ich mir nicht entgehen lassen, und jetzt weißt du auch gleich, mit wem du es zu tun hast. Nichts für ungut.“

Horst lachte ein wenig gekünstelt: „Na, das ist dir auf jeden Fall gut gelungen. Einen Moment war ich mir nicht sicher, ob es dir Ernst war oder nicht. Vergiss nicht, dass ihr von der schwarzen SS immerhin einen gewissen gefürchteten Ruf habt. Und da weiß man natürlich nie!“

Jeder machte es sich bequem, und beim Kaffeetrinken erzählten die festen Besatzungsmitglieder etwas über sich selbst und über das, was sie bisher an der Ostfront erlebt hatten.

Vor allem die Geschichte der kurzen Kriegsgefangenschaft und vom Tod des russischen Mädchens fesselte Sepp.

„Dieser Mannfred ist offensichtlich ein geborener Soldat“, sagte er nachdenklich, als ihm die Geschichte erzählt worden war.

„Nicht zu glauben, dass ihr innerhalb einer einzigen Woche zweimal von den eigenen Truppen abgeschnitten gewesen seid. Und dabei auch noch vom Russen gefangen genommen wurdet, das unversehrt überlebt habt und zwischendurch auch noch ein ganzes Partisanennest ausgerottet habt. Allein dafür sollten sie euch mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse auszeichnen. Ihr habt das als Mannschaft auf jeden Fall sehr gut gemacht, wenn ich das so höre.“

In dem Moment kam Mannfred wieder zurück und meldete sich aus der Distanz: „He Leute, haltet die Becher bereit. Ich habe ein kleines Geschenk für uns alle mitgebracht, mit den Komplimenten der Jungs vom 244“

Begeistert schwenkte er eine Flasche mit französischem Kognak.

„Weil wir morgen einen freien Tag haben, kann diese leckere Flasche sofort geschlachtet werden. Eigentlich ist es ein kleines Geschenk von Peter Zimmerman, er war von unseren Abenteuern in den letzten Tagen ziemlich beeindruckt. Dieser Bursche ist wirklich besonders nett. Zuerst bekomme ich die Hälfte seines Zigarrenvorrats und jetzt wieder dies hier.“

„Haha“, lachte Wolff, „Dieser Bursche hat wohl ein Auge auf dich, nachdem er deine großartige geblümte Unterhose gesehen hat, als Feldwebel Klein dir diese Lektion auf dem Exerzierplatz in Leipzig erteilte. Reiß’ die Flasche auf, dann habe ich noch eine nette Geschichte für dich. Aber erzähl’ erst mal, warum dieser Bursche dich so verzärtelt.“

Mannfred nahm den Korkenzieher an, den Horst ihm reichte.

„Eigentlich ist nichts Besonderes dran. Peter stammt aus der gleichen Gegend wie ich, er ist auch ein echter Ostpreuße, wenn ihr das so nennen wollt. Und bei diesem Zwischenfall an der Rollbahn am ersten Tag des Krieges, wobei Uwe Fleischer ums Leben gekommen ist, bin ich ihm aufgefallen. Ihr wisst noch, er hat mir damals einen Platz in seinem Panzer angeboten.“

Horst unterbrach ihn: „Ja, das werde ich nicht so schnell vergessen. Er hat mich wegen meiner Bemerkung über den Leutnant ordentlich zusammengestaucht.“

„Genau“, fuhr Mannfred fort, „Aber lass mich die Geschichte jetzt mal zu Ende erzählen. Es hat mal ein Kurowski als Jagdaufseher bei seinen Eltern auf dem Gut gearbeitet. Dieser hat Peter alles über die Natur und die Jagd beigebracht und ihn auch im Schießen unterrichtet. Er hat sehr gute Erinnerungen an ihn, und so fiel mein Name ihm auf. Heute Abend stellte sich heraus, dass es sich um einen Onkel von mir handelte, einen Bruder meiner Mutter.“

„Wieso handelte?“ fragte Helmuth.

„Weil er vor einigen Jahren von Wilderern aus Polen ermordet wurde, als er sie beim Wildern ertappte. Er lebt also nicht mehr.“

„Verflixt“ reagierte Wolff, während er die Flasche Kognak nahm und die Becher der anderen einschenkte.

