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Die zwei dienstfreien Tage waren vorbei, und die letzte Nacht hatten sie unter einer Zeltplane verbracht, weil es die ganze Nacht wie mit Kübeln geschüttet hatte.

Es war die Kommandostimme von Leutnant Mayer, die den ganzen Zug nach dem Frühstück hochfahren ließ.

„Vierter Zug, antreten und im Halbkreis bitte!“

Die ganze Mannschaft des 4. Panzerzugs beeilte sich, um den Befehl des Leutnants zu befolgen.

Denn trotz des Umstands, dass er bei der Mannschaft sehr beliebt war, wusste jeder, dass der ´Chef` nicht mit sich spaßen ließ und von jedem Soldaten dessen vollen Einsatz verlangte.

„Hört Männer, wir haben neue Einsatzbefehle, und die lauten wie folgt: Die bewaffnete Aufklärungsgruppe unter Hauptmann von Hartenstein wird am Sonntag, den 27. Juli, heute also, von diesem Gebiet um Smolensk in südöstliche Richtung ziehen, um eine Schwachstelle in den russischen Linien zu suchen, und den Aufmarsch fortsetzen zu können, mit als erstem Angriffsziel der Eroberung der Stadt Roslawl. Sobald es der Aufklärungsgruppe gelungen ist, einen Durchgang zu finden, wird die Masse der 4. Panzerdivision sofort folgen. Das operative Ziel ist die Einkesselung der russischen Divisionen, die sich an unserer Südflanke in und um Roslawl befinden, sowie die Eroberung dieser Stadt. Unsere Aufstellung ist genau die gleiche wie beim vorigen Mal, wir folgen den Hanomag Halbkettenfahrzeugen von von Hartenstein so dicht wie möglich und überrollen den schwereren Widerstand, den die Russen entgegensetzten. Wir haben für diese Operation sechs Demag-Halbraupen mit 2- Zentimeter-Schnellfeuerkanonen gegen Luft- und Bodenziele als Verstärkung zugewiesen bekommen. Proviantbevorratung für fünf Tage und Abfahrt um 10.00 Uhr genau. Gibt es noch Fragen?“

Leutnant Mayer sah die um ihn gesammelte Mannschaft fragend an.

Otto Fuchs, der Kommandant des ´243`, meldete sich: „Ist die Stärke der Russen bei Roslawl bekannt, Herr Leutnant?“

„Die Schätzungen anhand der Luftaufklärungsbilder betragen zirka vierzehn Sowjet-Divisionen plus mehrere Panzereinheiten. Auch stehen noch neun Divisionen plus zwei Panzerdivisionen an der Nordflanke von Roslawl, bei Jelnja.

Aber seid beruhigt, die 3. Panzerdivision und mehrere Infanteriedivisionen unterstützen an unserer linken Seite den Angriff, während die Nordflanke durch die 7. und die 10. Panzerdivision gedeckt wird. Die fast zwanzig Sowjet-Divisionen, die östlich von Smolensk eingekesselt sind, werden mittlerweile von anderen Einheiten aufgeräumt. Im Prinzip sind die russischen Heere innerhalb dieser Einkesselung bereits geschlagen, also ist das Aufräumen ein Problem, das höchstens ein paar Tage kosten wird. Die Einheiten, die dort freikommen, werden an unserer Nordflanke eingesetzt.

Wenn es weiter keine Fragen gibt, könnt ihr wegtreten. Und denkt an die Kriegsfahnen auf den Fahrzeugen, sodass die Flieger unserer Luftwaffe erkennen, dass wir eigene Truppen sind, und wir nicht Opfer eines Angriffs durch unsere eigenen Stuka-Sturzkampfbomber werden. Jeder von euch weiß inzwischen bereits, was so ‘n Angriff anrichten kann.“

Während sie durch das nasse Gras zu ihrem Panzer zurückgingen, sagte Helmuth zu den anderen: „Ich denke, dass diese Tour gefährlicher sein wird als die ersten bewaffneten Aufklärungen, die wir unter dem Kommando von Hauptmann von Löwenburg und Leutnant von Hartenstein gemacht haben. Die Iwans sind jetzt viel besser auf unser Kommen vorbereitet, und es gibt Geschichten über russische Panzer, die besser als unsere wären.“

