Читать книгу Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen - Lotta Liebich - Страница 7

Kapitel 4:

Оглавление

Was ist richtig und was falsch? Kann oder sollten wir in puncto sexueller Begegnungen alle dieselben Verhaltensmuster an den Tag legen? Obwohl doch jeder seine eigenen moralischen Vorstellungen hegt und nur nach seinen Regeln vorzugehen bereit ist. Nämlich nach denen, die ihm als vertretbar erscheinen, als gesellschaftlich geboten.

Allein schon durch die Erziehung, Mentalität und Kultur sind die Vorstellungen darüber, wie die Sexualität ausgelebt werden sollte, von klein auf in der Persönlichkeit manifestiert. Eine einhellige Meinung kann es demnach nicht geben und damit ist zwangsläufig vorprogrammiert, dass so manch gebrochenes Herz auf der Strecke bleibt.

Zu raten brauchen wir nun nicht, welches der beiden Geschlechter häufiger leidtragend ist oder sich vielleicht auch nur gern in der Opferrolle sieht.

***

Das Dolce war heute zur Mittagszeit wieder recht gut besucht, was sicherlich den besonders leckeren Salaten und tollen Pastagerichten geschuldet war.

Leni, Isabelle, Emma, und Jezna hatten einen Platz an einem der kleinen Fenster gewählt, was zumindest den Blick auf die vorübereilenden Füße irgendwelcher Passanten zuließ, die mit großen Schritten versuchten, dem Regen zu entkommen. Immerhin lag kein Schnee mehr auf den Straßen und Wegen, trotzdem drückte das typisch nasse Aprilwetter allgemein die Stimmung.

Emma jedoch konnte auch das keinen Abbruch tun. Verträumt lächelnd saß sie mit am Tisch und verrührte den Milchschaum mit ihrem Kaffee, was sie sonst nie tat. Sie hasste es, wenn sie ihn nicht mit dem Löffel genüsslich abschöpfen und herunterschlürfen durfte.

»Im Ernst jetzt Jezzy, dazu bin ich echt nicht fähig! Also so ganz ohne verliebt zu sein Sex mit jemandem zu haben, das funktioniert bei mir nicht«, Isabelle griff nach dem Zuckerstreuer und süßte ihren Tee: »Ich hab es zwar schon versucht, ich kam dabei aber nicht.«

»Bist trocken geblieben oder was?« Jezna legte das Kinn in die Handfläche und stützte den Ellbogen auf der Tischplatte ab.

»Nein, soweit hat es ja geklappt. Dann aber war ich plötzlich hellwach, konnte mich nicht fallenlassen, dachte an alles Mögliche, nur nicht an das, was ich hier grad tat. Ich war halt nicht verknallt in ihn. Nichts regte sich mehr und ich wollte nur, dass er ihn wieder aus mir rauszieht.«

Alle am Tisch sahen Isabelle an. Der kurze Moment der Stille wurde unterbrochen, als der Kellner das Essen vor ihren Nasen abstellte.

Jeznas Augenbrauen zuckten heftig beim Anblick dieses ansehnlichen Mannes und Leni schaffte es gerade noch die Hand ihrer Freundin zur Seite zu schlagen, bevor sie klatschend auf der apfelförmigen Rückenverlängerung des jungen Kerls landete. Unbeschadet ging er weiter und die Freundinnen kicherten hinter vorgehaltenen Händen. Mit Ausnahme von Isabelle, die die Situation nicht mitbekommen hatte und die Aufmerksamkeit ihrer Mädels gleich wieder auf das eigentliche Thema zurücklenkte: »Deswegen hab ich ihm dann was vorgestöhnt, damit er schneller fertig wird.«

»Wann und mit wem war das?« Leni wurde neugierig.

»Ach, vor einiger Zeit eben mit irgendeinem Typ, den ich mal kennengelernt habe.«

»Etwa der, der sich hier im Dolce bei der `Best of Music´ Veranstaltung an dich rangemacht hat?«

Isabelle antwortete zunächst nicht, als sie die fragenden Blicke der Freundinnen jedoch nicht abschütteln konnte, da nickte sie.

