Читать книгу Frontschweine - Léon Lancee - Страница 8
Оглавление4
Während die Besatzung des ´242` hinter dem Panzer von Leutnant Mayer herfuhr und immer weiter in feindliches Gebiet eindrang, um eine Öffnung in der Verteidigung um die russische Stadt Roslawl herum zu finden, lag Untersturmführer Michael von Losswitz, Kommandant einer Kradfahrer Einheit, die aus vier Motoren mit Seitenwagen bestand, auf seiner Pritsche in einem tief im Erdreich ausgegrabenen Bunker, der Teil einer Schützengrabenstellung bei der Stadt Jelnja war.
Seit mehreren Wochen wurde um diese von den Deutschen eroberte Stadt am Fluss Desna heftig gekämpft.
Es war die östlichste Position der deutschen Wehrmacht und ab diesem Punkt waren die Deutschen nur noch dreihundert Kilometer von der russischen Hauptstadt entfernt.
Die deutschen Stellungen hier lagen an der Ostseite der Stadt Jelnja und ragten dreißig Kilometer breit und fünfunddreißig Kilometer tief in die russischen Linien.
Hierdurch bildete das Gebiet eine sehr gute Ausgangsstellung für den weiteren deutschen Aufmarsch zur russischen Hauptstadt Moskau.
Auch die Russen wussten, welche Drohung von dieser Ausstülpung in der Front ausging und versuchten durch massive Angriffe und Beschüsse die Deutschen aus dieser Position zu vertreiben.
Die Mannschaften der Infanteriedivision, die bis vor kurzer Zeit diesen Teil der Stellungen verteidigt hatten, hatten in letzter Zeit solch schwere Verluste erlitten, dass sie von der Front zurückgezogen werden mussten.
Die zweite Waffen-SS Panzergrenadierdivision ´Das Reich` hatte diese schwer angeschlagenen Soldaten abgelöst und war noch dabei, sich in ihren neuen Stellungen einzurichten.
Die Kradfahrer Einheit war mit einer Kompanie Panzergrenadiere zusammengefügt worden, um mit ihren vier schweren Maschinengewehren für mehr Feuerkraft im ihr zugewiesenen Teil der Schützengrabenstellung zu sorgen.
Die Tür des Bunkers wurde aufgerissen, und Kurt Hausser trat ein und ließ sich auf einen der Stühle beim rohhölzernen Tisch fallen.
„Alle Positionen sind eingenommen, und die Mannschaften sind auf die Bunker verteilt, also von mir aus kann der Iwan kommen. Sie waren auf jeden Fall so anständig, hübsch zu warten, bis die Ablösung geregelt worden war, und das ist nach all den schweren Kämpfen, die sie hier geliefert haben, eine verpasste Chance für die Jünger von Onkelchen Josef Stalin. Aber ich bleibe dabei, dass es reine Verschwendung ist, uns als Kradfahrer Einheit in einem Stellungskrieg einzusetzen. Wir sind auf Schnelligkeit und Bewegung trainiert und nicht für diesen Quatsch. Unsere Seitenwagenmotoren verstauben hinter der Front nur so, und wir werden hier demnächst während der russischen Artilleriebeschüsse ziemlich sinnlos verheizt, genauso wie die Infanteristen, die wir abgelöst haben. Und die sind wohlgemerkt dafür ausgebildet, wir nicht! Das einzige Positive, was ich hier bisher gesehen habe, sind die Stellungen und die Bunker. Die Pioniere haben diese Stellung prima ausgebaut. Wir wollen nur hoffen, dass wir hier ein paar ruhige Tage verbringen. Es wäre gut für die Mannschaften, dass sie sich nach sechs Wochen ununterbrochenen Krieg endlich mal ausruhen könnten. Und dann schnell nichts wie abhauen von dieser Stelle, um wieder das zu tun, worin wir gut sind. Aufklären, unerwartet zuschlagen und die Sowjets aufhetzen, bis wir vor den Toren des Kremls auf dem Roten Platz stehen.“
Michael richtete sich auf und lachte freudlos.
„Reg’ dich nicht auf, Kurt. Aber ruhig verschnaufen in einer soliden und vor allem ruhigen Stellung, darauf kannst du lange warten. Das wird hier noch lausig genug für uns, denn der Iwan hat keine andere Wahl als diesen Brückenkopf zu zerstören und uns von hier fortzujagen, um so zu verhindern, dass wir von hieraus Richtung Moskau weiterrollen können. Und um das Ganze noch etwas schlimmer zu machen, habe ich noch eine nette Überraschung für dich. Hauptsturmführer von Prelow hat unserer Gruppe aufgetragen, in der kommenden Nacht eine Erkundungsfahrt zu den russischen Linien an der Überseite zu machen, um zu sehen, was dort genau los ist. Wir sind hier gerade angekommen und wissen zu wenig von der Situation hier. Die Informationen der Infanteristen, die wir abgelöst haben, waren schon ein paar Tage alt und sind also eigentlich wertlos. Der Chef möchte wissen, ob kurzfristig ein Angriff zu erwarten ist, und es ist die Absicht, dass wir uns an der Überseite ein paar Sowjets schnappen und zur Vernehmung hierherschleppen. Ich hatte für diesen Job an dich, Max und Willy gedacht. Und auch an mich selber, und als fünfter Mann ist Klaus natürlich mit dabei, weil er gut Russisch spricht, gerade noch etwas besser als du. Wir legen um Mitternacht los und sind angesichts der Distanz höchstens zirka vier Stunden unterwegs, wenn alles gut geht. Mit einer kleinen Gruppe haben wir mehr Chancen. Und mehr als einen oder maximal zwei Gefangene können wir sowieso nicht mitnehmen.“
Kurt zuckte gelassen die Achseln: „Befehl ist Befehl, daran lässt sich sowieso nichts ändern. Aber dann müssen wir die anderen, die heute Nacht mit uns kommen, jetzt wohl ablösen lassen, sodass sie in Ruhe essen können und sich dann auch noch ein paar Stunden ausspannen können, denn sie stehen in diesem Moment alle drei Posten.“
Michael sah auf seine Uhr.
„Das wollen wir denn auch gleich tun. Es ist jetzt fast fünf Uhr, das Essen wird gleich gebracht, und so sind wir dann rechtzeitig fertig.“
Zusammen gingen sie zum nächsten Maschinengewehrposten, wo Willy Asschenbach und Max Mohring Posten standen.
Die Posten bestanden aus einem überdachten Schießstand am Ende eines sechs Meter langen Teils eines Schützengrabens, der in einem rechten Winkel auf den wichtigsten Schützengraben der Stellung traf.
Der Posten selbst war mit einer dicken Schicht Baumstämme abgedeckt, über die eine Erdschicht angebracht worden war.
Auf diese Weise waren die Posten vor Granaten und Kugeln geschützt, aber auch vor der brennenden Sonne und Regenschauern.
Im Schießstand war sogar eine kleine Holzbank in der Wand angebracht worden.
Alle hundert Meter war ein solcher Maschinengewehrposten eingerichtet, und weil diese Posten mehrere Meter vor der eigentlichen Schützengrabenstellung im Niemandsland hervorstanden, waren die Schützen imstande, bis knapp vor den eigenen Stellungen ein mörderisches Kreuzfeuer zu legen.
Max Mohring drehte sich um, als Michael und Kurt die Posten betraten, und legte seinen Feldstecher hin.
„Hier ist nichts zu erleben. Der Iwan zeigt sich nicht, und es wurde den ganzen Nachmittag in diesem Teil der Stellung eigentlich kein Schuss abgefeuert. Es ist hier bisher schön ruhig, sogar ein bisschen langweilig, wenn ich ehrlich bin. Auf jeden Fall eine nette Umgebung, um sich nach allem, was wir in den letzten Wochen erlebt haben, ein paar Tage auszuruhen.“
Michael lachte: „Du fängst an zu einem echten Draufgänger zu werden, Max. Aber ich habe gute Nachrichten für einen Abenteurer wie dich, denn wir dürfen heute Abend mal beim Iwan in die Küche schauen, und du, Willy und Klaus werden mit dabei sein.“
Max grinste breit: „Das hört sich wieder vertraut an. Ich hatte erwartet, dass wir hier nicht so lange arbeitslos herumsitzen würden. Wir sollen wohl mal an der Überseite herumschnüffeln und ein paar Sowjets zur Vernehmung mitnehmen, oder?“
„Ja, und deshalb werdet ihr jetzt sofort abgelöst. Wir brechen um Mitternacht auf, also haben wir Zeit genug, um ruhig zu essen und noch ein paar Stunden zu pennen. Wenn du Klaus warnst und ablösen lässt, dann machen Kurt und ich noch eine Runde durch die Stellung. Kurz vor zwölf Uhr in leichter Ausrüstung bei diesem Posten versammeln. Sobald wir losgehen besetzen Rainer und Armin diesen Posten, sodass keine Fremden hinter dem Maschinengewehr hängen, wenn wir aus dem Niemandsland zurückkommen. Dies, um zu verhindern, dass in der Dunkelheit aus Versehen auf uns geschossen wird. Die Parole ist “Wintersturm“. „Merk dir das und gib sie nach Mitternacht an den Rest der Besatzung weiter für den Fall, dass wir zufällig vor einem anderen Posten auftauchen. Alles klar soweit?“
Max Mohring und Willy Asschenbach nickten.
„Mach’ dir keine Sorgen, das geht alles in Ordnung, und wir stehen hier gegen Mitternacht bereit.“
„Prima, dann werden wir Rainer, Armin und Klaus die erfreuliche Nachricht einer zusätzlichen schlaflosen Nacht überbringen. Und dafür sorgen, dass sie im Auftrag des Hauptsturmführers sofort abgelöst werden.“
Michael und Kurt setzten ihre Inspektion der Stellung fort.
„Weißt du, Kurt, ich muss, meine ich, mal mit dem Hauptsturmführer über Klaus reden. Der arme Kerl soll bei jedem kleinen Abenteuer antanzen, weil er fließend Russisch spricht, aber irgendwann geht das mal schief. Wenn sie ihn weiter mit jeder Erkundungsfahrt mitschicken, verlieren wir ihn demnächst, denn das Risiko wird mit jedem Streifzug größer. Ich denke, dass es besser ist, wenn er etwas öfter in der Stellung bleibt und, wenn nötig, hier die Gefangenen verhört. Max und du sprechen ziemlich gut Russisch, aber weiter gibt es eigentlich niemand in unserer Einheit, der sich auf dem Gebiet zu helfen weiß. Für unsere Aufklärungseinheit ist es verdammt wichtig, dass wir mit denen die gut Russisch sprechen schonend umgehen.“
Kurt bejahte das: „Da hast du natürlich recht, und das müsste der Hauptsturmführer auch wissen. Aber der denkt wohl nicht mal dran, weil er selbst gut Russisch spricht, und das wahrscheinlich kinderleicht findet. Aber mach’ das dann nach unserem Zug von heute Nacht, denn es ist gut denkbar, dass wir unsere künftigen Opfer vernehmen müssen, um herauszufinden, wer von ihnen am wertvollsten ist und am meisten über die Pläne des Iwans in dieser Region weiß. Dazu reichen meine Russischkenntnisse nicht aus, obgleich ich ziemlich gut Russisch kann. Mehr als einen oder zwei Gefangenen können wir mit fünf Mann sowieso nicht zu unseren Linien mitnehmen, also müssen sie vor Ort verhört werden, bevor wir sie eventuell mit viel Mühe mitschleppen. Vorausgesetzt, dass wir überhaupt imstande sind, heute Nacht Gefangene zu machen.“
Es war genau Mitternacht, als die fünf Soldaten über den Rand des Schützengrabens kletterten und ins Niemandsland zogen.
