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Kapitel 1: Schwere Geburt
Am Sonntag den 19.10.1941 wurde ich während des zweiten Weltkriegs nachts kurz nach zwei Uhr geboren. Zwischen meinem zweiten und vierten Lebensjahr weinte und brüllte ich aus Zorn anscheinend einige Male so sehr, dass ich Atemstillstand bekam. Meine Mutter war Säuglingsschwester und konnte mit meinem respiratorischen Affektkrampf umgehen, sie hielt meinen Kopf unter kaltes Wasser, um den Krampf zu lösen. Mein Vater war im April 1944 gefallen und meine Mutter hatte kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs, alleine die Verantwortung für ihre drei Kinder. Meine Schwester und mein Bruder erinnern sich an meinen letztmaligen Affektkrampf, den ich mit dreieinhalb Jahre hatte, als wir, wie jeden Sonntag zu Fuß zur pietistischen Stunde gingen. Meine Geschwister waren dachten, ich könnte am Affektkrampf sterben, wenn meine Haut blau anlief und ich nicht mehr atmete. Meine Mutter nahm mich auf den Arm und rannte zu einem Brunnen. Als Wasser über meinen Kopf lief, atmete ich wieder. Meine achtjährige Schwester dachte, Gott hätte mir wohl einen aufmerksamen Schutzengel zugeteilt, damit mein Leben nicht als Kleinkind enden würde. Als ich siebzehn wurde, erzählte meine Mutter: „Mein lieber Louis, du bist mein Wunschkind, deine Geschwister waren Wunschkinder von meinem Mann und mir. Als ich in einer Vollmondnacht deinem Papa sagte, ich wünsche mir ein drittes Kind, sagte er, unser Nazideutschland führt einen Krieg gegen die ganze Welt und wird ihn sicher verlieren. Ich bin als Prokurist der Firma derzeit noch u.k. (unabkömmlich) gestellt. Leider wird Hitler mit seinen Naziarmee, jeden Mann für seinen Krieg brauchen, deshalb kann ich meine Familie nicht mehr lange begleiten. Es wäre unverantwortlich, unserem Kind diese schreckliche Welt zuzumuten. Ich hatte Gottvertrauen und schwindelte meinen Mann an, als ich ihm sagte, mein Liebster, du hast wahrscheinlich nicht aufgepasst, meine Periode ist ausgeblieben, antwortete dein Papa, dann hat Gott entschieden und wird auch meinem dritten Kind einen aufmerksamen Schutzengel zur Seite stellen. Dein lieber Papa wusste nicht, dass ich geschwindelt hatte und was für einen Schutzengel der liebe Gott für dich aussuchen musste. Als ich schwanger wurde bat ich Gott, mir einen Sohn zu schenken. Als meine Wehen Samstagnachts einsetzten, schlug ein Blitz, bei einem fürchterlichen Herbstgewitter, ins Transformatorenhaus und hüllte unser Dorf in tiefe Dunkelheit. Dein Papa radelte durch die Gewitternacht zur Hebamme. Mein Mann brachte mit der Hebamme alle Kerzen in unser Schlafzimmer. Als du geboren wurdest, hattest du die Nabelschnur um deinen Hals gewickelt und warst blau angelaufen. Die erfahrene Hebamme schlug dich mehrmals kräftig auf den Po. Als ich dich endlich leise wimmern hörte und die Hebamme mein Söhnchen in meine Arme legte, waren dein Papa und ich, mitten im Krieg, unendlich glücklich. Im flackernden Kerzenlicht konnte ich mein süßes Baby kaum sehen. Du hast als Sonntagskind bei romantischem Kerzenlicht das Licht der Welt erblickt. Morgens als deine Geschwister in mein Schlafzimmer kamen, freute sich unsere Familie über unser süßes Baby. Deine Schwester war besonders stolz, weil sie ein Brüderchen zum Geburtstag bekam. Sie hielt dich im Arm und wollte dich nicht mehr in mein Bett legen. Denke bitte in schwierigen Zeiten dran, dass du mein Wunschkind bist und ich Gott dankbar bin, dass dein aufmerksamer Schutzengel dich begleitet. Deine Schwester war sehr vorsichtig mit dir, sie sagte, mein Brüderchen ist Kriegsware, wir müssen achtsam mit ihm umgehen, damit es nicht kaputt geht.“ Meine Mutter lächelte, als sie daran dachte, und erzählte weiter: „Louis, weißt du, Kriegsware war damals ein stehender Begriff, für Waren und Produkte, die oft defekt und instabil waren. Während des Kriegs waren fast alle deutschen Männer in Hitlers Weltkrieg. Es gab Millionen von Zwangsarbeitern, die in unseren Fabriken arbeiten mussten. Heute wissen wir, dass Juden, Kriegsgefangene unter schrecklichen Bedingungen in unseren Fabriken arbeiteten. Sie wurden geschlagen, litten Durst und Hunger. Deshalb ist es verständlich, wenn sie in den Fabriken keine hochwertigen Produkte erzeugen wollten oder konnten.“ Meine Mutter wurde am 06.11.1910 in Stuttgart als achtes Kind geboren, sie wurde 84 Jahre alt und starb am 14.7.1993. Meine Schwester, Dörte, wurde am 21.10.1936 in einer Klinik in Stuttgart geboren, sie ist fünf Jahre älter als ich. Mein Bruder, Michael, wurde am 04.07.1938 in einem kleinen Schwarzwalddorf geboren, er ist drei Jahre älter als ich. Mein Vater wurde am 18.04.1908 geboren, er ist im April 1944 mit 36 Jahren gefallen, an ihn habe ich leider keine bewusste Erinnerung.
Meine Erinnerungen beginnen in Larenbuch, einem Schwarzwalddorf mit etwa 4000 Einwohnern, davon waren 85 Prozent katholisch. Obwohl die Kirchensteuer in unserer Bundesrepublik damals noch nicht von Finanzämtern eingezogen wurde, waren Kirchen mächtiger als heute. Wenn Katholiken und Protestanten heirateten, wurde von Mischehen gesprochen. Unsere Familie war evangelisch mit pietistischen Wurzeln und deshalb in der Diaspora des Dorfes. Meine liebevolle Mutter konnte ihre drei Kinder in den Kriegs- und Nachkriegszeiten mit damaliger kleinen Kriegswitwen- und Waisenrente, mit Hamstern und einem geringen Zusatzverdienst der Kirche einigermaßen ernähren. An zwei Schulen unterrichtete sie evangelische Religion und am Sonntag Kinderkirche. Da ich ohne Vater aufwuchs, liebte ich meine Mutter und meine Geschwister. Durch den frühen Tod ihres Mannes fehlte meiner Mutter ein Partner, der in schwieriger Nachkriegszeit, die Verantwortung mit ihr teilte. Sie besprach deshalb fast alles mit meiner zwölfjährigen Schwester, die damals früh Verantwortung für unsere Familie mit meiner Mutter teilte. Meinem elfjährigen Bruder, wurde ebenfalls früh Verantwortung übertragen. Als kleiner Junge ging er, bei den uns bekannten Bauern alleine Hamstern, was mit Betteln gleichzusetzen war. Viele Bauern kannten unsere Familie durch die Glaubensgemeinschaft mit pietistischer Stunde. Deshalb kannten sie auch meinen Bruder, der mit Rucksack und Milchkanne, Wege bis zu fünfzehn Kilometer ging, um mit Milch, Brot, Mehl und Eier zurückzukehren. Meine Erinnerungen beginnen mit der Nachkriegszeit, an Kriegszeiten kann ich mich nur noch schemenhaft erinnern, als wir eines Nachts mit Kleidung und Schuhen ins Bett gingen, weil Larenbuch am Kriegsende verteidigt werden sollte. Glücklicherweise wurde unser Dorf nicht verteidigt. Als Französische Soldaten mit Panzern, Lastwagen und Infanterie in unser Dorf kamen, hatten die Einwohner weiße Leintücher aus den Fenstern gehängt. Ich meine, mich an meinen toten Vater zu erinnern, wie er in der Friedhofskapelle aufgebahrt im offenen Sarg lag.
Eine der wichtigsten Tätigkeiten der Nachkriegszeit bestand, in meinen Erinnerungen, aus Hamstern. Ich war für diese Tätigkeit noch zu klein. Oft war meine Mutter unterwegs beim Hamstern, manchmal mit Dörte, manchmal mit Michael und manchmal mit Dörte und Michael. Es gab Zeiten, an denen sie mehrere Tage unterwegs waren. Unser Bundesland war in Besatzungszonen eingeteilt. Für deren Verlassen musste bei der Kommandantur ein Passierschein beantragt werden. Wenn meine Mutter mit meinen beiden Geschwistern unterwegs war, nahm mich die Familie auf, die im oberen unsers dreistöckigen Hauses wohnte. Es war ein Ehepaar mit einer Tochter, die etwas älter war, als meine Schwester. Ich fand Hamstern spannend, denn ich wusste nie, wann Mutter wieder zu Hause war, um ihre Hamstersachen auspackte. Ich war noch zu klein und sorgte mich noch nicht. In meiner Erinnerung lebten wir weitgehend von Kartoffeln, Kraut und Rüben. Rüben aß ich, trotz Hunger, nicht. Brot und Teigwaren waren seltene Genüsse, weil Mehl zu Lebensmitteln gehörte, die nur mit Lebensmittelmarken zu kaufen waren. Es wurde bei allen knappen Produkten, die man auf Lebensmittelmarken erhielt, betrogen. Skandale wurden nur als Dorftratsch bekannt. In die Presse gelangten sie nicht, weil es keine freie Presse gab. Rundfunkanstalten wurden von Besatzungsmächten kontrolliert, deshalb wurden Skandale verschwiegen. Damals waren wir weit entfernt von der Pressefreiheit, die uns heute selbstverständlich ist. Heizmaterial im Schwarzwald bestand vorwiegend aus Holz. In unserer Familie wurde nur die Wohnküche beheizt. Heißes Wasser gab es in einem sogenannten Schiff, einem Behälter, der in Herd eingelassen war und vom Holz- oder Kohlefeuer erhitzt wurde. Es wurden im Laufe eines Jahres, soweit ich mich erinnern kann, fünf Meter Holz gesägt, gespalten und auf den Dachboden in einem Korb mit einem Seil über ein Rad, das am Dachfirst befestigt war, hochgezogen und aufgeschichtet. Viel Zeit wurde mit Holzspalten verbracht. Menschen verfügten damals über viel Zeit, weil viele Menschen arbeitslos waren. Hausbewohner halfen sich gegenseitig beim Holzspalten und beim Aufschichten. Einmal jährlich kam ein Holzsäger, der mit einer traktorähnlichen Kreissäge die Holzstämme zersägte. Mein Bruder und ich spalteten mit dem Beil auf einem Spaltklotz die zersägten Stämme zu Holzscheiten. Unser Holzsäger war Pfälzer und hatte eine Dorfbewohnerin geheiratet. Er war ein „Reingschmeckter“ und sprach pfälzisch, was ich lustig fand. Da seine Säge schon alt war und er gerne pfälzischen „Äppelwei“ trank, hat er sich mit seiner alten Kreissäge mehrmals in Arm, oder in die Hand gesägt. Sein Schutzengel, bewahrte ihn von einer Amputation.
Unsere Familie lebte in einer drei Zimmerwohnung im Parterre. Mutter und Dörte schliefen im Doppelbett des ehelichen Schlafzimmers. Meine Mutter hatte unsere Möbel aus der Schreinerei und Möbelfabrik ihres Vaters die vor dem Krieg im Stuttgart Westen lag. Unsere Möbel waren Massiv und nicht, wie heutige Möbel furniert. Die Schlafzimmermöbel waren aus rötlichem Kirschbaumholz mit einem großen Schrank, einem Doppelbett, einem sogenannter Waschtisch mit Schubladen und einem großen Spiegel. Mein Bruder und ich hatten gemeinsam ein Zimmer mit zwei Betten, einem Tisch, einem Schrank, zwei Stühlen und einem Waschtisch mit Marmorplatte. Unsere Möbel waren weiß. Unser Wohnzimmer mit dunklen Eichenholzmöbeln wurde selten genutzt. Es hatte einen Kachelofen, ein braunes Plüschsofa, einen Sessel, einen ovalen Tisch, den man durch Ausziehen vergrößern konnte und sechs Stühle, ein Buffet und einen Bücherschrank mit einem Geheimfach. Ein Ölgemälde mit einem hässlichen, röhrenden Hirsch, das ein Freund meines Vaters gemalt hatte, hing an der Wand. In unserer Familie spielte sich das Leben in der relativ großen Wohnküche ab. Ein großer Herd, der ständig beheizt war, weil auf ihm Essen gekocht wurde, stand beim Schornstein in einer Ecke. In der Küche hatten wir ein Sofa, einen großen Tisch mit vier Stühlen und einer Bank, die man aufklappen konnte, um Dinge zu verstauen, die selten gebraucht wurden. Ein hellgelbes Küchenbuffet mit Glasschiebetüren, ein Regal über dem Herd und einen Wasser- oder Spülstein, der aus Stein war und dem einzigen Wasserhahn der Wohnung. Unsere Mietwohnung gehörte einem Hausbesitzer, der alleine den mittleren Stock bewohnte. Er arbeitete, nach dem Krieg, wie die meisten Menschen aus unserem Dorf, in einer Uhrenfabrik der nahen Stadt. Die meisten Arbeiter gingen die vier Kilometer zu Fuß. Nur wenige hatten ein Fahrrad. Unser Hausbesitzer war meist mürrisch und unzufrieden. Ich kannte ihn durch die Barzahlung der Miete. Unser Hausbesitzer war an Werktagen erst abends zu Hause. Wir mussten deshalb nur sonntags leise sein. Werktags durften wir zu Hause spielen und toben. Als ich etwas älter wurde, lebte ich in ständiger Angst um meine Mutter. Da wir Halbwaisen waren, fürchtete ich, unserer Mutter könnte etwas zustoßen. Ich erfuhr, dass wir als Waisenkinder und Geschwister, getrennt von Verwandten aufgenommen würden. Ich kroch deshalb jahrelang, wenn ich nachts aufwachte zu meiner Mutter ins Bett. Meine Mutter wachte dabei kaum auf und lies mich im Halbschlaf in ihr Bett schlüpfen. Ich denke, Kriegs- und Nachkriegszeit mit verunsicherten Erwachsenen trugen dazu, dass Kinder oft unsicher und ängstlich waren. Im Gegensatz zu Theorien von Psychologen über gefährdete Kinder, war ich weder verschüchtert noch zurückhaltend, sondern eher ein „Lausbub“ und „Gassenkind“. Ich kletterte auf Bäume und ignorierte Verbote, die meine Mutter aus Sorge aussprach. Es gab Kinder, mit denen ich nicht spielen sollte, da meine Mutter schlechte Einflüsse befürchtete. Ich spielte mit allen Kindern. Ich mochte als Kleinkind Tiere und hatte keine Angst vor Hunden, Pferden oder Kühen. Es gefiel mir, Hunde und Katzen am Schwanz festzuhalten. Ich weiß nicht, warum mich kein Hund gebissen hat. Manchmal warf ich einen Stein nach einem Pferd, obwohl mein Bruder mir erzählte wie lieb die Tiere wären, die den Wagen der Bauern ziehen würden. Meine Schwester erzählte, dass ich, als dreijähriger Junge, wenn ich mit ihr einkaufte, andere Kinder oft fröhlich angelacht und gestreichelt hätte um sie plötzlich zu kneifen. Anscheinend riefen manche Kinder, die mich sahen: „Der Klemmer kommt!“ Ich weiß heute nicht mehr, warum ich Kinder kniff, oder Pferden Steine warf und Hunde am Schwanz festhielt.