„Das stimmt“, unterbrach Sepp ihn, „Ich habe solche Panzer auf dem Bahnhof von Brest-Litowsk gesehen. Das waren Exemplare, die bei Dunaburg von der nördlichen Heeresgruppe erbeutet wurden und zur näheren Untersuchung per Bahn nach Deutschland gebracht wurden. Das waren schöne Modelle mit ganz breiten Raupenketten und schräg ablaufenden Panzerplatten, sowohl vorne als an den Seiten und am Heck. Sehr geeignet, um Granaten abprallen zu lassen. T-34 nannten sie die Dinge, und es soll eine 76-Millimeter-Kanone darauf montiert sein.“

Wolff reagierte erstaunt: „Allmächtiger Gott, das ist ein Stück schwerer als unsere eigene 50-Millimeter-Kanone. Wie sollen wir die Dinge um Gottes willen besiegen?“

Sepp zuckte die Schultern.

„Keine Ahnung, ich habe gehört, dass sie an der Rückseite und bei den Ketten verletzlich sind. Aber die Exemplare, die auf dem Zug standen, hatten sich im Sumpf festgefahren, und deshalb haben die Besatzungen sich ergeben.“

Mannfred lachte: „Wir werden sehen, wenn es soweit ist. Vorerst haben wir bisher nichts als minderwertige Panzer der Russen gesehen. Also so schlimm wird es wohl nicht kommen. Wenn der Iwan ordentliche Mengen hätte, hätte er diese längst massiv gegen uns eingesetzt.“

„Das stimmt auch wohl wieder“, gab Sepp zurück. „Wir sind bereits mehr als 700 Kilometer tief auf russischem Gebiet vorgerückt und haben eine ordentliche Menge kompletter Heere völlig aufgerieben. Wenn der Russe das hätte verhindern können, hätte er das längst getan und alles eingesetzt, was ihm zur Verfügung stand.“

Helmuth zuckte die Achseln: „Wir werden es merken. Bisher läuft es für unsere Kompanie besonderes gut, und wir wollen hoffen, dass das so bleibt, bis wir in Moskau stehen. Sorgt auf jeden Fall für ausreichend Wasser, Rationen Schokolade und Rauchwaren an Bord, denn Pause machen ist bei von Löwenburg ein unbekanntes Wort.“

Er legte seine Hand auf Wolffs Schulter.

„Uns zwei erwartet vorerst wieder eine schwere Aufgabe, während die anderen nichts Anderes zu tun brauchen als mitfahren. Es ist unehrlich verteilt in der Welt. Es sind immer die gleichen armen Schlucker, die im großdeutschen Heer die Dummen sind.“

Wolff grinste breit: „Mir macht es nichts aus, wenn wir nur rasch vorankommen. Ich habe genug von Russland gesehen, und möchte so schnell wie möglich zu meinem Mädchen in Leipzig zurück. Meine Träume von Großdeutschland sind längst ausgeträumt. Deutschland war meiner Meinung nach groß genug in dem Moment, in dem wir in Russland einfielen, und von meinem Verlangen nach ewigem Ruhm und einer Brust voller Medaillen bin ich auch geheilt.“

Mannfred kletterte an Bord und fing zu lachen an: „Natürlich, du Dreckstück! Du kannst es nicht erwarten, um zu sehen, ob die kleine Serviererin von dir geschwängert ist. Komm, Papa, starte die Kaffeemühle mal, sonst fährt der Leutnant weg, während wir hier noch herumschwatzen.“

Horst bauschte mit einem Grinsen das Thema noch etwas mehr auf. „Was du sagst, Mannfred. Wir nennen ihn weiter Papa! Das wird ihn bis zu seinem ersten Urlaub daran erinnern, dass er etwas vorsichtiger mit seiner Cindy umgehen soll.“

Lachend ließ er sich in seine Luke im Vorderdeck hinunter, aber Wolff fasste ihn mit einer schnellen Bewegung am Kragen.

Der viel stärkere Wolff zerrte den weniger robust gebauten Horst mit scheinbarer Mühelosigkeit aus der Luke wieder hoch.

„Nenn’ mich noch mal Papa“, sagte er drohend. „Das ist dann auch gleich das Letzte, was du in dieser Welt gemacht hast, und dann kannst du dich auch gleich als Jungfrau bei unserem Schöpfer abmelden.“

„Lass den armen Jungen nun nur ruhig in seine Luke hinunter“, lachte Mannfred.