»Hey, das darf doch nicht wahr sein. Wieso hast du dem was vorgemacht? Den hätte ich einfach aus dem Bett rausgeschmissen.« Jezna schüttelte ungläubig den Kopf. »Wenn es der Kerl nicht bringt, bin ich kurz angebunden.«

»Ich konnte ihn nicht aus seinem eigenen Bett schmeißen«, sagte Isabelle kleinlaut.

»In dem Fall hättest du ja aufstehen, dich anziehen und gehen können.« Jezna mischte energisch ihren Salat durch und verwandelte die schön drapierten roten und grünen Blattsalate, Gurken, Mais mit Putenstreifen und Croutons in einen unansehnlichen Wulst. »Jetzt mal nüchtern betrachtet, Mädels, ist die Anfangszeit nicht die beste? Da muss man ja nicht einmal verknallt sein. Die Phase, wenn wir einen Kerl mit echter Leidenschaft anschauen. Dann, wenn uns schon fast was abgeht, sobald wir nur die Beule in der Hose sehen? In der Zeit wirkt sein Lächeln noch erotisch. Die Lippen machen uns an und wir denken daran, wie er uns damit immer mal wieder bearbeitet hat. Später verlieren sie ihre Wirkung, erinnern nur an eine Öffnungsklappe für Burger und Döner.« Jezna redete ganz beiläufig weiter und steckte sich zwischendurch ein Stück Baguette zwischen die Zähne. »Irgendwann hat man doch alle Stellungen an verschiedenen Plätzen ausprobiert, spätestens zu dem Zeitpunkt ist der Reiz endgültig verflogen. Und was bleibt noch übrig? Gar nichts, oder?« Jezna sah in die nachdenklichen Gesichter: »Oder nicht? «, setzte sie hart nach.

»Aber da fängt es doch erst an, schön zu werden. Sobald ich Vertrauen zu meinem Partner habe, kann ich mich richtig gehenlassen.« Leni lächelte verlegen.

»Ach was! Wenn du einen Kerl abschleppst, von dem du weißt, dass du ihm wohl kaum nochmals über den Weg laufen wirst, bist du erst recht bereit dich hemmungslos zu geben. Du kannst schreien, kreischen, ihn beißen und zerkratzen, weil es dich nicht scheren muss, was er von dir denkt. Mehr Freiheit und Offenheit beim Ficken gibt’s gar nicht mehr!« Jezna sah in die Runde und betrachtete Leni belustigt, die lautstark und offensichtlich pikiert über die Wortwahl ihrer Freundin die Gabel in den Teller fallengelassen hatte. Mit einer Serviette rieb sie nun den Griff des Bestecks wieder sauber und stocherte peinlich berührt in ihrem Salat.

»Ohne Prickeln geht aber auch bei mir nichts!« Emma schob sich ein Gurkenstück in den Mund.

»Darauf musst du doch nicht verzichten«, gab Jezna kauend zurück. »So ein Prickeln hab ich immer, das hat wohl kaum was mit Gefühlen zu tun, nur mit meinen Hormonen und fühlt sich nicht weniger gut an.«

Leni rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. Als sie nach dem Salz greifen wollte, stieß sie die Essigflasche um und die braune Flüssigkeit ergoss sich über Jeznas Salat. Diese mischte nochmals beherzt ihr Essen durch und aß einfach weiter.

Leni überlegte kurz, bevor sie erneut ansetzte: »Ich war ja ewig mit Tom zusammen und hatte nach ihm noch keinen. In den ganzen zwei Jahren nicht. Darum weiß ich nicht, ob mir ein One-Night-Stand gefallen könnte. Ich kann das überhaupt nicht abschätzen, wie ich auf einen völlig Fremden reagieren würde.«

»Hey, das ist jetzt aber nicht dein ernst? Wie hältst du das aus?« Jezna riss entsetzt die Augen auf. »Ich bin davon ausgegangen, dass du zwischendurch immer mal wieder jemanden hast, dass du eben nur nicht darüber reden möchtest.«

Ein Schulterzucken war alles, was sie darauf zur Antwort bekam.

»Was ist nun eigentlich mit diesem Kerl vom letzten Sommer? Den kennst du ja auch nicht richtig, mit ihm würdest du es aber sicher tun wollen, wenn du die Gelegenheit hättest, oder Leni?« Isabelle sah ihre Freundin verschmitzt an.