Unsere Mutter stammte aus Stuttgart und die Familie meines Vaters kam aus der evangelischen Region des nördlichen Schwarzwalds. Mutter war in unserem Dorf eine sogenannte „Reingschmeckte“. Es gab in unserer Gemeinde nur einen katholischen Kindergarten, den eine katholische Schwester mit Helferinnen leitete. Da viele Kinder diesen Kindergarten besuchten, sagte unsere Mutter: „Wir sehen ihn uns mal an.“ Ich war fünf Jahre alt, als meine Mutter mich anmeldete. Schwester Irmgard hatte ein rotes Apfelgesicht, sie war nach meiner kindlichen Schätzung vielleicht Mitte vierzig. Das weite schwarze, fast bodenlange Kleid, gehörte zur Schwesterntracht. Die weiße Schwesternhaube, die nur das Gesicht freiließ verstärkte ihr rotes Apfelgesicht, sie endete mit zwei weißen Flügeln auf dem Rücken. Die Tracht war schwer und warm, denn die arme Schwester schwitzte im Sommer stark und roch unangenehm. Die vier Helferinnen waren zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt. Meiner Mutter gefiel der Kindergarten, sie sprach mit der Kinderschwester und einer Helferin und sagte sie zu mir: „Es wird dir bestimmt gefallen, die Schwester und ihre Helferinnen sind sehr nett.“ Schon damals erkannte ich, dass meine Mutter die meisten Menschen nett fand. Im Gegensatz zu meiner Schwester, sah meine Mutter Menschen meist unkritisch. Mit meiner Schwester unterhielt ich mich oft über Aussehen von Menschen und ihre Macken. Unser Lästern gefiel Mutter nicht. Ich kam in die Gruppe älterer Kinder, die Tante Helga betreute. Tante Helga war etwa 20 Jahre alt, hatte rote Haare und eine helle Haut mit Sommersprossen. Ich hatte damals ebenfalls Sommersprossen. Ihre weiße Haut erinnerte mich an Schneewittchen, aber die roten Haare waren eher die einer Hexe. Für eine Hexe war sie zu hübsch, weil Märchenhexen bekanntermaßen hässlich sind. Mir gefiel unsere Kindertante mit ihrer angenehmen Stimme, die zum alemannischen Dialekt passte, den ich zu Hause kaum sprechen durfte. Bei der Anmeldung sah sie mich mit ihren blauen Augen an, zog ihre Augenbrauen hoch und sagte: „Louis, du passt in meine Gruppe, denn ich habe nur vier Jungs und zwölf Mädchen. Du bist wohl ein kleiner Lausbub. Frau Lautr, ich mag ihr Büble, manchmal muss i a Weng schtreng sei, weil mir so viel Kinder sind.“ Sie strich mir über die Haare und drückte mich an sich. Ich roch sie gerne und freute mich, dass ich in ihrer Gruppe kam. Meine Mutter lächelte und sagte: „Ich habe nichts gegen eine strenge Hand. Sie haben recht, mein Louis ist ein lieber Lausbub.“
Als ich nachmittags pinkeln musste, schickte mich die Kinderschwester mit Tante Helga zur Toilette. Als Tante Helga meinen Penis halten wollte, sagte ich: „Tante Helga, ich kann alleine pinkeln.“ Sie sagte: „Louis du wirsch sicher nebe d' Rinne pinkle.“ Ich fühlte mich schon groß und antwortete: „Weisch Tante Helga, i kann mit meim Schprenzerle scho gut ziele.“ Sie hielt, obwohl ich es nicht wollte, meinen Penis und pinkelte gezielt neben die Rinne. Ich fragte: „Tante Helga, warum hen sie mit meim Schprenzerle jetzt danebe pinkelt?“ Sie antwortete: „Des wirsch glei säh, on no wirsch künftig nimme meine, dass du älles allei köntesch.“ Als wir in Spielraum zurückkamen, erzählte Tante Helga: „Dr Louis hat allei pinkle wolle und neber d‘ Rinne pinkelt.“ Ich war entsetzt und erzählte, wie es wirklich war. Die Schwester, die etwas dick war, stand schwerfällig auf, ging mit Tante Helga und mir zur Toilette, sah sich die schmutzige, stinkende Toilette an, atmete schwer und sagte: „Helga, du musch die Kerle, nicht allei pinkle lasse, du siehsch doch, dass sie die Rinne nit treffet un den Boden voll saichet, Helga, jetzt musch den Kerle in Schtrafraum bringe.“ Im Strafraum erzählte ich der Schwester erneut die Wahrheit und war fassungslos, weil sie mir nicht glaubte. Tante Helga sah mich an, lächelte und sagte: „Louis, hätsch halt uf mi g’hört un nit überall nagsaicht, dann müsst ich dich jetzt nit schtrafe.“ Sie zog mir die Hose runter und legte mich über ein altes Sofa. Ich wehrte mich und strampelte. Schwester Irmgard fragte: „Helga, kasch du den Kerle allei schtrafe, oder muss i dir helfe.“ Tante Helga packte mich im Genick und sagte lachend: „I ka en scho schtrofe, wieviel Schläg soll er kriege?“ Die Schwester sah mich an und sagte: „Ha mindeschtens zehn.“ Als ich mit Tante Helga alleine war, hielt sie meinem Penis fest und sagte: „Du sotsch di nit wehre, sonsch tut's viel ärger weh.“ Ich brüllte und weinte als Helga mir meinen nackten Po versohlte. Sie fragte: „Kasch du uf zehn zähle, no fangsch glei an, nit dass du z'viel Schläg kriegsch.“ Als ich zehn schrie, wollte ich aufstehen. Tante Helga sagte: „Jetzt mache mir a Paus, die Schläg waret für's nebe s‘Klo saiche, jetzt kriegsch nomol zehn, weil du dr Schweschter gsait hasch, i hät dein Schprenzerle g'halte on damit danebe g‘saicht.“ Ich schrie: „Aber es hat doch gschtimmt.“ Tante Helga sagte: „Aber des wisset bloß mir zwei, im Kindergarte gilt immer des was i sag.“ Dann bekam ich zusätzliche Schläge und war entsetzt, weil ich schuldlos bestraft wurde. Ich weinte und fasste meinen Po an. Helga sah mich an, lächelte und sagte: „On damit du künftig tust, was i sag, kriegsch no zwei uf dei Sprenzerle, mit dem wir nebe d' Rinne gsaicht hän. On jetzt leg dich da her.“ Ich sagte ihr unter Tränen: „Aber i han doch nit geloge:“ Helga sagte: „Louis du bisch verstockt, soll i di nomal verhaue?“ Helga hatte einen Schuh ausgezogen, stand mit ihrem Fuß auf meinem Geschlecht und schlug mich erneut. Ich brüllte: „Es tut fürchterlich weh!“ Als wir zurückkehrten waren alle Kinder mäuschenstill. Tante Helga begleitet mich zur Toilette, ich musste mit einem Lappen und einem Eimer die Toilette reinigen. Ich unterdrückte Ekel und Brechreiz. Tante Helga beobachtet mich, wenn sie dachte, ich würde trödeln, traf sie mit ihrem Fuß meinen gestriemten Po. Die Fliegen der stinkenden Toilette setzten sich in mein Gesicht und an meine Beine. Mit einem Fußtritt, traf Tante Helga mein Geschlecht und sagte: „Gel do kriegsch große Auge, han i grad mit meim Fuß deine Eier erwischt, hat‘s weh do?“ Als wir in Spielraum kamen und alle Kinder mich ansahen schämte ich mich, weil Tante Helga meinen Penis festgehalten hatte und weil mich Schwester Irmgard nackt sah. Ich war unschuldig und fühlte mich beschmutzt und schuldig, weil niemand meine Unschuld glaubte. Ich hörte, wie sich die Helferinnen und die Kinderschwester über mich unterhielten. Die katholische Schwester sagte: „Vielleicht sind evangelische Kinder besonders verstockt, weil sie ihre Sünden nicht beichten.“ Als meine Mutter mich abholte, erzählte Schwester Irmgard: „Heut hat ihr Louis gelogen und war sehr verstockt.“ Meine Mutter glaubte Schwester Irmgard und war traurig. Ich war zornig auf die Schwester und Tante Helga. Um meine Mutter nicht trauriger zu stimmen, entschuldigte ich mich bei Tante Helga, lächelte sie freundlich an und sagte: „Ich gehorche künftig.“ Tante Helga küsste mich und sagte: „Frau Lautr, i mag ihr'n Louis, er isch meischtens lieb, on sei Verschtocktheit vergesse mir glei wieder, weil er sich so lieb entschuldigt hat.“ Kapitel 2: Hiebe ohne Liebe
Ich hatte an diesem Tag etwas für mein künftiges Leben gelernt. Seit damals kann ich Zorn und Wut unterdrücken und Menschen freundlich, lächelnd gegenüber treten. Als fünfjähriger nahm ich mir vor, mich für die Schläge und Demütigungen zu rächen. Mein unterdrückter Zorn sollte nicht umsonst gewesen sein. Rache, die ich nie vergaß und auf eine günstige Gelegenheit wartete, begleitete mich mein ganzes Leben. Meine Mutter sagte: Louis, ich bin sehr traurig, weil du die nette Kinderschwester und die Helferin belogen hast.“ Ich konnte meiner Mutter nicht erklären, dass ich die Wahrheit sagte. Um meine Mutter nicht trauriger zu stimmen, gab ich etwas zu, was ich nicht getan hatte und wofür ich nichts konnte. Meine Mutter sagte: „Du siehst, es ist oft besser, wenn man etwas zugeben kann. Es hat Tante Helga und mich sehr gefreut, dass du dich so lieb und nett bei ihr entschuldigt hast. Ich werde für dich beten, damit du künftig nicht mehr verstockt bist.“ Ich umarmte meine Mutter und sagte: „Künftig bin ich nicht mehr verstockt.“ Ich glaubte, der liebe Gott, der alles wusste, würde mir helfen. Er, Tante Helga und ich kannten die Wahrheit. Meine Mutter, die mich auch manchmal mit Schlägen strafte, war entsetzt, als sie abends die Spuren der Bestrafung sah. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine Kindergärtnerin ein Kind gerne bestrafen würde. Meine Mutter begleitete mich anderntags in Kindergarten und sagte: „Mein Louis möchte sich auch bei Schwester Irmgard entschuldigen.“ Ich lächelte Schwester Irmgard an und entschuldigte mich. Tante Helga umarmte und küsste mich. Als Junge, der gerne schmuste, gefiel mir Tante Helgas Kuss. Ich küsste sie zurück und biss sie ein wenig. Sie sah mich erstaunt an. Für meine Mutter war sie eine besonders nette Kindertante. Unsere Familie, mein Vater und meine Mutter kamen aus pietistischen Familien. Bei uns wurde mehrmals täglich gebetet, auch vor und nach dem Essen. Abends vor dem Einschlafen betete meine Mutter mit uns Kindern, wie sie sagte, aus dem Herzen, das heißt sie trug unserem lieben Gott ihre und unsere Sorgen vor und bat ihn um seine Hilfe. Als sie an diesem Abend Schwester Irmgard und Tante Helga in ihr Gebet einschloss und Gott bat, er möge mich auf den rechten Weg führen, dachte ich, ein Blitz müsse den Kindergarten treffen. Für mich war klar, dass der liebe Gott, der alles wusste und alles sah, erkannte was man mir im Kindergarten angetan hat. Als nichts geschah, zweifelte ich erstmals an Gottes Allwissenheit und Gerechtigkeit. Ich überlegte, ob Gott vielleicht ein Schlitzohr wäre, der Tante Helga, mit roten Haaren als schöne Hexe erschaffen hätte. In meinem Abendgebet machte ich ihn erneut darauf aufmerksam und erklärte ihm ausführlich, dass es in dem Lied: „Weißt du wie viel Sternlein stehen“ doch eine Strophe gebe, die besagt, dass er auch wüsste „wie viele Kindlein morgens aus ihren Bettlein aufstehen, die er alle gezählt hätte.“ Ich fragte ihn, ob er sich verzählt und mich vergessen hätte und bat ihn von den vielen Englein, die jeden Abend um mein Bettchen stehen würden, mir eines in Kindergarten mitzugeben. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr alleine zu sein, sondern einen seiner Engel neben mir zu fühlen. Trotz des Engels, der mich begleitete, geschah im Kindergarten nichts Besonderes. Gott und seine Engel hatten wohl gerade keine Zeit. Deshalb musste ich mir selbst etwas einfallen lassen. Ein Vikar sagte mal in seiner Predigt: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“ Meine Rache würde ich nicht vergessen. Ich wartete auf eine Gelegenheit und sagte mir immer, wie langsam Gottes Mühlen malen. Ich überlegte, was ich tun könnte. Einen Monat später fand ich auf der Straße einen alten, abgebrochenen und abgenutzten Hufnagel, den mir wohl Gott gezeigt hat. Ich wusste, wenn Dreck und Schmutz in eine offene Wunde käme, würde sie eitern, deshalb drückte ich den abgebrochenen Hufnagel in einen Pferdeapfel, packte ihn in eine alte Zigarettenschachtel und steckte ihn in meine Hosentasche. Ich ging in den nahen Wald, suchte einen Baum mit frischem Harz, und bewahrte es ebenfalls in der Zigarettenschachtel auf. Ich überlegte lange, ob ich mich mit dem Nagel an Schwester Irmgard, oder an Tante Helga rächen sollte. Ich bat abends den lieben Gott um Entscheidungshilfe. Um mir Gehör zu verschaffen, dankte ich ihm zunächst für den Hufnagel. Dann bat ich ihn, mir bei der richtigen Entscheidung zu helfen. Als ich morgens aufwachte hatte ich vom lieben Gott keine Antwort und musste alleine entscheiden. Ich fand Tante Helga, obwohl sie sicher die größere Schuld an meiner Strafe hatte, sehr nett. Sie hatte einen hübschen Po und es hätte mir leid getan, wenn sie sich in den schmutzigen Nagel gesetzt hätte. Ich dachte, Schwester Irmgards Schuld, als Leiterin des Kindergartens würde vor Gott schwerer wiegen. Deshalb plante ich, Rache an Schwester Irmgard zu nehmen. Als ich das Gefühl hatte, dass Gott für mich entschieden hätte, schlief ein. Ich ging morgens etwas früher in Kindergarten und war einer der ersten. Tante Inge hatte die Türe schon aufgeschlossen. Ich klebte den abgebrochenen Hufnagel, der vielleicht noch eineinhalb bis zwei Zentimeter lang war, mit dem frischen Harz vorsichtig auf den Stuhl von Schwester Irmgard. Der Nagel war noch sichtbar, weil er kaum Rost angesetzt hatte, deshalb fügte ich Pferdemist aus meiner Zigarettenschachtel hinzu. Ich zog den Stuhl etwas unter dem Tisch vor, damit sich Schwester Irmgard, ohne den Stuhl zu bewegen, setzen konnte. Der Mist bedeckte den Nagel und auf dem braunen Holzstuhl konnte man ihn kaum erkennen. Ich freute mich auf Schwester Irmgard und dankte meinem Schutzengel, dass es niemand gesehen hatte. Als ich mich umdrehte erschrak ich, Rosanna hatte mich beobachtet und sagte: „Louis, i verschprech dir, bei tausend Todsünde, und meim Lebe, dass ich dich nie verrat. I dät mi saumäßig freue wenn die mit ihrem fette Arsch do nei hocke dät.“ Geteilte Freude ist doppelte Freude und Schadenfreude ist die schönste Freude. Rosanna setzte sich neben mich und sagte: „Louis, du musch deine Händ wäsche, weil se nach Rossbolle schtinket.“ Als ich auf der Toilette meine Hände gewaschen hatte, holten wir Papier und Farbstifte und malten. Tante Helga fragte Louis, warum lag unter deim Tisch gestern Papier? Ich muss dich vielleicht wieder bestrafen, wenn du dein Platz nicht aufräumsch. Rosanna sagte: „Wahrscheinlich isch mir das Papier runter gefalle, dr Louis kann nix dafür.“ Rosannas Worte überraschten Tante Helga, vielleicht wollte sie mich bestrafen. Tante Helga sah uns an und wollte etwas erwidern, als Schwester Irmgard sich hingesetzt hatte und mit einem lauten Schrei aufsprang. Meine Rache war erfolgreich! Ich hätte am liebsten geklatscht. Rosanna fasste unterm Tisch meine Hand und sagte leise: „Gut dass niemand sieht, wie mir zwei uns freuen.“ Wie beschrieben, hatte die katholische Schwesterntracht ein langes, schwarzes etwas steifes Kleid mit Falten im Rock. Das Harz war ein idealer Klebstoff, denn es hielt den Nagel auf dem Stuhl, bis die Schwester sich hinsetzte. Der gestärkte Rock ließ den Hufnagel durch den Stoff gleiten, deshalb war nicht zu erkennen, dass Schwester Irmgard einen Nagel im Hintern hatte. Sie schrie: „Mi hat was gschtoche, des duat so wai, es war vielleicht a Horniss.“ Tante Helga und Tante Inge gingen mit Schwester Irmgard ins Strafzimmer. Ich freute mich, dass die Schwester im Strafzimmer, in dem viele Kinder Schmerzen ertrugen, auch ihre Schmerzen ertragen musste. Ein Hufnagel ist ein vier cm langer, geschmiedeter Nagel, der keilartig spitz zuläuft und bei dem das Pferd den Nagelkopf, beim Laufen auf der Hufe, etwas abschleift. Deshalb drang der abgebrochene, etwa eineinhalb Zentimeter lange Hufnagel, in den Hintern oberhalb des Oberschenkels ein, nur die blutende Stelle war zu sehen. Tante Inge rief den Arzt an. Er konnte den Nagel zunächst nicht finden und wollte die Kindergartenschwester ins Krankenhaus bringen. Sie weigerte sich und bat Dr. Ralwor sie zu behandeln. Dr. Ralwor ein typischer Landarzt, der damaligen Zeit, ließ sich von seiner Frau assistieren und operierte den Nagel raus. Ich dankte abends dem lieben Gott, dass ich mich, mit seiner Hilfe rächen konnte. Anscheinend hatte sich die Wunde entzündet, deshalb musste die Kinderschwester eine Woche zu Hause bleiben. Ich erzählte Rosa leise: „Weisch, i han den Hufnagel im Rossbolle umdreht, vielleicht eitert deshalb jetzt dr Schweschter ihr Arsch.“ Rosanna wurde meine Kindergartenfreundin und sagte: „I find des ganz toll, woher hasch du des gwußt?“ Ich konnte nicht antworten, weil Tante Helga an unsern Tisch kam. Nach einer Woche kam Schwester Irmgard wieder in Kindergarten und fragte jedes Kind, ob es etwas über einen Hufnagel wüsste, oder gesehen, oder erfahren hätte, wer den Nagel auf ihren Stuhl gelegt hätte. Rosanna war lange bei der Befragung. Ich hatte schon Bedenken. Als sie raus kam und mich ansah, schüttelte sie ihren Kopf um anzuzeigen, dass sie nicht gepetzt hatte. Schwester Irmgard saß in einem Sessel auf einem dicken Kissen, sicher tat ihr Hintern weh. Sie fragte mich und blickte mir in die Augen. Ich hatte früh gelernt zu lügen, ohne rot zu werden und konnte Menschen dabei in die Augen sehen. Gleichzeitig konnte ich rasch Ausreden und Geschichten erfinden. Bei der Befragung war bei jedem befragten Kind, die entsprechende Kindergärtnerin aus der Gruppe dabei. Deshalb stand Tante Helga neben mir und sagte: „Wenn’s einer war, no war's dr Louis, mer sott ihn solang verhaue bis er's zugibt.“ Ich fragte zunächst: „War's denn kei Hornis, i han gmeint, sie hättet gsagt, s' wär a Hornis.“ Schwester Irmgard sagte leise zu mir: „Es war ein Hufnagel, der sich durchs Kleid druckt hat.“ Ich war entsetzt und erstaunt: „Was ein Hufnagel, ja wenn a Pferd im Galopp rennt ka so en Hufnagel sogar weit durch d’ Luft fliege un in ihrer schöne Schweschtertracht hänge bleibe, on wen mer na sitzt, no hat mer‘n im Hintere.“ Ich sah wie Tante Helga grinste. Schwester Irmgard sagte: „So wars sicher nit, aber i glaub au nit, dass du ’s warsch, du bisch diesmal sicher nit Schuld. Bei dr Rosanna bin i mir nit sicher, die hat ein usichere Eidruck gmacht.“ Ich sagte: „Die wars sicher nit, i han sie an dem Morge abgholt weil se was vergesse hat.“ Tante Helga fragte: „Was hat sie vergesse.“ Ich antwortete: „I weis nit gnau mei Mutter hats eipackt on hat gsagt, brings der Rosanna, aber i glaub swar ebes von meiner Mutter für dr Rosanna ihren Vater, weil der Zahnarzt isch.“ Schwester Irmgard sagte zu Tante Helga: „Siehst du die Beiden hatten nichts damit zu tun, denn Rosanna sagte dies ebenfalls.“ „Aber“, sagte Tante Helga, „d’ Rosanna hat gsagt, sie wär zu Lautrs glaufe.“ „Schtimmt“, antwortete ich „mir hen uns ufem halbe Weg troffe.“ Tante Helga sagte zu mir: „Des tut mir leid, i hät dich fascht falsch verdächtigt, da müsst i mi ja fascht bei dir entschuldige.“ Ich nahm die Entschuldigung an und war von damals Quitt. Heimlich freute ich mich und stellte mir vor, wie unser Arzt der Schwester den Nagel aus ihrem Arsch operierte. Bei der Befragungsprozedur wurde Hartmut verdächtigt, weil er bei der Befragung stotterte. Damals wusste ich noch nicht, dass Hartmut Jahre später mein Freund würde. Ich wollte nicht, dass man ein anderes Kind bestraft und überlegte, ob ich mich melden müsste. Als Hartmuts Mutter ihren Sohn abholte, wurde die Hufnagelgeschichte mit ihr besprochen, sie sagte: „Wenn mein Hartmut aufgeregt ist, stottert er immer.“ Hartmut war an dem ereignisreichen Tag nicht im Kindergarten, weil er seine Tante besuchte. Schließlich glaubten alle, der Nagel hätte zufällig auf dem Stuhl gelegen, oder sich im Kleid der Schwester verfangen. Meine Mutter würde man heute wohl als Gutmensch bezeichnen. Als sie morgens die Mutter von Rosanna traf, unterhielten sich beide Mütter über den schrecklichen Vorfall. Meine Mutter fand die Meinung der Kinderschwester absurd, sie sagte: „Frau Friedrich, ganz ehrlich, so etwas macht doch kein fünfjähriges Kind.“ Rosas Mutter war der gleichen Ansicht. Als die Mütter dies der Kinderschwester erklärten, sagte Schwester Irmgard: „Meine Helferin, d' Helga, dachte es könnte ein Kind gewesen sein, deshalb ging ich dem Verdacht nach.“ Bei den Gesprächen und Gerüchten die über den Vorfall geäußert wurden, stand ich oft neben Rosanna. Wir sahen dabei immer sehr unschuldig aus, wenn wir alleine waren sahen wir uns um, ob niemand in der Nähe war, dann nahm Rosanna meine Hand und sagte: „Bloß mir zwei wisset, wie es wirklich war. Wenn i schpäter zur Beichte muss, han i den Hufnagel vergesse. Es bleibt immer unser Geheimnis.“ Ich sah Rosanna dankbar an und sagte: „Du bisch 's tollschte Mädle, des i kenn un i verschprech dir, i helf dir immer, wenn du mi brauchsch, du bisch nit nur toll, du bisch au s' schönschte Mädle vom Kindergarte, un vom ganze Dorf oder sogar von dr ganze Welt.“ Rosa sah mich an und fragte: „Glaubsch du des, oder sagsch du's nur so?“ „Rosa“, sagte ich und gab ihr meine Hand, „Ehrewort, des glaub i, un des isch au so, i han no nie a schöners Mädle gseh.“ Rosa lächelte, nahm meine Hand und fragte: „Ha Louis, dei Ehrewort glaub i dir, denksch du, dass andre Leut des au meinet?“ „Rosanna“, antwortete ich, „des sehet älle Leut, weil du au so a schöne Mutter hasch.“ Tante Helga fragte: „Was schwätzet ihr zwei, denn grad?“ Ich antwortete: „I han dr Rosanna gsagt, sie wär's schönste Mädle vom Dorf.“ Helga lachte laut und sagte: „Solche Komplimente machsch du scho, aber du hasch recht, d' Rosanna isch wirklich a schös Mädle.“