„Für einen künftigen Vater hast du eine miserable Idee von der Erziehung von Kindern.“

Wolff brach in Lachen aus und ließ Horst los.

„Du bist diesmal von einem halbpolnischen Bauern gerettet worden, und das ist nicht gerade ehrenvoll für einen Soldaten des großdeutschen Heeres, dachte ich so.“

Spöttisch sah er Mannfred an, aber bevor dieser beleidigt reagieren konnte, hörten sie Helmuth bellen: „Beeilt euch, ihr Säcke, der Leutnant schaut uns bereits zu! Starten, und eure Plätze einnehmen!“

Punkt zehn Uhr erwachten nach der bekannten Armgebärde des Leutnants die schweren Maybach Panzermotoren brüllend zum Leben, und rollte die Kolonne in südöstliche Richtung aus dem Feldlager.

Die Hanomag Halbraupe von Hauptmann von Löwenburg gab das Tempo an und kurze Zeit später ließ die Kolonne die deutschen Linien hinter sich.

„Tempo halten und vor allem den Anschluss nicht verlieren“, krächzte die Stimme von Leutnant Mayer über das Bordfunkgerät. „Keine Munition verschwenden, wenn es nicht erforderlich ist, sodass wir nicht zu kurz kommen, wenn es spannend wird. Ende!“

Mannfred und Sepp saßen in den Luken an beiden Seiten des Geschützturms, während Helmuth auf dem Sitz des Kommandanten in der Turmluke stand, wodurch er ab seiner Taille aus dieser Kuppel herausragte.

Dies war sein erster Einsatz als Panzerkommandant.

Jetzt musste er sich beweisen.

Das Gefühl der Nervosität verdrängte er, indem er scharf auf die Gegend achtete.

Mit dem Verstreichen der Zeit und weil nichts passierte, nahm die Spannung ab. Helmuths Selbstvertrauen wuchs immer mehr und er war stolz auf seinen neuen Posten in der Kommandantenluke des Panzers.

Der Regen der vergangenen Nacht hatte dafür gesorgt, dass sie an diesem Tag keinen Ärger mit dem ewig aufwirbelnden Staub auf den russischen Straßen hatten, der von den deutschen Soldaten mittlerweile abgrundtief gehasst und verflucht wurde.

Hauptmann von Löwenburg ließ die Gruppe nach Süden abschwenken und hetzte zwei Stunden lang über Sandstraßen und quer durch Felder voller Sonnenblumen.

Die Kolonne donnerte Vollgas mitten durch eine Reihe russischer Dörfchen, wo die Einwohner sich rennend vor den gepanzerten Fahrzeugen in Sicherheit bringen mussten.

Grüppchen russischer Soldaten und Lkw wurden ignoriert wie auch das sporadische Infanteriefeuer.

Sie hetzten ohne Verringerung der Fahrtgeschwindigkeit, Feuer speiend, quer durch eine russische Nachschubkolonne, deren Soldaten panisch aus ihren Wagen sprangen und ins Feld rannten.

Zurückblickend sahen Mannfred und Sepp die aufsteigenden Rauchfahnen der in Brand geschossenen Sowjet-Lkw.

Als die Kolonne sich einer großen Straßenkreuzung näherte, wurde sie unerwartet von Panzerabwehrgeschützen unter Beschuss genommen.

Die Halbraupen und gepanzerten Radfahrzeuge drehten sofort ab, und fuhren links und rechts ins Feld.

„Panzerabwehrgeschütz! Panzer vor!“ krächzte es über das Bordfunkgerät.

„Ausschwärmen in Keilformation“, ertönte die Stimme von Leutnant Mayer. „Scherbengranaten laden!“

„Hast du gehört, Wolff?“ fragte Helmuth über die Wechselsprechanlage.

„Verstanden“, schrie dieser über den Motorlärm hinaus und lenkte den Panzer nach links, um dessen feste Position in der Formation einzunehmen.

Mannfred und Sepp hechteten in den Turm und warfen knallend die Luken zu.

„Scherbengranate geladen“, ertönte es von unter dem Turm her.

Helmuth sah angestrengt auf die Stelle, von der aus das Mündungsfeuer der Panzerabwehrkanonen aufblitzte.

Einige Panzerabwehrgranaten flogen heulend über die deutschen Panzer hinweg, aber ohne zu treffen.