Es war eine warme Nacht, und trotz des dunklen Monds war es klar, wodurch die Sicht ziemlich gut war.
Die hohe Temperatur war günstig, wie sich herausstellte, weil das Gras nicht vom üblichen Tau nass wurde, sodass die Uniformen trocken blieben. Das machte das Kriechen durchs hohe Gras etwas weniger mühsam.
So dicht wie möglich am Boden gedrückt, kroch die Gruppe zwischen den Granattrichtern hindurch immer weiter ins Niemandsland zwischen den deutschen und russischen Stellungen.
Es dauerte nicht lange, bis die Uniformen nass vom Schwitzen an ihrem Körper klebten, und regelmäßig mussten sie mit ihrem Arm die Tropfen um ihre Augen fortwischen.
Michael kroch voran, und die anderen folgten in einer langgedehnten Reihe.
Plötzlich zischte von der Sowjetstellung aus eine Leuchtkugel hoch.
Die langsam an einem kleinen Fallschirm herabsinkende Phosphorpatrone versetzte die Gegend in ein grelles weißes Licht.
In dem Moment, da die Kugel hochzischte, hechtete Michael sofort in einen Granattrichter, wonach Kurt und Max fast gleichzeitig auf ihn taumelten.
Die hinter ihnen kriechenden Klaus und Willy ließen sich auch sofort in den ihnen am nächsten Trichter rollen.
„Igitt!“ ertönte die Stimme von Willy voll Grausen, allerdings so laut, dass es auch für die anderen gut hörbar war.
Klaus konnte in letzter Sekunde den aufspringenden Willy bei seiner Koppel greifen und zog seinen sich heftig sträubenden Kameraden wieder herunter.
„Lass mich los“, stöhnte Willy, während er wieder versuchte, sich aufzurichten.
Eine geballte Faust dröhnte an seinen Kiefer, und dann wurde es still.
„Verdammt“, ärgerte sich Max, „Was passiert dort? Können die beiden ihr Maul nicht halten. Gleich bekommen wir dank diesem Gequatsche die ganze Rote Armee auf den Hals.“
„Ruhe“, zischte Michael, „Warten wir zunächst mal eine Weile ab, ob es ruhig bleibt, bevor wir weitergehen. Nach so ´n einer Leuchtkugel müssen wir uns doch zuerst wieder an die Dunkelheit gewöhnen, um wieder etwas sehen zu können.“
Sie horchten angespannt, aber außer dem Zirpen der Grillen war nichts zu hören.
Aus den russischen Schützengräben wurde nicht reagiert, woraus sie schlossen, dass die Sowjets nichts gehört hatten.
Nachdem sie fast eine Viertelstunde still im Trichter gelegen hatten, reichte es Michael, und er blickte vorsichtig über den Rand.
„Nichts zu sehen oder zu hören“, flüsterte er.
„Abgesehen davon, dass der Iwan, wenn er etwas Verdächtiges bemerkt hätte, wohl eine zweite Leuchtkugel hochgejagt hätte. Wir gehen weiter!“
Vorsichtig krochen sie über den Rand des Trichters und schlüpften langsam weiter in Richtung der russischen Stellungen.
Klaus und Willy hatten gesehen, dass die anderen wieder weitergingen und krochen ebenfalls aus ihrer Grube und schlossen sich wieder an.
In der Nähe der feindlichen Stellung ließ Michael durch eine Armgebärde haltmachen.
„Ihr bleibt hier liegen, während ich weitergehe, um zu sehen, wo wir hingeraten sind und ob es sicher ist, weiterzugehen. Wenn nicht, dann versuchen wir es ein Stück weiter rechts, aber zuerst wartet ihr, bis ich zurück bin. Wenn ich nach einer Stunde nicht zurück bin, geht ihr zu den eigenen Linien zurück, denn dann hat der Iwan mich erwischt. Verstanden?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, schlängelte er sich weiter durchs hohe Gras.
Zehn Minuten später lag Michael am Rand eines russischen Schützengrabens und richtete sich sehr vorsichtig auf, um über den Rand zu sehen.
Sofort musste er wieder zurückweichen und sich flach auf den Boden drücken, weil Stimmen näherkamen.
„Eine russische Patrouille“, wusste er, und der Schweiß tropfte über seine Stirn.
Nichtsahnend und ruhig sprechend gingen zwei Wachposten vorbei.
Erst als er die Stimmen der Russen nicht mehr hörte, wagte er, wieder vorwärts zu kriechen und über den Rand zu gucken.
Der Schützengraben war breit und ziemlich tief ausgegraben.
In dem Moment war das Geräusch einer knarrenden Holztür zu hören, und ein Lichtstrahl fiel in den Schützengraben.
Kurz waren summende und piepsende Geräusche in der Stille zu hören, bis die Tür wieder zugeschlagen wurde, und die Geräusche verschwunden waren.
Michaels Herz setzte für einen kurzen Moment aus.
„So viel Glück kann ein Mensch nicht haben“, dachte er, während er so schnell wie möglich zu der Stelle zurückkroch, an der die anderen warteten.
Er atmete keuchend, als er berichtete.
„Wir haben Glück. Schräg uns gegenüber befindet sich ein Funkbunker des Iwans. Es gehen zwei Schildwachen durch den Schützengraben hin und her, aber die fühlen sich wahrscheinlich absolut sicher, denn im Gehen reden die ruhig miteinander und achten also nicht sehr auf ihre Umgebung.
Wie lange sie für ihre Runde brauchen und wann sie abgelöst werden, weiß ich nicht, also müssen wir einfach sehr schnell sein. Mein Plan ist folgender: Max und ich stürzen uns auf die Schildwachen und machen die ein für alle Mal unschädlich. Wir stürmen dann sofort in den Funkposten und ersticken jede Art des Widerstands im Keim. Klaus folgt uns sofort, nachdem wir mit den Schildwachen abgerechnet haben. Er kann diejenigen, die wir antreffen, kurz vernehmen.
Der Funker kommt auf jeden Fall mit uns, wenn sich weiter keine brauchbaren Iwans im Bunker befinden. Sind zufälligerweise Offiziere da, dann kommen die mit, aber denkt daran, dass wir nicht mehr als zwei Gefangene mitnehmen können.
Kurt und Willy bleiben am Rand des Schützengrabens zurück und warten auf uns. Sie behalten auf diese Weise die Übersicht über jeden, der uns zu nahekommt, und können so verhindern, dass wir in diesem Bunker wie die Ratten in der Falle sitzen. Sie halten den Ausgang für uns frei und übernehmen die Gefangenen von uns, wenn wir herauskommen, und hauen dann sofort ab. Wir decken dann ihren Rückzug, während Klaus sich uns anschließt, sodass ihr zu dritt seid für den Fall, dass die Gefangenen sich nicht ruhig verhalten. Von mir aus könnt ihr ihnen eins über den Schädel ziehen, wenn sie euch Schwierigkeiten bereiten, aber sorgt dafür, dass sie am Leben bleiben. Mit einem toten Russen kann von Prelow auch nichts mehr fangen. Alles klar soweit?“
Die anderen nickten beifällig, wonach Michael sich umdrehte und den anderen voranging.
Geräuschlos krochen die Waffen-SS-Männer zum Rand des Schützengrabens und warteten dort, schwer atmend und schwitzend.
Michael hängte seine Maschinenpistole über die Schulter und zog das messerscharfe Kampfmesser aus dem Schaft seines linken Stiefels, während Max die Klaviersaite aus der Tasche seiner Feldbluse nahm.
An den Enden dieser Klaviersaite waren zwei Holzgriffe befestigt, wodurch es möglich war, die scharfe Saite um den Hals eines Gegners zu legen und mit viel Kraft straff zu ziehen. Hierdurch hatte das Opfer nicht die geringste Chance und konnte erwürgt werden, ohne dass es auch nur einen Laut von sich geben konnte.
Alle Mannschaften der Kradfahrer Einheit hatten eine solche präparierte Klaviersaite bei sich.
Das war eine handliche Mordwaffe, und diesen Trick hatten sie den NKWD-Soldaten von Stalins Geheimdienst abgeguckt. Die Klaviersaiten, die sie dabeihatten, stammten auch ausnahmslos von getöteten NKWD-Leuten.
Es dauerte nicht lange, bis sich Stimmen näherten.
„Achtung!”, zischte Michael zu Max. „Sobald ich hochkomme, springen wir. Ich übernehme den am weitesten Entfernten der zwei.“
Max nickte schweigend und zog seine Beine unter sich, um sich für den Sprung abdrücken zu können.
In dem Moment, da die zwei redenden Russen unter ihnen vorbeigingen, hechtete Michael vorwärts und schlang seinen Arm um den Hals des überraschten Russen, der dadurch zu Boden gezogen wurde.
Gleichzeitig rammte er das Kampfmesser durch den Rücken seines Gegners direkt in dessen Herz.
Ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, erschlaffte der Soldat unter seinen Händen.
Max hatte den zweiten Russen in dem Bruchteil der Sekunde überrascht, indem er auf seinen Kameraden blickte, als dieser von Michael zu Boden gezogen wurde.
Bevor der Russe reagieren konnte, spürte er die tödliche Klaviersaite um seinen Hals und ein Knie in seinem Rücken, während der Draht rücksichtslos ins Fleisch seines Halses gezogen wurde.
Vergeblich krallten seine schnell kraftlos werdenden Finger zum Draht, aber der saß so tief in seinem Fleisch, dass er seine Finger nicht mehr dahinter bekommen konnte.
Würgend schluckend und nach Luft schnappend sank der Russe nach einer letzten Kraftanstrengung, um sich auf den Beinen zu halten, in die Knie, wodurch sein eigenes Körpergewicht den Rest der Würgearbeit von Max übernahm.
Dieser ließ einen der Handgriffe der Würgesaite los, wodurch sein Opfer wie ein Mehlsack auf den Boden fiel, und sprang in den Schützengraben, um seinem Kameraden zum Funkbunker zu folgen.
Auch Klaus war in den Schützengraben gesprungen und folgte den Anderen.
Michael hatte mit seiner freien Hand seine Pistole gezogen, trat die Tür auf und stürmte zusammen mit Max und Klaus in den Bunker.
„Rucki wjerch!“ (= Hände hoch) brüllte er, indem er gleichzeitig die Situation erfasste.
