Читать книгу Nachtstreuners Flaschenpost - Louis Leon Cherrel - Страница 7

4: Shopping

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„Wie viele Fässer brauchen wir jetzt genau?“

Ich reibe mir über meine Arme. Die niedrige Temperatur in der Kühlkammer macht sich mittlerweile bemerkbar. Carlo scheint es mit seinem wärmenden Kapuzenpulli besser auszuhalten.

„Gute Frage!“ Er pustet verspielt eine weiße Wolke in den Raum. „Wer kommt denn heute noch mal alles genau?“

Ich reibe meine Arme schneller, doch gebe dann genervt auf. Allein für die Wahl der Altbiersorte hatten wir gefühlt Stunden gebraucht.

„Also wie viele Liter sollen wir pro Person einplanen?“

„Die Fässer ergeben ja jeweils immer nur einen halben Kasten.“

„Aber wir sollten die Shots natürlich nicht außer Acht lassen! Die werden sicherlich auch noch mal richtig reinknechten!“

„Genau, genau. Dann lass uns am besten erstmal durchzählen, wer alles am Start ist: Wir beide sind ja schon mal zwei, und dann noch Benjamin. Was ist mit Dominik, Christoph und Friedrich? Ich habe den Gesprächsverlauf nicht mehr komplett auf dem Schirm, weil wir immer so abdriften.“

„Dominik sagte, er sei safe dabei, bei den anderen beiden war ich mir jetzt auch nicht mehr richtig sicher vong Gedächtnis her, ehrlich gesagt.“

„Dann guck doch mal bitte eben bei WhatsApp nach, was die Lachse geschrieben haben.“

Carlo quetscht umständlich sein Handy aus der schwarzen Jeans und tippt und wischt darauf herum, bis er ein lang gezogenes „Aaalsooo“ hervorbringt. Er fängt jedoch erneut an zu wischen, bis er endlich hinzufügt: „Dominik ist wie gesagt höchst motiviert,“ und dann fährt er grinsend fort: „Christoph schreibt, er komme gerne heute Abend, sei aber jetzt noch mit seinen Eltern ein bisschen shoppen und müsse danach wohl noch – ich lese das am besten in seinen Worten vor – ‚Einen abwursten’.“

Wir beömmeln uns vor Lachen, bis ich frage, was denn jetzt mit Friedrich sei.

„Der hält sich mal wieder bedeckt, aber das kennt man ja schon von eins Lachs.“

„Hm der soll mal nicht so rumlauchen und einfach kommen, aber das macht er ja am Ende wahrscheinlich sowieso. Also am besten planen wir den einfach mit ein; Daher sind wir also du, Dominik, Christoph, Benjamin, Friedrich und ich. Macht folglich sechs!“

„Dann so drei Liter pro Person?!“

Wir stellen fest, dass sich das Ergebnis nicht exakt durch eine gewisse Anzahl von Fässern realisieren lässt. Weil wir aber kein Risiko gehen wollen, nehmen wir lieber zu viel als zu wenig Bier und flüchten mit vier Fässern aus der Kühlkammer.

Auf den Weg zum Schnapsregal treffen wir auf Herrn Lohmann, einen älteren dickbäuchigen Herrn, der in meiner Nachbarschaft wohnt. Er ist ein Mann von etwa 170 Zentimetern und schütterem, nach hinten gegeltem Haar. Gerade fingert er umständlich, versunken in sein zu großes Polohemd, zwei Champagnerflaschen aus der letzten Reihe des Regals. Als er mich erkennt, ruft er sofort laut nach mir und beginnt inbrünstig zu Husten, während er den teuren Perlwein zu diversen weiteren Flaschen auf seinem Einkaufswagen stapelt. Er räuspert sich und grölt zu mir herüber: „Na, schon wieder für die nächste Fete am einkaufen? Geht ja scheinbar wieder heiß her bei euch!“

„Bei euch wird aber auch nicht gemausert“, entgegne ich und zeige auf seinen Einkaufswagen. Lohmann lehnt sich auf selbigen, der sogleich vorne abhebt.