„Du hast nicht gerade viel Glück in letzter Zeit. Kommst du einem Familienmitglied auf die Spur und dann stellt sich heraus, dass er nicht mehr lebt.“

Mannfred zuckte die Achseln und lachte: „Ach, das ist egal, der Mann ist längst tot, und ich habe ihn nie gekannt. Aber das Schönste an allem ist, dass Peter mir eine Stelle als Jagdaufseher angeboten hat, und das Angebot gilt, bis ich den Dienst verlassen habe. Das ist natürlich großartig, ich bekomme ein Häuschen auf ihrem Gut und habe also gleich eine Stelle, sobald dieser Krieg vorbei ist. Die Leute haben übrigens auch noch ein Gut in der Nähe des Bodensees. Wenn er sich dort nach dem Krieg niederlässt, werde ich auch dorthin gehen. Peter möchte, dass ich bei ihm arbeite und nicht für seine Eltern. Können wir hübsch zusammen jagen.“

Er hob seinen Becher: „Prost, auf meine neue Stelle und auf die nächste Erkundungsfahrt mit Hauptmann von Löwenburg und Leutnant von Hartenstein. Aber auch auf Sepp! Willkommen in der Gruppe, Mann!“

Auch die anderen hielten ihren Becher in Richtung des neuen Besatzungsmitglieds hoch.

„Whow“, schmatzte Wolff, „Das ist noch mal ein leckerer Kognak.

„Gratulation zu deiner neuen Zukunft, Mann. Wo wir nun gerade von Sepp sprechen“, lachte er zu Mannfred, „Da kann ich dir noch eine nette Geschichte erzählen!“

Breit lachend erzählte er die Geschichte des Abwasch-SS-Manns.

Mannfred lachte schallend, als Wolff die Geschichte zu Ende erzählt hatte.

„Ich dachte mir, dass du zu uns passen würdest“, lachte er zu Sepp.

„Jetzt weiß ich das wenigstens ganz gewiss, da wird es in Zukunft noch viel zu lachen geben.“

Sepp nahm genießerisch einen Schluck Kognak.

„Ihr habt hier alles gut geregelt. Einen leckeren Schnaps, eine Zigarre und die nächsten zwei Tage dienstfrei. Also gut, ich hatte versprochen, etwas mehr über mich selbst zu erzählen. Damit habe ich aber gewartet, bis auch du wieder hier bist, dann brauche ich die Geschichte nicht zweimal zu erzählen. So viel Besonderes ist es nun auch wieder nicht.“

„Ich bin zwanzig Jahre alt und werde im Dezember einundzwanzig. Als ich siebzehn war, habe ich mich im Jahr 1938 bei der Waffen-SS als Freiwilliger gemeldet. Ich habe meine Ausbildung zum größten Teil in unserer Kaserne bei Graz-Tobelbad in der österreichischen Steiermark gemacht. Die Ausbildung hat insgesamt mehr als ein Jahr gedauert. Ich war dabei, als der Krieg mit Polen am 1. September 1939 anfing, und auch im Mai 1940 war ich dabei, als wir über Holland nach Frankreich durchgestoßen sind, nachdem die Franzosen und die Engländer uns nach dem Einfall in Polen den Krieg erklärt hatten.

In Holland haben wir ziemlich hart an einer Stelle gekämpft, die sie dort die Grebbelinie nannten, in der Nähe der Stadt Wageningen, und dort kam ich unter das Kommando von Untersturmführer von Losswitz.

Zu der Zeit war er übrigens noch einfach Hauptscharführer (= Hauptfeldwebel).

Aber erst nachdem wir die Somme in Frankreich überquert hatten, habe ich das Eiserne Kreuz 1. Klasse verdient.

Unsere Einheit geriet ziemlich in Bedrängnis, als die Franzosen dort einen Panzerangriff eröffneten, während wir über keine Panzer verfügten.

Von Losswitz forderte Freiwillige auf, mit den französischen Panzern abzurechnen, und da habe ich mich eben gemeldet.

Zusammen mit ihm habe ich dort fünf schwere Panzer vom Typ Char B mit einer geballten Ladung aus zusammengebundenen Kartoffelstampfern zerstört.