Leni mochte es nicht besonders, darüber zu reden und doch kam ihr kleines Geheimnis unweigerlich zur Sprache, als sich die Freundin nach Oliver erkundigte. Nach dem Mann, den sie im vergangenen Juli zusammen mit Jezna und Sofi auf einem Rockfestival in Düsseldorf kennen gelernt hatte.

Auch wenn er das Gegenteil von dem war, was Leni sonst gefiel, konnte sie gar nicht anders, als sich sofort Hals über Kopf in ihn zu verlieben. Erst recht, nachdem sie sich miteinander unterhalten hatten und er trotz seines sehr männlichen Erscheinungsbildes eine gewisse Verletzlichkeit preisgab.

Leni zeigte sich, wie sie es eben immer schon gewesen war, zu schüchtern, um sich weiter auf ihn einzulassen. Die Bekanntschaft verlief sich genauso schnell im Sand, wie sie begonnen hatte. Trotz allem dachte sie an ihn. Ständig tat sie dies und sie fieberte heute bereits dem Tag entgegen, an dem sie wieder zu diesem Rockfestival würde fahren dürfen.

Emma war es jetzt, die nicht locker ließ. Selbst wenn Leni lange schon nicht mehr von diesem Oliver gesprochen hatte, konnte sie nicht glauben, dass er inzwischen abgehakt war. Die Freundin musste nur feinfühlig genug herangehen, um ihr die Zunge zu lösen.

»Vielleicht habe ich im Juli die Chance das rauszufinden, ob ich mehr von ihm will. Oder er von mir. Irgendwie. Dann, wenn ich wieder hinfahre. Ach Mädels, ich hoffe so, dass er da sein wird, aber diese blöde Ungewissheit, ob er nun kommt oder nicht, das halte ich einfach nicht mehr aus.«

»Klar hoffst du, dass er kommt, aber auch, wenn er da ist, dass er auf dich anspringt!« Emma klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Holztisch.

»Dass er da ist und DICH anspringt!« Schlussfolgerte Jezna breit grinsend.

Auch wenn alle lachten, spürte Isabelle, dass es Leni unangenehm war, darüber zu reden, weil sie mit einem erzwungenen Grinsen dasaß, ihre roten Wangen in die Handflächen legte und an die Wand hinter Emma starrte.

»Mit Matthias würde ich sogar ins Bett kriechen, wenn ich nicht so verknallt in ihn wäre. Da ist er aber eine Ausnahme«, lenkte Isabelle gekonnt vom Thema ab. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und strich sich über den vollen Bauch. »Er hat einfach was Besonderes an sich. Könnt ihr das verstehen? Irgendetwas, das mich fast willenlos macht. So fühlt es sich zumindest an, sobald ich nur an ihn denke.«

»Tja und schon bist zur Nacktschnecke geworden, und ihr habt es noch nicht einmal miteinander getrieben«, Jezna zog die Augenbrauen hoch.

»Wann trefft ihr euch denn endlich?« Leni schlug nervös mit dem Feuerzeug auf die Tischplatte, rhythmisch und nervend für alle um sie herum.

»Er hat mich noch nicht um ein Date gebeten:« Isabelle griff sich ans Ohr und spielte daran, wie sie es immer tat, wenn sie verlegen war.

»Der legt aber ein lahmes Tempo vor.« Weiter klackerte Leni auf das Holz, weswegen ihr Jezna auf die Hand klatschte und der Freundin das Feuerzeug zwischen den Fingern hervorzog. Geräuschvoll packte sie es zur Seite: »Geh eine rauchen, wenn du nervös bist, aber hör damit auf!« und sie wies mit dem Kinn auf den Anzünder.

»Nö, jetzt gehe ich noch nicht! Ich versuche doch zu reduzieren«

»Lahmes Tempo, das kannst du wohl sagen«, fuhr Isabelle dazwischen. »Er hat mir ja noch nicht einmal eine Nachricht geschickt, seit dem Abend, an dem wir uns kennengelernt haben«, frustriert verzog sie den Mund.

»Wie jetzt?«

Unter Lenis Blick spürte Isabelle deutlich, wie es ihr das Blut in den Kopf trieb. »Ja, nee!«

»Was heißt da `Ja, nee!´?« Auch Emma war völlig entgeistert.