Unwillkürlich duckte er sich, sodass er noch gerade über den Kuppelrand blicken konnte.

„Ziel auf elf Uhr, Distanz 500 Meter. Feuern erst, wenn ich den Befehl gebe!“

Fast gleichzeitig brach heftiges Maschinengewehrfeuer los, und Helmuth sah die Halbraupen von Hauptmann von Löwenburg links und rechts neben der Stellung der russischen Panzerabwehrkanonen auftauchen.

In voller Fahrt fuhren sie auf die Geschützstellung zu, während sie die russischen Kanoniere mit ihren schweren MG-34-Bordmaschinengewehren unter Beschuss nahmen.

Die total überraschten Russen waren nicht mehr imstande, ihr Geschütz rechtzeitig umzudrehen, um die leicht gepanzerten Hanomags beschießen zu können.

„Vollgas und nicht mehr feuern“, ertönte es über das Bordfunkgerät.

Wolff gab Gas, und etwas später rollten die schweren Panzer über die Geschützstellung, wobei sie die Panzerabwehrkanonen unter ihren Raupenketten zertrümmerten.

Die Panzer rollten mit einem knirschenden und krächzenden Geräusch von Metall auf Metall über die russischen Kanonen hinweg.

Zurückblickend sah er, dass die Panzerabwehrkanone von den schweren Raupenketten zu Schrott zermalmt worden war.

Von seinem Turm aus sah Helmuth auch, dass die letzten flüchtenden russischen Soldaten niedergemäht wurden.

„In Fahrformation und mir weiter folgen“, ertönte die Stimme von Leutnant Mayer über das Bordfunkgerät. „Wir fahren einfach weiter, die Panzergrenadiere holen uns wieder ein.“

„Tempo des Leutnants halten, Wolff“, gab Helmuth weiter. „Die anderen können hochkommen, die Luft ist wieder rein.“

„Geht in Ordnung“, reagierte Wolff von unten her.

Sepp holte die Scherbengranate wieder aus dem Verschluss der Panzerkanone und schob das Geschoss ins Regal zurück, während Mannfred seine Seitenluke wieder aufwarf und sich in die Öffnung setzte.

„Da haben die Panzergrenadiere mal ihr Unwesen getrieben“, brüllte er über den Motorlärm hinaus zu Helmuth.

„Sie haben die ganze Sowjetstellung durch das Flankenmanöver aufgerollt, sodass wir keinen Schuss abzufeuern brauchten.“

Helmuth grinste und hob zum Zeichen, dass er die Bemerkung verstanden hatte, seinen Daumen.

Sepp war auch hochgeklettert und reichte Helmuth eine Feldflasche, die dieser annahm und sofort halb leer trank.

Weil Reden wegen des Lärms fast unmöglich war, konnte nicht viel Anderes gemacht werden als die Gegend im Auge zu behalten.

Es dauerte nicht lange, bis die Hanomags des Hauptmanns vorbeirasselten und die Spitze der Kolonne wieder übernahmen.

Es war bereits spät am Nachmittag, als angehalten wurde und der Kommandant seine Offiziere zur Beratung zusammenrief.

Die Besatzungen verwendeten die Zeit sofort, um nachzutanken, den Ölstand zu prüfen und Schmierstellen zu kontrollieren.

„Mein Gott!“ rief Horst, der dabei war, die Raupenketten zu prüfen und zu schmieren. „Seht euch das mal an!“

Wolff und Helmuth gingen nach diesem Schrei auf Horst zu und sahen sofort, was er meinte.

Ein menschlicher Arm war bei einem der Laufräder zwischen der Aufhängung der Blattfedern eingeklemmt.

Helmuth bückte sich, um besser zu sehen: „Oh Mann, ist das scheußlich. Ich habe nie bemerkt, dass wir einen überfahren haben. Es muss einer der Geschützbesatzung der Kanone gewesen sein, die wir bei dieser Panzerabwehrstellung flachgefahren haben.“

Wolff machte ein angewidertes Gesicht: „Denkt nur nicht, dass ich diesen Arm herausstochern werde. Danke fürs Backobst!“

Mannfred und Sepp waren auf die bestürzten Kameraden zugegangen.

„Was macht ihr hier für einen Unfug?“ fragte Mannfred.

Horst zeigte auf den eingeklemmten Arm.