Jeden Morgen pinkelte ich zu Hause bevor ich in Kindergarten ging, trotzdem musste ich, da wir im Kindergarten Tee tranken, oft erneut pinkeln. Ich versuchte mich heimlich davonzuschleichen, um zu pinkeln, was mir selten gelang. Ich ließ von Tante Helga meinen Penis beim Pinkeln halten und schämte mich. Ich wusste nie, ob Tante Helga etwas ungeschickt war, oder ob sie absichtlich an meinem Penis zog. Ich erzählte es meiner Mutter, die mir erklärte: „Louis, Tante Helga schlägt Kinder nur aus erzieherischen Gründen. Erwachsene bestrafen Kinder ungern, Kinder müssen erzogen werden, deshalb sind schmerzhafte Strafen notwendig. Um dir Schläge zu ersparen, hält Tante Helga beim Pinkeln dein Sprenzerle.“ Ich antwortete: „Ich geniere und schäme mich, wenn Tante Helga mein Sprenzerle in ihr Hand nimmt.“ Meine Mutter lächelte und sagte: „Das musst du nicht, dein Sprenzerle ist für Tante Helga nicht wichtig, sie zieht und drückt dich nicht absichtlich. Manche Buben können noch nicht richtig pinkeln, deshalb hält Tante Helga dein Sprenzerle.“ Prügelstrafen mussten alle Kinder, bei geringstem Ungehorsam, oder bei einer Unachtsamkeit, erdulden. Das Putzen der stinkenden Toilette, die damals noch keine Wasserspülung hatten gehörte zu üblichen Strafen. Alma, ein Mädchen aus meiner Gruppe, musste ebenfalls die Toilette mit einem schmutzigen Lappen putzen. Als sie sich erbrach wurde sie im Strafraum von Tante Helga bestraft. Sie kam verheult aus dem Strafraum zurück. Einige Kinder weinten, wenn ihre Eltern sie zum Kindergarten brachten. Die meisten Eltern glaubten damals, dass man durch körperliche Bestrafungen den Kindern Zucht und Ordnung beibringen würde. Oft bestrafte Tante Helga mit Schwester Irmgard, auch Kinder, die nicht aus ihrer Gruppe waren. Ich hörte, als Schwester Irmgard einer Mutter sagte: „Manche Kindertanten haben Mitleid mit Kindern und können deshalb keine Bestrafungen durchführen.“ Wenn meine Mutter mich in Kindergarten brachte, umarmte mich Tante Helga und drückte mich an sich. Meine Mutter fand Tante Helga sehr nett und sagte es ihr. Obwohl sie mich manchmal bestrafte, sagte ich: „Tante Helga, du gefällst mir und ich mag dich auch.“ Mit meiner Schwester ging ich oft und gerne einkaufen. Sie sagte: „Louis, ich unterhalte mich gerne mit dir. In den Läden müssen wir nicht so lange warten, wenn du jammerst und weinst, lassen uns Erwachsene oft vor. Es gefällt mir, weil Erwachsene dich so nett finden und nicht wissen, wie frech du manchmal bist.“ Ich erzählte meiner Schwester: „Tante Helga sieht sehr nett aus, es gefällt mir, wenn sie mich an sich drückt, weil ich sie gerne rieche. Dörte es ist komisch, ich glaube, dass Tante Helga mich gerne bestraft, obwohl sie mich mag.“ Da meine Mutter mich nicht verstand, redete ich mit meiner Schwester. Meine Schwester fand meine Fragen lustig und sagte: „Tante Helga mag dich, weil du ein netter Lausbub bist und obwohl sie dich mag, bestraft sie dich. Ich glaube nicht, dass es ihr gefällt. Aber es ist sicher schöner, ein nettes Kind zu bestrafen, als ein hässliches.“ Ich fragte: „Dörte, glaubst du, dass sie deshalb auch Rosanna bestraft, weil sie s'schönste Mädle isch?“ Meine Schwester lachte und fragte: „Gefällt dir Rosanna?“ Ich erklärte meiner Schwester, warum mir Rosanna gefiel und fragte: „Ich kann aber nicht verstehen, warum man schöne Kinder bestraft, wenn sie nichts getan haben.“ Meine Schwester sagte: „Rosanna und du werden sicher nicht grundlos bestraft.“ Ich bemerkte, dass mir wohl niemand die Wahrheit glauben würde und überlegte, warum Tante Helga lügen würde, um Kinder zu bestrafen. Wenn die Kinderschwester nicht anwesend war, erzählte Tante Helga was Kinder aus ihrer Gruppe angestellt hätten. Obwohl Rosanna neben mir spielte, erzählte Helga, sie hätte mit der Schere den Stoff eines Kissens zerschnitten. Ich sagte: „Es kann nicht sein, weil Rosanna mit mir gemalt hat.“ Rosanna wurde von Tante Helga bestraft und kam danach weinend aus dem Strafraum. Ich konnte mir nicht erklären, warum Tante Helga gelogen hatte. Ich erinnere mich an einen schwarzen Tag, der sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte. Als wir mit Kreide auf der großen schwarzen Tafel an der Wand in unserer Gruppe ein gemeinsames Bild malen durften und die Kinderschwester zurückkam, fragte sie: „Wer hat an der Wand mit roter Kreide einen Strich gemalt?“ Wir sahen an die Wand und entdeckten einen roten Kreidestrich. Tante Helga sagte sofort: „Es war dr Louis.“ Ich sagte: „Ich war gar nicht an dieser Wand, ich habe mich sehr gefreut , mit Kreide an der Tafel zusammen mit Rosa ein Bild zu malen. Ich hatte die rote Kreide nicht mal in der Hand.“ Ich wollte meine Hand hochhebe, als mich Tante Helga an der rechten Hand zu dem roten Strich zerrte und allen meine rechte Hand zeigte, sie war rot vom Kreidepulver, was ich mir nicht erklären konnte, da ich die rote Kreide nicht in der Hand hatte. Rosanna erklärte mir später: „Weißt du Tante Helga, hat mit ihrer roten Kreidehand, als sie dich an der Hand nahm und zur Wand zerrte, deine Hand rot gefärbt.“ Rosanna, wusste, dass ich die ganze Zeit neben ihr stand. Sie sagte: „Schwester Irmgard, dr’ Louis war’s nit, der isch immer an der Tafel nebe mir gschtande.“ Weder Schwester Irmgard, noch die Kindertanten glaubten uns. Sie meinten erneut ich wäre verstockt und würde lügen. Tante Helga zog mich in Strafraum. Schwester Irmgard fragte: „Helga kasch du den Kerle allei strafe, oder muss i dir helfe?“ Tante Helga bestrafte mich alleine. Es dauerte eine Ewigkeit, denn sie ließ sich Zeit. Sie zog mir die Hose und die Unterhose aus und holte aus dem Schrank zwei weiße aufgerollte Binden. Ich schaute ihr zu und fragte: „Aber Tante Helga, warum willsch du mi denn verhaue, i han doch den Strich gar nit gmacht?“ Helga antwortete: „Louis, du hasch scho so viel agschtellt, dass es auf den Schtrich nit ankommt, i verhau dich so, dass du des im Lebe nit vergisch.“ Ich konnte nicht verstehen, warum mich Tante Helga bestrafen wollte, obwohl sie wusste, dass ich keinen Strich an die Wand gemalt hatte. Ich verstand meine Kinderwelt nicht mehr. Tante Helga band mit der Binde erst einen Fuß um die Knöchel an einem Bein des Sofas fest, dann wickelte sie die andere Binde um meinen Knöchel und spreizte meine Beine, um den andern Knöchel am andern Sofabein fest zubinden. Ich schrie: „Au, das tut weh, bitte nit!“ Sie sagte: „Dein Gschrei nützt gar nix, denn jetzt geht's erscht los.“ Sie zog ihren Schuh aus und drückte mit dem Fuß meinen Kopf auf das Sofa. Ihr Kleid fiel über meinen Kopf. Ich nahm ihren Geruch war. Sie hatte einen dunkelblauen Schlüpfer an, ich sah ihre weißen Beine und neben Ihrem Schlüpfer ihre roten Haaren. Mein Po war straff über die Lehne des Sofas gespannt. Sie schlug mich mit ihrer Hand und traf meinen Po, meine Schenkel und meinen Penis, sie fasste mit einer Hand meinen Penis an und schlug mit der andern Hand auf meinen Po. Die Schmerzen waren unerträglich. Ich bekam kaum noch Luft zum Weinen und Schreien. Als sie endlich den Fuß wegnahm, konnte ich mich kaum aufrichten. Sie fasste mich am Genick und zog mich hoch. Sie sah mich an und sagte: „Du bisch a ganz verdorbes Bürschle, du hasch mir unter mein Rock guckt, dafür kriegsch glei nomal eine rechts un links uf dei Schprenzerle.“ Ich konnte nur noch schluchzen. Als sie meine Unterhose anzog, fragte sie mich: „Wo hasch deine Eier?“ Sie fand und drückte sie, ich schrie laut. „Gel“, meinte sie und schaute mich an, „da han i deine kleine Bäll doch no gfunde, soll i se dir no mal a Weng drucke?“ „Bitte, Tante Helga, bitte, bitte lass mich los, es tut so schrecklich weh.“ Als sie mir endlich meine Hose angezogen hatte, fasste sie nochmals in meine Hose und sagte: „Jetzt hat dei Zipfele a Weile Ruh.“ Alle Kinder sahen mich an, als mich Schwester Helga im Genick haltend vor sich her schob und der Kinderschwester erzählte: „Mir kas kaum glaube, aber der klei Lausbu hat mir unter mein Rock guckt, no han i den Kerle nomal verhaue müsse.“ Die Kinderschwester sah mich an und überlegte laut: „Was glaubsch, warum ist ein Fünfjähriger schon so verdorben? Es ist die Erbsünde!“ Ich schämte mich und wäre am liebsten in ein Mausloch gekrochen. Mein Po und mein Geschlecht taten mir weh. Ich konnte fast nicht mehr sitzen. Rosanna sagte: „I han di schreie ghört, on i weiß sicher, dass du kein Schtrich gmacht hasch, i hät fast au geheult. Was könnet mir mache, dass sie uns nit schlägt?“ Ich wusste es nicht. Diesmal erzählte ich meiner Mutter nichts, denn sie fand Tante Helga nett und hätte kaum geglaubt, dass Tante Helga gerne Kinder schlägt. Tante Helga hatte gelogen, um mich zu bestrafen. Ich wusste nicht, warum sie es tat, denn ich hatte immer noch das Gefühl sie würde mich mögen. Wir bekamen im Kindergarten manchmal Vesper und Tee. Rosanna fiel die Tasse aus der Hand, weil sie wohl die heiße Tasse, ohne Henkel, nicht mehr halten konnte. Die Tasse zerbrach in tausend Stücke. Ich wollte ihr helfen, die Scherben aufzulesen. Tante Helga sagte: „Rosanna soll die Scherben alleine auflesen und muss dann mit mir und Schwester Irmgard zum Strafraum.“ Ich hörte sie durch die verschlossenen Türen weinen und schreien. Als sie vom Strafraum zurückkam, musste sie eine heiße Tasse in der Hand halten, Tante Helga zählte langsam bis 50, dann durfte sie die Tasse abstellen. Ich konnte kaum glauben, dass wir Kinder keine Chance hatten, einer so willkürlichen Strafe zu entgehen, denn Rosanna war unschuldig. Sie hatte die Tasse nicht absichtlich fallen lassen. Erneut hatte ich den Eindruck, dass es manchen Erwachsenen gefiel, Kinder zu bestrafe. Als Rosanna mit Tante Helga aus dem Strafraum zurückkam, sich neben mich setzte und immer noch schluchzte, fragte ich sie, ob sie noch Schmerzen hätte, denn ich merkte, dass sie kaum sitzen konnte. Rosanna sagte: „Weisch Louis, Tante Helga hat mi mit ihrem Ellboge agschtoße un deshalb isch mir die Tass runter gfalle. Die hat mein Po un mei Kätzle verhaue, es tut mir immer no saumäßig weh, au weil Tante Helga mir no heiße Tee drüber gschüttet hat, on das Schlimme ist, i han gar nix dafür kenne, die Tass war zwar heiß, aber i hät se doch nit falle lasse, wenn sie mi nit angstoße hät.“ Ich wusste nicht was für ein Kätzchen Rosanna hatte und fragte sie. Sie nahm mich an der Hand und hob im Hausgang ihr Kleidchen hoch, streifte ihren Schlüpfer runter und zeigte mir ihr Kätzchen. Wir ahnten nicht, dass wir etwas Verbotenes taten. Wir erfuhren es umgehend, weil Tante Helga uns sah und uns in Strafraum brachte. Sie holte die Kindergartenschwester. Rosanna und ich wussten nicht was wir schlimmes getan hatten. Schwester Irmgard sagte: „Ihr habt eine große Sünde begangen, weil ihr unkeusch wart, dafür werdet ihr gegeißelt, Es ist die Erbsünde, man merkt man dass der Teufel überall Opfer sucht und schon Fünfjährige verführt. Es ist schlimm, dass Kinder so verdorben sind. Unterm Führer wären solche Kinder in ein Erziehungsheim gekommen. In dem Alter wusste ich nicht, dass es zweierlei Menschen gibt. Man müsste fast den Teufel aus diesen Kindern treiben, damit sie rechte Katholiken werden.“ Tante Helga sagte: „Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben.“ Ich sagte, aber wir haben doch nichts Schlimmes getan, d’ Rosanna hat mir bloß ihr Kätzle zeigt, weil d' Tante Helga ihr heiße Tee drüber gschüttet hat. On i nit gwißt han, was d’ Rosanna für a Kätzle hat.” Schwester Irmgard sagte: „Also hat diesmal d’ Rosanna den Louis verführt. Beide Kinder sind verdorben, aber d’ Rosanna musch ärger schtrafe. Leider reicht die Zeit heut nicht mehr, wir müssen die Strafe verschieben.“ Ich fragte: „Rosanna was ist gegeißelt?“ Rosanna antwortete: „Ich weiß nicht, aber a Geißel isch was Ähnliches wie eine Peitsche.“ Wir trauten uns nicht, es unseren Müttern zu erzählen. Wir trösteten uns gegenseitig und machten uns Mut, es könne nicht so schlimm sein, denn wir wären ja Kinder und hätten nichts von einer Sünde gewusst. Ich überlegte nachts was wohl eine Geißel wäre und was für eine Strafe wir bekämen. Ich schlief wenig und versuchte erneut, den lieben Gott auf mich aufmerksam zu machen. Ich fragte ihn, was für Sünden wir begangen hätten. Er äußerte sich nicht mal im Traum. Es war ihm wohl gleichgültig. Meiner Mutter, die so schön aus dem Herzen beten konnte, durfte ich es nicht erzählen, da sie sonst traurig würde. Ich zweifelte an der göttlichen Liebe und dachte, ob es ihm wohl gefallen würde, wenn wir bestraft würden, weil er ja in seinen biblischen Geschichten oft zornig auf sein ganzes Volk war und es bestrafte und sogar seinen eigenen Sohn, Jesus, von den Römern kreuzigen ließ und die danach ihre Hände in Unschuld wuschen. Im Kindergarten war alles normal, ich freute mich und dachte, man hätte unsere Strafe vergessen. Nach der Vesperpause rief uns Tante Helga in Strafraum und sagte: „ Louis und Rosanna zieht euch aus, damit euch bei der Geißelung keine Kleidung schützt.“ Ich fragte: „Tante Helga, für welche Sünde werden wir gegeißelt?“ Sie holte Schwester Irmgard und sagte: „Die zwei behauptet sie wüsstet nit für welche Sünde wir sie strafen, du musst es den verdorbenen Kindern erklären.“ Schwester Irmgard erklärte: „Was ihr getan habt, ist gegen das Keuschheitsgebot, es ist fast eine Todsünde, d' Rosanna hat dir ihr Geschlecht gezeigt, und du hast es anguckt und angefasst, du hättest ihr sagen müssen, dass sie es niemand zeige darf.“ Ich sagte: „Aber ich wusste von der Sünde nichts.“ Tante Helga sagte: „Des isch scho immer so gwe, Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Sonsch dät jeder sage er hät' s nit gwißt.“ Schwester Irmgard sagte: „Der Teufel in euch wird gegeißelt, weil ihr es nicht wusstet, es ist die Erbsünde in euch ist.“ In süßlichem und falschem Ton sagte sie: „Keuschheit ist, die Beherrschung des Geschlechtstriebes. Die Tugend der Keuschheit macht uns stark. Schaut her ich als Schwester beherrsche den Geschlechtstrieb das ganze Leben, deshalb bin ich stark.“ Ich schaute sie an und sagte: „Aber Schwester, sie sin doch nit stark, sondern dick.“ Sie sah mich böse an erklärte uns weiter: „Die Schamhaftigkeit ist ein Schutzwall um die Tugend der Keuschheit zu bewahren.“ Ich sah Rosanna an, denn ich hatte nichts verstanden. Es klang wie auswendig gelernt. Ich fragte: „Schwester, was isch ein Geschlechtstrieb? I kenn ein Treibriemen vom Klaum seiner Werkschtadt, der treibt so Maschine an. Seit d‘ Rosanna und ich wissen, dass es eine Sünde ist, treiben wir es nicht mehr. Bei der Fabrik vom Niep habe ich auch einen Treibriemen gesehen, Herr Niep weiß sicher nit, dass er mit seim Treibrieme sündigt.“ Schwester Irmgard schaute mich wütend an und sagte zu Helga: „Du musch dich anstrengen, die Zwei hän ihre Strafe verdient, der kleine Evangelische wird au no unverschämt und meint er könnt mi versekle. Jetzt musst du loslege, die dürfen ihre Strafe ihr Leben lang nit vergesse.“ Ich sagte: „Aber Schwester, wenn es doch eine Sünde ist, wenn wir uns nackt sehn, dann sündigen sie auch, denn sie sehen uns die ganze Zeit und d’ Rosanna sieht mich nackt und ich sehe d' Rosanna auch nackt.“ Tante Helga schaute mich an und sagte: „Ja glaubst du, dass d’ Schwester Irmgard und ich euch gern ansehen? Und dass ihr zwei euch anseht, ist nicht unkeusch, weil es der Strafe dient und die geht gleich los, dann vergeht euch die Unkeuschheit.“ Schwester Irmgard sagte erneut: „Es soll vor allem dem Teufel Schmerzen bereiten.“ Tante Helga band erst mir und dann Rosanna die Hände mit Mullbinden zusammen. Unsere gebundenen Hände zog Tante Helga hoch über den Kopf und band sie an einer Stange der Decke fest. Wir standen uns auf Zehenspitzen gegenüber und konnten uns kaum bewegen. Tante Helga hat wohl Mullbinden verwendet, weil im Kindergarten keine Schnüre waren und weil es nach dem Krieg nur Papierschnüre gab. Die Kinderschwester schaute uns noch mal an, sie kniff Rosanna und mich in Po und sagte: „Helga jetzt kannst du loslegen.“ Kurz danach kam Tante Inge ins Strafzimmer und fragte Schwester Irmgard nach Tafelkreide. Schwester Irmgard stand mit einem Seufzer auf und sagte: „Helga, ich hätte der Bestrafung gerne zugesehen, leider muss ich mich um die anderen Kinder kümmern.“ Tante Inge fragte: „Helga kannst du die Kinder alleine bestrafen, oder muss ich dir helfen. Helga antwortete: „Die Zwei schtraf i allei, es dauert halt a Weng länger.“ Inge sagte: „Aber Helga übertreibs nit, du weisch, dass sich scho Eltern beklagt hen.“ Helga antwortete: „Da brauchsch dir diesmal keine Gedanke mache, im Louis sei Mutter ka mi gut leide, sie hat gsagt i kann streng sei un dr Rosanna ihr Vater sagt sicher nichts, denn i sag alle Kinder, er wär en gute Zahnarzt. I könnt ja au s' Gegeteil de Leut sage.“ Sie nahm die Geißel aus dem Schrank. Jetzt sah ich den Unterschied zwischen Peitsche und Geißel. Eine Peitsche, wie ich sie von Bauern kannte hatte einen langen Stiel und einen Riemen. Die Geißel von Tante Helga bestand aus einem kurzen Stock, an dem fünf Riemen befestigt waren. Tante Helga schlug mich mit dieser Geißel auf meinen Po. Meine Zehenspitzen verloren den Halt, ich hing nur noch an meinen Armen. Ich wollte ausweichen, da meine Hände gebunden waren konnte ich der strafenden Geißel nicht ausweichen und musste die Schmerzen ertragen, die sich über meinen Körper ausbreiteten und sich mit jedem Schlag verstärkten. Noch nie hatte ich solche Schmerzen. Die Pausen, verschlimmerten die Schmerzen. Es folgten weitere Schläge auf Brust und Rücken. Ich konnte nur fürchterlich schreien und brüllen, was Tante Helga nicht beeindruckte. Ich schrie: „Des tut doch uns weh, on nit im Teufel, des isch doch nit richtig, wenn d’ Schwester sagt, du tätsch den Teufel schtrafe, du schlägsch doch uns!“ Helga sagte lächelnd: „Wenn ihr euch immer umdreht, kann es sein, dass euch die Riemen no schlimmer treffet, deshalb wärs besser ihr dätet ruhig schtande bleibe.“ Dies war uns nicht möglich, sicher gehörte es zum Strafritual. Rosanna bekam ebenfalls mehrere Schläge auf Po, Brust und Rücken. Rosa schrie ebenfalls und versuchte den Schlägen auszuweichen. Tante Helga erklärte uns: „Immer nach fünf Hieb gibt’s a Verschnaufpaus.“ Ich bat und bettelte, endlich aufzuhören. Es half nichts die nächsten Schläge trafen meine Beine und mein Geschlecht, ich dachte ich würde sterben. Ich sah, wie Rosanna ‘s Haut an manchen Stellen aufplatzte, ihr Kätzchen hatte rote Striemen und es blutete an einer Stelle. Ich brüllte noch lauter. Rosa wurde rot vor Schreien. Wir erstickten fast an unserem Geschrei. Ich dachte, unsere Bestrafung würde kein Ende finden und überlegte, ob man uns totschlagen würde. Ich weiß nicht wie lange die Bestrafung dauerte. Es kam mir endlos vor. Wir schrien und winselten: „Bitte aufhören.“ Irgendwann war die Bestrafung zu Ende. Tante Helga sagte: „So, ich glaube es reicht, damit sich eure aufplatzte Wunde nit entzündet, opfere ich wertvollen Schnaps, un desinfiziere die Stellen.“ Sie schüttete sich die klare und eigenartig riechende Flüssigkeit in die Hand und rieb zunächst meine aufgeplatzten Wunden ein. Sie sagte: „Jetzt guck, da hat‘s dein Glockenbeutel und dein Denger erwischt, da must du tapfer sein, wenn ich dein Ding einreibe.“ Damit rieb sie meine Wunden ein. Als sie mit ihren Schnaps getränkten Händen mein Geschlecht einrieb konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich schrie wie am Spieß. Tante Inge kam rein gestürzt. Als sie uns sah, sagte sie: „Helga ich glaube du hast nimmer alle Tasse im Schrank, guck doch mal was du getan hast, das sind doch kleine Kinder.“ Tante Helga sagte zu ihr: „Du ich konnte nicht anders, die zwei hän doch so gsündigt on hän am Anfang no gsagt, es dät im Teufel nit weh, no bin i erst richtig zornig worde.“ Rosanna ging es etwas besser, sie wurde von Tante Inge vorsichtig mit Schnaps eingerieben. Als sich Tante Inge Rosannas Kätzchen und ihren Po ansah und einrieb schüttelte sie den Kopf und sagte: „Es sind doch Kinder, wie kannst denn du so drauf schlage, manchmal könnt mer meine, es dät dir gfalle.“ Wir konnten nicht mehr sitzen und fast nicht liegen. Unsere aufgeplatzte Haut entzündete sich zwar nicht, aber sie brannte wie Feuer. Diese deutlich sichtbaren Schläge mit den vielen Striemen waren meiner Mutter zu viel, sie ging mit mir zu unserem Arzt. Dr. Ralwor gab meiner Mutter Creme gegen Schmerzen und Striemen. Rosanna ging mit ihrer Mutter ebenfalls zum Arzt. Damals wurde Kinder oft mit Schlägen bestraft, deshalb unternahmen Ärzte wohl nichts. Dr. Ralwor sagte zu meiner Mutter: „Die Kinderschwester ist sehr streng, ich habe schon mehrmals Kinder behandelt. Die Ärzte haben sich kaum gegen eine katholische Institution aufgelehnt. - Später erfuhr ich, dass unser Arzt mit Pfarrer und Bürgermeister gesprochen hat. - Ich musste nach dieser qualvollen Geißelung nicht mehr in Kindergarten. Rosanna ging noch eine Woche, bis auch ihre Mutter sie nicht mehr in Kindergarten brachte. Andere Kinder litten länger. Im Jahr 1946 fanden Ärzte und Eltern die Strafen im Kindergarten übertrieben, aber nicht außergewöhnlich, weil alle Kinder bis in die 60er Jahre mit Schlägen bestraft wurden. In der Schule gab es damals Tatzen bei denen die Haut der Hände aufplatzte. Auch sogenannte „Hosenspannes“ gehörten zur Bestrafung. Lehrer und Lehrerinnen, die weder pädophil noch sadistisch waren, fanden Bestrafungen normal. Im Kindergarten war ich etwa fünf oder sechs Monate. Ich erinnere mich bis heute an Bestrafungen, nicht nur wegen der Schmerzen, sondern wegen den ungerechten Behandlungen. Natürlich erinnere ich mich auch an schöne und interessanten Spiele, die wir gelernt und gespielt haben. Als ich vom Kindergarten befreit war, verdrängte ich die Zeit der grausamen Strafen. Ich träumte manchmal vom Strafzimmer im Kindergarten. Einmal träumte ich, Schwester Helga hätte mich mit heißem Tee verbrannt.