Er hat zwei ausgeschaltet und ich drei.

Zwei davon waren nicht so schwer zu knacken, denn die Tölpel fuhren mit geöffneten Luken, wahrscheinlich, weil sie nichts als Infanteriefeuer von unserer Seite bekamen.

Es war einfach im Vorbeilaufen eine Granate durch die offene Turmluke reinzuwerfen.

Beim letzten Panzer, den ich zerstört habe, bin ich während der Fahrt an der Rückseite raufgeklettert, wonach ich eine Granate durch den Sehschlitz des Fahrers hineinschieben konnte.

Nach so was musst du dafür sorgen, dass du wie der geölte Blitz vom Panzer hinunterrollst und dich flach am Boden drückst, denn so ‘n Ding geht hoch, wenn man das Glück hat, dass ihr eigener Munitionsvorrat durch deine Handgranate explodiert.

Die Franzosen haben ihren Panzerangriff wegen unserer Aktion abgebrochen, weshalb unsere Einheit sich neugruppieren und einen Gegenangriff organisieren konnte.

Ich habe für diese Aktion das Eiserne Kreuz 1. Klasse bekommen, und Von Losswitz wurde an Ort und Stelle zum Untersturmführer befördert, weil er am Vortag bereits mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet worden war.

Zum zweiten Mal eine Auszeichnung in zwei Tagen fanden sogar die bei der Heeresleitung offensichtlich etwas des Guten zu viel. Aber er wurde vom Unteroffizier also gleich zum Leutnant befördert.

Am Ende des Feldzugs gegen die Franzosen rückte unsere Einheit schließlich über die Städte Orleans und Bordeaux bis zur spanischen Grenze vor, wo wir bei der Stadt Biarritz am Golf von Biskaya im Atlantik geschwommen sind. Eine großartige Zeit hatten wir dort in Frankreich.

Danach habe ich gut sechs Monate bei der ´Leibstandarte` gedient, und wie das ausgegangen ist, darüber wisst ihr ja schon Bescheid. Aber gut, das war mehr etwas über meine Erlebnisse an der Front.

Was mich selber betrifft, ich stamme aus Kleve in Nordrhein-Westfalen. Ein kleiner Ort am Ufer des Rheins, ganz nahe an der holländischen Grenze. Meine Eltern haben dort einen kleinen Hof außerhalb des Dorfes. Zuhause habe ich noch zwei Schwestern, die siebzehn und neunzehn Jahre alt sind. Kurz nach der Sekundarschule habe ich meinen Dienst bei der Waffen-SS angetreten, und zwischendurch half ich meinen Eltern auf dem Hof. Eine Freundin habe ich eigentlich nicht …viel mehr gibt es auch nicht zu erzählen. Außerdem, dass die Ausbildung ziemlich schwer war und dass ich Scharfschütze bin, mich ordentlich mit Sprengstoffen auskenne und ziemlich gut mit dem schweren MG-34 Maschinengewehr umzugehen weiß.

Das ist so kurz gesagt, wer und was ich bin. Wenn einer von euch noch Fragen hat, stell’ die dann jetzt, denn ich habe, denke ich, so ungefähr alles erzählt.“