Er waren fünf Sowjetsoldaten im Bunker anwesend.
Zwei saßen an einen rohhölzernen Tisch, der Funker saß auf einem Stuhl hinter einem Sendegerät, einer lag auf einer hölzernen Pritsche und der letzte stand beim Tisch und schenkte gerade einen Becher Kaffee ein.
Die zwei Russen, die beim Tisch saßen, schauten tief erstaunt drein und nahmen langsam ihre Hände hoch.
Der Soldat hinter dem Sender/Empfänger bekam nicht mal mehr die Chance dazu, weil Max vorwärts geschossen war und seine Würgesaite straff um den Hals des Funkers zog.
Der auf dem Bett liegende Sowjetsoldat richtete sich auf und fasste blitzschnell zu der Pistole, die neben seiner Pritsche lag.
Aber bevor er die Waffe richten konnte, schlug das Kampfmesser von Michael mit einem dumpfen Schlag in seinen Brustkorb, wonach er mit einem kurzen Schrei rückwärts wieder aufs Bett sank.
Die Pistole fiel klirrend auf den Holzboden.
Der Soldat mit der Kaffeekanne in der Hand hatte mittlerweile die Pistole von Klaus an seine Schläfe gedrückt bekommen und stellte langsam die Kanne auf den Tisch, um sofort seine Hände zu heben.
Der Funker zappelte mittlerweile im Todeskampf mit seinen Beinen, während er rückwärts von seinem Stuhl gezogen wurde.
Die drei übrig gebliebenen Sowjets sahen mit klar sichtbarem Entsetzen im Gesicht auf ihren sterbenden Kameraden.
Das brutale Auftreten der Waffen-SS-Männer nahm ihnen im Voraus jeden Willen, Widerstand zu leisten.
Sie hatten gesehen, dass der Waffen-SS-Mann mit einem letzten kräftigen Ruck an der Klaviersaite den Hals des Funkers aufgeschnitten hatte, wonach er ihn mit einem dumpfen Bums auf den Boden fallen ließ.
Die übrig gebliebenen Russen verstanden nur zu gut, dass der Tod in ihren Bunker eingetreten war.
Zwei der Russen trugen die Zeichen eines Offiziers auf ihrer Uniformbluse.
Die Epauletten auf ihren Schultern gaben an, dass es ein Major und ein Hauptmann waren.
„Klaus, versuche herauszubekommen, wer und was die zwei Offiziere sind, und mache ihnen klar, dass jede Art des Widerstands ihr Ende bedeutet. Und darunter fallen auch Lärm machen oder um Hilfe schreien. Diese zwei nehmen wir als kleines Geschenk für den Hauptsturmführer mit nach Hause zurück.“
Michael nahm eine Brieftasche vom Tisch und stopfte alle auf dem Tisch liegenden Dokumente rein.
„Max, Beeilung. und alles einsammeln, was beim Sender liegt!“
Er ging auf den Russen auf dem Bett zu und zog sein Kampfmesser aus dem Körper des toten Soldaten.
Die Klinge wischte er hastig an der Decke ab, bevor er das Messer wieder in den Schaft seines Stiefels steckte.
Die Papiere, die Max ihm reichte, stopfte er zu den anderen Papieren in die Brieftasche.
Fragend sah er Klaus an. „Das sind der Bataillonskommandant und ein Verbindungsoffizier des Stabs, der gerade neue Befehle ausgegeben hat. Ich denke, dass die Beide mit diesen Informationen wertvoll für uns sind. Wir haben mit diesen zwei Gefangenen wohl reines Glück gehabt.“
Michael gebärdete ungeduldig: „Ist gut, aber jetzt wie der geölt Blitz nichts wie weg hier, solange es noch geht. Max, du machst den Sender unbrauchbar und sorgst dafür, dass der Kaffeeschenker keinen Alarm schlagen kann. Wir warten beim Rand des Schützengrabens auf dich.“
Max grinste und nahm eiskalt einen Schluck aus einem der Becher mit Kaffee.
„Gut, geht ihr nur voraus, ich komme nach.“
Klaus schob die Gefangenen durch die Tür in den Schützengraben, wo sie von Kurt und Willy unsanft über den Rand gezerrt wurden.
Auch Michael und Klaus kletterten aus dem Schützengraben, wonach Klaus den Auftrag erhielt, den anderen hinterherzugehen.
„Ich warte auf Max, du gehst mit den anderen zurück, und achte darauf, dass die Gefangenen sich stillhalten. Wenn es sein muss, ziehst du ihnen eins über den Schädel, aber versuch, sie lebendig an die Überseite zu bekommen, sonst ist dieser ganze Streifzug umsonst gewesen.“
Klaus hob seine Hand zum Zeichen, dass er verstanden hatte und verschwand in der Finsternis.
Kurz darauf kam Max aus dem Bunker gerannt und hechtete sich über den Rand des Schützengrabens.
„Alles in Ordnung, wir können los!“
Nachdem sie die erste Strecke kriechend zurückgelegt hatten, rannten sie, sobald sie aus der Sicht des Feindes waren, gebückt weiter.
Es dauerte nicht lange, bis sie die anderen einholten, die wegen der Gefangenen weniger schnell vorankamen.
„Los, Beeilung! Kurt, du gehst voraus und warnst die anderen, dass wir kommen, sodass wir das letzte Stück schneller laufen können, ohne dass wir von unseren eigenen Leuten unter Beschuss genommen werden.“
Kurze Zeit später näherten sie sich den eigenen Linien und sahen, dass Rainer Schäfer und Armin Bartolow mit vorgehaltenen Waffen im Niemandsland auf sie warteten.
Ohne auf ihre Deckung zu achten, rannten sie das letzte Stück zur eigenen Stellung zurück und ließen sich keuchend und schwitzend in den Schützengraben fallen.
Dankbar nahmen sie die Feldflaschen an, die ihnen von den anderen gereicht wurden.
Michael gab Rainer die Brieftasche und erteilte ihm den Auftrag, zusammen mit Armin die Gefangenen sofort zum Stabsbunker zu bringen.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und goss nach einigen tüchtigen Schlucken den restlichen Inhalt der Feldflasche über seinen Kopf.
„Ha, das ist wenigstens angenehm frisch. Und jetzt zunächst mal ein paar Stunden schlafen, bevor die Sonne wieder aufgeht.“
Michael sah Max an, der keuchend neben ihm lag, und fragte: „Wie hast du den Funker eigentlich leise bekommen? Der Iwan müsste eigentlich längst etwas bemerkt haben, aber ich habe noch keine Leuchtkugel gesehen.“
Max zeigte vielsagend auf das Messer, das aus dem Schaft seines Stiefels ragte.
„Ich wollte ihn mit einem Stuhl bewusstlos schlagen, aber er versuchte immer wieder, mir auszuweichen. Also blieb mir nicht viel Anderes übrig als ihm den Garaus zu machen.“
Er zuckte gleichgültig die Achseln.
„Er war selber schuld, er hätte eben mitwirken müssen. Ich wollte ihn eigentlich am Leben lassen, aber ich hatte es eilig, und er leistete immer wieder Widerstand. Dann hört alles auf, es ist nun mal Krieg.“
„Es ist eben so“, reagierte Michael gelassen, während er sich erhob. „Komm, wir wollen noch ein bisschen pennen. Morgen ist ein neuer Tag, und der Iwan wird uns vermutlich nicht vergessen, nachdem zwei ihrer Offiziere verschwunden sind.“
Die anderen standen auch auf, und gemeinsam schlenderten sie zu ihrem Bunker.
Max ging hinter Klaus und fragte ihn: „Was war denn im Niemandsland eigentlich los, verdammt noch mal? Ich meinte einen Moment, dass ihr versuchtet, den Iwan aufzuwecken.“
Klaus machte eine Gebärde voll Ekel. „Das wollt ihr nicht wissen. Wir tauchten zugleich mit euch in einen Granattrichter, als die Leuchtkugel hochging. Willy als Erster und ich stürzte mehr oder weniger auf ihn. Aber dann stellte sich heraus, dass zwei tote Iwans in dem Loch lagen, die durch die Hitze bereits hübsch weich geworden waren. Der arme Willy plumpste mittendrein und bekam einen Mordsschrecken, was auch nicht verwunderlich war, denn die Kadaver stanken sieben Meilen gegen den Wind. Der arme Junge war so erschrocken, dass er einen Moment den Kopf verlor und sich mit aller Gewalt davonmachen wollte. Ich musste ihm eine Watsche verpassen, um ihn zur Ruhe zu bringen, und das half. Deshalb ist er jetzt dabei, sich zu waschen, denn so konnte er nicht in die Kiste gehen. Dann hätten wir ihn wahrscheinlich wegen des Gestanks, den er an sich hatte, aus dem Bunker hinausbefördert.“
Kurt und Michael brachen in Lachen aus.
„Deshalb dieser seltsame Geruch bei den Russen im Bunker. Und wir dachten, dass die Sowjetuntermenschen so stanken.“
Sie gingen in den Bunker, wo sie erschöpft auf ihr Bett plumpsten.
Als Rainer und Armin eine halbe Stunde später mit viel Lärm die Tür aufrissen und hereinkamen, waren nur Max und Michael noch wach.
„Jesus“, murrte Max, „Könnt ihr nicht etwas ruhiger vorgehen. Es gibt Leute, die heute Nacht gearbeitet haben und zu schlafen versuchen!“
„He Mensch, sei nicht so griesgrämig“, lachte Rainer.