»Hat mir noch nicht geschrieben«, flüsterte Isabelle in ihr Teeglas, das sie soeben frisch nachgefüllt erhalten und sich schnell vor die Lippen geführt hatte. »Verdammt!«, sie drückte den kühlen Handrücken gegen ihren Mund, »heiß!«

Einen kurzen Moment saßen die vier Frauen schweigend da, bis Emma mit einem Ruck aufsah und Jezna musterte: »Aber jetzt mal zu dir, du redest immer von Kurzzeitbeziehungen und einmaligen Sachen, bist aber schon längere Zeit mit Patrick zusammen. Das passt doch irgendwie nicht, Jezzy!«

»Ich hab noch nie was gegen Beziehungen gehabt, auch nicht gegen das Zusammenwohnen, solange klar ist, dass es nichts Endgültiges ist«, gab diese zurück. »Patrick den mag ich. Auf irgendeine Art. Zumindest teile ich ganz gern mit ihm das Haus. Sex haben wir nur selten, vielleicht alle paar Monate einmal. Dann ist da noch Tobias. Er sieht einfach geil aus. Ich wäre ja saublöd, wenn ich die Gelegenheit nicht nutzen würde, mit ihm immer mal wieder zu vögeln, solange ich ihn reizvoll finde. Er hat einen guten Körper und ist verdammt, ich sag mal überraschend im Bett. Verknallt bin ich jedenfalls nicht in ihn.« Jezna nippte an ihrem Kirschsaft und schüttelte den Kopf und dies selbst dann noch, als sie ihr Glas wieder abgestellt hatte. Für den Geschmack ihrer Freundinnen ein wenig zu nachdrücklich, was die Behauptung betraf, so ganz und gar nicht in Tobias verliebt zu sein.

»Vor einigen Jahren hattet ihr zwei aber schon eine Beziehung. Deshalb ist es zwischen euch vertraut, auch das mit dem Sex. Tobias zählt also nicht«, entgegnete Emma.

»Es gibt aber haufenweise andere Typen, die ich abends kennenlerne und eine Stunde später landen wir im Auto oder auf dem Klo der Bar. Solange sie mir gefallen und sie sympathisch sind, ist das doch okay, oder nicht? Das hat gar nichts mit Liebe zu tun. Trotzdem ist es in den meisten Fällen richtig geil!«

Fast schon ehrerbietend sah Leni zu Jezna hinüber. Kurz noch blieb sie sitzen, schnappte dann, zunächst blind auf dem Tisch tastend ihre Zigarettenschachtel und das Feuerzeug und stand schweigend auf, um das Lokal für einige Minuten zu verlassen.

***

Am Spätnachmittag fläzte sich Isabelle in ihren Sessel vor dem Bücherschrank und packte sich in eine Decke ein. Einen Moment lang überlegte sie und drückte dann die Schnellwahltaste am Telefon. Es klingelte nur wenige Male, bis sie eine Frauenstimme hörte.

»Japp!«

»Sofi? Hast du Zeit?«

»Hallo Isa, wenn ich nicht extra aus Chemnitz anreisen muss, dann schon. Was ist denn los? Du hörst dich aufgeregt an.«

»Ich hab da zwei Sachen, erstens: Die Stelle beim Schönheitschirurgen habe ich bekommen und ich kann bald dort anfangen!«

»Hey Glückwunsch! Das ist doch …«

»Ja ja, ist toll. Ich weiß! Zweitens: Ähm, was soll ich machen? Matthias hat mir heute Nachmittag einen Blumenstrauß geschickt. Das erste Lebenszeichen, seitdem wir uns kennengelernt haben.«

Sofi musste in ihrer gewohnt mütterlichen Art lachen: »Das ist klasse, Süße! Ist das nicht der, den du kürzlich zusammen mit Emma getroffen hast, ja?«

»Richtig. Aber schön ist das nicht, weil ein kleiner Brief an einer der Rosen befestigt war.«

»Und? Was stand drin?«

»Da stand: Möchtest du mich wiedersehen?«

Sofi lachte erneut. »Genau das ist es doch, was du willst!«

»Ja! Nein. Nicht jetzt. Nicht so schnell zumindest.«

Isabelle klang fast schon verzweifelt. »Ich habe mich gar nicht darauf vorbereitet, noch nicht einmal telefoniert haben wir miteinander.«