ОглавлениеDa ich nicht mehr in Kindergarten ging, konnte ich meine Mutter oft nach Schusslach begleiten. Sie war Mesnerin in unserer kleinen evangelischen Kirche und unterrichtete Religion an unserer Dorfschule und der Zwergschule im Nachbardorf. Mit dem kleinen Einkommen besserte sie ihre geringe Witwenrente etwas auf. Zur Schusslacher Schule hatten wir vier Kilometer Fußweg. Ich begleitet meine Mutter gerne, wir waren weite Fußwege gewohnt. Die Geschichten, die meine Mutter den Kindern im Religionsunterricht erzählte gefielen mir. Ich zweifelte manchmal am Wahrheitsgehalt der biblischen Geschichten. Außer Zugverbindungen gab es damals keine öffentlichen Verkehrsmittel. Auch bei Regenwetter begleitete ich meine Mutter gerne, weil ich mich unterwegs mit meiner Mutter, ohne meine Geschwister, unterhalten konnte. Unsere evangelische Kirche war damals keine richtige Kirche, sondern eine Halle, sie hatte weder einen Turm noch Glocken. Meine Mutter reinigte und putze als Mesnerin, die kleine Kirche, sie wusch und bügelte den Talar und die weißen Beffchen, die gestärkt wurden. Beim Putzen halfen meine Geschwister und ich. Ich stieg manchmal auf die Kanzel und predigte. Besonders schön fand ich das Abendmahlgeschirr, es war außen Silber und innen Gold. Das Blut Christi war Rotwein, den meine Mutter im Kolonialwarengeschäft einkaufte. Es hatte für mich etwas Unehrliches, wenn unser Pfarrer behauptete, es wäre das Blut Christi. Aus dem wunderschönen Kelch trank ich manchmal Wasser und hatte das Gefühl, es würde besonders gut schmecken. Wir wohnten gegenüber der Kirchenhalle. Unser Dorf hatte keine Pfarrstelle und wurde von der nächstgelegenen Stadt versorgt. Der Pfarrer oder Vikar der sonntags zur Kirchenpredigt nach Larenbuch kam, zog den Talar in unserer Wohnung an, weil die kleine Kirche keine Sakristei hatte. Der Ofen der Kirche wurde, wenn es sehr kalt war, oft schon am Samstag von meiner Mutter beheizt. Nach der Kirche war immer Kinderkirche, die meine Mutter hielt. Ich war deshalb jeden Sonntag erst in der Kirche und anschließend in der Kinderkirche. Meine Mutter war trotz Pietismus eine fröhliche Frau. Mein Großvater mütterlicherseits war in pietistischen Kreisen ein bekannter Prediger und Bibelausleger. Auch mein Großvater väterlicherseits, der bereits vor meiner Geburt verstorben war, hatte bei pietistischen Stunden gepredigt. Deshalb waren meine Mutter und mein verstorbener Vater in diesen Kreisen bekannt. Meine Mutter sah, so denke ich heute, den Pietismus recht pragmatisch, denn hier konnte sich unsere Familie in der Nachkriegszeit, sonntags bei Bauern satt essen, bei denen die pietistischen Stunden stattfanden. An Sonntagen standen wir relativ früh auf. Vor dem Frühstück ging meine Mutter in die Kirche und legte, im Winter, erneut Holz in Ofen, dann gab es ein Frühstück mit einer selbst gemachten Sonntagsmarmelade. Danach ging unsere Familie in Sonntagskleidung zur Kirche. Die Kirche war für mich immer, obwohl ich von der Predigt nur wenige Sätze verstehen konnte, interessant, weil mir die gesungenen Choräle gefielen. Gleichzeitig dachte ich mir Geschichten aus und beobachtete Menschen. In der ländlichen Kirche saßen Männer meist auf der rechten Seite des Ganges und Frauen auf der linken. Manche Ehepaare trennten sich in der Kirche. Einige Frauen mischten alte Zöpfe auf und saßen bei den Männern. Meine Mutter zeigte sich als Frau aus der Großstadt und hielt sich bewusst nicht an diese ländliche Tradition. Sie setzte sich grundsätzlich auf die rechte Seite. Einmal sah ich wie ein Mann einer Frau unter den Rock fasste. Ich überlegte, ob es seine Frau wäre und ob er mit ihrem Kätzchen spielte. Ich zeigte es meiner Mutter und fragte, ob es unkeusch wäre. Meine Mutter sagte: „Louis, da schaut man nicht hin.“ Ich sah wie sich beide bewegten und überlegte, ob dies mit der Erbsünde zu tun hätte, für die wir im Kindergarten bestraft wurden. Ich sah wie Frau ihre Hand in die Hosentasche des Mannes steckte und mit seinen Bällen und seinem Ding spielte. Als ich es meiner Mutter zeigte, lächelte sie. Ich sah, wie einem Mann das Taschentuch auf den Boden fiel und er ewig in der gebückten Haltung blieb. Ich bückte mich ebenfalls und konnte einer Frau unter ihr Kleid schauen. Ich sah, dass sie einen rosa Schlüpfer hatte, der etwas verrutscht war und neben ihrem Kätzchen sah ich schwarze Haare, die aus ihrem Schlüpfer lugten. Der Geruch von Menschen war für mich interessant. Manche rochen nach Landwirtschaft, Kuhmist, Stall und nicht gelüfteten Kleidern. Frauen rochen oft nach Küche, Essen und nach Weiblichkeit. Männer rochen nach kaltem Pfeifen- oder Zigarettenrauch. Die Schwarzwaldhöfe sind alle so angelegt, dass Tiere und Menschen, Keller, Stall, Wohnung und Bühne etc. unter einem Dach sind. Im Winter verlassen Bauern ihren Hof beim Füttern der Tiere nicht. Die Menschen im Schwarzwaldhof rochen nach Stall, Tieren, Rauch und Essen. Ihre Kleidung wurde selten gewaschen und chemische Reinigungen kannte man kaum. Viele Männer, kehrten mit Behinderungen aus dem Krieg zurück. Manchen fehlte ein Auge, oder ein Teil des Gesichts. Manche hatten so schwere Verbrennungen, dass man ihr Gesicht nur ahnen konnte. Einige Männer gingen mit Krücken, weil ihnen ein Bein fehlte, andern fehlte ein Arm. Manche Menschen waren psychisch gestört, sahen traurig aus und blieben mit ihren Träumen alleine. Andere beichteten ihren Frauen, dass sie im Krieg untreu waren. Frauen waren klüger und beichteten nicht, Männer erfuhren von Seitensprüngen ihrer Frauen durch den Dorftratsch und waren Gehörnte. Wenn Frauen von farbigen Besatzungssoldaten ein Kind hatten, wurde es problematisch, denn diese Generation war von der Rassenlehre des dritten Reichs geprägt, dunkelhäutige Kinder wurden in Kindergärten und in Schulen gemobbt. Ihre Mütter wurden als Negerhuren oder Nutten beschimpft. Ehen und Familien zerbrachen daran. Es gab Frauen, die durch den Krieg zu Witwen wurden. Frauen warteten auf ihre Männer, die noch vermisst waren. Ich glaubte damals, dass ich es Frauen in der Kirche ansehen konnte, sie sahen traurig und verhärmt aus. Manche weinten in der Kirche, wenn der Pfarrer für vermisste Männer betete. Von manchen Frauen wurde erzählt, sie wären Flittchen, oder Früchtchen, weil sie sich mit Besatzungssoldaten einließen. Der Ausdruck gefiel mir, ich wusste nicht, dass er eine negative Bedeutung hatte. Oft sahen, die als Flittchen oder Früchtchen bezeichneten Frauen, sehr nett aus. Eine junge Frau mit rotbraunen Haaren fand ich besonders hübsch, sie wurde als Chéri bezeichnet, weil sie mit einem französischen Soldat befreundet war. Ich erfand Kirchenspiele, die ich alleine spielte. Ich überlegte, wonach die Menschen rochen und was sie wohl gegessen hätten, oder was sie essen würden. Ich suchte Frauen und Männer aus, die ich in meinem Spiel verheiratete. Da mein Vater gefallen war, hatten Hochzeiten für mich eine große Bedeutung. Ich überlegte in meinem Spiel, wie Frauen und Männer, die ich gedanklich verheiratete, äußerlich zusammenpassten und suchte sie entsprechend aus. Ich fand, dass meine ausgesuchten Paare oft besser passen würden, als echte Paare. Ich überlegte, warum gut aussehende Männer, mit Frauen verheiratet waren, die ich nicht hübsch fand. Es war allerdings häufiger, dass ich hübsche Frauen sah, die hässliche Männer hatten. Frauen unterhielten sich oft über jüngere Frauen, die ältere Männer geheiratet hatten. Sie sagten abwertend: „Die hat ihn sicher wegen seinem Geld geheiratet.“ Diese Abwertung verstand ich nicht, da ich Altersunterschiede nicht negativ sah, es blieb mir ein Rätsel, warum sich Menschen unterschiedlichen Alters, nicht genauso lieben könnten, wie gleichaltrige. Ich fand ältere und alte Menschen meist nett und interessant. Es wunderte mich, dass es kaum ältere Frauen gab, die junge Männer heirateten. Aufgrund des Geschwätzes, das meist Frauen führten, überlegte ich, ob ältere Frauen nicht genügend Geld hatten, um jüngere Männer zu heiraten, oder ob jüngere Männer weniger Wert auf Geld legten. Ich dachte nach, ob Geld für eine Heirat wichtig wäre. Als ich mit meiner Mutter darüber reden wollte, lächelte sie und meinte: „Louis, dafür bist du noch zu klein, ich erkläre es dir später.“ Meine Schwester unterhielt sich mit mir und fand es lustig, dass mir Frauen gefielen. Sie fragte: „Louis, wer gefällt die besser, Rosanna, oder ihre Mutter?“ Ich antwortete: „Dörte, sie ähneln sich und sind beide schön.“ Ich fand keine echte Antwort, vielleicht hatten junge Männer kein Interesse an älteren Frauen. Ich verstand es nicht, ich hätte Tante Helga, unsere Kindergärtnerin geheiratet, obwohl sie älter war als ich. Warum sie mich im Kindergarten mit Schlägen bestrafte, blieb mir ein Rätsel. Wenn ich in der Kirche an sie dachte, sehnte ich mich manchmal nach ihr und wartete oft beim Kindergarten, leider traf ich sie nie. Als Fünfjähriger dachte ich, Frauen würden die Welt beherrschten und Männer wären von ihnen abhängig. Es gab drei Ladengeschäfte in unserem Dorf, sie hießen damals Kolonialwarenladen, zwei davon wurden von Frauen geführt. Der Laden von Balsters, gehörte einer Witwe. Sie hatte das Geschäft während des Krieges alleine geführt. Als ihr Mann gefallen war, führte sie den Laden weiter. Später half ihr Sohn, im Geschäft mit. Der Laden von Hirschers wurde weitgehend von Frau Hirscher geführt. Dafür erledigte ihr Mann den Haushalt und kümmerte sich um den einzigen Sohn, der so alt war wie ich. Nur der Laden von Maiers wurde von Herrn Maier geführt. Es gab in Larenbuch ein Sägewerk, das einer Witwe gehörte. Sie hatte ihren Schwager, den Vater meines späteren Freundes als Geschäftsführer eingestellt. Frau Straun hatte jedoch die Zügel fest in der Hand. Eine Bäckerei wurde von einer Frau geführt, ihr Mann war Kreisleiter und interniert. Als er entnazifiziert zurückkam, übernahm er seine Bäckerei wieder und war im Dorf rasch integriert. Die meisten Menschen aus dieser Generation waren mehr, oder weniger begeisterte Nazis. Es gab einen Ofensetzer und Heizungsbauer, der im Krieg war. Seine beiden Schwestern führten das Geschäft weiter. Als er zurückkam, arbeitete er wieder im Geschäft und baute Herde, Öfen und Kachelöfen ein. Im Büro herrschten seine Schwestern. Der Hafner war nett und sah gut aus. Meine Mutter war kurzzeitig mit ihm befreundet. Seine Schwestern hintertrieben die Beziehung mit List und Tücke. Meine Mutter und andere Witwen, deren Männer gefallen waren, wurden zu lebenstüchtigen Frauen und kümmerten sich als Familienoberhaupt um ihre Kinder. Meine Mutter hatte elf Geschwister, einer ihrer Brüder ist in Stalingrad gefallen. Ihre älteste Schwester, Tante Hannchen, war meine Patin. Schwester Hanna, wie sie genannt wurde, war tüchtig. Als junge Oberschwester leitete sie nach dem Krieg, eine Krankenhausstation und später die Großküche des Krankenhauses. Ich war, wenn meine Mutter in Stuttgart war, oft bei ihr zu Besuch. Ich liebte sie, denn sie war trotz ihrer Frömmigkeit, meist guter Laune und sehr nett. Sie besuchte uns öfters und wohnte bei uns. Ich konnte mit ihr, wie mit meiner Mutter und meiner Schwester schmusen. Wenn ich sie besuchte, durfte ich in ihrem Bett schlafen. Sie hatte eine Wohnung mit großer Badewanne. Samstags durfte ich mit ihr baden. Als ich sie fragte: „Warum wäschst du mein Sprenzerle mit Seife, es ist doch nicht schmutzig?“ Lächelte sie und sagte: „Aber Louis, wenn du pinkelst, fasst du es mit schmutzigen Händen an, schau jetzt ist es so sauber, dass ich mit ihm spielen kann.“ Als meine Lieblingstante weinte, erschrak ich, umarmte sie und fragte: „Tante Hannchen, warum weinst du?“ Sie antwortete: „Mein liebes Patensöhnchen, vielleicht bist du noch zu jung, um mich zu verstehen, ich habe als Rotkreuzschwester an der Ostfront den schrecklichen Krieg überlebt, aber mein Liebster in Stalingrad gefallen, an ihn dachte ich gerade.“ Ich fragte: „Hast du nur ihn lieb gehabt?“ Meine Tante lachte und sagte: „Mein kleiner, neugieriger Louis, soll ich mit dir darüber reden? Ich war vor dem Krieg ein Jahr in England, da hatte ich Freunde auch sehr lieb, aber richtig geliebt habe ich nur meinen Verlobten, der leider gefallen ist.“ Ich umarmte meine Lieblingstante erneut und sagte: „Sei bitte nicht traurig, ich werde dich immer sehr lieb haben.“ Tante Hannchen lachte und sagte: „Ich hab dich auch sehr lieb.“ Meine Patentante hat nie wieder geheiratet. Ob sie in England ein Früchtchen war, weiß ich nicht. Meine Mutter, Jahrgang 1910, war vor ihrer Heirat, ebenfalls ein Jahr in England, was für die damalige Zeit und für ein Mädchen, ungewöhnlich war. Sie hat mir nie erzählt, ob sie damals ein Früchtchen war.