Sepp sah ihn mit einem Grinsen an: „Macht ihr deswegen so einen Heckmeck? Er bückte sich und zog den Arm mit einem kräftigen Ruck zwischen den Blattfedern hervor und zeigte ihn Mannfred, während er hochkam.

Dieser streckte seine Hand aus und nahm den Arm an.

„Echt ein Arm eines Sowjetsoldaten“, grinste er unbeirrt.

„Woran siehst du das denn?“ fragte Sepp, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Denn wenn wir ehrlich sind, ohne Uniformreste sind die Unterschiede zwischen einem Arm von uns und dem Arm eines toten Iwans ein bisschen schwer auszumachen.“

„Aber nein, Mensch, der Unterschied ist leicht zu sehen“, reagierte Mannfred. „Der Iwan hat nichts als Bauern und Landsknechte in seinem Heer und diese armen Schlucker tragen keine Uhren. Oder hast du etwa wohl mal einen deutschen Soldaten ohne Uhr gesehen?“

„Verdammt, da hast du recht. Dann ist dies einfach erbeutetes feindliches Material, und das soll man wie ein braver Soldat seinem Kommandanten übergeben. So sind nun mal die Vorschriften.“

Nur Mannfred bemerkte das Funkeln in den Augen von Sepps ausdruckslosem Gesicht.

Er verstand die Anspielung sofort und warf den Arm ohne Warnung zu Helmuth, der mit einem Schrei des Schreckens zurücksprang.

„Mieses Dreckstück, das hätte ich wissen können. Das werde ich dir noch mal heimzahlen.“

Auch der laut lachende Wolff bekam sein Fett ab. „Und das gilt auch für dich, du bist genau so ´n Dreckstück wie die beiden dort. Vor zwei Minuten fandst du das genauso scheußlich wie ich und wolltest du den Arm nicht mal wegräumen, aber jetzt lachst du am lautesten von allen.“

Mannfred und Sepp lachten immer lauter über Helmuths aufrichtige Empörung.

Sepp haute ihm auf die Schulter: „Reg’ dich nicht auf, Mensch, es wird wohl noch viel schlimmer werden, bevor dieser Feldzug vorbei ist. Wenn du wüsstest, was wir in Frankreich gesehen und erlebt haben. Im Vergleich dazu ist so ‘n Ärmchen nichts mehr als eine Kleinigkeit. Du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass ab und an halbe Menschen zwischen den Ketten hängen. Ich habe es in Frankreich innerhalb unserer Panzer riechen können, bevor ich sie sehen konnte, so viel Menschen- und Pferdefleisch war zwischen die Ketten gewalzt worden. Diesen Geruch nach ein paar warmen Tagen vergisst man nie wieder.“

„Er hat recht, Helmuth“, heuchelte Mannfred mit einem verschlagenen Grinsen. „Wir wollen die Arbeit fertigmachen, dann können wir noch kurz etwas essen, bevor wir weitermüssen. Ein Brötchen mit frischem Fleisch oder so!“

Helmuth gab auf: „Ihr seid wirklich irre. Und essen mag ich in diesem Moment überhaupt nicht mehr. Mit dieser Art von Idioten muss ich nun Tag und Nacht in einem kleinen Raum zusammenleben. Nicht zu glauben!“

„Wieso reichst du denn keine Klage bei Onkel Adolf ein? Dann bekommst du vielleicht einen größeren Panzer von ihm, mit einem separaten Schlafwagen dahinter“, lachte Sepp spottend.

Die Arbeiten waren gerade beendet, als Leutnant Mayer die Besatzungen zusammenrief.

„Hört, Männer“, fing er an, als sich der ganze Zug gesammelt hatte. „Mehr als ein halbe Stunde Ruhe, um etwas zu essen, ist nicht drin. Wir biegen nachher nach Osten ab und können dann schnell auf die ersten Verteidigungslinien vor der Stadt Roslawl stoßen. Bisher scheint dieser Weg ziemlich frei zu sein, und unsere Division ist bereits im Vormarsch. Aber wisst, dass um die Stadt herum starke Sowjeteinheiten liegen. Unsere Aufgabe ist es, die Stärke der russischen Verteidigung abzutasten, um eine Schwachstelle zu suchen. Unser Vorteil ist, dass sie uns hier noch nicht erwarten werden, und gar nicht aus dieser Richtung, weil wir uns der Stadt vom Südosten her nähern, und nicht vom Nordwesten her, wie es der Iwan erwartet. Die Absicht ist, Panik auszulösen, und deshalb soll möglichst viel Schaden herbeigeführt werden. Sobald der Widerstand zu groß wird, ziehen wir uns zurück und versuchen es an einer anderen Stelle. Die Vorhut der Hauptmacht befindet sich nur wenige Stunden hinter uns, und wir bekommen Luftunterstützung der Stukas. Esst und trinkt noch was, denn es kann ein ganz langer und vor allem schwerer Tag werden.“