Mit einem Bums stellte er eine Flasche Wodka auf den Tisch. „Ihr habt mit eurer Arbeit auf jeden Fall eine Kleinigkeit verdient. Diese sollten wir der Aufklärungspatrouille geben mit den Komplimenten des Chefs.“
Das Gesicht von Max heiterte sich sofort auf. „Nicht zu glauben! Michael, siehst du das? Einen ganzen Liter Wodka des Hauptsturmführers, das habe ich noch nie erlebt. Waren die Gefangenen etwas so Besonderes oder war der Chef bereits besoffen, denn gewöhnlich ist er nicht gerade freigebig mit seinem Getränkevorrat.“
Michael richtete sich auf. „Nein, so kenne ich den Hauptsturmführer auch nicht. Erzähle mal, wem wir das zu verdanken haben.“
Rainer warf seine Koppel über den Stuhl und fing an, seine Uniformjacke aufzuknöpfen. „Das Hauptquartier, und damit meinen wir den Standartenführer (= Oberst) selber, war offensichtlich mit der Brieftasche voller Dokumente so zufrieden, dass er persönlich von Prelow angerufen hat, um zu fragen, wer diese Gefangenen und diese Papiere hereingebracht hatte. Als der Chef erzählte, wer es gewesen war, hat er anscheinend gesagt, dass die, die das geschafft hatten, das Eiserne Kreuz 1. Klasse bekommen müssten. Aber als Standartenführer Witt vom Chef hörte, dass wir es gewesen waren, hat er ihm aufgetragen, uns in seinem Namen einen herzhaften Schnaps anzubieten, weil wir vor einigen Wochen das EK-1 von ihm verabreicht bekommen haben.“
„Sehr nett von ihm“, lachte Max, „Aber was war Besonderes an den zwei Russen, die wir ihm geliefert haben, dass er so zufrieden ist?“
„Das ist sehr einfach“, antwortete Armin, „In dieser Mappe mit Papieren, die ihr mitgeschleppt habt, befanden sich alle Pläne, und was wichtiger ist, alle Aufstellungen der Sowjettruppen in diesem Moment an der ganzen Ostfront. Dieses Zeug ist für den Stab nicht mit Gold zu bezahlen.“
Michael ließ sich hintenüberfallen und reagierte sehr nüchtern. „Dann hätten sie uns lieber eine Woche Urlaub schenken können. Da sind wir jetzt für diesen Job wohl schwer unterbezahlt worden. Aber gut, jetzt ist auf jeden Fall klar, wieso von Prelow mit seinem Wodka auf einmal so freigebig geworden ist. Die Flasche bekommt er garantiert einmal vom Standartenführer wieder, denn der vergisst nie was.“
Auch Kurt Hausser war mittlerweile wieder aufgewacht. „Das ist dann das zweite Mal in kurzer Zeit, dass sie uns um einen verdienten Urlaub bringen. Zuerst nach der Eroberung des Flugplatzes vor ein paar Wochen (siehe Kanonenfutter) und jetzt ein zweites Mal, wenn die Papiere tatsächlich so wichtig sind.“
„Weißt du, Michael“, mischt Rainer sich ins Gespräch. „Wenn der Standartenführer niemals etwas vergisst, wie du gerade sagst, dann wird das mit unserem Urlaub in Ordnung gehen. Denn als er uns nach der Eroberung des russischen Flugplatzes das EK-1 anheftete sagte er, dass wir uns damit einen Urlaub verdient hätten und dass er später darauf zurückkommen würde. Jetzt wurde er noch einmal an uns erinnert, also muss ich recht haben. Wir bekommen demnächst ein Sonderlaub aufgebrummt - verdammt, wenn das nicht stimmt.“
Michael hielt seine Augen geschlossen, als er antwortete. „Du bist wirklich ein schlaues Schwein, vielleicht hast du sogar auch recht, denn der Witt ist einer, der tatsächlich nichts vergisst. Wir werden sehen, ob es stimmt oder nicht. Aber wenn wir vernünftig sind, wollen wir jetzt zunächst mal ein paar Stündchen pennen, sonst lohnt es sich nicht mehr.“
Kurze Zeit später ertönte nur noch das Schnarchen von Max durch den Bunker.
Niemand hörte, dass Willy hereinkam.
Ein heulendes Geräusch drang von weitem zu den schlafenden Soldaten durch. Sofort darauf folgte eine donnernde Explosion.
Der ganze Bunker wurde in seinen Grundfesten erschüttert, und Sand rieselte zwischen den Dachbalken hindurch herein.
Eine Staubwolke zog durch die offenstehende Tür herein, und die Mannschaften schossen erschrocken und hustend hoch und griffen automatisch zu ihren Waffen.
Es krachten wieder ein paar schwere Explosionen, vom pfeifenden Geräusch einschlagender Mörsergranaten gefolgt.
Michael bellte ein paar Kommandos: „Kurt, wir gehen zum nächsten Posten, um zu sehen, was los ist. Dies ist wahrscheinlich der Anfang eines Artilleriebeschusses. Der Rest macht sich fertig, aber bleibt im Bunker, bis das Artilleriefeuer nach hinten verlegt wird, denn dann folgt gewöhnlich ein Infanterieangriff. Sobald das Feuer verlegt wird, geht jeder zu seinem Posten und nimmt seine Position ein. Legt genügend Munition bereit, aber wartet mit Feuern, bis wir das Zeichen geben. Und nehmt auch alle Handwaffen und eure Pionierschaufeln mit für den Fall, dass es zu Mann-zu-Mann-Kämpfen im Schützengraben kommt.“
Gebückt rannte er hinaus und sprang, von Kurt gefolgt, in den ersten Maschinengewehrposten, den sie erreichen konnten.
Eine weitere Serie schwerer Explosionen wühlte die Erde um, auch im Schützengraben.
Große Fontänen Erde und Pulverdampf wurden hochgeschleudert und verursachten enorme Staubwolken, welche die Sicht und das Atmen erschwerten.
Der Soldat neben dem Maschinengewehr legte seinen Feldstecher ab und drehte sich mit einem vor Spannung verzogenen Gesicht um.
„Guten Morgen, Herr Oberscharführer, diese….“
Bevor der Soldat seine Meldung an Kurt beenden konnte, bohrte ein glühend heißer Granatsplitter sich mit einem dumpfen Schlag in seinen Schädel, gerade unter dem Rand seines Stahlhelms.
Der Kopf des Soldaten explodierte buchstäblich, und Kurt wischte in einem Reflex die Blutspritzer aus seinem Gesicht.
Der Soldat wurde durch die Gewalt des Einschlags rückwärts geworfen und war tot, bevor er auf den Boden aufschlug.
„Verdammte Scheiße“, fluchte Kurt, während er über den toten Soldaten hinweg zum schweren MG-34 Maschinengewehr kroch und den Verschluss zurückriss, um die Waffe durchzuladen.
Michael schleppte den Körper zum Schützengraben zurück, stellte sich dann neben Kurt und nahm den Feldstecher, um das Stück Niemandsland zu beobachten.
Aber ein enormer Feuerüberfall sorgte dafür, dass sie beide zum Boden tauchen mussten, um Deckung zu suchen.
Granaten unterschiedlichen Kalibers schlugen in hohem Tempo in die Stellungen ein und verursachten eine enorme Verwüstung.
Teile des Schützengrabens verschwanden in einer Wolke aus Feuer und Staub, während glühende Stahlsplitter herum zischten.
Schwere Balken der Schützengrabenverstärkungen wurden hochgeschleudert, und ein Volltreffer auf einen der Bunker ließ nicht mehr als ein schwarzes versengtes Loch im Boden zurück, in dem Teile menschlicher Körper zwischen den Resten des Holzes herumlagen.
Rauchwolken und Staub machten die Sicht fast unmöglich, und das Inferno übertönte das Heulen und Schreien der Opfer.
Soldaten in Todesangst versuchten sich mit ihren Nägeln in die Erde einzugraben, um den umherzischenden Granatsplittern zu entkommen.
Andere drückten sich an die Wände der Stellung und machten sich so klein wie möglich.
Manche der stahlharten Waffen-SS-Männer weinten und beteten.
Andere machten in die Hose vor Angst oder riefen nach ihrer Mutter.
Obgleich die Männer der Waffen-SS-Panzergrenadierdivision ´Das Reich` vieles gewöhnt waren, war dies ein ganz neues Erlebnis.
Während eines Artilleriebombardements konnten sie nichts Anderes tun als still abwarten, bis es vorbei war, ohne dass sie sich verteidigen konnten.
Glück oder Pech entschied hier über Leben und Tod, Mut und Kampferfahrung brachten nichts mehr, bis das Bombardement vorbei war.
Einer der Soldaten verlor seine Selbstbeherrschung. Er sprang schreiend auf und kletterte aus dem Schützengraben, bevor einer seiner Kameraden ihn zurückhalten konnte. Kreischend rannte er davon, um nach einigen Dutzend Metern in einer Wolke aus Erde und Feuer zu verschwinden.
Es wurde nie mehr etwas von ihm wiedergefunden, sein Name wurde später in die unendlich lange Liste der verschollenen deutschen Soldaten eingetragen, von denen nie mehr etwas gesehen oder gehört wurde.
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis der Beschuss der Stellung aufhörte und die Soldaten ihre Deckung wieder verlassen konnten.
Das Feuer wurde dann von den Russen nach hinten verlegt, um die Zuführung deutscher Reservetruppen zur Frontlinie zu verhindern.
Max und die anderen krochen eilig aus ihrem Bunker hervor und sahen die Verwüstungen, die das Artilleriebombardement angerichtet hatte. Teile der Stellung waren eingestürzt.
Staub und Pulverdämpfe hatten die Luft schwergemacht. Die Sicht war dadurch schlecht geworden.
Tote und Verletzte Soldaten lagen im Schützengraben herum, manche waren unter kaputtgeschlagenen Balken oder Erdhaufen verschüttet.
Jeder, der konnte, rannte zu seinem Posten, aber niemand ging an den Verletzten vorbei, ohne Hilfe zu leisten.
Von allen Seiten wurde nach Sanitätern geschrien.
Rainer kniete neben einem jungen Soldaten, der mit einem leichenblassen Gesicht den Stumpf seines Unterarms zudrückte, um zu verhindern, dass er verblutete.
Er schlang schnell seine Koppel um den Unterarm des Verletzten und drehte es mit dessen eigenem Bajonett fest an, wodurch das Bluten gestillt wurde.
„Gut festhalten und nicht darauf schauen, bis ein Sanitäter kommt“, sagte er, und gab dem Soldaten eine Morphinspritze.
Willy schleppte einen Soldaten ohne Kopf hinter dem Maschinengewehr weg und nahm kreideweiß dessen Platz ein.
Max strauchelte über einen Stahlhelm und trat ihn fluchend zur Seite.
Als der Helm weghoppelte, sah er, dass noch ein Kopf drinsteckte, und fing gleich an sich zu erbrechen.
„Jesus Christus, hast du das gesehen?“ fragte er Willy, nachdem er sich würgend übergeben hatte.
Dieser nickte nur, ohne eine Antwort zu geben.
Max stellte sich neben ihn und versuchte Haltung zu bewahren.
Er hatte innerhalb der Abteilung den Ruf, ein stahlharter Draufgänger zu ein, aber dazu passte nach seinem Empfinden nicht, dass ihm beim Erblicken eines abgeschossenen Kopfes so übel wurde.
„Ich habe in diesem Krieg eine ganze Reihe von Gegnern umgebracht, aber Fußballspielen mit dem Kopf eines gefallenen Kameraden wurde mir doch etwas zu viel. Ich meinte, dass es nichts als ein Helm war, über den ich stolperte. Wenn ich gewusst hätte, dass der Kopf dieses Jungen noch drin war, hätte ich ihn natürlich niemals weggetreten.“
Max hatte gesprochen, ohne seinen Kameraden anzusehen.
Willy legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter. „Mach’ dir nichts draus, Max. Auch mir wurde schlecht. Also es gibt keinen Grund, dich deswegen zu schämen. Und darüber sprechen werde ich überhaupt nicht.
Niemand bekommt dies jemals zu hören.“
Max lächelte dem anderen matt zu. „Danke dir, Kumpel, wir brauchen alle demnächst wohl eine kleine Woche Urlaub. Wir wollen hoffen, dass Rainer mit seiner Voraussage richtig lag, dass der Standartenführer unseren Urlaub nicht vergessen wird.“
Michael blickte unterdessen angestrengt durch seinen Feldstecher auf die Überseite, wo der Staub sich langsam legte.
Er musste gerade gegen die aufkommende Sonne blicken, was die Sicht erschwerte.