„Die kleine Mirjam hat morgen Geburtstag und da kommt wieder die ganze Horde; Tanten, Onkel, ein paar Bekannte und dann natürlich noch die ganzen Omis und Opis. Da muss man auch den ein oder anderen Tropfen anzubieten haben und“, er zwinkert mir sabbernd zu: „sonst erträgt man diese Gesellschaft ja auch nicht wirklich. Aber naja so ist das mit der Familie.“

„Ja äh ja genau!“, ich spüre die peinliche und doch sehr bedrückende Stille, die untermalt wird von dem Surren des Kühlhauses. Obwohl ich bereits ahne, in was für eine Richtung das Gespräch nun rutschen könnte, schaffe ich es nicht es in eine andere zu lenken.

Und dann passiert es auch schon: Lohmann stürmt auf uns zu und wirft uns die schweren Arme auf die Schultern, so dass zwei unschöne dunkle Flecken in seinen Achselhöhlen zum Vorschein kommen. Er prustet los: „Aber bei euch geht es wohl wieder mal hoch her?! Früher als ich in eurem Alter war, da haben wir noch richtig Spaß gehabt. Damals wurd noch richtig einer gehoben und auch mal schön einer übern Durst getrunken, das sag ich euch. Und ganz zu schweigen von dem Spaß mit den Frauen! Damals haben wir es richtig bunt getrieben, ich sage euch, das waren noch Zeiten! Nur aufpassen, dass die nicht schwanger werden scherzten wir immer. Gab ja damals diesen Quatsch mit Aids und so noch nicht. Ja früher, da haben wir noch richtig einen draufgemacht!“

Er seufzt verträumt auf, doch ein weiterer Hustenschwall befreit uns aus seinem Griff. Er wuchtet sich die Faust gegen die Brust, bis er wieder zu Atem kommt. Dann rumpelt er mich mit dem Ellenbogen an der Seite an und süppelt weiter: „Genießt die Zeit Männer, ich sage es euch! So bunt wird’s nicht mehr lange bleiben.“

Verschwörerisch grinst er mir zu und holt das nächste noch unangenehmere Thema hervor: „Du machst doch jetzt auch bald dein Abitur oder? Schon mal ein Praktikum gemacht?“

Ohne eine Antwort abzuwarten stürmt er fort: „Aber das wird dein Vater ja wohl in die Wege leiten können. Die Kontakte bestehen ja zur Genüge, damit aus dir mal was Ordentliches wird. Weißt du schon, was du studieren willst?“

Erneut ohne eine Antwort abzuwarten sprudelt es weiter aus ihm raus: „Aber auch da brauch ich ja nicht zu fragen, wirst wohl ein Jurist wie dein Vater werden, hm!? In die großen Fußstapfen treten wirst du wohl, hm!? Meine Älteste ist ja auch auf der „Bucerius Law School“ in Hamburg. Da wirst du richtig auf die großen Kanzleien vorbereitet. Justus ist jetzt in der Schweiz und studiert Betriebswirtschaftslehre in St. Gallen! Wird wohl mal straff ins Management gehen. Aber das liegt ja in der Familie bei uns.“

Ein dreckiges Lachen beendet sein Gerede. Die kleinen Zustimmungen und Höflichkeiten meinerseits hören sich in dem Getränkemarkt vollkommen leer an.

Plötzlich ein Handyklingelton: Lohmann schreckt auf, zieht sein Telefon aus der Tasche, wirft einen Blick auf den Bildschirm und ruft: „So Männer, da muss ich jetzt aber drangehen, schöne Fete euch und Grüße an die Eltern Marten.“

Er schwingt uns die Hand entgegen, zuerst ist Carlo dran, dann wird die meine von einem feuchten Händedruck zerquetscht. Wir warten bis Lohmann seinen vollgepackten Wagen um die nächste Ecke geschoben hat und nur noch ein Echo seiner Worte wahrzunehmen ist: „... nicht kaufen, ...Anteile der Anderen müssen anwachsen...!“

Carlo sieht mich fragend an: „Wer war das denn?“

„Ach der wohnt bei uns in der Gegend. Erfolgreicher Geschäftsmann, trotzdem irgendwie eine strange Familie.“

Am Schnapsregal finden wir eine 1,5 Liter Jägermeisterflasche mit Handpumpe.

„Das sollte doch die richtige Würze bringen.“

Zufrieden, voller Erwartungen und Vorfreude schieben wir unsere Trophäen zur Kasse.

Nachtstreuners Flaschenpost

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