Viele Männer, die aus dem Krieg zurückkamen wirkten älter, sie hatten für Führer, Volk und Vaterland gekämpft und den Weltkrieg verloren. Viele Soldaten waren Jahre in Gefangenschaft. Als sie zurückkehrten, freuten sie sich auf das junge Mädchen, das sie im Krieg geheiratet hatten. Sie erinnerten sich an ihre jungen Frauen und trafen zu Hause emanzipierte Frauen, die arbeiten, Geld verdienen, ihre Kinder und ihren Haushalt versorgen. Viele Männer hatten ihr Selbstbewusstsein eingebüßt und waren krankhaft eifersüchtig. Ich bekam als Kind etliche Geschichten aus unserem Dorftratsch mit. Eine Frau hatte ihren Mann für Tot erklären lassen und wieder geheiratet. Als ihr Mann aus der Gefangenschaft kam, wurde es zu einem Drama in mehreren Akten. Im Kindergarten erzählte Klara Altmeier, als fünfjähriges Mädchen: „Heute Nacht hat bei meiner Mutter im Bett ein Neger (damals, noch kein Schimpfwort) geschlafen, das Bett war morgens nicht schwarz.“ Als ihr Vater mit einem Bein und zwei Krücken aus der Gefangenschaft kam, erzählten es ihm seine sogenannte Freunde. Beim Kirchgang an Sonntagen träumte ich meine Geschichten. Zunächst weckte uns, meine Mutter durch lautes Singen. Sie sang in der Kirche und im Kirchenchor ebenfalls laut. Ich konnte in der Kirche meinen Kopf auf Mutters Schoß legen und träumen. Da mein Vater mir fehlte, versuchte ich, meine Mutter mit netten Männern zu verkuppeln. Ich hätte mich gefreut, wenn meine Mutter geheiratet hätte. Meine Schwester sagte: „Louis, Stiefväter sind schwierig und würden dich streng erziehen, du würdest deine Freiheit verlieren.“ Als ich einen Vikar fragte, der bei uns seinen Talar anzog, ob er meine Mutter heiraten würde, fragte er mich: „Würde dir das gefallen?“ Ich sagte: „Ich hätte, wie andere Kinder, gerne wieder einen Papa.“ Meine Mutter wurde verlegen und verbot mir, jemals einem Mann derartige Fragen zu stellen. Meine große Schwester und meinen großen Bruder liebte ich gleichermaßen. Ich freute mich, weil meine große Schwester sagte: „Louis, du bist zwei Tage vor meinem fünften Geburtstag zur Welt gekommen und warst mein größtes und schönstes Geburtstagsgeschenk.“ In der Kinderkirche war ich stolz auf meine Mutter, die uns biblische Geschichten erzählte. Meine Mutter war, wie ich fand, eine sehr gute Erzählerin.
An das Kriegsende habe ich wenige Erinnerungen. Ich erinnere mich noch an die NS-Propagandaplakate, die an einigen Stellen nach dem Krieg noch zu sehen waren und auf denen ein schwarzer Mann mit Hut prangte, sie trugen die Worte: „Pst, Feind hört mit.“ Als ich in der Nachkriegszeit meinen Großvater fragte, sagte er: Louis, in Hitlers Krieg wurden die Plakate 1943 als Nazipropaganda gedruckt. Heute sagen die Leute, es wäre der Kohlenklau. Ich erinnere mich an Ängste verunsicherter Erwachsenen, als es hieß Larenbuch könne verteidigt werden, weil es im eingeschnittenen Tal liegen würde. Bürgermeister und Pfarrer verhandelten mit dem Militär und baten, man möge doch den kleinen Ort nicht verteidigen. Ein General, der das Ritterkreuz hatte, wolle unbedingt noch das Ritterkreuz mit Eichenlaub und wollte das günstig gelegene Larenbuch gegen vorrückende Franzosen verteidigen. Glücklicherweise hatte er wenige Panzer. Meine Mutter hatte uns mit Kleidung und Schuhen ins Bett gelegt. In dieser Nacht schlief unsere Familie in einem Zimmer und hatte Koffer und Pakete mit wichtigen Unterlagen, um sie notfalls aus dem brennenden Haus zu retten. Morgens war das deutsche Militär abgezogen, die meisten Menschen waren erleichtert, sie hingen weiße Fahnen, oder weiße Betttücher aus den Fenstern. Wenige Nazis glaubten noch an Hitlers Wunderwaffe und den Endsieg. Französische Soldaten fuhren mit Panzern und Lastwagen von Schailberg aus in unser Dorf. Einige Frauen erzählten von Wehrwölfen, die es geben würde und hatten Angst davor. Die Angst mancher Frauen begleitete mich oft in meinen Träumen. Ich hatte Angst vor Wölfen, die nicht wie Tiere aussahen und vor denen sich Frauen fürchteten. Das französische Militär richtete sich in der Schule ein und exerzierte im Schulhof. Unsere Wohnung war nicht weit entfernt, deshalb war ich oft am Rande des Schulhofes und schaute zu. In unserem Dorf waren die Menschen froh, dass der schreckliche Krieg in Larenbuch, zu Ende war. Als ich vier Jahre alt war, wurde die bedingungslose Kapitulation unterschrieben. Endlich war der unselige und schreckliche Krieg zu Ende. Menschen kauften mit Lebensmittelmarken ein und standen in langen Schlangen in Läden. Da ich klein war, konnte ich manchmal Warteschlangen umgehen und mich vorsichtig dazwischen drängen. Warteschlangen sind für mich zeitlebens ein Trauma. Die Luft war, wie man sagte, zum Schneiden. Es gab kaum Seife und Menschen wuschen sich selten, ihre Kleidung wurde selten gelüftet und gewaschen. Männer rochen nach schlechtem Tabakrauch. Es gab damals weder Camelia, noch Tampons, oder Pampers, keine Deos oder Parfüm. Menschenschlangen waren erfüllt von Gerüchen unter denen ich als Kind gelitten habe. Meine Schwester sagte: „Louis atme halt durch den Mund.“ Wenn wir mit Marken an die Reihe kamen, gab es die Produkte auf den Marken oft nicht mehr. Viele Ladenbesitzer begannen, Lebensmittel zu horten und auf bessere Zeiten zu hoffen. Ich hörte als Kind, vom verbotenen „Schwarzmarkt“. Ein Ehepaar, das keine Kinder hatte, war mit meiner Mutter befreundet. Frau und Herr Weidel hatten keine Kinder, sie liebten meine Geschwister und mich. Frau Weidel sagte: „Louis, du hast mein Herz gestohlen.“ Wir Kinder mochten Bruno und Friedel. Als Naturfreunde wanderten sie oft mit uns. Als Kind hörte ich in einem Gespräch, besagter Bruno wäre impotent. Ich kannte die Bedeutung des Wortes nicht, hörte jedoch einem Gespräch zweier Lastwagenfahrer zu, einem gefiel Friedel, er fragte seinen Kollegen: „Isch die ledig?“ der antwortete: „Mehr wie ledig, sie isch a Früchtle.“ Ich war überrascht, denn sie war verheiratet. Bruno hatte häufig mit den schwarzen Märkten zu tun, seine Frau war deshalb oft ängstlich. Für meine Mutter waren Schwarzmärkte tabu, da Menschen, die erwischt wurden, von der Besatzungsmacht eingesperrt wurden. Deutschland wurde in Besatzungszonen aufgeteilt, für die man jeweils Passierscheine brauchte. Ich erinnere mich, als meine Mutter mit meiner Schwester in Baden hamstern wollte und nur einen abgelaufenen Passierschein hatte, verschmutzte Michael und Dörte ihn und änderten das Datum. Deshalb konnten meine Mutter mit meiner Schwester und dem gefälschten Passierschein im Badischen zum Hamstern.
An Sonntagen gingen wir nach der Kinderkirche zum Gerner-Bauer, es war keine reiche Bauernfamilie. Die Eltern und ihre vier Töchter waren herzlich und liebenswürdig. Herr Gerner hatte eine Kriegsverletzung, ihm fehlte ein Teil der unteren Gesichtshälfte, deshalb erschrak man über sein Aussehen. Weil er ein gütiger und lieber Bauer war, vergaß man rasch sein Aussehen. Die jüngste Tochter gefiel mir, sie war so alt wie ich und sagte zu mir: „Louis, i han di au gern.“ Der Gerner-Hof lag an der Grenze zu Baden und Württemberg. Die nette Bauernfamilie hieß anders, war aber in der Region unter dem Namen Gerner bekannt. Sie lud unsere Familie jeden Sonntag, nach der Kirche zum Mittagessen ein. Wenn unsere Familie sonntags kam, waren wir zehn Personen zum Essen. Es roch bei Gerners nach Landwirtschaft. Die vier Mädchen waren hübsch. Bei Bauern war der Misthaufen meist vor dem Haus, deshalb konnten sich Fliegen ungehindert vermehren. Die Toiletten hatten keine Wasserspülung und die Menschen schwitzten und rochen oft stark. Es gab den Spruch: „Warum hen mir keine Fliege im Zimmer? Ha es isch klar, wenn mei Frau kocht, sin d’ Fliege alle in der Küche.“ Beim Essen waren alle Fliegen wieder im Esszimmer. Unsere Abwehrkräfte hatten genügend zu tun, deshalb litten Menschen kaum unter Allergien. Nach dem Essen gingen wir von Gerners aus zur pietistischen Stunde, die jeden Sonntag bei einem andern Bauern war, nach meiner Erinnerung gab es einen Holzbauern, der nichts mit Holz zu tun hatte, sondern so hieß. Bei ihm gab es nach der pietistischen Stunde, die meist länger als eine Stunde dauerte, eine gute Vesper. Einer der Holzbrüder war mit einer hübschen jungen Frau verheiratet. Ich erinnere mich an die Trachtenanzüge der beiden Männer und an die schöne Schwarzwälder Tracht der hübschen Frau. Es wurde gemunkelt, die Frau ginge mit beiden Männern ins Bett. Ich überlegte, ob alle drei im Bett schlafen könnten, oder ob die Frau abwechseln würde. Als sie schwanger war, überlegte ich später, ob sie wohl wüsste von welchem Holzbauer ihr Kind wäre. Einer der wohlhabenden Bauern, der zu den größeren Bauern der Region gehörte, war der Deich-Bauer. Er und seine Frau waren groß und schlank, an Sonntagen hatten sie ebenfalls Schwarzwaldtracht an. Das Ehepaar hatte keine Kinder und freute sich sonntags über die vielen Kinder, die zu Besuch warfen. Es wurde erzählt, seine Frau bekäme keine Kinder. Ich freute mich auf seine Vesper, weil es einen paradiesischen Honig gab. Der Deich-Bauer hatte Bienen. Ich konnte mit Lindtraud seine Bienenstöcke, sogenannte Blätterstöcke, ansehen. Man konnte sie von hinten öffnen und Bienen zusehen, ohne sie zu stören, deshalb wurde man kaum gestochen. Mit Lindtraud schaute ich oft die Bienenstöcke an und sah, wie bei schönem Wetter tausende Bienen aus und ein flogen. Man konnte, wenn man die Bienenstöcke hinten öffnete, auch erkennen, wie die Flugbienen mit Pollenhöschen ankamen, Nektar und Blütenpollen ihren Schwestern weitergaben. Manchmal konnten wir sehen, wie die Königin Eier legte. -Ich hätte damals nicht gedacht, dass ich eines Tages eine Berufsimkerei mit 2000 Bienenvölkern in Tunesien leiten würde.- Ich aß beim Deich zur Vesper das köstliche, selbstgebackene Brot mit Butter und Honig. Schwarzwaldbauern hatten Milchvieh und ausgezeichnete Butter. Beim Senders-Bauer, einer der großen badischen Bauern, war es für mich am schönsten. Es gab einen alten und jungen Bauern. Der junge Bauer war zu uns kleineren Kindern immer sehr nett, er sagte oft, wir könnten spielen und mussten nicht an der „Schtund“ teilnehmen. Er gab auch meiner Mutter immer Nahrungsmittel mit. Bei einem anderen Bauern, dem Ehnder-Bauer fand ich die Stunde immer lustig, weil der alte Bauer, der das Gebet sprach, eine ulkige Stimme hatte. Ich bemerkte, dass auch Erwachsene und fromme Menschen unehrlich waren. Als der Ehnder-Bauer zur Vesper zwei Körbe mit Brot brachte, sagte er, es wäre sein letztes Brot, seine Frau würde erst morgen backen. Die Bauern gaben meiner Mutter, als einzige Nichtbäuerin, meist einen Laib Brot, Milch, Butter und manchmal Speck oder Eier mit. Dies konnte der geizige Ehnder-Bauer natürlich nicht, weil er mit den Stundenbrüdern und Schwestern sein letztes Brot geteilt hatte. Lindtraud kam aus der Küche des Ehnder-Bauers, und erzählte laut, dass unter einem Tuch am Fenster noch drei Brote lägen. Der Bauer wurde verlegen und schimpfte zum Schein mit seiner Frau. Sie wurde ebenfalls verlegen und meinte, die Magd hätte die Brote wohl versehentlich unter das Tuch gelegt. Alle wussten, dass der Bauer und seine Frau gelogen hatten, um unserer Familie kein Brot zu schenken. Der Senders-Bauer sagte zum Ehnder-Bauer: „Du köntesch jetzt dr Martha (meine Mutter hieß so) au no a Schtück Butter mitgebe. Ich sagte zu Lindtraud: „Du des mit dem Brot, des hasch toll gmacht, sonsch hätt der Ehnder-Bauer uns kein Brot g'schenkt.“ Lindtraud lachte und sagte: „Louis, des gschieht dem recht, wenn er so lügt, bloß weil er so geizig isch.“ Ich hörte, wie ein Bauer erzählte: „Geschtern han i ein Bombengeschäft gmacht. Für einen großen runden Laib Brot han i sechs silberne Kaffeelöffel bekomme.“ Ja meinten die anderen Bauern, es sind güldene Zeite für uns, da müsse mir Gott danke, da kann mer von dene Leut für ebes z’ Esse a Haufe Zeug kriege. I han kürzlich für a Brot un a weng Mehl un en weng Speck a Haufe Bettwäsch un a Tischtuch eingehandelt. Einer erzählte von einem Flüchtlingsweib, die einen Ehering für Brot, Mehl und Eier tauschte. Dafür dankten die Pietisten dem Herrgott und hofften, dass diese Zeiten lange anhalten. Die Christen in dieser bäurischen, badischen Region waren nicht so engstirnig, wie die Pietisten in Württemberg, über die Hermann Hesse schrieb. Badische Bauern waren trotz des pietistischen Glaubens, ein lustiges und lebensbejahendes Volk. So erzählte der Senders-Bauer, der oft die Bibel auslegte: „Ja liebe Brüder un Schweschtre, wenn mir uns im Himmel oder im Paradies treffet, no könnet mir alle in eim Jahr zwei Mal moschte un zwei Mal ernte, dann müsset mir nimmer den Schnaps schwarz brenne.“ Alle Bauern waren von dieser himmlischen Vorstellung begeistert. Mit Lindtraud verband mich damals eine innige Kinderfreundschaft, sie hielt bei jedem Streit den ich mit anderen Kindern hatte, zu mir. Natürlich half ich ihr ebenfalls, wenn einer der Buben sie an den blonden Zöpfen zog, oder mit ihr zu zankte. Ich prügelte mich auch für sie, wenn sie geärgert wurde. Wenn die „Stunde“ und auch das Vesper zu Ende war, ging unsere Familie noch ein Stück mit den Gerners und anderen Bauern, bis sich unsere Wege trennten, denn wir hatten den weitesten Weg nach Larenbach. Ich denke es waren meist acht bis zehn Kilometer, je nach Bauer, bei dem die Stunde stattfand. Da wir Kinder bei diesen Stunden oft Verstecken oder Fangen spielten, war ich auf dem langen Heimweg, am Ortsanfang von Larenbuch müde, Meine Mutter sagte: „Louis, wenn wir beim französischen Wachposten und Kasernen vorbeikommen, sollten die französischen Soldaten nicht sehen, wie müde und fertig du bist. Ich ging denn stramm und munter an den Soldaten vorbei, was ihnen sicher nicht auffiel. Als ich morgens wieder mal beim Exerzieren den Franzosen zusah, sprach mich ein französischer Soldat deutsch an und fragte wie ich heißen würde, ich sagte ihm meinen Namen. Er sagte: „Ich heiße Beschir und bin aus Tunesien.“ Ich konnte mit Tunesien nichts anfangen. Er sagte: „Es ist ein Land in Nordafrika.“ Ich fragte ihn: „Gibt es dort Löwen?“ Er lachte und meinte: „Keine Löwen aber Kamele.“ Er fragte: „Louis, können wir Freunde werden? Ich möchte deine Sprache lernen.“ Ich antwortete: „Sie sind ein großer Soldat und ich bin ein kleiner Junge, wir können kaum Freunde werden und sie können ja Deutsch.“ Er sagte: „In meiner Heimat können auch große Männer und kleine Jungs Freunde sein, wir versuchen es, weil ich gerne so gut Deutsch sprechen würde wie du und dich gern als Lehrer hätte.“ Er war groß, sah fremdländisch und nett aus, er hatte dunkelbraune Augen, schwarze, gelockte, kurze Haare und eine dunkelbraune Haut. Ich sagte: „Mein Vater ist im Krieg gefallen.“ Er erzählte: „Mein bester Freund und mein Bruder sind auch im Krieg gefallen. Ich freuen mich, dass ich einen neuen Freund habe.‘“ Mein neuer Freund sprach kein perfektes Deutsch, er machte Fehler über die ich lachte. Er war Feldwebel in der französischen Armee. Wenn er frei hatte gingen wir im Dorf spazieren und erzählten uns Geschichten. Beschir erzählte, in seiner Heimat würde arabisch gesprochen, er brachte mir einige arabische Worte bei. Die Dorfbewohner wunderten sich, dass ein französischer Farbiger mit einem kleinen Jungen durchs Dorf ging. Als ich meinen tunesischen Freund nach Hause mitbrachte, erschrak meine Mutter. Mein Freund war höflich und freundlich. Meiner fünf Jahre älteren Schwester gefiel er. Sie überlegte, ob sie ihn heiraten würde. Sie war zehn, machte ihm einen Heiratsantrag und fragte, ob er warten würde, bis sie älter wäre. Er meinte lachend: „Dörte, ich gerne warten bis du älter sein.“ Ich erklärte ihm den Satz in korrektem Deutsch. Solange die französische Armee in unserer Schule einquartiert war, fiel die Schule fast ein halbes Jahr aus. -Viel später, als mich mein Leben und mein Beruf nach Tunesien führten und Tunesien fast zu einer zweiten Heimat wurde, bemerkte ich, dass Tunesier Kinderfreundlich sind. Junge Tunesier unterhalten sich gern mit Kindern. Deshalb war unsere Freundschaft, für Beschir nicht außergewöhnlich.- Mein Freund brachte unserer Familie oft Lebensmittel mit. Er hatte noch zwei Freunde die manchmal bei uns waren. Eines Tages besuchte uns der französische Kommandant. Er wollte wohl sehen, in welcher Familie seine Soldaten verkehrten. Er war zufrieden, denn die Freundschaft zu Beschir blieb erhalten. Ich hatte in ihm einen tollen Beschützer gefunden. Für mich als Kind gab es keine Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Mein verstorbener Vater und dessen Familie, gehörten zur passiven Widerstandsgruppe gegen Hitler. Mein Vater war Mitglied der „bekennende Kirche“ Bonnhoeffer und Niemöller waren führende Männer der Widerstandsgruppe und wurden von den Nazis als Staatsfeinde ins KZ überstellt. Bonnhoeffer starb 1945 Niemöller überlebte knapp die Naziherrschaft. Ich traf später eine Freundin der Schwester meines Vaters, die aktiven Widerstand leistete und deren Bruder im KZ zum Tod verurteilt wurde, sie konnte mir über meinem Vater Dinge erzählen, die meine Mutter nicht wusste, weil mein Vater sie nicht belasten wollte.