Auf einmal sah er eine braune Welle menschlicher Gestalten durch den Streifen Niemandsland auf sich zukommen.
„Verdammt Kurt, da kommen sie! Sieht aus wie ein komplettes Bataillon. Das wird spannend, es geht auf Biegen oder Brechen.“
Er drehte sich um und schrie „Alarm“ durch den Schützengraben.
Andere übernahmen den Schrei, und etwas später schrillte der Alarmschrei durch alle Winkel der deutschen Stellungen.
Der russische Angriffsschrei „Hurráááh’ ertönte aus Hunderten Kehlen.
Viele Soldaten konnten ein Schaudern nicht unterdrücken, als dieser massenhafte und deshalb furchterregende Schrei über das Schlachtfeld ertönte.
Dieser Schrei machte allen klar, was jetzt kommen würde.
Ein massiver russischer Ansturm auf ihre Stellungen, der viele Opfer kosten würde, wenn es den Russen gelingen würde, die deutsche Verteidigung zu durchbrechen.
Die braune Welle war jetzt so nahe herangekommen, dass die deutschen Mörser aktiv wurden und mit den kennzeichnenden Plopp-Plopp-Geräuschen große Mengen Granaten in die Reihen der feindlichen Truppen feuerten.
Körper wurden auseinandergerissen und weggeschleudert, aber die Sowjets stürmten einfach zu den deutschen Stellungen weiter.
Kurts Maschinengewehr fing mit kurzen Feuerstößen zu hämmern an, was für die anderen das Zeichen war, ebenfalls das Feuer zu eröffnen.
Ganze Reihen Soldaten wurden niedergemäht, aber ihr Platz wurde sofort von anderen eingenommen.
Die russischen Soldaten schossen während des Rennens aus der Hüfte, aber das Feuer war so ungenau, dass es kaum Opfer zur Folge hatte.
Auch die Gewehre der Panzergrenadiere knallten los, und ein Regen aus Feuer und Blei schlug den anstürmenden Sowjets entgegen.
Michael führte ständig neue Patronengurte in das immer heißer werdende MG-34 ein.
„Verdammt“, fluchte Kurt, „Diese Burschen überrollen uns gleich. Der Lauf wird zu heiß. Wir müssen den Lauf wechseln, um zu vermeiden, dass die Waffe blockiert. Schnell, bevor sie hier im Schützengraben stehen!“
Michael hatte die Asbesthandschuhe bereits angezogen und einen Ersatzlauf ergriffen.
In einem rasenden Tempo wechselte er den glühend heißen Lauf, wonach Kurt den Verschluss der Waffe wieder durchlud, um weiter schießen zu können.
Unterdessen waren auch andere Maschinengewehre wegen Überhitzung der Läufe ausgefallen, und diese kurze Unterbrechung in der deutschen Feuerkraft hatte den russischen Sturmlauf gefährlich nahe an die Verteidiger gebracht.
Die Russen hatten sich den deutschen Schützengräben bis auf weniger als fünfzig Meter genähert und schienen nicht mehr aufzuhalten zu sein.
Zielen war nicht mal mehr nötig, und Kurt jagte einen kompletten Gurt Munition in die anstürmenden Reihen.
Die Auswirkung eines Gurts mit fünfzig Patronen war aus dieser kurzen Distanz verheerend.
Das deutsche Mg-34 Maschinengewehr feuerte mit einer Geschwindigkeit von über achthundert Schuss pro Minute.
Blitzschnell wurden immer neue Patronengurte eingeführt, und die Reihen der anstürmenden Russen lichteten sich immer mehr.
Das Schreien der Verletzten übertönte das ´Hurrááááhh` der Angreifer immer mehr.
Der Schweiß lief Kurt in Strömen über das Gesicht, aber er feuerte unbeirrbar weiter.
Das Stoßen und der Rückschlag des Maschinengewehrs gaben ihm ein Gefühl der Macht und des Selbstvertrauens.
Die vorbeipfeifenden Kugeln hörte er nicht, und der Lärm des Kampfes schien von weit her zu kommen.
Er musste jetzt fast quer vor die Stellung entlang schießen, um zu verhindern, dass die Reste der Angreifer den Schützengraben erreichten.
In dem Moment, in dem die Waffe wegen Überhitzung blockierte, sprangen mehrere Russen über den Rand in den deutschen Schützengraben.
Kurt und Michael fassten ihre Schmeisser MP-40 Maschinenpistolen und schossen die letzten Sowjetsoldaten vom Rand des Schützengrabens.
Danach ließen sie ihre Waffe fallen, nahmen ihre Pistole in die eine und ihre Pionierschaufel in die andere Hand und eilten ihren Kameraden zu Hilfe, die in heftige Mann-zu-Mann-Kämpfe mit den eingedrungenen Russen verwickelt waren.
Hauend und schießend bahnten sie sich einen Weg durch den Schützengraben.
Es wurde hart und rücksichtslos gekämpft. Jeder kämpfte ums reine Überleben, es war siegen oder sterben.
Das Schreien der Kämpfenden und Sterbenden übertönte das Knallen der Handfeuerwaffen.
Ein Waffen-SS-Mann schnitt dem Sowjetsoldaten, mit dem er am Boden heftig rang, mit einem heftigen Zug den Hals ab, wurde aber im gleichen Moment von einem anderen Russen mit einem Bajonett in den Rücken gestochen.
Diesem wurde seinerseits von Michael aus kurzer Distanz durch den Kopf geschossen und er war tot, bevor er auf dem Boden aufschlug.
Kurt konnte sich gerade noch ducken, um einem anstürmenden Russen mit einem Bajonett auf dem Gewehr auszuweichen.
Das Bajonett bohrte sich noch durch seinen linken Oberarm und dann in den Boden.
Das Gesicht des stämmigen Russen mit den vor Mordlust flackernden Augen war weniger als einen Meter von seinem entfernt und trotz des stechenden Schmerzes in seinem Arm sah er nur noch dieses Gesicht seines Gegners.
In einem Reflex jagte er ohne Nachdenken drei Kugeln in den Körper des Russen, der dadurch langsam auf die Knie sank.
Der Russe starrte ihn weiter an, griff mit beiden Händen zu Kurts Hals und drückte ihn zu.
In Todesnot drückte Kurt seine Pistole in den Magen des Russen und feuerte noch dreimal.
Ein Blutschwall floss aus dessen geöffnetem Mund, und Kurt sah alles durch einen roten Schleier, als er dann das Bewusstsein verlor. Dass der Körper des enormen Russen auf ihm lag, spürte er nicht mehr.
Unterdessen ging das Gemetzel im Schützengraben unvermindert weiter.
Michael schlug mit seiner Pionierschaufel den Schädel eines Russen ein, der am Boden mit einem verletzten Deutschen rang und wurde sofort darauf von einem Russen angegriffen, der seine leergeschossene Maschinenpistole als Keule verwendete.
Zwei Pistolenschüsse schleuderten seinen Gegner rückwärts in den Schützengraben, wonach Michael sich blitzschnell bücken musste, um dem Stich eines Bajonetts auszuweichen.
Sein Angreifer ließ das Gewehr fallen, zog in einer Bewegung seine Pionierschaufel und schlug Michaels Pistole aus dessen Hand.
Es kam zu einem rasenden Kampf zwischen den beiden Männern, die mit ihrer Pionierschaufel aufeinander ein hauten.
Die Schaufel des Russen prallte nach einem verheerenden Schlag an Michaels Helm ab und verursachte eine blutende Wunde an der Seite seiner Stirn.
Michael wankte und sah, wie der Russe zum letzten Schlag ausholte, als er mitten in seiner Bewegung erstarrte.
Die lange Spitze eines dreikantigen russischen Bajonetts ragte mitten aus dem Brustkorb des Russen hervor und färbte seine Feldbluse rot.
Sein Gegner sank mit einem erstaunten Blick nach vorn, und erst dann sah Michael Max, der mit einem Ruck das Bajonett aus dem Rücken des Russen herauszog.
Während Michael schwindlig und außer Atem mit seinem Rücken an der Wand des Schützengrabens langsam auf den Boden sank, sah er Max und Willy weiterrennen.
Der Kampf um den Schützengraben war fast vorbei, und die übrig gebliebenen russischen Soldaten versuchten vergeblich zu flüchten.
Dazu bekamen sie jedoch keine Chance mehr, und Gefangene wurden im Feuer des Kampfes nicht mehr gemacht.
Der Kampflärm verstummte erst, als der letzte Sowjetsoldat erschossen worden war.
Die meisten deutschen Soldaten sanken erschöpft an der Stelle, an der sie standen, zu Boden, während andere den Sanitätern bei der Versorgung der Verletzten halfen.
Überall lagen oder saßen verletzte Soldaten zwischen den Leichen der Gefallenen.
Manche stöhnten nur, aber andere brüllten vor Schmerzen.
Es waren vor allem die Opfer mit einer Bauchverletzung, die schrien und nur mit Morphininjektionen zur Ruhe zu bringen waren.
Michael saß noch immer auf dem Boden und erholte sich langsam vom Schlag auf seinen Kopf, als Max und Willy sich neben ihm auf den Boden plumpsen ließen. Beide waren mit Blutspritzern bedeckt und blickten verwildert aus den Augen.
Eine Zeitlang blieben sie außer Atem sitzen, ohne ein Wort zu sagen. Michael war der Erste, der die Stille durchbrach. „Hat einer von euch Kurt gesehen?“ fragte er, während er mühsam aufstand, um seine Pistole zu ergreifen, die noch am Boden lag, nachdem der Russe sie aus seiner Hand geschlagen hatte.
Die anderen schüttelten stumm ihren Kopf.
„Dann müssen wir ihn suchen, und die anderen auch. Ich will wissen, ob alle aus unserer Gruppe dieses Gemetzel überlebt haben.“
Max und Willy standen auch auf und zusammen machten sie sich auf die Suche nach den anderen.
Als Ersten fanden sie Kurt, der von einem Sanitäter verbunden wurde. Er war erfreut und überrascht, als er die anderen erblickte. „Bin froh, euch endlich mal wieder zu sehen“, grinste er.
„Natürlich habe ich wieder mal Pech. Es ist nichts als eine Fleischwunde, also nicht genug für eine Woche Ruhe hinter der Front. Ein paar Klammern, und ich darf wieder los, sagen die Metzger hier.“
„Das nennst du Pech“, murrte Max.
„Du Dussel hast wohl mehr Glück gehabt als du meinst. Etwas mehr rechts, und du hättest dich mit einem Stich ins Herz im Walhalla melden dürfen.“
„Bist du imstande, mit uns zu kommen, oder musst du zuerst noch ins Feldlazarett?“ fragte Michael, während der Sanitäter den Schnitt auf seiner Stirn desinfizierte und mit Pflastern ein Stück Verband darauf klebte.