„Na“, bemerkte Helmuth, während er sich streckte, „Eines ist auf jeden Fall klar. Du bist, wenn man das so hört, der erfahrenste Soldat von uns allen. Es ist eigentlich unverständlich, dass einer mit Kampferfahrung in zwei Kriegen und mit den Qualitäten, die du hast, zu uns als Lader an Bord kommt. Tatsache ist allerdings, dass du auf jeden Fall zusammen mit Mannfred als Vorreiter vorgehen kannst, wenn wir uns wieder mal ohne Verbindung zu unseren eigenen Truppen in feindliches Gebiet verirren. Mannfred war bisher derjenige, der das Handwerk des Infanteristen am besten beherrschte und uns deswegen aus diesem Mist retten konnte. Achte während des Einsatzes gut auf das, was die anderen im Panzer machen, denn es ist die Absicht, dass jeder von uns die Stelle des anderen an Bord übernehmen kann. Wir werden dich zu einem echten Panzersoldaten ausbilden, sodass du an Bord auf jeder Position einsetzbar bist. Und damit fangen wir morgen an. Denn Ruhetage oder nicht, es ist in unser aller Interesse, dass du genauso mit dem Gang der Dinge an Bord vertraut bist wie jeder von uns. Wir haben das während unserer Ausbildung gelernt, aber du bist offensichtlich auf eine besondere Weise bei uns untergekommen. Ich schlage vor, dass du morgen zunächst mit der Arbeit anfängst, die du machen musst, nämlich der Übernahme der Funktion des Laders von Mannfred. Darüber wird er dir morgen Vormittag alles klarmachen und dann auch gleich alles über seine neue Funktion als Kanonier erklären. Dann musst du als dritte Funktion dich mit dem vertraut machen, wo deine Stärke liegt. Und das ist die Bedienung des Bugmaschinengewehrs, das immer von Horst bedient wird. Er wird dir alles über die Bedienung des Bordfunkgeräts beibringen. Ihr könnt diese Dinge übermorgen in aller Ruhe noch mal wiederholen, sodass du dich auf jeden Fall gut mit den zwei Posten auskennst. Zu einem späteren Zeitpunkt werden Wolff und ich dir die Kniffe unserer Funktionen beibringen, sodass du schließlich überall einsetzbar bist. Das ist angenehmer für dich, aber auch gut für uns alle, wenn es unverhofft Schwierigkeiten gibt. Und jetzt möchte ich noch einen leckeren Schnaps aus dieser Kognakflasche, denn von all diesem Geschwätz bekomme ich einen ordentlichen Durst.“

Sepp nickte einstimmend.

„Scheint mir ein guter Plan zu sein, denn ich habe keine Panzererfahrung und ich werde mich ein Stück sicherer fühlen, wenn ich mich an Bord gut auskenne.“

Mannfred ging nochmal mit der Flasche herum.

„Schön, dann fangen wir morgen früh zusammen mit der Arbeit an, allerdings nachdem wir uns ausgeschlafen haben, denn ich habe diese zwei dienstfreien Tage natürlich nicht umsonst bekommen. Und dieses leckere Fläschchen soll heute Abend auch noch ausgeleert werden. Das bedeutet, dass ich morgen Vormittag vor dem Kaffee sowieso nicht ansprechbar bin. Es wäre schön, wenn wir für morgen Abend auch noch etwas Leckeres organisieren könnten.“

„Gute Idee, aber ich wüsste nicht, wo ich hier Schnaps auftreiben könnte“, antwortete Wolff.

Sepp stand auf und fasste nach seinem Kleidersack: „Aber ich schon, denn ich habe in meinem Gepäck fünf Literflaschen mit gutem deutschem Bier mit mir geschleppt. Das war gedacht, um die Bekanntschaft ein wenig gemütlich zu machen. Aber nach dieser Flasche Kognak ist es zu schade, das Bier noch heute Abend auszutrinken. Wenn ihr mir helft, ein ordentlich tiefes Loch zu graben, legen wir das Bier gleich darein, schütten das Loch zu und haben dann morgen Abend ein genießbares kaltes Bierchen. Das ist ein alter Trick der Waffen-SS.“

„Mensch, das ist ein großartiger Plan!“ rief Wolff. „Das Loch graben wir gleich, und dann ist morgen Abend wieder gute Stimmung angesagt. Können wir gemütlich eine Runde Karten spielen mit einem Liter Bier pro Kopf.“

Wolff und Sepp gruben zusammen ein ziemlich tiefes Loch und legten die Flaschen Bier rein, wonach sie das Loch wieder zuschütteten.

„Ihr habt euch noch einen leckeren Kognak verdient“, lachte Mannfred lobend, als sie sich wieder zur Gruppe setzten. „Leute, die sich so ins Zeug legen, um mir morgen ein kaltes Bier zu beschaffen, haben natürlich einen Anspruch darauf.“

Nachdem er den letzten Rest des Getränks ehrlich verteilt hatte und den zwei Erdarbeitern, wie er sie nannte, eine kleine Zigarre angeboten hatte, saßen sie, die etwas kühler werdende Abendluft genießend, noch viele Stunden beieinander.