Unsere Sonntage verliefen meist geregelt. In meiner Erinnerung überwog an diesen Tagen meist schönes Wetter. In den pietistischen Stunden gab es auch ab und zu Besuche von berühmten „Stundenhältern“, dann dauerten diese Stunden oft einen ganzen Nachmittag. Für uns Kinder war es eine tolle Zeit zum Spielen. Wir konnten im Heuboden der Bauernhäuser von oben in Heuhaufen springen. Irgendwann bei einem dieser Spiele viel Lindtraud auf mich. Wir waren unter dem Heu vergraben. Lindtraud sah mich an und sagte: Louis, i han no nie ein Bub gseh, denn i han nur Schwestre. Ich sagte: „Wenn du gucksch wie i ausseh, möchte i au seh, wie du aussiehsch.“ Sie zog ihren Schlüpfer aus und ich meine Hose, wir betrachteten uns und fanden es interessant wie anders wir aussahen. Wir fassten uns gegenseitig an und fanden es lustig. Wir hatten gesehen wie Erwachsene sich auf den Mund küssten und versuchten es ebenfalls. Lindtraud sagte, die Erwachsene schteget sich manchmal Zung in Mund.“ Wir versuchten es und fanden es seltsam. Lindtraud sagte: „Vielleicht leget se sich en Zucker en Mund on schlotzet den mitnander, no däts besser schmecke.“ Dies würde mir einleuchten, denn Zucker war damals ein seltener Genuss. Leider hat uns Lindtrauds ältere Schwester, beobachtet. Sie sagte: „Ich verrate euch nicht, wenn ich dich auch anfassen darf. Ich zog mich erneut aus und sagte: „Gerda i möchte di au anfasse.“ Gerda war damals zwölf und hatte schon einen kleinen Busen. Lindtraud gefiel es nicht, dass ihre Schwester mitspielen wollte, sie konnte sich jedoch nicht dagegen wehren, weil Gerda drohte, uns zu verpetzten. Ich fand Gerda nicht so hübsch wie Lindtraud, da sie schon älter war, und ein bisschen wie eine Frau aussah und so roch, fand ich es schön, wenn wir zu dritt spielten. Lindtraud fragte: „Louis, gefällt dir Gerda?“ Ich antwortete: „Du gfällsch mir viel besser als dei Schweschter, aber mir müsset d’ Gerda mitschpiele lasse, sonsch verpfeift sie uns. Bei ihr gfällt mir, dass se scho en kleine Buse hat on a weng aussieht wie a Frau.“ Lindtraud sagte: „Du Louis, in zwei oder drei Jahr seh i genauso aus, do han au en Buse on au Hor an meim Kätzle, do musch bloß warte.“ Ich gab ihr einen Kinderkuss und sagte: „Du i mag die au so, wie du jetzt bisch on gfalle hasch du mir scho immer.“ Bei diesen pietistischen Stunden, zu denen Prediger kamen, die als Stundenhälter bezeichnet wurden, umarmten sich Erwachsene beim Begrüßen. Einer der berühmten Stundenhalter hatte die Angewohnheit, junge Mädchen lange im Arm zu halten. Er sagte: „Ich freue mich, dass Du au zu Gott gfunde hasch.“ Bei jungen Mädchen sagte er: „Ich freu mi sehr, dass au du e rechts Gotteskind wurdesch“. Lindtraud fiel auf, dass manche dieser Gotteskinder sich gegen die Umarmung stemmten. Sie sagte: „Schau, sie drückt ihn mit dem Arm und der Hand von sich weg“. Wir Kinder spielten in Pausen, wenn es regnete, in den vielen Räumen der Schwarzwaldhöfe, Verstecken. Manchmal auch in den sogenannten Liebdinghäusern, in denen Eltern des Jungbauern wohnten. Die meisten Bauern waren zu uns Kindern großzügig. Wir rannten oft, durchs Haus, die Mädchen grillten und kreischten laut. Als ich mich unter der Eckbank beim Kachelofen versteckt, hatte ich ein unauffindbares Versteck. Margret, ein Mädchen mit langen braunen Haaren und dunkelbraunen Augen, das schon zur Schule ging und vielleicht acht Jahre alt war, musste uns suchen. Sie war kurz in dem Zimmer, ich sah ihre schwarzen Schuhe und bewegte mich nicht, bis sie wieder rausging. Ein junger Mann und ein junges Mädchen kamen in das vermeintlich leere Zimmer und klappten die Tür leise zu. Franz drückte Lina gegen die geschlossene Türe. Sie konnten nicht ahnen, dass ich im Zimmer war. Franz schob Linas Rock hoch und streifte ihren Schlüpfer runter. Ich staunte, denn Lina hatte nicht nur auf dem Kopf blonde Haare, auch ihr Kätzchen hatte goldene Haare. Franz zog seine Hose aus. Ich sah von der Seite seinen großen Penis, den Lina anfasste und aus dunklen, borstigen Haaren, rauszog. Ich staunte wie der Penis in Linas Kätzchen verschwand. Franz atmete wie ein Pferd, Lina jammerte ein wenig, ich dachte es würde ihr weh tun, bis ich bemerkte, dass sie leise kicherte. Franz stöhnte und Lina stieß spitze Schreie aus. Der Boden knarzte, als sie sich bewegten. Franz hatte seine Hände unter Linas Po, dabei sah ich, dass auch aus Linas Po goldene Haare wuchsen. Lina schlang die Arme fest um den Hals von Franz. Beide zuckten einige Male, dann wurde es ganz still, sie zogen sich wieder an und küssten sich lange. Franz fragte: „Lina, war's denn schö?“ Lina strich ihren Glockenrock glatt, lachte und sagte: „Mir hats gfalle, i glaub dir au? Magsch me bald heirate?“ Ich dachte an mein Erlebnis und den Schlägen im Kindergarten. Ich überlegte, ob das was die Beiden getan hatten, vielleicht unkeusch wäre und etwas mit dem Teufel und der Erbsünde zu tun hatte, von der die Stundenbrüder und Schwestern sprachen. Ich hätte gerne jemanden gefragt, traute mich jedoch nicht, weil ich beide ungewollt belauscht und beobachtet hatte. Lina und Franz sahen sich um, ich war mäuschenstill und atmete kaum, dann verließen sie den Raum. Irgendwann ein Jahr später haben beide geheiratet. Wie ich von Lindtraud erfuhr, waren sie als Ehepaar glücklich und fröhlich. Ihr ältestes Kind war ein Mädchen, das ich Jahre später im Gasthof Auerhahn in Hornfleeg als Bedienung traf. Sie war ein hübsches Mädchen und ähnelte ihrer Mutter, deshalb erkannte ich sie. Ich hätte der jungen Dame erzählen können, dass ich als ungewollter Zeuge möglicherweise ihrer Zeugung gesehen hätte. In den pietistischen Stunden wurden natürlich auch viele Lieder gesungen. Der große pietistische Textdichter hieß Hiller, er hatte sich anscheinend geblendet um seinem Gott näher zu sein. Für diese Hiller-Lieder, die in einem dicken, gedruckten Buch waren, musste oft eine passende Melodie gefunden werden. Da nicht alle das dicke Buch mit den Hiller-Liedern hatten, wurde ein Sprecher bestimmt, der den Text sagte und passende Melodie aussuchte. Es hieß dann folgendermaßen: „Gotthilf sag du den Text und die Melodie.“ Bei Pietisten sprachen sich alle mit Vornamen und Du an. Man sagt zu den Männern beispielsweise, Bruder Gotthilf und zu den Frauen, Schwester Hanna. Der übliche Gruß: „Friede Bruder Gotthilf“ oder „Friede Schwester Hanna“. Ein schöner Gruß nach dem zweiten Weltkrieg und dem jahrelangen „Heil Hitler Gruß“. Als Bruder Gotthilf zum Textsprecher wurde, sagte er: „Liebe Brüder und Schwestern im Herrn“, denn natürlich wurden auch bei Pietisten, wie in allen Religionen die Männer zuerst angesprochen: „Mir singet heut aus am Hiller des Lied, nach der Melodie, es klappert die Mühle am rauschende Bach: „An Jesu zu glaube das ist eine Lust, ja Lust, ja Lust, ja Lust“. Lina und Franz sangen eifrig mit und dachten sicher an eine andere Lust, ja Lust, ja Lust! Ich erzählte Lindtraud von meinem Versteck und dem Erlebnis mit Lina und Franz und meiner Beobachtung. Sie überlegte und sagte: „Ach dann machen die das au so wie ein Bulle mit einer Kuh. Louis, des ka sei, dass die zwei a Kälble gmacht hen.“ Das Bauernmädchen war mir mit ihrem Wissen um Tiere, deren Geschlecht und den entsprechenden Techniken weit voraus. Sexualität von Erwachsenen interessierte mich damals nicht. Es war ein Luxus, wenn in Klos anwendungsgerechte und geschnittene Zeitungsblätter lagen. Da die meisten Wohnungen keine Duschen und keine Bäder hatten wuschen sich viele Menschen wöchentlich nur einmal gründlich. Das Zähne putzen war auch nicht überall verbreitet. In manchen Häusern gab es Waschküchen mit einer Zinkbadewanne. In dieser Badewanne durfte die Familie wöchentlich einmal baden. Da für ein solches Bad, ein Waschkessel geheizt wurde, konnte eine Familie meist nur zweimal das Wasser wechseln. In den 40iger bis zu den 60iger Jahren wurde Kleidung selten gewaschen, denn Waschen war mit großem Aufwand verbunden. Zunächst musste der Waschkessel in der Waschküche, mit einem Holzfeuer beheizt werden. Dann wurde Kernseife in das Wasser gerührt, bis eine Lauge entstand. Mit Hilfe eines Waschbrettes wurde Wäsche gewaschen, danach musste sie von Hand mehrmals gespült werden. Die armen Frauen waren nach so einem Waschtag sehr müde. Es gab keine edlen Handcremen. Um Hände einigermaßen vor dem heißen und dem kalten Wasser zu schützen gab es Melkfett. Viele Frauen litten unter rauen Händen. Nach dem Waschvorgang wurde Wäsche ausgewrungen und zum trocknen auf den sogenannten Bühnen, unter dem Dach aufgehängt. Bei schönem Wetter wurde die Wäsche im Garten, oder dem Wäscheplatz aufgehängt. Die Wäsche wurde danach gebügelt. Bei damaliger Bettwäsche aus Leine, oder Baumwolle ebenfalls eine endlose Plackerei, die Tischwäsche musste ebenfalls gewaschen und gebügelt werden.
Die Luft war im Winter besonders schlecht, weil im Schwarzwald mit Holz geheizt wurde, die Ernährung war einseitig, Bäche und Gewässer waren verschmutzt, denn Kläranlagen gab es damals noch nicht. Ich kannte weder Allergiker noch psychosomatische Kranke. Es gab kaum übergewichtige Menschen und die, die es gab fühlten sich wohl mit ihrem Wohlstandbauch. Im Winter quoll aus jedem Schornstein ein fürchterlicher Qualm, weil in allen Haushalten mit Holz, das nicht immer trocken war, geheizt wurde. Hinzu kam, dass fast alle Männer und Frauen rauchten. In vielen Gärten wurde Tabak angebaut und auf Speichern getrocknet, es gab Tabakschneidemaschinen und Maschinen mit denen die selbst hergestellten Zigaretten gerollt und gefertigt wurden. Weggeworfene Zigaretten wurden gesammelt und Tabakreste erneut zu einer Zigarette gedreht und geraucht. Heute undenkbar, es wäre unhygienisch und schädlich. Die Wohnungen und die Menschen vom Kind bis zum alten Menschen rochen nach einem Gemisch aus Essen-, Küchen-, Schweiß und andern Körpergerüchen. Fast alle Menschen rochen zusätzlich nach Zigaretten-, selbstgedrehten Stumpen- oder Pfeifenrauch. Ein Glück, dass Knoblauch erst in den 90er Jahren Eingang in deutsche Küchen fand, ich finde Knoblauchgeruch grauenhaft. Der Straßenverkehr hielt sich in Grenzen, und der Gestank von Diesel- und Benzinautos auch, es gab in unserem Schwarzwalddorf mit viertausend Einwohnern nur fünf Autos. Glücklicherweise waren Züge und Dampfloks weit von unserem Dorf entfernt. Dampfloks zogen mit einer gewaltigen Rauchfahne durch die Landschaft. Dampfloks wurden damals mit Holz und Kohlen befeuert. Wenn man im Nachkriegsdeutschland eine feine Nase hatte, konnte man viele Gerüche unterscheiden und wahrnehmen. Ich konnte fast immer erkennen, was Menschen gegessen hatten und wenn sie hungern mussten, hatten sie Mundgeruch.
Auch bei frommen Pietisten gab es Neid, Missgunst und Feindschaften, die oft Generationen überdauerten. Ein Soldat der als französischer Gefangener in offenen Lastwagen Richtung Frankreich transportiert wurde, sprang nachts in Nähe seiner Heimat vom Lastwagen und versteckte sich. Als er nach Hause kam, freute sich seine Familie und richtete ein Vesper für ihn. Er wollte unbedingt erst baden. Seine Braut vom Nachbarhof wurde benachrichtigt. Als sie kam, konnte er sie nicht umarmen, seine Heimkehr war hatte der verfeindete Nachbarbauer beobachtet. Der auf seinem Pferd zur französischen Kommandantur ritt und den Nachbarsohn verriet. Er wurde von den Franzosen verhaftet und war zwei Jahre in französischer Gefangenschaft. Die Feindschaft zwischen beiden Familien hat eine Generation überdauern. Diese und ähnliche Geschichten erfuhren wir Kinder, obwohl Erwachsene meinten, dass wir nichts davon verstünden. Viele Menschen litten Hunger, auch mein zwölfjähriger Bruder konnte sich oft nur bei der Bauernvesper am Sonntag satt essen. Die Zeit der abendlichen Stromsperren gefiel mir. Erwachsene konnten weder Strümpfe stopfen, noch nähen oder stricken. Da Kerzen knapp waren, trafen sich meist mehrere Familien, um bei Kerzenlicht Gesellschaftsspiele im Halbdunkel zu spielen, wie beispielsweise Hänschen piep einmal, oder Teekesselraten.
Die französische Besatzungsmacht gab bekannt, dass alle Gewehre, Kameras und Fotoapparate, egal welcher Art auf dem Rathaus abzugeben waren. Meine Mutter und ich gingen zum Rathaus und gaben das Kleinkalibergewehr und den Fotoapparat meines Vaters ab. Wir bekamen einen Brief mit Stempel dafür. Ich durfte das Gewehr zum Rathaus tragen und bedauerte sehr, dass wir es abgegeben mussten. Ich weiß nicht mehr, wann die Franzosen unser Schulhaus verließen. Sie blieben in Larenbuch wohl, nur wenige Monate. Im Jahre 1947 war das französische Militär aus Larenbuch abgezogen, wir waren zwar immer noch französische Besatzungszone, aber nicht mehr militärisch besetzt. Ich freute mich sehr auf die Schule, weil ich lesen und schreiben lernen wollte. Mein Bruder schrieb Erlebnisse in sein Tagebuch und las mir daraus vor. Ich fand es toll und hatte, obwohl ich weder lesen noch schreiben konnte, ein Tagebuch angefangen. Ich zeichnete meine Erlebnisse als Bildergeschichten. Wir waren 38 Kinder in unserer Klasse und hatten zunächst einen sehr netten, jungen Lehrer. Am ersten Schultag wurden die Kinder meist von ihren Müttern zur Schule gebracht. Frau Stauch, die Mutter eines Jungen, sagte dem jungen Lehrer, dass ihr Sohn, Erhard, leider am ersten Schultag krank geworden wäre und entschuldigte ihn. Deshalb waren wir am ersten Tag 37 Schüler. Herr Behring machte sich Notizen. Ich hatte mit Klaus, einem Jungen, den ich gut kannte, besprochen, dass wir zusammen sitzen. Als alle Kinder saßen, hatte Lindtraud keine Nebensitzerin. Die fröhliche Lindtraud, die von ihrer Schwester zur Schule gebracht wurde, weil ihre Mutter vom Bauernhof nicht weg konnte, saß traurig und alleine in ihrer Bank. Als Eltern und Angehörige gegangen waren, fragte Herr Behring, unser junger Lehrer, warum keines der Mädchen neben Lindtraud sitzen wolle. Die Mädels sagten, Lindtraud würde nach Kuhstall stinken. Lindtraud war das einzige Bauernmädchen in unserer Klasse. Als ich sah, wie traurig Lindtraud war und wie aus ihren blauen Augen tränen kullerten, fragte ich: „Herr Behring, darf ich mich neben Lindtraud setzen, wir kennen uns schon sehr lange?“ Unser Lehrer schaute mich an und sagte zu mir: „Du bist sehr nett und mutig, hoffentlich weißt du, dass dich Kinder vielleicht auslachen, weil du neben einem Mädchen sitzst. Wenn du es trotzdem möchtest, darfst du dich gerne neben Lindtraud setzen. Wenn jemand euch verspottet, sagt es mir, dann bestrafe ich ihn, merkt euch das alle.“ Ich sagte: „Klaus, es tut mir leid, aber ich kann nicht anders.“ Klaus sagte zu mir: „Du Louis, es macht nix, i setz mi zum Horscht, dem sein Nebesitzer möcht sich zum Erhard setzen, wenn der wieder gesund ist.“ Ich nahm meinen Schulranzen und hängte ihn an die Bank und setzte mich neben Lindtraud. Lindtraud sah mich an und sagte: „Louis, du musch des aber bloß, wenn du des wirklich willsch.“ Ich lachte und sagte zu ihr: „Du gfällsch mir viel besser, als dr Klaus, on wenn du a Nebensitzerin kät hätsch, no könnt i jetzt nit nebe dir sitze.“ Lindtraud sagte lachend: „Des werd i dir nie vergesse, on macht dir des au nix aus, dass i nach Kuh schtink?“ Ich antwortete: „I mag deine Kühe, aber trotzdem bisch du viel netter on kansch sogar schwätze, deine Kühe könnet bloß muh sage. On glaub mir du schtinksch nit wie deine Kühe, du riechsch echt nach Lindtraud, blos deine Kleider riechet a weng nach eurem Hof, on des gfällt mir, weil i am Sonntag immer gern bei euch bin.“ Mir gefiel mein Platz neben Lindtraud und ich freute mich jeden Tag auf die Schule. Lindtraud teilte täglich ihr schönes Bauernbrot mit mir. Ich sagte: „Mutter, ich brauche kein Vesper mehr, Lindtraud teilt immer ihre Vesper mit mir.“ Als wir die ersten Buchstaben schrieben, war ich glücklich, denn ich wollte unbedingt in ein Tagebuch meine Erlebnisse schreiben. Leider wurde unser netter Lehrer, Herr Behring, nach zwei Monaten in einen anderen Ort versetzt. Wir bekamen einen alten und blöden Lehrer, dem es nicht gefiel, dass ich neben einem Mädchen saß. Er wollte uns umsetzen und fragte, warum kein Mädchen neben Lindtraud sitzen möchte. Sie sagten Lindtraud würde nach Kuhstall stinken. Er fragte: „Louis macht dir das nichts aus?“ Erhard antworteten und sagte: „Dr Louis isch en Weiberschmecker.“ Da der alte Lehrer dem nichts entgegensetzte, und die Vorgeschichte nicht kannte, wurde ich mit diesem Namen oft bedacht. Ich eignete mir ein dickes Fell an. Es wurde dadurch für meine Klassenkameraden uninteressant, deshalb wurde ich nicht mehr verspottet. Oder wie man heute sagen würde, gemobbt. Lindtraud und ich saßen in der Mädchenreihe, was für mich lustiger war, als bei den Jungs, denn die Mädchen kicherten oft. Sie waren netter und sanfter als Jungs. Hinter uns saßen Reinhild und Rosanna, die ich schon aus meiner Kindergartenzeit kannte. Die Mädchen fanden es lustig, dass ich als Junge in ihren Reihen saß. Sie fragten in der Pause, ob ich nicht mit ihnen Himmel und Hölle spielen, oder Seilhüpfen würde. Beides waren Spiele die mich nicht interessierten. In der Pause war ich lieber bei den Jungs. Ich konnte weder Seilhüpfen noch andere Hüpfspiele. Die Jungs wollten mich auch in den Pausen oft zu den Mädchen schicken. Ich wehrte mich und musste mir öfters durch Raufen Respekt verschaffen. Ich kannte Tricks und wich keiner Schlägerei aus, dadurch respektierten mich die Jungs. Bei einer Schlägerei schauten die Mädchen zu und feuerten mich an. Wenn ich einer Prügelei nicht ausweichen konnte, begann ich sie, denn Angriff ist die beste Verteidigung. Da das Schuhwerk nach dem Krieg schlecht war, hatte man meist unter den Ledersohlen sogenannte „Stolpereisen“. Ich sagte zu unserem Schuster, ich bräuchte die Eisen vorne an der Sohle. Deshalb hatte ich an der Schuhspitze ein scharfkantiges Stolpereisen und trat meine Gegner mit dem linken Schuh gegen das Schienbein. Meist ging die Prügelei schnell zu Ende. Den älteren Lehrer, hatten wir ebenfalls nur kurz.