„Nein, es geht schon wieder. Wir wollen zunächst mal sehen, ob wir die anderen finden können, bevor ich mir ein paar Klammern hole. Für solche Kleinigkeiten haben sie im Feldlazarett in diesem Moment sowieso noch keine Zeit.“
Sie gingen zurück in die Richtung der eigenen Posten und sahen jetzt erst recht, welche Verwüstungen der Angriff in der Stellung angerichtet hatte.
Ganze Teile des Schützengrabens waren eingebrochen, und einer der Erdbunker war durch einen Volltreffer vollständig zerstört.
Mannschaften der Pioniereinheit waren damit beschäftigt, die Reste des Bunkers auszugraben, um die unter dem Schutt begrabenen Soldaten zu suchen.
Auseinandergerissene Körper lagen herum, ebenso wie die Leichen der in den Schützengraben eingedrungenen Sowjetsoldaten.
Die übrigen Kameraden der Kradfahrer Einheit fanden sie bei ihren eigenen Maschinengewehrposten wieder.
Rainer und Armin waren mit der Versorgung eines Verletzten beschäftigt, der einen Schuss in seinen Brustkorb abbekommen hatte, während Klaus dabei war, eine Kopfverletzung von Rudy Craemer zu verbinden.
Alle waren mit Blutspritzern und Kratzern oder kleinen Verletzungen bedeckt, nur Max war unversehrt aus dem Kampf hervorgegangen.
Die Verletzten waren alle versorgt und abgeführt worden, als die Mannschaften Kaffee bekamen, der mit großen Kesseln angeführt worden war, und sie sich endlich für eine Ruhepause ermüdet ins Gras fallen lassen konnten.
Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel, und es war bereits warm geworden.
„Du hast mir heute Morgen das Leben gerettet, Max“, sagte Michael. „Das werde ich nicht so schnell vergessen. Du warst gerade noch rechtzeitig da, denn ich war nicht mehr imstande, den nächsten Schlag dieses Russen abzuwehren. Er hatte mir einen enormen Schlag auf meinen Kopf verpasst, und ich sah mehr Sternchen als Russen. Dank’ dir dafür!“
„Schon gut“, lachte Max, „Das nächste Mal darfst du mich vorm Untergang retten, wenn wieder mal etwas schiefgeht. Ich habe diesmal Glück gehabt und bin, wenn ich so um mich blicke, als einziger ungeschoren davongekommen. Dieser Iwan wird es bestimmt nicht ehrlich gefunden haben, dass ich ihm ein Bajonett in den Rücken stechen musste. Aber es gab nun mal keine Zeit, ihn zuerst ordentlich zu bitten, sich umzudrehen. Natürlich hatte ich auch keine Wahl, denn du bist der einzige Offizier, der erlaubt, dass seine Mannschaft Getränke klaut. Also müssen wir ein wenig auf dich aufpassen, wenn du unbedingt wieder mal den Helden spielen willst.“
„Jesus, was für ein Schleimscheißer“, seufzte Rainer. „Aber ohne Flausen. Wenn dies hier jeden Tag so weitergehen soll, dann können wir darauf warten, dass auch bei uns Opfer fallen werden. Die Jungs der Kompanie haben achtzehn Tote und eine stattliche Menge Verletzte als Folge dieses Angriffs. Wir als Gruppe dürfen uns diesmal nicht beklagen, aber blickt mal um euch herum. Max ist der einzige von uns, der ungeschoren davongekommen ist, und dies ist erst unser zweiter Tag hier. Kein Wunder, dass die Infanteristen, die wir abgelöst haben, so viele Verluste erlitten haben. Dieser Unfug gleicht eher dem Stellungskrieg von Verdun im vorigen Weltkrieg. Unsere Division hat heute fast genauso viele Verluste erlitten wie in der ganzen vergangenen Zeit, die wir in Russland waren.“
„Max hat nicht unrecht mit dem, was er da sagt“, mischte Kurt sich ins Gespräch. „Wenn dies so weitergeht, verbluten wir hier, ohne einen Schritt weiter zu kommen. Auf diese Weise gelangen wir niemals vor dem Winter nach Moskau. Dies hier ist nicht mehr gerade ein Blitzkrieg.“
Er stand auf, unterdessen seinen verletzten Arm unterstützend. „Ich gehe mal zum Feldlazarett, um meinen Arm vernähen zu lassen, denn das Scheißding fängt so langsam an ordentlich weh zu tun. Gibt es noch mehr Leute, die etwas reparieren oder nachsehen lassen möchten? Deine Kopfverletzung etwa?“, fragte er Michael.
Dieser nickte: „Ich komme mit. Der Sanitäter meinte, es sei besser, den Schnitt zuzunähen, weil er dann schneller verheilt. Kurt, du übernimmst das Kommando und lässt die Stellung wiederinstandsetzen, soweit das möglich ist. Wenn der Hauptsturmführer nach mir fragt, sagst du ihm, dass ich auf dem Rückweg bei ihm vorbeikommen werde.“ Ich gehe davon aus, dass der Iwan heute eine solche Tracht Prügel bekommen hat, dass er sich für den Rest des Tages ruhig verhalten wird.“
Kurt und Michael mussten ein gute halbe Stunde gehen, um das Notlazarett am Stadtrand von Jelnja zu erreichen.
Das Lazarett war in einem großen Backsteinbau untergebracht, der vorher als Versammlungsgebäude verwendet worden war.
Das Ganze bot einen deprimierenden Anblick. Sogar die Flure waren mit Verletzten auf Feldbetten überfüllt.
Einige Krankenpfleger gingen bei den Verletzten mit Morphinspritzen vorbei, während Krankenschwestern die Leichtverletzten bandagierten.
Einige Ärzte beaufsichtigten das Ganze und gaben Anweisungen. Die schweren Fälle wurden vom Personal auf Tragen in die Operationsräume gebracht.
Die Atmosphäre im Gebäude war wegen des penetranten Äthergeruchs und des faden süßlichen Blutgeruchs erstickend, was durch die sommerliche Hitze noch verstärkt wurde.
Verletzte stöhnten und jammerten, während ab und zu ein grässliches Kreischen aus den Operationsräumen ertönte.
Manche der Verletzten sahen schrecklich aus, obgleich ihre Verletzungen mit Verband bedeckt waren. Da ließ sich erahnen, was unter dem blutdurchtränkten Verband versteckt war.
„Mein Gott“, stöhnte Kurt, „Wir sollen hier so schnell wie möglich wegkommen, Michael. Der Schützengraben ist ja noch besser als dieser Schlachthof. Ich habe das hier gesehen, und mein Arm ist eigentlich halb so schlimm, wenn man all dieses Elend sieht.“
„Kommt nicht in Frage“, knurrte dieser. „Wir sind nun mal hier, und wir gehen nicht weg, bevor wir einen Arzt gesehen haben!“
Es dauerte noch fast eine Stunde, bis sie einen Arzt gefunden hatten, der Zeit für sie hatte.
Er sah sich die Verletzungen an und entschied, dass beide genäht werden mussten.
Nachdem er die Verletzungen mit beißendem Alkohol gereinigt hatte, nähte er zuerst Kurts Arm.
Kurt sah mit unverhohlener Bewunderung auf die hübsche kleine Krankenschwester, die dem Arzt assistierte.
Das Mädchen hatte langes rötliches Haar und große klargrüne Augen. Auch ihre Figur erregte seine Aufmerksamkeit.
Unterdessen musste er kräftig auf seine Zähne beißen, denn eine Betäubung gab es nicht. Das war laut dem Arzt für solche Kratzer, wie er das nannte, nicht nötig.
Der Arzt arbeitete schnell und schweigend.
Bei Michael geschah das Gleiche, wonach eine Krankenschwester die Verletzungen mit einem Verband abdeckte.
„Der Arzt ist nicht gerade kleinlich“, sagte er zur Krankenschwester, als der Arzt gegangen war.
Das Mädchen fing an zu lachen. „Das ist gar kein Arzt, sondern ein Sanitäter, der einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht hat. Die Ärzte hier sind viel zu sehr mit den Schwerverletzten beschäftigt und überlassen solche einfachen Sachen den Krankenpflegern.“
Michael und Kurt sahen sich erstaunt an. „Nicht zu glauben“, sagte Kurt. „Deshalb hat das Dreckstück uns keine Spritze gegeben. Das ist einfach ein fieser Sadist, der sich hinter der Front auf Kosten der Frontsoldaten, die die schmutzige Arbeit machen müssen, ein bisschen austobt. Den Kopf vergesse ich nicht mehr und wenn ich ihm im Feld jemals begegne, werde ich an seine Betäubung zurückdenken.“
Die Krankenschwester runzelte die Stirn. „Der Junge ist ein Talent auf dem Gebiet der Medizin. Er macht hier an der Front sogar bereits einfache Operationen. Und dass ihr keine Betäubung bekommen habt, geschah im Auftrag des Chefarztes, weil das Morphin für die schwereren Fälle aufgehoben werden muss. Aus dem einfachen Grund, dass wir hier einen enormen Mangel an Morphin und anderen Sachen haben. Die Ärzte kommen mit der Arbeit hier nicht mehr nach, weil es wegen der andauernden Angriffe der Russen so viele Verletzte gibt.“
Kurt reagierte schlagfertig auf die Worte der Krankenschwester. „Dann werde ich ihm die Folterung eines Frontsoldaten verzeihen und ihn am Leben lassen, wenn ich ihm jemals im Feld begegne. Von Treffen gesprochen, meinst du, dass ich dich demnächst noch mal treffen kann?“
Lachend sah er das Mädchen an, das wegen seiner direkten Frage errötete.
„Es ist eine Überraschung, dass ich hier gerade hinter der Front so einem netten Mädchen begegne. Wer hätte je erwartet, dass die Wehrmacht deutsche Mädchen an die Front schicken würde.“
„Wieso deutsche?“ reagierte das Mädchen bissig, während das Lachen wie von Zauberhand von ihrem Gesicht verschwand. „Ich bin Russin, und ich wurde hier zur Arbeit verpflichtet.“
„Aber du sprichst flüssig Deutsch“, reagierte Kurt erstaunt über ihre heftige Reaktion.
„Ja, weil ich eine Ausbildung als Deutschlehrerin gemacht habe. Ich bin nicht mal Krankenschwester und habe das auch nicht gelernt. Aber ihr seid fertig und könnt also mit dem Erschießen meiner Landsleute fortfahren.“
Ohne weiter noch etwas zu sagen, verließ das Mädchen den Raum und schlug die Tür hinter sich zu.
Michael und Kurt sahen sich verblüfft an. Eine solch heftige Reaktion hatten sie nicht erwartet.
„Das ist wohl die Höhe“, sagte Kurt erstaunt.
„Verhalte ich mich mal sympathisch zu einem netten Mädchen, und dann werde ich gleich angeschnauzt. Wie soll ich wissen, dass sie eine Russin ist und keine Deutsche. Zu hören war das auf jeden Fall nicht. Aber sie schien nett zu sein. Ich bin neugierig, was weiter unter ihrer Krankenschwesterhaube steckt.“
„Wie meinst du?“ fragte Michael misstrauisch.