Währenddessen erzählten die anderen Besatzungsmitglieder Sepp ihrerseits etwas mehr über sich selber und ihre Hintergründe, wodurch er die anderen etwas besser kennenlernte, was wichtig war, um das Gefühl der Einheit zu verstärken.

Es war ziemlich spät, als sie schlafen gingen.

Sie hatten beschlossen, die zwei dienstfreien Tage mit viel Schlaf, Versorgung der persönlichen Ausrüstung und Einweisung des neuen Besatzungsmitglieds zu verbringen.

Dabei würde genug Zeit übrigbleiben, um Karten zu spielen und das Bier zu genießen, das Sepp mitgebracht hatte.

Das Mittagsschläfchen in der warmen Sommersonne wurde am ersten Nachmittag entdeckt und war auch gleich beliebt.

Nur Mannfred ging im Lager herum, während die anderen faulenzend in der Sonne lagen und dösten.

Es ging gegen das Ende des Nachmittags, als er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht zurückkam.

„So, ihr blöde Malocher. Ich habe meine Zeit wenigstens nützlicher verwendet als ein wenig an der stählernen Kaffeemühle herumzumurksen. „Guck mal, was ich für das festliche Beisammensein von heute Abend mitgebracht habe!“

Erstaunt blickten die anderen auf die große westfälische Wurst und die zwei Flaschen Wodka, die er unter seiner Feldbluse hervorholte.

„Whow, Mensch, wo hast du die um Himmels willen aufgetrieben?“ staunte Wolff.

Mannfred lachte stolz: „Das ist natürlich das Berufsgeheimnis jedes Organisators, und organisieren kann ich bereits, wie du siehst.“

Sepp pfiff durch seine Zähne. „Das sieht aber lecker aus, du. Du und ich sollten demnächst mal zusammen eine Tour machen. Denn wenn es aufs Organisieren ankommt. bin ich dein Mann. Übrigens, bei uns heißt so was einfach klauen!“

Helmuth schaute bedenklich drein: „Ihr geht doch nicht zu viel Risiko ein?“

„He he“, „misch dich doch nicht immer in alles ein, was wir machen“, kam Wolff dazwischen. „Wir finden es prima, dass du Panzerkommandant geworden bist, dafür warst du auch der geeignetste Mann. Aber das erstreckt sich nicht auf alles, was wir außerhalb der Kaffeemühle machen. Einfach mitessen, genießen und keine überflüssigen Fragen stellen. Wir sind mittlerweile alle große Jungs. Wenn wir legalisiert mitmachen dürfen, Menschen zu töten, dann können wir auch sonst wohl unser eigenes Urteil fällen.“

Helmuth hob abwehrend seine Hände.

„Schon gut, ich meinte es nicht böse. Aber bleibt vorsichtig mit solchen Dingen, man kann nie wissen. Ich weiß sowieso von nichts, wenn einer kommt und fragt.“

Mannfred legte eine Hand auf Helmuths Schulter. „Reg’ dich nicht auf, Mensch, wir wissen bereits, wie weit wir gehen können.“ „Und dies war ein klein bisschen zu weit“, setzte er lachend hinzu.

„Aber seid ehrlich, dies ist für einen armen Soldaten die einzige Möglichkeit, etwas Leckeres zu ergattern. Abgesehen davon, die Herren Offiziere werden es vermutlich nicht mal vermissen.“

Horst fing zu lachen an: „Sag’ nicht, dass du es aus der Offizierskantine geklaut hast.“

Empört sah Mannfred ihn an. „Ein Soldat der ruhmreichen 4. Panzerdivision ´klaut` nicht. In Kriegszeit heißt so was requirieren im Interesse der eigenen Einheit. Das ist etwas ganz Anderes, und deswegen schmeckt es auch noch viel besser.“

„Stimmt“, bestätigte Sepp, „Vor allem zusammen mit einem Literchen kühles Bier. Was für ein Dusel, dass wir morgen noch dienstfrei sind!“

Helmuth ließ sich neben Horst ins Gras fallen.