In den Jahren 1947 bis 1949 gab es Schulspeisung. Das Essen wurde meist von Frauen gekocht, die mit Seilschaften und Beziehungen gesegnet waren. Heute weiß ich, dass bei den Mengen an Lebensmitteln, die für Schulspeisungen vorgesehen waren, auch Lebensmittel auf den Schwarzmarkt verschoben wurden. Die Schulspeisung schmeckte meist scheußlich. Das Essen wurde, da die meisten Kinder hungrig waren, trotzdem gegessen. Das Gedränge bei der Essensausgabe war problematisch. Es herrschte Faustrecht weil Lehrkräfte das Gedränge kaum regulierten. Die größeren Schüler drängten sich grundsätzlich nach vorne, danach bekamen die größeren Mädchen ihr Essen, die sich ebenfalls massiv vordrängten. Das Essen schöpften die Frauen, die auch für die Küche zuständig waren, in kleine Henkeltöpfe, oder Essgeschirre. Viele Kinder hatten Aluminiumgeschirr von Vätern aus vergangenem Krieg. Am Schluss kamen die Schüler der ersten und zweiten Klasse. Die Schulspeisung war dann meist kalt. Es gab oft eigenartige Milchsuppen mit Teigwaren. Durch die Nachkriegszeit, hatten wir in der ersten Klasse sechs verschiedene Lehrer. Wenn ein netter Lehrer versetzt wurde, weinte ich zu Hause. Ich freute mich, dass ich auch bei blöden Lehrern Lesen und Schreiben lernte. Unsere kindliche Wissbegierde und Neugier wurde uns ausgetrieben, weil die meist älteren Lehrer den Unterrichtsstoff langweilig paukten und auf strenge Disziplin achteten. Körperliche Strafen waren an der Tagesordnung. Ein älterer Lehrer, versetzte Lindtraud einmal vier Tatzen, ihre kleine Kinderhand war an einer Stelle aufgeplatzt und blutete. Ich überlegte, ob ich wieder Gott bitten könnte, den Lehrer zu bestrafen. Ich gab es auf, weil ich kaum glaubte, dass Gott sich Kindergebete anhören würde. Deshalb besprach ich mit Lindtraud, wie wir uns bei dem Lehrer rächen konnten. Abends vor dem Einschlafen kam mir eine Idee. Ich hatte eine braune Papierschnur, die ich durch den Dreck zog, bis sie fast so braun war, wie unser Fußboden. Morgens spannte ich die Schnur vielleicht 20 cm über dem Fußboden. Ich befestigte die Schnur an der vorderen Bank. Sie reichte bis zum Kartenständer, dort band ich das andere Ende fest. Als der Lehrer kam stolperte er über die Schnur und fiel hin. Dies war mein Plan, den ich mit Lindtraud besprochen hatte. Ich rechnete nicht damit, dass der Kartenständer auf ihn fiel und freute mich, weil Gott ihn zusätzlich bestrafte. Einige lachten laut, Herr Fieler war wütend. Ein Mitschüler, verpfiff mich. Herr Fieler legte mich über eine Bank und verdrosch mich mit einem Stock, er schwitzte dabei. Ich hatte an diesem Tag meine Lederhose an, sie konnte die Stockschläge etwas abfangen. Trotzdem schmerzte mein Po, ich konnte kaum sitzen. Lindtraud hielt unter der Bank meine Hand und streichelte mit der andern Hand mein Bein. Sie sagte: „Louis, es tut mir leid, du hast meinetwegen Schläge bekommen, es war schön, dass der böse, alte Mann bestraft wurde. In der Großen Pause sagte Rosa zu mir. Louis, der Streich war fast so gelungen, wie der Hufnagelstreich im Kindergarten. Hätte Erhard nicht gepetzt, dann hätte der Lehrer nichts erfahren. Du musst dich an Erhard rächen. Wir saßen an Klappbänken und Schulpulten. An Erhard rächte ich mich Tage später. Rosanna hatte drei Scheiben rote Beete mitgebracht, die ich mit Harz auf seine Klappbank klebte. Als Erhard sich auf die geharzte rote Bete setzte, hatte er auf seiner Hose schwarze und rote Flecken, von Harz und roten Rüben. Sein Vater versohlte ihm deshalb den Hintern. Die Flecken wurden beim Waschen etwas blasser, aber man sah sie, bis ihm die Hose zu klein war. Die Mädchen lachten wenn er diese Hose trug.
Es gab Ladengeschäfte, die sich Tauschring, oder Tauschzentrale nannten. Menschen brachten z.B. Möbel, Besteck, Kleidung, Schuhe, oder Spielwaren hin und konnten andere Dinge dafür eintauschen. Menschen, denen der Schwarzmarkt zu riskant war, nutzten diese praktischen Einrichtungen. In Stuttgart hatten wir Verwandte, die eine Bäckerei besaßen. Tante Lydia die Ehefrau des jüngeren Bruders, meines Vaters, leitete mit ihrem Vater und ihrer Mutter den Bäckerladen, während der Bruder meines verstorbenen Vaters noch studierte. Alle Menschen konnte nur mit Lebensmittelmarken einkaufen. Ich erinnere mich noch an ein besonderes Weihnachten, von Verwandten bekam ich einen hübschen, braunen Anzug mit einer kurzen Hose, der meinem Vetter zu klein war. Meine Mutter schenkte mir ein Schälchen Zucker, das ich mir gewünscht hatte. Mein Großvater, der in Stuttgart eine Möbelfabrik, zwei Häuser, und eine Tankstelle besessen hatte, war durch die Bombennächte in Stuttgart völlig mittellos geworden. Er besuchte seine neun Kinder, die den Krieg überlebt hatten, regelmäßig. Natürlich besuchte er auch meine Mutter. Da er seinen Kindern nicht zur Last fallen wollte, versuchte er, wenn er uns besuchte, seine Arbeitskraft zu spenden und schreinerte in der benachbarten Schreinerei für uns schöne und nützliche Gebrauchsgegenstände. Er kannte die Schreiner in Larenbuch und durfte bei ihre Maschinen benutzen. Er schreinerte uns einen Deichselwagen und schenkte mir sein Taschenmesser, das er aus Friedens- und Vorkriegszeiten besaß. Auch dies war eine Art der Tauschbörse, denn er stellte der Schreinerei seine Arbeitskraft zur Verfügung, dafür erhielt er Material und durfte die Maschinen benutzen. Unsrer Familie reparierte er Möbel, oder Fenster und Türen, dafür wohnte und aß er bei uns. Ich liebte meinen Opa sehr. Er erzählte interessante Geschichten. Ich erfuhr, wie in Stuttgart die Gaslaternen auf Strom umgerüstet wurden, wie er sein erstes Auto kaufte, es war ein Opel, bei dem der Scheibenwischer von Hand bedient wurde. Er erzählte, wie der erste Zeppelin über den Bodensee flog und wie der erste Weltkrieg begann, wie es danach eine Inflation gab und wie der Zweite Weltkrieg begann und erneut das Geld inflationär wurde. Ich konnte nicht verstehen, warum Menschen immer wieder Kriege beginnen konnten. Es wurde mir als Kind bewusst, dass durch Kriege niemand profitieren würde. Ich fragte: „Opa, wie war es, als du selbst ein Kind warst?“ Er sagte: „Das war die schlimmste Zeit meines Lebens, ich wurde in einem Waisenhaus groß. Meine Eltern sind früh gestorben, ich kannte weder meinen Vater noch meine Mutter. Waisenhäuser waren damals furchtbar. Wir bekamen Essen, das heute kaum Schweine fressen würden. Wir wurden trotzdem nie satt. Alle Zimmer waren im Winter sehr kalt. Als ich Fieber hatte und fürchterlich fror, nahm mich eines der größeren Mädchen in ihr Bett. Sie bekam von einer Erzieherin, dafür Prügel. Im Sommer war es unerträglich heiß. Es gab in diesem Haus Wanzen, Flöhe und sonstiges Ungeziefer. Wir wurden von unseren Kinderschwestern, oder Kindertanten für jede Kleinigkeit verprügelt. Manche Kinder wurden so geschlagen, dass sie nicht aufstehen konnten. Wenn wir Läuse hatten, wurden allen Kindern die Haare abrasiert. Dann hatten Mädchen und Jungs eine Glatze. Ich war froh, als ich vierzehn war und eine Lehre als Schreiner begann. Ich wurde dort zwar auch oft geschlagen, bekam aber genügend zu Essen. Als ich älter wurde, wollte ich unbedingt meine eigene Schreinerei. Weil ich fleißig und gottesfürchtig war, wurde aus meiner kleinen Schreinerei, eine Möbelfabrik. Über die schreckliche Zeit meiner Kindheit möchte ich nie wieder reden, es war eine Hölle. Wir hatten nichts mit dem Teufel zu tun, aber unsere Erzieherinnen waren Teufel in Frauengestalt.“ Ich fragte: „Opa, warum gibt es Menschen, die man als Feind bezeichnet?“ Mein Opa versuchte es zu erklären und meinte: „Louis, die Franzosen waren schon immer unsere Feinde.“ Ich sagte: „Opa, ich kann es nicht verstehen.“ Mein Opa meinte: „Es kann sein, dass deine Generation vielleicht keine Kriege erlebt. Wenn Kinder als Erwachsene noch so denken wie du, wünsche ich dir, dass du keinen Krieg erleben müsst. Ich bete für euch, dass ihr jeden Streit ohne Krieg löst. Viele Menschen wurden in einer Bombennacht zum Bettler, weil sie alles verloren haben. Meine Möbelfabrik und meine Wohnhäuser wurden in zwei Bombennächten zerstört. Ich danke Gott, weil nur einer meiner Söhne im Krieg gefallen ist, elf meiner zwölf Kinder haben den Krieg überlebt. Ich hoffe, dass künftig alle Kinder so denken wie du, dann erlebt ihr hoffentlich keinen Krieg mehr.“ Ich dachte an meine Freund aus Tunesien und konnte mir kaum vorstellen, warum er zum Feind werden könnte und wann Menschen zu Feinden werden.
Alle Nahrungsmittel waren in der Nachkriegszeit wertvoll. Kurzfristig erfuhren die Menschen, dass man auf Lebensmittelmarken Salatöl in einem Lebensmittelladen kaufen könne. Wichtige Informationen wurden durch den Büttel bekanntgegeben, der mit einer Schelle läutend durchs Dorf ging. Er rief „Bekanntmachung!“ und verkündete mit lauter Stimme, was gerade für die Bürger des Dorfs von Interesse war. Dass beispielsweise ein Ochse das Bein gebrochen habe und das Tier geschlachtet wurde, man könne beim Metzger Malrad günstig Rindfleisch kaufen. Es gab in unserem Dorf sogenannte Leichensegnerinnen. Es handelte sich um ältere Frauen, die von Tür zu Tür gingen und Menschen erzählten: „D‘ Frau Roller ist gestorben und die Beerdigung ist übermorgen um 14:00.“ So wurde das Wichtigste entweder durch den Dorfbüttel mit seiner Glocke und mit lauter Stimme vorgetragen, oder durch ältere Frauen direkt mitgeteilt. Der „Leichensegnerin“ gaben die Menschen etwas Geld, wenn sie die meist schlechten Nachrichten erzählte. Ich überlegte und fragte: „Mutter, warum gibt man der alten Frau Geld, wenn sie schlechte Nachrichten erzählt, und warum bekommt der Büttel, für seine guten Nachrichten kein Geld?“ Meine Mutter, die meine Fragen fast immer beantworten konnte, lächelte und sagte: „Der Büttel bekommt natürlich auch Geld, nur nicht von den Menschen, denen er seine Nachrichten erzählt, er bekommt sein Geld vom Rathaus, weil es alle Menschen in unserem Dorf betrifft und weil seine Familie von dem Geld lebt, das er bekommt. Die alte Frau ist sehr arm und braucht das Geld, das ihr die Menschen geben. Sie kann nicht mit einer Glocke durch die Straßen gehen, ihre Stimme ist zu schwach und zu leise.“ Ich überlegte und fragte: „Aber Mutter, du hast doch eine laute Stimme und könntest Büttel werden, dann würdest du auch Geld vom Rathaus bekommen und wir müssten nicht so sparen.“ Meine Mutter lachte und sagte: „Es gibt keine Frauen die Büttel sind, das ist ein Beruf für Männer. Weißt du mein kleiner Louis, es gibt ja auch keine Bürgermeisterinnen, keine Polizistinnen, keine Feuerwehrfrauen und keine Soldatinnen. Es gibt Hebammen, Kindergärtnerinnen und Krankenschwestern. Es gibt Männer- und Frauenberufe.“ Ich überlegte und sagte: „Aber Mutter, es gibt Ärzte und Ärztinnen, Lehrer und Lehrerinnen. Deshalb könnte es auch Polizistinnen und Bürgermeisterinnen, oder Soldatinnen geben. Wenn ich König wäre, könnten in meinem Land alle Menschen ihren Beruf aussuchen. Du bist lieb und gerecht, du könntest Bürgermeisterin werden, ich würde dich wählen.“ Meine Mutter umarmte mich und sagte lachend: „Du wärst sicher ein guter König, in deinem Land wäre ich gern Bürgermeisterin. Vielleicht gibt es, wenn du erwachsen bist, Bürgermeisterinnen, Polizistinnen und Soldatinnen. Vielleicht würde es dann keine Kriege mehr geben, weil Frauen nicht auf Menschen schießen.“ Als meine Mutter abends an meinem Bett saß und mit mir betete, sagte ich am Ende meines Gebetes: „Bitte lieber Gott, lass doch alle Menschen ihren Beruf aussuchen, dann könnte meine Mutter mit ihrer lauten Stimme Büttel, oder Bürgermeisterin werden und lass Frauen Soldatinnen werden, damit es keine Kriege mehr gibt.“ Meine Mutter umarmte mich und sagte: „Vielleicht träumst du heute Nacht von deiner schönen Welt, in der auch Frauen Berufe aussuchen können.“ In der Nachkriegszeit kamen fremde Menschen in unser Dorf, denen Wohnungen zugewiesen wurden. Sie sprachen deutsch mit einem anderen Dialekt. Man erzählte, es kommen Flüchtlinge aus Regionen, die von Polen oder Russen aus ihrem Land vertrieben wurden. Flüchtlinge mussten ebenfalls mit knapper werdenden Nahrungsmitteln versorgt werden. Wenn es in Läden auf Lebensmittelmarken etwas zu kaufen gab, liefen Menschen hin. Wenn wir uns beeilten und am Anfang der Schlange standen, bekam man das Mehl auf Lebensmittelmarken. Manchmal ging es gerade aus, wenn man endlich an die Reihe kam.
Als es am 21.06.1948 die Währungsreform gab war ich gerade sechs Jahre alt geworden. Jeder Mensch bekam ein sogenanntes Kopfgeld von 40,00 Deutschen Mark. Die Schaufenster der Läden waren über Nacht mit allen Waren gefüllt, die man sich vorstellen konnte. Es gab nichts, was es nicht in Läden zu kaufen gab. Einen Tag vor dieser Währungsreform gab es in diesen Läden nichts, nicht mal auf Lebensmittelmarken, auch nicht, wenn man bestimmte Ladeninhaber, die uns kannten, gefragt hat. Sie bedauerten immer sehr, dass wir als Familie mit drei Kindern, ohne Vater, nicht das Nötigste zu Essen hatten und mit den Lebensmittelmarken nichts bekommen konnten. Am Tag nach der Währungsreform war alles vorhanden. Ein Wunder der Nacht, oder ein Volksbetrug. Es wurde damals von der Regierung behauptet, dass jeder nach der Währungsreform mit vierzig Deutschen Mark Kopfgeld sein neues Leben begonnen hätte. Die Tüchtigen hätten ihre Chance genutzt und wären reich, oder wohlhabend geworden. Es waren oft nicht die Tüchtigen, sondern Betrüger, die Waren gehortet und auf diesen Tag X gewartet hatten. In Schailberg gab es eine Tauschzentrale, bei der meine Mutter einen Wertgutschein für ein Kinderbett hatte. Mein Kinderbett hatte weiße Stäbe und Rollen, es konnte in jedes Zimmer geschoben werden. Es war Vorkriegsware aus der Möbelfabrik meines Großvaters. Es war mit Matratze, Decke und Kopfkissen sowie zwei Bettbezügen. Nach der Währungsreform ging meine Mutter mit mir in das Geschäft, um den Wertgutschein für ihr Kinderbett einzulösen. Sie wollte Schuhe für meinen Bruder kaufen. Der Laden hieß nach der Währungsreform nicht mehr Tauschzentrale, sondern Möbelfachgeschäft Philipp Ritzer. Meine Mutter legte den Gutschein für das schöne Kinderbett vor und freute sich, weil sie Deutsche Mark dafür bekäme. Der Besitzer des Ladens, Herr Ritzer, gab ihr für das Kinderbett DM 6,50. Dies war der umgerechnete Wert des Gutscheins, der auf Reichsmark ausgestellt war. Meine Mutter konnte kaum glauben, dass sie für ihr schönes Kinderbett nur DM 6,50 bekäme und wollte das Kinderbett zurücknehmen. Sie erklärte dem Besitzer: „Ich bin Kriegerwitwe und habe drei Kinder. Mein elfjähriger Sohn braucht dringen Schuhe. Für dieses schöne Kinderbett müsste ich wenigstens so viel Geld bekommen, um meinem Sohn Schuhe zu kaufen.“ Herr Ritzer war mitleidlos und erklärte meiner Mutter die Rechtslage, die für ihn sprach. Meine Mutter wurde sehr traurig, als ihr Herr Ritzer erklärte, dass es korrekt wäre, wenn er ihr DM 6,50 bezahlen würde. Später sahen wir das Kinderbett im Schaufenster. Es war frisch gestrichen und kostete DM 40,00. Für achtzehn Mark hätte meine Mutter damals Schuhe kaufen können. Diese Geschichte erlebte ich als Siebenjähriger und schrieb sie in mein Tagebuch. Ich konnte kaum glauben, dass man gegen einen Ladenbesitzer, der meine Mutter betrog, nichts unternehmen konnte. Herr Ritzer behauptete, das Recht wäre auf seiner Seite. Es war, wie im Kindergarten, ich wusste genau, dass dieser Ladenbesitzer ein grobes Unrecht beging, gegen das ich nichts tun konnte, weil die Welt, oder meine Mutter und ich zu schwach waren, um uns gegen diese Ungerechtigkeit zu wehren. Ich nahm mir vor, mich zu rächen. Es dauerte Jahre bis ich mich als Gymnasiast an Philipp Ritzer rächen konnte. Denn tatsächlich war das Recht, das oft wenig mit Gerechtigkeit zu tun hat, auf Philipp Ritzers Seite. Er erzielte mit dem Kinderbett einen enormen Gewinn. Dass eine arme Kriegerwitwe betrogen wurde interessierte niemand. Da meine Mutter für meinen Bruder keine Schuhe kaufen konnte, kaufte sie für jeden von uns eine Banane. Es war die erste Banane meines Lebens.