„Du lässt dich doch nicht auf dumme Gedanken ein, was? Geh’ dieser Trulla schön aus dem Weg.
Diese Art schnell eingeschnappter Typen klagen einen nur so wegen Vergewaltigung an, und ehe man sich’s versieht, hat man ein Militärgericht am Hals. Du weißt, dass sie dort nicht kleinlich sind, und für Witze sind diese Burschen gar nicht zu haben. Tue mir bitte den Gefallen und vergiss die Kleine. Komm, wir gehen zur Stellung zurück, denn hier haben wir nichts mehr zu suchen. Wir waren lange genug weg. Ich will wissen, wie es drüben geht. Vielleicht versucht der Iwan es heute noch einmal.“
Kurt sah ihn erstaunt an. „Du hast leicht reden mit einem bildhübschen russischen Soldatenmädchen als Verlobte.
Es sieht danach aus, dass du denkst, dass ich die kleine Krankenschwester vergewaltigen möchte. Was macht es nun aus, wenn ich zufällig ein Mädchen nett finde. Oder meinst du, dass nur Offiziere das Recht haben, ein Mädchen anzubandeln, das, wie sich im Nachhinein herausstellt, zufällig zur Gegenseite gehört?“
Michael sah seinen Freund nachdenklich an.
Der konnte doch nicht wissen, was er in dieser Bauernscheune mit dem russischen Soldatenmädchen gemacht hatte?
Sie hatte mit niemandem ein Wort darüber gesprochen, und er selbst hatte auch keinen über diese beschämende Geschichte ins Vertrauen gezogen.
„Du hast vollkommen recht, Kurt, aber ich meinte es eigentlich nicht wie es sich anhörte. Ich habe sowieso nichts damit zu tun, und was du machst, musst du natürlich selber wissen. Es war nur gut gemeint, um zu verhindern, dass du irgendwie in Schwierigkeiten geraten oder eine Enttäuschung erleben würdest. Die Kleine schien mir nicht gerade sehr deutsch gesinnt, und du wärst nicht der erste Soldat, der während einer Nummer mit einem nett anmutenden Mädchen der Gegenpartei ein Messer in den Rücken bekommt. Aber gut, Schwamm drüber, und ich werde mich nicht mehr ungebeten einmischen. Du bist alt und klug genug, um zu wissen, was du machen oder unterlassen sollst. Lass uns zur Stellung zurückgehen, um zu sehen, ob dort alles in Ordnung ist, denn wir sind mittlerweile lange genug weggewesen.“
Kurt schlug ihm mit seiner gesunden Hand auf die Schulter.
„Schon gut, Mensch. Wir wollen tatsächlich zunächst mal sehen, ob die Jungs unsere Verteidigung wieder ein bisschen in Ordnung gebracht haben, denn mich würde es auch nicht wundern, wenn Onkelchen Iwan seine Jünger noch mal auf uns losschickt, bevor dieser Tag vorbei ist. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir dieses Problem lösen können, denn, wenn dies jeden Tag geschieht, verblutet unsere Kompanie genauso schnell wie die Infanteristen, die wir abgelöst haben. Ich meine, dass wir die Lage hier etwas zu leicht aufgefasst haben und die Schlagkraft des Iwans schwer unterschätzt haben.“
„Das fürchte ich auch“, nickte Michael.
„Ich denke, dass ich mal mit dem Hauptsturmführer reden soll, denn so kann es nicht weitergehen. Und jeden Tag abwarten, ob es den Sowjets beliebt, uns anzugreifen oder uns mit einem Artilleriebeschuss zu traktieren, wodurch wir jeden Tag eine Reihe erfahrener Männer verlieren, ist auch nicht ideal. Es ist vielleicht am besten, dass du die Aufsicht in unserem Teil der Stellung übernimmst, sodass ich gleich zum Bunker des Stabs weitergehen kann. Mal sehen, was in kurzer Zeit möglich ist. Aber sorg’ dafür, dass die Männer möglichst viel Ruhe bekommen, wenn die Arbeit getan ist, denn es werden noch schwere Wochen, wenn dies hier so weitergeht.“
Kurz vor der Stellung bog Michael zum Bunker des Stabs ab und ließ sich beim Hauptsturmführer anmelden.
Er meldete sich vorschriftsmäßig, nachdem er von dessen Adjutanten hereingelassen worden war.
Der Hauptsturmführer sah von seiner Schreibarbeit auf und erblickte den Verband um Michaels Kopf.
„Setz’ dich, von Losswitz, und erzähl` mal, wie es um die Dinge bei euch steht. Ich sehe, dass auch du nicht unversehrt davongekommen bist?“
„Zurzeit geht es ziemlich gut bei uns in der Stellung, Hauptsturmführer. Meine Sorge ist aber, dass wir auf diese Weise genauso verbluten werden wie die Infanteristen, die wir abgelöst haben. Heute Morgen haben wir achtzehn Mann verloren von den hundertachtzig, die die Kompanie zählte. Das sind zehn Prozent des Ganzen allein an Toten, während es auch noch mehr als dreißig Verletzte gibt. Von den Verletzten können wir mehr als die Hälfte vorläufig nicht einsetzen. Und dann zähle ich die Leichtverletzten wie mich nicht mal mit. Das halten wir nicht lange durch, Hauptsturmführer! Wir werden etwas tun müssen, denn wenn dies jeden Tag so weitergeht, hören wir in einer Woche oder zwei zu existieren auf.“
Hauptsturmführer von Prelow strich mit seinen Händen durch seine Haare. „Die Zahlen kannte ich bereits, aber die Frage ist, was können wir kurzfristig tun? Dank deinem Streifzug kennen wir die genaue Aufstellung der Sowjets und auch ihr Angriffspläne, obgleich die vermutlich bereits geändert wurden. Ich habe für heute Nachmittag Artilleriebeschüsse angefordert, um die Ausgangsstellungen des Iwans zu bombardieren, denn nach ihren Plänen seid ihr morgen wieder auf die gleiche Weise dran. Aber mehr kann ich in diesem Moment auch nicht tun, außer, dass ihr morgen Artillerieunterstützung bekommt, wenn der Russe wieder angreift. Hast du einen Vorschlag?“ Michael schob seinen Stuhl näher an den Tisch, auf dem die Landkarten ausgebreitet waren. „Hauptsturmführer, wäre es eine Idee, den Mannschaften heute weiter Ruhe zu geben und dann in der kommenden Nacht einen Überraschungsangriff auf die Stellungen der Sowjets zu machen. Auf diese Weise verhindern wir den Angriff von morgen und ergreifen wir die Initiative, statt abzuwarten, bis der Iwan angreift. Mit einem Überraschungsangriff meine ich, dass wir zur Überseite schleichen, die Schildwachen ausschalten und dann die ganze Stellung aufrollen und vernichten. Sobald das geschehen ist, ziehen wir uns wieder zurück und unsere Artillerie kann das Feuer eröffnen und die Geschützaufstellungen der Russen dem Erdboden gleichmachen, wobei sie zugleich unseren Rückzug decken. Das bringt uns vorläufig Ruhe, und es erspart viele unnötige Verluste in der kommenden Zeit. Was halten Sie davon?“
Von Prelow sah nachdenklich vor sich hin und trommelte mit seinen Fingern auf die Tischplatte.
Sein Gesicht heiterte sich auf, als er auf den Vorschlag reagierte. „Es ist ein gewagter Plan, aber es ist auch ein guter Plan. Gut, weil der Iwan dies nach mehreren Wochen, in denen seitens der Deutschen nichts als verteidigt wurde, niemals von uns erwarten wird. Das Überraschungsmoment liegt dann ganz auf unserer Seite. Das müsste gelingen!“
Er rief seinen Adjutanten und erteilte ihm den Auftrag, der ganzen Kompanie Ruhe zu geben und die Posten von den benachbarten Kompanien besetzen zu lassen.
„Und alle Zug- und Gruppenführer um fünf Uhr hier versammeln“, rief er dem Adjutanten nach. „Diese Sache müssen wir mit einer kompletten Kompanie schaukeln können. Natürlich bin ich mit meinen Kradfahrern auch dabei. Wir wollen nun die Pläne ausarbeiten, aber zuerst muss ich den Standartenführer informieren und um Zustimmung bitten.“
Er nahm den Hörer des Feldtelefons ab und bat um Verbindung mit dem Hauptquartier.
Michael bekam nur Fetzen des Gesprächs mit, aber hörte seinen Namen nennen.
„Alles ist geregelt“, sagte von Prelow zu ihm, während er den Hörer auflegte. „Der Standartenführer ist mit einem nächtlichen Überraschungsangriff auf die Sowjetstellungen in diesem Sektor der Front einverstanden. Der Angriff wird, wie wir vorgeschlagen haben, mit dieser kompletten Kompanie ausgeführt, die dazu zur Kompensierung der Verluste von heute Morgen um unsere Kradfahrer Einheit ergänzt wird. Wir haben insgesamt für die bevorstehende Operation also zweihundert Mann zur Verfügung. Jede Form von Artilleriefeuer von unserer Seite wird unterbleiben, bis wir unseren Rückzug melden und selbst per Funk um einen Feuerüberfall bitten, mit dem sie dann unseren Rückzug decken werden. Aber der Standartenführer wünscht, dass mit der größtmöglichen Härte vorgegangen wird. Mit anderen Worten, einige hohe Offiziere gefangen nehmen ist prima, aber sonst muss alles und jeder vernichtet werden, sodass der Iwan weiß, dass die Waffen-SS ihm gegenüberliegt und dass diese nicht mit sich spaßen lässt. Es ist seine Absicht, dem Iwan klarzumachen, dass Angriffe wie die von heute Morgen unsererseits nicht ungestraft bleiben und dass dafür fortan ein hoher Preis gezahlt werden muss. Wenn wir auf diese Weise verhindern können, dass wir in diesen Schützengräben langsam verbluten, ist es ihm die Risiken wert. Es wird eine zweite Kompanie bereitstehen, um in dem Fall einzugreifen, dass wir Hilfe brauchen oder einen Teil der Sowjetstellungen besetzt halten möchten. Die Planung und Ausführung überlässt er ganz uns, und ich soll ihn sofort nach unserer Rückkehr über den Ablauf dieser Operation informieren.“
Michael reagierte erfreut auf die Zustimmung, und beide Männer beugten sich über die Karten, um den Angriff vorzubereiten.
Eine Stunde nach Mitternacht krochen zweihundert Mann so still wie möglich über den Rand des Schützengrabens in das gegenüberliegende Stück Niemandsland.
In der Ferne war der Lärm von Granatendetonationen und Maschinengewehrfeuer bei einer benachbarten Infanteriedivision zu hören, die einen Scheinangriff auf die russischen Stellungen ausführte, um die Aufmerksamkeit der Sowjets abzulenken.
Es war wieder eine warme Nacht, aber der Mond war noch genauso dunkel wie in der vorigen Nacht.
Über eine breite Linie krochen die Männer vorsichtig in Richtung der Sowjetstellungen.