„Ich weiß nicht, ob ihr dem Handwerk des Laders noch mal nachgehen wollt“, sagte er zu Mannfred und Sepp. „Wir haben ihm bereits alles erklärt, sowohl die Arbeit des Laders als die Aufgaben von Horst. Dann lassen wir es heute dabei bewenden. Es wird mir jetzt auch ein wenig zu warm, um durch den glühend heißen Panzer zu kriechen.“

Mannfred legte seine Beute weg und gab Sepp einen Wink. „Komm, Schätzchen, dann gehen wir das ganze Verfahren noch mal durch. Danach reicht es für heute tatsächlich, aber je mehr wir dich in die Kaffeemühle einweisen, umso leichter ist es für dich, wenn wir wieder in die Vollen gehen müssen. Während des Einsatzes musst du blind wissen, was du zu tun hast, denn nur dann haben wir eine gute Chance, dem Gegner zuvorzukommen.“

Zusammen kletterten sie an Bord, wo Mannfred alles noch einmal erklärte und auch gleich seine eigenen Tätigkeiten als Kanonier demonstrierte.

„Man kann nie wissen“, meinte er, „Helmuth war vorhin der Kanonier und kann im Notfall immer meinen Posten übernehmen, aber dann haben wir keinen Kommandanten, der die ganze Kampfszene überblicken kann. Und das ist zu gefährlich, weil der Kommandant dafür zu sorgen hat, dass er alle Gefahren seitens der Feinde als Erster erkennt, bevor sie uns in die Pfanne hauen können. Also kommst du als Erster in Betracht, meinen Platz zu übernehmen, wenn mir etwas passiert. Wobei Horst dann als Lader beispringen kann, wenn du es alleine nicht schaffst. Das Prinzip ist allerdings, dass Wolff den Panzer sofort aus der Feuerlinie zu fahren versucht, sobald einem von uns etwas Schlimmes passiert. Aber das gelingt natürlich nicht immer, wenn die Situation dafür nicht geeignet ist.“

Nachdem er Sepp alle Handlungen, einschließlich der Bedienung der Panzerkanone, noch mehrere Male demonstriert hatte, reichte es Mannfred.

„Es ist mir hier zu warm, wir machen Schluss. Sobald es eine Gelegenheit zum Üben gibt, sollst du die Kanone noch ein paar Mal bedienen, den Rest hast du heraus. Und sorg’ vor allem dafür, dass du regelmäßig übst, so schnell wie möglich aus der Kaffeemühle zu tauchen. Durch die Seitenluken und sonst durch die Notausgänge zwischen den Ketten. Sei einem anderen nicht im Weg, wenn wir raus müssen, aber achte immer darauf, dass niemand zurückbleibt. Und jetzt so schnell wie möglich raus!“ brüllte er unerwartet.

Sepp reagierte sofort und hechtete durch die Seitenluke ins Freie, wo er längelang im Gras landete.

Horst lachte: „Sehr gut, viel schneller geht es wohl nicht. Aber vergiss nie, dass schnellstmögliches Verlassen des Panzers sowohl für dich als für die anderen den Unterschied zwischen Überleben und In-die-Luft-gesprengt-werden oder, schlimmer noch, lebendig verbrennen machen kann.“

Mannfred kletterte mit einem breiten Grinsen langsam aus dem Panzer.

„Ich denke, du kapierst die Absicht und die Spielregeln ganz gut. Morgen machen wir das Spielchen noch ein paar Mal.“

Er wandte sich zu den anderen, die faul im Gras lagen: „Was halten die Herren von einem kleinen Schlückchen vorab, bevor wir uns auf das einfallslose Abendessen des großdeutschen Heeres stürzen? Und damit meine ich: wir nehmen zuerst ein leckeres Gläschen Wodka, um den Appetit anzuregen, von einem Stündchen Ruhe sofort nach dem Essen gefolgt, bevor wir eine Runde Karten spielen und mit Sepps Bier anfangen. Auf die Bierchen folgt dann wieder ein tüchtiger Schuss des frisch organisierten Wodkas mit dazu ein paar leckeren Scheiben westfälische Wurst vom gleichen Lieferanten. Kurz gesagt, wir haben ein abendfüllendes Programm für die Crème de la Crème der deutschen Wehrmacht im Angebot.“

Die Reste nickte beifällig, und etwas später prosteten sie einander zu: „Prosit, auf alles Gute des Soldatenlebens.“

Frontschweine

Подняться наверх