»Dachtest du, wenn er wirklich Interesse an dir hat, dass das so weitergeht und ihr auf ewig nur aneinander denkt? Irgendwann muss er doch Kontakt aufnehmen, falls er sich nicht auf ein Zufallstreffen verlassen will.«

»Stimmt schon. Aber mir hat zurzeit die Vorstellung ausgereicht, dass da jemand ist, der mir gefällt und dem ich vielleicht gefallen könnte. Ohne Verpflichtungen.«

»Ich glaube kaum, dass dir das auf Dauer reichen würde. Wenn es dir zu schnell geht, dann mach dich einfach ein bisschen rar. Ich geh mal davon aus, dass du seine Nummer bekommen hast, dann ruf ihn einfach an oder schreib ihm eine Kurznachricht und sag ihm, wie sehr du dich gefreut hättest, dass du aber noch etwas Zeit brauchst. Dabei gehst du nicht konkret auf die Verabredung ein, lehnst sie aber auch nicht ab. Du hast es doch in der Hand, wann ihr euch trefft, Isa.«

Das klang gut. Gut und beruhigend. Isabelles Atmung verlangsamte sich zusehends und ihr Kopf ließ es wieder zu, dass sie sich einer anderen Sache zuwendete: »Was hat sich bei dir inzwischen getan, Sofi?«

»Mit wem meinst du?«

»Mit diesem Feuerwehrtypen?«, gab die Freundin neugierig zurück.

»Hör mir nur mit dem auf!«

»Warum das denn?«

»Ich sag nur: Ein Feuerwehrmann, dessen Schlauch leckt und dann den Dienst versagt, der dürfte nicht wirklich zweckentsprechend sein und muss ausgemustert werden.«

Isabelle lachte allein bei der Vorstellung, wie entsetzt die Freundin geschaut haben musste, als der nicht gar so feurige Recke wider Erwarten die Flügel streckte.

»Im neuen Negligé habe ich mich ihm präsentiert, das ich extra für ihn gekauft habe. Und teuer war es noch dazu. Jedenfalls habe ich mich auf meinen übergroßen weißen Kissen geräkelt, spielte mit meinen Locken, machte Fischlippen, sexy wulstige Fischlippen wohlgemerkt und was hat er gemacht? Zog mir den Slip runter, knutschte mich dabei ab und kratzte mit seinen Bartstoppeln an meinem Hals entlang. Frag mich nicht, wie er das geschafft hat, seinen Gürtel zu öffnen, obwohl er mit vollem Gewicht auf mir lag. Trotzdem hat er sich die Hose irgendwie runtergezerrt. Gleich darauf hat er wie ein Aal gezappelt. Ich dachte mir noch, dass er jetzt mit dem Vorspiel beginnt …«

»Aber?«

» … aber nicht mal eine Minute später hat er ihn mir reingesteckt.«

»Ist nicht dein Ernst?«

»Wenn ich es dir sage! Vielleicht drei- oder viermal hat er noch gezuckt, japste und zerquetschte mich fast mit seinen 85 Kilo. Erst da war mir klar, dass wir gerade mittendrin und gleich wieder fertig gewesen waren. Alles, was ich davon hatte, war ein völlig verkleckerter Bauch und ein versautes Negligé.«

»Tatsächlich leck! Hat er nicht gefragt, wie gut er war?« Isabelles Stimme versagte vor Lachen den Dienst und auch Sofi konnte kaum noch antworten.

»Keine Ahnung. Wenn, dann muss es im Keuchen und Japsen untergegangen sein. Glaub mir, solche Geräusche hast du noch nie gehört.«

»Den triffst du sicher nicht nochmals.«

Sofi machte eine theatralische Pause: »Ihn nicht mehr treffen? Und mir dieses hocherotische Erlebnis entgehen lassen? Niemals!«

***

Nervös lief Isabelle in ihrer Wohnung auf und ab, nachdem sie das Gespräch mit Sofi beendet hatte. Sie ging zur Toilette, obwohl sie keinerlei Drang verspürte, wusch sich immerzu die Hände, öffnete den Kühlschrank und zog das eine oder andere Joghurt, verschiedene Wurst- und Käsepäckchen hervor, um alles gleich wieder ins Fach zurückzuschieben. Ihre Hände schwitzten und unweigerlich spürte sie am rasenden Herzschlag und an diesem fast unerträglichen Schwindelgefühl, dass sie kurz davor war, aus den Schuhen zu kippen.