Während Leutnant Mayer ging, ließen die Besatzungen sich ins Gras neben der Fahrbahn fallen, um etwas zu essen und zu trinken.

Sepp nahm einige tüchtige Schlucke aus seiner Feldflasche und blickte dem Leutnant nach.

„Wenn ihr mich fragt, erwartet er Probleme, und ich habe das Gefühl, dass es tatsächlich noch schwierig für uns werden wird, bevor dieser Tag vorbei ist.“

Helmuth zuckte die Achseln: „Nicht schwieriger als sonst, meine ich, und bis jetzt ist es nicht so schlimm gekommen. Unser Zug hat alles in allem nur zwei Panzer und zwei Mann verloren. Das ist nicht schlecht nach gut fünf Wochen Krieg. Wenn das so bleibt, können wir uns nicht beklagen, denn mit diesem Tempo sind wir in drei Wochen in Moskau.“

„Das wäre nicht schlecht“, seufzte Wolff. „Ich habe noch immer keine Post erhalten, und ich möchte eigentlich gern wieder nach Hause.“

Horst nickte beifällig: „Dafür bin ich auch zu haben. Ich habe diesen Krieg und dieses Leben in und unter einem Panzer satt.“

Mannfred lachte zu Sepp: „Wir aber noch nicht, was? Zuerst noch mal einige schöne Orden sammeln, um unsere Uniform zu schmücken, sodass die Mädchen uns daheim in Schwärmen um den Hals fallen. Dann noch mal in Moskau auf den Putz hauen und ein Skiurlaub im Ural, bevor wir nach Hause zurückkehren. Aber vor allem möchte ich, dass wir den Rest dieser verfluchten Roten Armee eliminieren und all diese verdammten Ostmenschen auf die andere Seite des Uralgebirges stoßen.“

Sepp rauchte genießerisch seine kleine Zigarre. „Ha, nach der Ausrottung der kommunistischen Gefahr als Held heimkehren, hört sich nicht schlecht an. Aber an noch mehr Orden habe ich keinen Bedarf. Das Eiserne Kreuz 1. Klasse ist für normale Menschen das Höchste, was sie erreichen können, und das habe ich. Ein Ritterkreuz ist nur den hohen Tieren vorbehalten, also das bekommen wir als gewöhnliche Soldaten nicht.“

Mannfred schüttelte den Kopf: „Da irrst du dich aber doch ein bisschen, mein Junge. Schau’ doch mal auf Helmuths Bruder. Der trägt auch das Ritterkreuz um seinen Hals, und der ist auch nur ein gewöhnlicher Leutnant bei der Luftwaffe.“

Sepp blickte überrascht auf Helmuth: „Stimmt das wirklich so?“

„Ja, mein Bruder hat tatsächlich das Ritterkreuz bekommen. Und der Führer hat es ihm in Berlin persönlich verliehen. Das war im vergangenen Monat, gerade einen Tag, bevor der Krieg mit Russland anfing.“

„Was für Besonderes hat er denn gemacht, dass er sich das verdient hat? So ´n Ding bekommt man doch nicht nur so geschenkt.“

„Ach, laut meinem Bruder Günther war das alles nicht so spannend. Er hat als Jagdflieger so um die 30 feindliche Maschinen heruntergeschossen, und das hat dann gereicht, um eins zu bekommen. Er fliegt zurzeit übrigens auch hier an der Ostfront, beim 51. Jagdgeschwader.“

Horst unterbrach Helmuth: „Der gleiche Bruder Günther ist mehrere Tage mit deinem früheren Chef hinter den russischen Linien umhergestreift.“