Die beiden äußersten Enden der Angriffsgruppe wurden jeweils von einer kleinen Gruppe von vier Soldaten der Kradfahrer Einheit gebildet.
Diese mussten pro Gruppe zwei MG-34 Maschinengewehre mit sich schleppen, um eventuelle russische Verstärkungen von sowohl der linken wie der rechten Seite mittels eines konzentrierten Kreuzfeuers aufzuhalten.
Das Mitschleppen der zwölf Kilo schweren Maschinengewehre mit den zugehörigen Munitionskisten war eine schwere Aufgabe für die Mannschaften, die sich nur kriechend fortbewegen konnten.
Max fluchte leise, als er die schwere Waffe keuchend und schwitzend endlich ganz nahe an der russischen Stellung in Stellung bringen konnte.
Willy lag keuchend neben ihm, erschöpft vom Schleppen der schweren Munitionskisten.
Als die Waffe schussfertig war, blieben sie mucksmäuschenstill liegen und warteten auf das Zeichen für den Angriff.
Es wunderte die Männer, dass in der Sowjetstellung keine Lebenszeichen zu spüren waren.
Eine rote und zwei weiße Leuchtkugel schossen zischend hoch und verbreiteten ein schummriges Licht.
Wie auf Kommando richteten mehr als zweihundert Soldaten sich wie Schatten auf und rutschten fast ohne Geräusch in die russische Stellung.
Schildwachen starben, bevor sie Alarm schlagen konnten, und sofort darauf wurden Bunkertüren aufgetreten und Handgranaten hinein geschleudert.
Weitere Bunker wurden gestürmt, wobei die meisten Sowjets auf ihren Pritschen von Salven aus deutschen Maschinenpistolen durchsiebt wurden.
In hohem Tempo stürmten die Waffen-SS-Männer nach der Eliminierung der Bunkerbesatzungen durch die Schützengräben weiter, dabei auf alles und jeden schießend, der sich noch bewegte.
Die Überraschung war so groß, dass fast kein Widerstand geleistet wurde.
Sowjetsoldaten, die in ihrer Unterhose und mit über ihrem Kopf gehobenen Händen aus ihrem Bunker taumelten, wurden genauso gnadenlos niedergemäht wie diejenigen, die versuchten, ihre Waffen in Anschlag zu bringen.
Ein großer Teil der Waffen-SS-Männer war nach dem Ausschalten der Besatzung der vorderen Bunkerlinie zur zweiten Linie weitergestürmt. Obgleich dort von den Verteidigern mehr geschossen wurde, weil das Überraschungselement geringer war, wurde auch diese zweite Verteidigungslinie ganz aufgerollt.
Mit Handgranaten, Maschinenpistolenkolben, Pionierschaufeln und Pistolenschüssen hauten und kämpften die deutschen Soldaten sich einen Weg durch die Schützengräben, bis der ganze Komplex in ihre Hände gefallen war.
Hinter der zweiten Linie trafen die durchgebrochenen Deutschen eine Stellung der russischen Artillerie an, mit leichten Feldkanonen und schweren Mörsern.
Auch hier wurden die Geschützbesatzungen mittels Handgranaten und Salven aus Maschinenpistolen ohne Pardon liquidiert.
Die meisten Russen starben, ohne recht Widerstand leisten zu können.
Keuchend, verschwitzt und mit Blutspritzern bedeckt blieben die deutschen Soldaten am Ende der russischen Stellungen stehen.
Es war eine grausame Schlachtung geworden, wobei die in ihrem Schlaf überraschten Russen wenig Chancen hatten, sich zu verteidigen.
Michael und Kurt lehnten sich zusammen mit mehreren Panzergrenadieren erschöpft an die erbeuteten Feldkanonen.
Einige Waffen-SS-Männer kotzten ihren Mageninhalt aus.
„Mein Gott, war das ein Gemetzel. Die Iwans waren so überrascht, dass ein großer Teil in ihrem Bett gestorben ist und das ist nichts für einen Frontsoldaten.“
Michael nickte noch immer keuchend: „Ich weiß. Diese Leute fühlten sich nach dem Angriff von heute Morgen absolut sicher und hatten niemals erwartet, dass wir sofort zu einem Gegenangriff imstande waren. Und überhaupt nicht zu diesem Zeitpunkt. Es ist allgemein bekannt, dass die deutsche Wehrmacht bei Sonnenaufgang den Angriff eröffnet. Und in einem gewissen Moment rechnet der Feind auch damit. Das ist diesen Iwans auf jeden Fall zum Verhängnis geworden.“
Das schwere Hämmern eines deutschen MG-34 erklang durch die Nacht, sofort von einem zweiten Maschinengewehr gefolgt.
Jeder wusste, dass dies bedeutete, dass die Sowjets von den nächstgelegenen Schützengräben aus versuchten, ihren überfallenen Kameraden zu Hilfe zu kommen.
„Los, Männer“, rief Michael. „Die Russen können jedem Moment den Gegenangriff eröffnen, und wenn es ihnen gelingt, den vorderen Schützengraben zu erobern, dann schneiden sie uns von unseren eigenen Linien ab. Jagt die Geschütze und die Mörser hier in die Luft, und dann wie der geölte Blitz weg von hier. Sammeln beim ersten Schützengraben und Köpfe zählen, sodass keiner zurückbleibt, wenn wir zurückgehen. Auch die eventuellen Gefallenen nehmen wir mit nach Hause!“
Die russischen Waffen wurden vernichtet, indem eine Stielhandgranate in den Lauf geschoben wurde, wonach die Kanonen und Mörser explodierten.
Im Laufschritt ging die Gruppe zu den anderen zurück.
Dort hatten die Offiziere bereits den Auftrag erteilt, alle Bunker und Schießstände mittels Dynamitladungen zu sprengen.
Die Soldaten sammelten sich am Rand des Schützengrabens und trugen zwei gefallene Kameraden mit, als sie sich in hohem Tempo auf die eigenen Linien zurückzogen.
Einige Leichtverletzte wurden von anderen unterstützt.
Die Nachzügler legten noch einige Minen in die Reste der russischen Schützengräben und zogen sich zusammen mit den Maschinengewehrschützen als Letzte zurück.
Diese schossen aus der Hüfte ihre letzten Patronengurte auf die feindlichen Linien ab, um zu verhindern, dass die Sowjets versuchen würden, die sich zurückziehenden Truppen zu verfolgen.
Hauptsturmführer von Prelow ging auch ganz hinten und schoss während des Laufens Grün-Rot-Grün mit seiner Signalpistole, nachdem er seinen Funker um Artillerieunterstützung hatte bitten lassen.
Das abgesprochene Zeichen, dass die eigenen Truppen die russischen Stellungen verlassen hatten und auf dem Rückweg waren.
Keine zwei Minuten später heulten die ersten schweren Artilleriegranaten über ihre Köpfe hinweg, und die bildeten nur den Anfang eines sehr schweren Artilleriebeschusses auf die feindlichen Stellungen.
Die zurückflüchtenden deutschen Truppen spürten die Druckwellen der explodierenden Granaten in ihrem Rücken, während sie durch das Stück Niemandsland rannten.
Der Lärm war ohrenbetäubend und beängstigend zugleich.
So schnell sie konnten, hechteten die Soldaten in die eigenen Stellungen.
Zurückblickend sahen sie die Stellungen der Sowjets sich in Fontänen aus Feuer aufhellen.
„Jeder sofort in Deckung, und bis morgen will ich eine doppelte Besatzung an den Maschinengewehrposten“, brüllte von Prelow. „Alle zwei Stunden ablösen, und denkt daran, dass von jedem, der Posten steht, äußerste Wachsamkeit verlangt wird. Der Iwan wird sich bestimmt rächen wollen, und ich will nicht, dass hier geschieht, was den Leuten an der Überseite heute Abend passiert ist. Ich geh’ davon aus, dass du alles hier kontrollierst“, fügte er an Michael zu.
„Dann werde ich sofort dem Standartenführer Bericht erstatten. Wir haben an der Überseite derart getobt, dass kein einziger Gefangener gemacht wurde. Ein Glück, dass deine Patrouille gestern Nacht ein paar sehr brauchbare Gefangene ergeben hat, weshalb das machen von Gefangenen diesmal nicht wirklich notwendig war. Hast du eine Ahnung, wie viele Opfer wir heute Nacht hatten?“
„Wir haben zwei Gefallene und acht Verletzte, davon aber einer ziemlich schlimm. Aber der Iwan hat meiner Ansicht nach zwischen vier- und fünfhundert Gefallene und dazu den Verlust von zwei Batterien leichte Artillerie erlitten. Aber genau kann ich das natürlich nicht sagen. Die anderen Kommandanten sprechen über ähnliche Mengen, also geh’ ich davon aus, dass die Schätzungen wohl stimmen. Denn wenn wir ehrlich sind, wir haben keinen Russen am Leben gelassen, und das war eine bewusste Wahl nach dem Angriff von heute Morgen.“
Von Prelow schaute nachdenklich drein.
„Diese Anzahl könnte der Wahrheit wohl ziemlich nahekommen. Wir haben sowohl die erste wie die zweite Linie der Sowjets aufgerollt, und dass über die volle Breite der Stellung.
Und darüber hinaus haben wir die Geschützbesatzungen der leichten Batterien ausgeschaltet. Das war alles in allem ein schöner Schlag, aber so was gelingt uns in der kommenden Zeit nicht noch mal, denn der Iwan wird fortan besser auf der Hut sein, nachdem er zwei Nächte nacheinander in seiner eigenen Stellung hereingelegt wurde. Und strategisch gesehen bringt diese Aktion natürlich nichts. Es ist nicht mehr als ein taktischer Sieg mit dem Ziel, die täglichen Angriffe in diesem Sektor zu stoppen, sodass wir nicht langsam in dieser verdammten Schützengrabenstellung ausbluten.
Aber gut, ich danke euch für den Einsatz, und ich bin gespannt, was für eine Reaktion morgen von der Überseite kommt.
Ich wünsche euch auf jeden Fall eine ruhige Nacht. Die habt ihr nach heute mehr als verdient.“
Mit diesen Worten verabschiedete sich von Prelow.
Er salutierte und ging zu seinem Bunker zurück, um dem Standartenführer Bericht zu erstatten.
Michael erwiderte den Gruß und drehte sich zu den Gruppenkommandanten um, die auf seine Befehle warteten.
Er ließ die Wachposten pro Gruppe einteilen und ging dann zusammen mit Kurt zu seinem eigenen Bunker zurück.
Ermüdet ließen sie auf die Betten fallen. Innerhalb von zehn Minuten schlief jeder im Bunker.
Michael merkte nicht einmal mehr, dass alle zwei Stunden die Ablösung der Posten geweckt wurde.
Er war weit weg und träumte von dem hübschen russischen Soldatenmädchen, mit dem er vor einigen Wochen in einer Bauernscheune wider ihren Willen geschlafen hatte.
Das Mädchen, das jetzt auf dem Militärflughafen des 51. Jagdgeschwaders arbeitete und nach dem er sich so sehr zurücksehnte. (sehe Kanonenfutter)