Isabelle nahm allen Mut zusammen, griff nach ihrem Mobiltelefon, setzte sich in ihren Sessel zurück und schwang die Beine über die Armlehne. Sie atmete einige Male tief ein und aus, ehe sie WannaZapp öffnete, um hier die Nummer von Matthias aufzurufen.

Der Chatverlauf war gähnend leer. Umso wichtiger war es jetzt, diesen mit etwas Einprägsamen zu beginnen, deshalb überlegte sie intensiv und kaute sich dabei den Daumennagel ab.

Noch ehe sie es sich versah, tippte sie schon ein paar Worte und löste den Sendeknopf aus. Einfach so geschah dies, völlig ungewollt und Isabelle erschrak, als sie den geschriebenen Satz dort stehen sah: »Samstag, 19:00 Uhr. Möchtest du mich abholen?«

Entsetzt schnellte sie von ihrem Sessel hoch und raufte sich das Haar: »Nein, nein, nein, wie kann ich das löschen?« Heftig schlug sie sich dabei gegen die Stirn.

Ihre Nachricht war bislang ungelesen, denn er war nicht online und das beruhigte Isabelle. Vielleicht würde sie sich aus diesem Schlamassel wieder retten können, wenn sie nur wüsste, wie dies möglich war, sobald sie in Erfahrung gebracht hatte, wie alles rückgängig zu machen war.

Warum machte sie genau das Gegenteil von dem, was sie wollte, fragte sie sich unentwegt und ließ sich zurück in den Sessel plumpsen. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit auf das Telefon und schloss WannaZapp. Dann drückte sie die Schnellwahltaste und wackelte ungeduldig mit dem Fuß, als sie das Freizeichen vernahm. Gefühlte hundert Klingeltöne lang wippte sie weiter auf und ab, bis sie endlich Sofis Stimme hörte.

»Hey Süße, ist noch was?«

»Wie lösche ich eine Nachricht in WannaZapp?«

»Gar nicht?! Was ist passiert?« Sofi hörte sich belustigt an.

»Ich hab ihm für Samstag zugesagt. Das Date, du weißt schon.«

»Das ist doch gut! Weshalb möchtest du es denn wieder löschen?«

»Ich will das nicht, ich kann nicht. Das geht wirklich nicht!« Isabelle klang verzweifelt.

»Isa, man kann es nicht entfernen. Denk einfach so: Dein Bauch hat für dich entschieden, darum mach dir keine weiteren Gedanken ob es richtig ist oder falsch. Du wartest jetzt ab, was er zurückschreibt.«

Isabelle schwieg, ließ für einige Momente die Vorstellung auf sich wirken, sich am Samstag mit ihm zu treffen und beendete dann eilig das Gespräch.

Sie wollte nur zurückkehren zu WannaZapp, zu Matthias und zum Chat, der bislang noch immer recht einseitig verlaufen war.

Verträumt sah sie sich sein Profilbild an und lächelte, denn der Schäferhund darauf trug ein gepunktetes Halstuch und wirkte, als würde er breit grinsen. Das stimmte sie etwas zuversichtlicher, schließlich schien Matthias Hunde ebenso sehr zu lieben, wie sie selbst.

Erneut beschleunigte sich ihr Puls, als sie den vor wenigen Minuten geschriebenen Satz anschaute, erst recht, als Matthias online ging. Das Pumpen in ihrer Brust setzte plötzlich einen Schlag aus, vielleicht sogar zwei, denn er schrieb. Dies zumindest stand in der Statuszeile. Mit geweiteten Augen sah sie auf die Worte, die sich gleich darauf an ihre reihten:

»Hallo Isabelle, sehr gern. Ich freue mich auf dich.

Haben dir die Blumen gefallen? «

Ohne weiter darüber nachzudenken, antwortete sie ihm:

»Danke, sie sind wunderschön und

stehen auf meinem Esszimmertisch. Wie

geht es dir? «

Matthias: Ich bin jetzt nicht mehr so nervös. Bevor du geschrieben hast, wusste ich ja nicht, wie du reagieren würdest.

Isabelle: Ehrlich gesagt war ich auch nervös. Ich war mir nämlich nicht sicher, ob ein Date richtig ist.