Sepp schaute überrascht drein: „Mit Michael von Losswitz? Seit wann rennen ein Waffen-SS-Mann und ein Flieger der Luftwaffe zusammen in feindlichem Gebiet herum? Wie ist das dann vor sich gegangen?“

Helmuth fing zu erzählen an: „Das ist eine besondere Geschichte. Von Losswitz war in feindliches Gebiet geraten und wurde von seiner eigenen Einheit abgeschnitten. Ganz alleine hat er dort während seines Rückmarsches zu unseren eigenen Linien ein bildhübsches russisches Soldatenmädchen aus den Händen des NKWD gerettet. Der NKWD ist der Militärgeheimdienst der Sowjets, sozusagen der rote Konkurrent unserer Gestapo. Zusammen mit dieser Puppe war er auf der Flucht vor dem NKWD, von dem er in kurzer Zeit zirka sechs Mitglieder eliminiert hatte.

Mein Bruder landete sehr zufällig mehr oder weniger an der gleichen Stelle, wo sich die zwei versteckt hatten, als er mit seinem Messerschmidt-109-Jäger wegen Motorpanne eine Notlandung machen musste.

Kaum auf dem Boden sah er zwei Lkw mit Sowjetsoldaten auf sich zukommen, und nahm die Beine in die Hand in Richtung der Hügel. Und von dort aus fing dann einer an, die Sowjets aus großer Distanz Stück für Stück abzuknallen, sodass mein Bruder diesen Leuten entkommen konnte. Und der Schütze war, wie sich herausstellte, von Losswitz mit seinem Mädchen. Nach Ansicht meines Bruders war sie das hübscheste Ding, das er je gesehen hatte. Nachdem sie zusammen einige Tage vor den NKWD-Truppen auf der Flucht gewesen waren, gerieten sie in eine Klemme, mehr oder weniger eingekesselt.

Mein Bruder wurde fortgeschickt, um sich selbst zu retten und um Hilfe zu holen, während Von Losswitz und das Mädchen den Kampf mit den Russen aufnahmen, um ihm eine Chance zu geben, zu entkommen.

Es war seine Absicht, dass das Mädchen mit meinem Bruder mitgehen sollte, aber sie weigerte sich und wollte unbedingt zusammen mit ihm sterben.

Mein Bruder wurde Stunden später von Maschinen seines eigenen Geschwaders entdeckt, und unsere Abteilung wurde in feindliches Gebiet geschickt, um ihn zu retten. Und am nächsten Tag wurden die beiden anderen auch geortet, als das 51. Jagdgeschwader nach ihnen suchte. Sie wurden unversehrt von einem kleinen Fieseler-Storch Verbindungsflugzeug aufgeschnappt und zur Basis gebracht. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die beiden im letzten Kampf alle dreißig NKWD-Männer getötet hatten.“ (siehe “Kanonenfutter“)

„Nicht zu glauben“, reagierte Sepp, „Aber soweit ich Michael kenne, glaube ich diese Geschichte ohne Vorbehalt. Ich hatte euch erzählt, dass ich zusammen mit ihm mein Eisernes Kreuz 1. Klasse in Frankreich verdient habe. Dieser Bursche fürchtet weder Tod noch Teufel und hat nach mir ewig einen Schutzengel auf der Schulter. Das war übrigens eine schöne Geschichte. Vielleicht begegnen wir ihm binnen kurzem noch mal. Wie es verlautet liegt meine alte Einheit, die zweite Waffen-SS Panzergrenadierdivision ´Das Reich` seit kurzem nicht so weit von hier im Frontbogen bei Jelnja. Das ist in der Luftlinie nur dreißig Kilometer von uns entfernt. Also ist es nicht wirklich unmöglich, dass ich ihm demnächst in die Arme laufe.“

Der schrille Ton von Leutnant Mayers Pfeife machte dem Gespräch ein Ende, und jeder sprang auf. Das Zeichen zum Aufbruch! Sie rafften blitzschnell ihre Sachen zusammen und kletterten an Bord des Panzers. Der Lärm der schweren Motoren und der rasselnden Raupenketten begleitete die Soldaten auf ihrer weiteren Fahrt tief in feindliches Gebiet. Die Sonne war mittlerweile am strahlend blauen Himmel hochgeklettert und hatte die Straßendecke getrocknet, sodass eine enorme Staubwolke die Position der Kolonne für jeden in der Gegend klar sichtbar machte.

Frontschweine

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