Wenn ich rechtzeitig mit meinen Hausaufgaben fertig war, konnte ich meine Mutter in das vier km entfernte Nachbardorf, Schusslach, begleiten. Sie unterrichtet dort Religion. Als wir auf dem Heimweg waren trafen wir meine frühere Kindergartentante, sie freute sich uns zu sehen und fragte mich wie es mir in der Schule gehe. Tante Helga trug eine schwere Einkaufstasche. Meine Mutter sagte: „Louis, bitte hilf Tante Helga, ihre Tasche nach Hause zu tragen.“ Als achtjähriger Schuljunge kam ich mir als Zweitklässler groß und stark vor. Ich sagte: „Tante Helga ich kann ihre Tasche alleine tragen.“ Sie freute sich über meine Hilfe. Als wir bei ihr zu Hause waren, schenkte sie mir ein Stück Kuchen und kochte Kakao. Es gab damals Kakao nur für viel Geld zu kaufen. Als ich mich bei ihr bedankte, erzählte sie, sie würde nicht mehr im Kindergarten, sondern in der Uhrenfabrik arbeiten und mehr Geld verdienen. Ich sagte: „Deshalb habe ich dich nie getroffen, wenn ich beim Kindergarten gewartet habe.“ Helga war überrascht als ich ihr sagte: „Tante Helga du hast mir immer gefallen, deshalb wollte ich dich gerne sehen.“ Sie schenkte mir Kakao nach und goss mir dabei etwas auf die Hose. „Heilixdonnerwetter bin i grad ugschickt“, meinte sie, „komm zieh dei Hos aus dass i se glei sauber mach. Jeses-Maira dei Unterhos hat ja au no Flecke, di musch au glei ausziehe.“ Sie wusch die Flecken aus, hing meine Sachen in der Küche über den Herd, und sagte zu mir: „Leg di doch grad a Weile uf den Sofa, bis deine Sache a Weng trocke sin, no könne mir a Weile schwätze, mi intressiert‘s, wie's dir in dr Schul geht.“ Tante Helga hatte sich auf das Sofa gesetzt und mein Kopf in ihren Schoß gelegt. Ich sagte leise: „Ich rieche dich gern.“ Helga streichelte mich und sagte: „I merk grad, wie du friersch, komm mir lieget a Weile in mei Bett.“ Helga hatte mit ihrer Mutter eine kleine Wohnung, ihr Vater war ebenfalls gefallen. In ihrem Zimmer legte ich mich in ihr Bett, das nach Helga roch. Sie sah mich an und sagte: „Bitte dreh dich zur Wand, i leg mi zu dir on zieh vorher mei Kleid aus, damit s´nit verdrückt.“ Als Helga sich ins Bett legte, konnte ich kaum atmen, sie hatte nichts an. Ich fürchtete, es wäre ein Traum. Ich streichelte Helga sanft, um den Traum nicht zu verscheuchen. Helga umarmte mich und streichelte mich ebenfalls zärtlich. „Gfällt‘s dir?“ fragte sie. Ich hob die Decke hoch und sah Helgas schönen Körper. Ich sagte: „Du siehst sehr schön aus, darf ich dich überall streicheln?“ Helga küsste mich und legte ihre Zunge in meinen Mund. Endlich verstand ich, wie Menschen küssen. Sie sagte: „Mir dürfet uns überall schtreichle, für uns zwei isch nix verbote. Aber du musch mir verschpreche, dass du‘s niemand erzählsch, eigentlich darf i nit mit dir schmuse.“ Ich spielte mit Helgas roten Haaren und fragte: „Magsch du des au, wenn i di schtreichel? Warum darfsch du nit mit mir schmuse, wo des so schö isch?“ Ich hatte meinen Kopf an Helgas Brust gelehnt und küsste sie sanft. Helga antwortete, während sie mich streichelte: „Ach, Louis, d‘Welt isch kompliziert. I bin Erwachse, un du bisch a Kind. Erwachsene dürfet kein Sex mit Kinder han. Wenn uns zwei des gfällt, no darfsch du mi manchmal bsuche, aber wisse darf niemand, dass mir nacket mitnander schpielet.“ Ich schob die Decke zur Seite, streichelte Helgas Po und fragte: „Was du mit mir grad machsch, isch vielleicht schöner, weil's verbote isch. I dät di am liebschte jeden Tag bsuche, wie oft darf i komme?“ Helga nahm mein Ohr in Mund und flüsterte: „Mei Mutter schafft immer am Dienschtag un am Donnerschtag. I han an dene Tag Frühschicht. Wenn du willsch kommsch an so‘me Tag.“ Ich überlegte, am Dienstagnachmittag hatte meine Mutter an unserer Schule Religion. Am Mittwoch konnte ich mit meiner Mutter nach Schusslach, da hatte sie an dieser Dorfschule ebenfalls Religion. Ich lächelte über meinen Plan und sagte: „I sag meiner Mutter, i dät dich b’suche, weil du du mit mir lerne dätsch. Wenn sich d' Leut wundret, dass i di bsuch, no sag i, des au. Aber Helga, du bisch doch katholisch, musch du nit beichte, was mir mitnanader machet?“ Helga sagte lachend: „I gang zu unsrem Vikar zur Beichte, der isch no jung. Dem erzähl i, was i älles mit mir aschtell, no schnauft er immer ganz arg. Da muss i nit no beichte, was i mit dir mach, sonsch bin i schuld, wenn er a Herzkasperle kriegt.“ Ich lachte und fand Helga lustig, ich fragte: „Also könnt ihr überlege, was ihr beichtet. I han mi oft gwundert, denn mir ka doch nit irgend me Ma, au wenn er Pfarrer isch, älles erzähle. I kann mit unsrem Gott, oder seim Sohn direkt schwätze, aber wenn er nit richtig zuhört, oder wenn i arg schwäbisch schwätz isch des au nit mei Problem, wenn er mi nit verschteht.“ „Siesch Louis“, lachte Helga, „s'gibt Sache, über die muss mer nit schwätze, die muss mer eifach mache. On wenn uns dr Herrgott zusieht, no hatte er sicher nix dagege. Aber mei Schätzle, jetzt sin deine Kleider trocke, jetzt musch dich anziehe, mei Mutter kommt bald. Dreh dich bitte zur Wand, dass i mi anziehe kann.“ „Aber Helga“, antwortete ich, „i weiß doch jetzt wie schö du bisch, lass mi doch gucke, wie du dich anziehsch, denn du weisch doch au, wie i ausseh.“ „Von mir aus“, sagte Helga, stand auf und zog sich an, während ich zusah. Meine Kleidung war über dem Herd tatsächlich trocken. Als ich an der Tür war, kam Helgas Mutter und fragte: „Helga, was macht der Kerle bei dir?“ „Aber Mutter“, sagte Helga, „des isch doch dr Louis, i han ihn mit seiner Mutter troffe, no hat sei Mutter gsagt, er soll mir helfe, mei schwere Tasch heim zu trage.“ Meine Mutter wunderte sich, weil ich erst spät nach Hause kam. Ich erklärte ihr: „D’ Helga hat ein Kakaofleck aus meim Pullover g’wasche un ihn über‘m Herd erst trocknet. Sie hat mich nach dr Schul gefragt un gsagtt, wenn du was nit verstehsch, kann i mit dir lerne. Mir treffet uns donnerstags bei ihr.“ Meine Mutter sagte: „Louis ich habe schon im Kindergarten bemerkt, dass Helga dich mag.“ Nach dem dritten Donnerstag, den ich in Helgas Zimmer verbrachte, war ich fast süchtig nach ihren Händen, ihrem schönen Körper, ihrem Geruch und ihrer Haut. Die Zeit bis Donnerstag kam mir oft lang vor. Ich fragte: „Helga, kann ich dich am Samstag noch besuchen?“ Helga sagte: „Weisch Louis, des geht nit, da isch mei Mutter daheim. Weisch, mei Schätzle, wenn mir uns z'oft sehet, no verliert des sein Reiz. Lass es bei dem Nachmittag. No frei i mi uf di un du di uf mi.“ Ich kannte Helga inzwischen gut. Wenn ich abends im Bett lag, konnte ich sie mir ins Gedächtnis holen und in Gedanken streicheln. Helga hatte mir über ihren Körper viel erklärt. Wenn ich Helga streichelte, bekam sie eine Gänsehaut. Ihre Brustwarzen wurden hart wenn man mit ihnen spielte. Vor allem mochte ich ihren Körpergeruch. Ich streichelte ihren Po. Sie nahm dafür meinen Penis in ihre Hand und sagte: „Schad, das du no kein Orgasmus kriegsch, sonsch dädsch gar neme fort gange, on jetzt sagsch nimme Sprenzerle zu deim Penis. I zeig dir meine Klitoris oder Kitzler, so heißt des empfindliche Teichen von uns Fraue. Das ist viel empfindlicher als dein Penis, des darfsch nur sanft un mit nasse Finger streichle. Ich spürte wie Helga tief atmete und vergnügt leise Schreie ausstieß, wenn ich sie sanft streichelte. Ich durfte meine Finger in ihre Scheide schieben. Sie sagte: „Louis, des machsch du wie en Alde, bloß bisch du viel netter und zärtlicher. Ich fragte: „Helga, hast du gepinkelt, oder warum bist du nass?“ Sie lachte und zeigte mir, wie Frauen pieseln, sie spritzte mir ein Schlückchen in Mund und sagte: „Schmecksch den Unterschied zwische meine Flüssigkeite?“ Es gefiel mir Helgas Po zu kneifen. Als Helga zu mir sagte: I han vom a Franzos a Parfum kriegt, jetzt riech i ganz bsonders gut.“ Ich mochte den Duft nicht und sagte: „Helga, ich mag den Geruch nit, denn du riechsch nimmer nach Dir.“ Helga umarmte mich und wusch ihr Parfum ab. Danach kroch meine Nase über ihren schönen Körper. Es gefiel ihr, dass ich sie gerne roch. Ich fragte: „Helga, warum schenkt dir en Franzos a Parfum?“ Sie anwortete: „Weisch Louis, i han des mit dem gmacht, was i mit dir au mach.“ Ich weinte und sagte: „Aber Helga, du g'hörsch doch mir, du kasch doch nit mit ma Franzos s'gleiche mache wie mit mir.“ Helga wurde sehr ernst, drückte mich fest an sich und sagte: „Jetzt muss i dir was Wichtiges sage un deshalb sage ich es dir Hochdeutsch, das musst du dir für dein ganzes Leben merken. Kein Mensch gehört einem andern. Mit Eifersucht zerstören Menschen ihr Leben. Du gehörst niemand und niemals soll jemand zu dir sagen, dass du ihm gehörst. Du gehörst nicht mal deiner Mutter und später auch nicht deiner Frau. Du gehörst nur dir und ganz alleine nur dir. Ich weiß, dass das was ich mit dir anstelle und mit dir gemacht habe nicht richtig ist, dass ich dich damals im Kindergerten verhauen habe, war besonders schlimm. Ich habe dich immer gemocht und bin wahrscheinlich nicht ganz normal. Vielleicht holt mich das grüne Wägele eines Tages und bringt mich in eine Klapse. Ich hoffe dass ich dir mit diesem Satz etwas für dein Leben mitgegeben habe, das du nicht vergessen darfst. Mein kleiner Schatz, ich mag dich, auch wenn es nicht normal ist, aber ich gehöre nur mir und nur jetzt, in diesem Augenblick, gehöre ich ein ganz klein wenig dir. Und in diesem glücklichen Augenblick gehöre ich dir gerne. Ich bedaure, dass dein Penis noch so klein ist, sonst würden wir stundenlang vögeln. Bitte glaube mir, dass ich manchmal fast geweint habe, wenn ich euch verhauen hab, aber es kam über mich, ich konnte nicht anders. Bitte verzeih mir.“ Sie drückte mich fest an sich. Ich hatte ihr längst verziehen, denn sie entführte mich mit ihren Händen und ihrem Mund in ein nicht gekanntes Paradies. Ich durfte sie längst mit Vornamen ansprechen und musste nicht mehr Tante sagen. Es war fürchterlich, wenn ich sie nicht treffen konnte. Ein weiteres Problem war, dass ich mit keinem Menschen darüber reden konnte. Ich überlegte, ob ich es mit meiner großen Schwester besprechen könnte. Da ich Helga versprochen hatte, mit niemand zu reden, wollte ich nicht mal mit meiner Schwester reden. Es war mit unseren Treffen nicht immer einfach, da Helga bei ihrer Mutter wohnte, trafen wir uns nur, wenn ihre Mutter, die im Krankenhaus arbeitete, nicht zu Hause war. Helga steckte immer den Schlüssel von Innen in die Glastüre, damit wir nicht überrascht werden konnten. Als ihre Mutter einmal unverhofft nach Hause kam, weil sie sich nicht wohl fühlte, klingelte sie. Helga sagte: „Sei ganz still on kriech unter meine Decke.“ Sie stand auf, öffnete im Nachthemd ihrer Mutter und sagte: „Mutter, i han me grad naglegt, mir geht’s nit gut.“ Ihre Mutter fragte: „Was hasch denn, mir isch scho a Weile ufgfalle dass du di verändert hasch. Wenn du mir a ledigs Kind bringsch, kriegsch dein Arsch voll, so alt du bisch.“ Helga antwortete: „Aber Mutter i krieg doch kei Kind.“ „Do dät i mei Hand nit ins Feuer lege“, antwortete ihre Mutter „du bisch a schön's Früchtle. I lieg a Weile na, i han Kopfschmerze.“ Helga kam zurück und sagte: „Jetzt müsse mir zwei ganz leis sei, damit d’ Mutter nix hört, sonsch isch dr Teufel los.“ Wir flüsterten und ich fragte: „Wieso meint dei Mutter, du könntesch a Kind kriege, on warum bisch du a Früchtle, un was isch des?“ Ich erfuhr von ihr, wie Kinder entstehen und was ein Früchtle ist. Wir streichelten uns und kuschelten. Helga kreischte ein wenig. Wir hörten ihre Mutter, ich kroch unter die Decke. Ihre Mutter kam und fragte: „Was isch los?“ Helga sagte: „I han vielleicht träumt.“ Ihre Mutter antwortete: „Es hat sich anders angehört“ und ging. Als Helga mich streichelte, bekam ich plötzlich ein himmlisches Gefühl. Helga drückte und küsste mich, sie sagte ganz leise: „He du zittersch ja, du hasch a Orgasmusle kriegt, he du bisch ganz heiß, schad dass du no nit schpritze kasch. Du des gfellt mir jetzt. Wenn mei Mutter nit do wär, dät i di jetzt die ganz Nacht in meim Bett b'halde.“ Helga verhalf mir erneut zu einem Orgasmus, dann zog ich mich leise an, nahm meine Schuhe in die Hand, lief auf Socken zur Glastür und ging auch die Treppen in Socken runter. Es war dunkel geworden, Helga küsste mich an der Haustüre, fasste in meiner Hosentasche meinen Penis an und verabschiedete sich. Meine Mutter hatte sich gesorgt, weil es dunkel war. Ich erzählte: „Ich habe mit meinem Schulfreund noch das katholische Gemeindeblatt ausgetragen.“ Das verstand sie, weil mein Bruder und ich oft evangelische Kirchenblätter austrugen. Die Sucht nach Helga hat sich durch meinen Orgasmus verschlimmert. Helga war sehr lieb zu mir, wenn wir uns donnerstags trafen, aber sie hatte ihr eigenes Leben. Sie benutzte manchmal Ausreden und traf mich nicht mehr regelmäßig. Sie sagte: „Louis, du musch dich um deine Schule kümmern und lernen, denn du musst an dein künftiges Leben denken. Ich weiß heute, dass sie trotz ihrer Pädophilie verantwortungsvoll mit mir umging. Als ich sie fragte: „Helga, warum kann i nit immer bei dir bleiben und dich heiraten?“ Erklärte sie mir sehr lieb: „Weisch Louis, wir können uns nicht mehr so oft treffen. I han ein sehr nette Freund und hät gern a Familie, du bisch arg nett, aber für mi halt viel zu jung. Du findest sicher bald a nette Freundin. Aber denk immer dran, du gehörst niemand, nur dir, du gehörst nicht deiner Mutter, keiner Freundin und keiner Frau, sondern nur und ausschließlich dir. Ich gehöre nur mir, nicht dir auch nicht meinem Freund und nicht meiner Mutter, sondern nur mir.“ Da Helga mir auswich konnte ich sie kaum noch treffen. Als ich sie endlich mal wieder sah, sagte sie: „Wenn du, mein liebster Louis, mir jetzt versprichst, dass du mich ab jetzt nicht mehr treffen wirst, dann feiere ich mit dir heute unseren Abschied. Ich verspreche dir einen schönen Abschied. Meine Mutter ist verreist.“ Wir hatten fünf lange oder kurze Stunden. Ich kam mir vor wie im Himmel. Helga zeigte mir, wie ich meinen Penis in ihre Scheide einführen konnte. Sie sagte: „Louis, die meisten Männer möchten sich auf die Frau legen, es sei für eine Frau jedoch viel schöner wenn sie oben liegen darf und sich bewegen kann. Weißt du, für Frauen ist es oft schwierig einen Orgasmus zu bekommen.“ Helga lächelte mich an und sagte: „Sei nie egoistisch, denke zuerst an die Frau, mit der du zusammen bist, wenn du mit einem Mädchen schläfst, denke immer zuerst an das Mädchen und sei so zärtlich zu ihr, wie jetzt. Denke immer daran, Zärtlichkeit ist für Frauen wichtig. Du wirst ein guter und zärtlicher Liebhaber. Deine erste Freundin wird dich sehr mögen. So und jetzt sage ich dir, mein Schätzle, lebe wohl, ich wünsche dir für dein ganzes, künftiges Leben alles, alles Gute.“ Ich weinte und bettelte, es half nichts. Helga umarmte mich noch einmal zärtlich und küsste mich. Dann fragte sie mich: „Louis, es isch scho lang her, aber sag mir bitte mal, wie es damals mit dem Hufnagel und unserer Kinderschwester war.“ Ich erzählte es ihr, auch, dass ich mir überlegte, wem ich den Hufnagel auf den Stuhl kleben würde und warum ich mich für die Kinderschwester entschieden hätte und nicht für sie. Sie streichelte mich zärtlich und sagte: „Da han i ja Glück g‘het, denn d' Schwester hat jetzt no a Narbe an ihrem Arsch. On für mein Po wärs wirklich schad.“ Sie lächelte, dann lachte sie laut und sagte: „I han mers fascht denkt. Aber du hasch mi überzeugt, un i han glaubt, dass du's nit warsch. Du musch schpäter, wenn du erwachse bisch en Beruf suche, wo du Leut überzeugsch, da hasch a granademäßige Begabung. Du hasch damals Glück k‘het. I glaub mir hättet d’ Rosanna on di fürchterlich gschlage.“ Ich fragte: „Helga, warum gfällt es dir, wenn du Kinder schlägsch?“ Helga antwortete: „Du Louis es ist inzwischen fast besser, aber damals konnte ich, wenn ich dich verhauen habe, kaum aufhören. Ich wurde mir selbst fremd und konnte nicht verstehen was mit mir geschah. Als ich dir mit meinem Fuß im Genick stand und du mit deinem Kopf unter meinem Rock lagst und meinen Schlüpfer angestarrt hast, und ich dein Geschlecht und deinen nackten Po sah, war ich fast im Paradies. Ich konnte kaum aufhören dich zu schlagen.“ An diesem Abend hatte sich Helga von mir verabschiedet. Wenn wir uns im Dorf trafen, begrüßten wir uns, sie fragte: „Wie geht's dir in der Schule?“ Sie war immer sehr nett, vermied aber jede Berührung. Ich trauerte lange dieser Beziehung nach und träumte abends im Bett von ihr. Als ich eine Woche später beim Einkaufen war, traf ich Helgas Mutter in Hirschers Laden, sie erzählte einer Frau, die ich nicht kannte: „Mei Tochter, d' Helga, hat jetzt den Franzos geheiratet und ging mit ihm ins Elsass, es gefällt ihr dort. Ich werde bald Großmutter, die Familie meines Schwiegersohn hat meine Tochter sehr lieb aufgenommen, alle mögen sie. Die große Familie hat einen Bauernhof mit einer Fischzucht und einem Weinberg. Meiner Tochter gefällt es dort, sie ist sehr glücklich mit ihrem Mann. Der mag sie ganz arg. Ich bin mit dem Zug dort gewesen, Helgas Schwiegereltern haben mich mit einer zweirädrigen Kutsche am Bahnhof abgeholt, die ganze Familie ist sehr nett zu meiner Tochter und zu mir. Als mein Schwiegersohn zu meiner Helga sagte, dass er sich so freut, dass sie jetzt für immer ihm gehört, hat meine Tochter gesagt, ich gehöre nur mir! Alle lachten.“ Frau Hirscher, die Ladenbesitzerin sagte zu Helgas Mutter: „Es isch vielleicht s‘richtige gwe, denn der Franzos wird nie erfahre, mit wie viel Männer sich dei Helga romtriebe hat, on was sie für a Früchtle war.“ Helgas Mutter ärgerte sich und sagte: „Des wirsch du grad wisse mit deim ungwäschne Maul.“ Ich hatte Sehnsucht nach Helga, wurde traurig und weinte fast, denn jetzt würde ich Helga wohl nie wieder sehen. Fast hätte ich meine Einkäufe vergessen.