Matthias: Was hat dich davon überzeugt, dass wir uns treffen sollten?

Isabelle: Mein Bauchgefühl :)

Matthias: Ich mag deinen Bauch!

Isabelle: :D

Matthias: Was hält dein Bauch von Spaziergängen? Und von Hunden?

Isabelle: Ich mag beides!

Matthias: Wie wäre es dann, wenn wir uns noch vor unserem ersten Date zu einem Spaziergang treffen, naja, in Begleitung eines Anstandsherren. Vielleicht morgen Mittag? Am See?

Isabelle stockte kurz. Er fühlte sich gut an, dieser Gedanke, sich vorher schon zu treffen, ganz zwanglos und vor allem am helllichten Tag, noch dazu in Begleitung.

Isabelle: An wen denkst du, wenn du einen Anstandsherrn mitbringen willst?

Matthias: An meinen Hund Stew.

Sie brauchte nicht lange abzuwägen. Ein großes, deutliches Ja mitsamt fröhlichem Smiley war schnell in die Tastatur gehämmert und sie lächelte glücklich, als sie nochmals den Chatverlauf durchlas.

***

Das World Wide Web war in der Tat ein Füllhorn an Informationsquellen. Deshalb musste es doch möglich sein, dass Leni herausfand, wo sich Oliver aufhielt, wo und wie er lebte, wer er war.

Doch egal wie viele der Bilder sie auch vom letzten großen Rockkonzert in Düsseldorf durchkämmte, die von verschiedenen Fans und Besuchern auf den unterschiedlichen Plattformen online gestellt worden waren, nirgends konnte sie ihn ausmachen. Auf keinem fand er sich.

Leni blätterte weiter, entdeckte erneut eine Fan-Page, die eine Vielzahl toller Fotografien beinhaltete. Sie zuckte mit den Schultern, öffnete den entsprechenden Ordner in der linken Spalte und scrollte alles in Windeseile durch.

Immer wieder lachte sie, wenn sie sich an den einen oder anderen Platz erinnerte, wo sie ihr Zelt stehen hatten, wo sie gemeinsam mit all den fremden Leuten gefrühstückt oder sich in der Schlange der Wartenden um den nächsten freiwerdenden Platz für die Dusche prügeln wollten. Es war fantastisch gewesen. Spannend, unterhaltsam und sie durften neue Menschen kennenlernen, mit denen sie sich bereits wieder für den kommenden Juli verabredet hatten. Am gleichen Ort, zur gleichen Zeit, nur eben ein Jahr später.

Leni hielt inne, klickte doppelt auf eines der Bilder und schob dann den Kopf näher zum Bildschirm. Sie war sich sicher, dass sie hier einen der Freunde von Oliver erkannte. Er trug ein T-Shirt, schwarz war es mit weißer Aufschrift. Angestrengt zog sie die Augen zu Schlitzen und versuchte zu entziffern, was auf der Brust des zierlichen Mannes geschrieben stand. »Biker ...« Sie schüttelte den Kopf. »Verdammt ... Biker ... Ludwigsburg?.« Sie konnte sich fast sicher sein, dass Oliver in der Nähe seines Freundes wohnte, und durfte dies doch tatsächlich als kleinen Fortschritt verzeichnen. Es war nur zu ärgerlich, dass sie ihren Herzensmann im vorigen Jahr nicht ausgefragt hatte, weil es ihr wieder einmal so ungemein schwergefallen war, sich auf das zu konzentrieren, was er zu erzählen hatte. Im Kampf gegen das nervositätsbedingte Pochen in den Ohren war sie natürlich nicht mehr imstande gewesen, eigene Fragen auszuformulieren.

Inzwischen war es tief in der Nacht und Leni entschloss sich zwar dazu, ins Bett zu gehen, war aber mitnichten dazu bereit gleich einzuschlafen. Stattdessen legte sie sich das Laptop auf den Bauch und recherchierte weiter.

Wenige Minuten später jedoch war sie dabei weggedämmert. Sie drehte sich um und das Gerät rutschte ihr vom Leib, blieb auf der Seite hochkant neben ihr im Bett stehen. Nur kurze Zeit darauf verdunkelte sich der Bildschirm, als das Laptop in den Standby Modus schaltete und sich ebenfalls in die Tatenlosigkeit verabschiedete.

Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen

Подняться наверх