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IV. STOLPERSTEINE

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Als Nat am Montagmorgen in die Schule ging, zitterte er innerlich, denn er dachte, dass er jetzt seine Unwissenheit vor allen anderen Jungs zeigen müsse. Aber Mr. Bär wies ihm einen Platz zu, wo er den anderen den Rücken zukehren konnte, und wo nur Franz hörte, wie er seine Aufgaben erledigte; niemand konnte seine Unzulänglichkeiten hören oder sehen, wie er sein Notizbuch bekleckerte. Er war wirklich dankbar dafür und schuftete fleißig, bis Mr. Bär sein dunkelrotes Gesicht und seine tintenbefleckten Finger sah und sagte:

"Arbeite nicht so hart, mein Junge; du wirst dich noch ermüden, und wir haben noch so viel Zeit."

"Aber ich muss hart arbeiten, sonst komme ich mit den anderen nicht mit. Die Jungs wissen so viel, und ich gar nichts", sagte Nat, der vollkommen verzweifelt war, seit er gehört hatte, wie seine Mitschüler ihre Grammatik-, Geschichts- und Geographieaufgaben mit einer seiner Meinung nach erstaunlichen Leichtigkeit und Genauigkeit vortrugen.

"Und du weißt eine ganze Menge Dinge, die sie nicht wissen", sagte Mr. Bär und setzte sich neben ihn, während Franz eine Gruppe kleinerer Schüler durch die Feinheiten des Einmaleins lotste.

"Wirklich?" Nat sah völlig ungläubig aus.

"Ja, zum Beispiel kannst du dich beherrschen, und das kann Jack, der sehr gut rechnen kann, nicht; das ist eine ausgezeichnete Eigenschaft, und ich denke, du hast sie dir gut angeeignet. Außerdem kannst du Geige spielen, und das kann keiner der anderen Jungs, obwohl sie es sehr gerne tun würden. Aber das Beste ist, Nat, dass du wirklich etwas lernen willst, und das ist die halbe Miete. Am Anfang scheint es immer schwer zu sein, und du wirst dich vielleicht entmutigt fühlen, aber bemühe dich weiter, und es wird dir im Laufe der Zeit immer leichter fallen."

Nats Gesicht hatte sich beim Zuhören immer mehr aufgehellt, denn so gering seine Bildung auch war, so sehr freute es ihn zu wissen, dass er auf etwas zurückgreifen konnte. "Ja, ich kann mich gut beherrschen – Vaters Prügel haben mich das gelehrt; und ich kann fiedeln, obwohl ich nicht weiß, wo der Golf von Biskaya ist", dachte er und fand diesen Gedanken so tröstlich, dass es sich kaum mit Worten ausdrücken lässt. Dann sagte er laut, und zwar so ernst, dass Demi ihn hören konnte:

"Ich will lernen und ich werde alles dafür tun. Ich bin nie zur Schule gegangen, aber ich konnte nichts dafür; und wenn meine Mitschüler mich nicht auslachen, werde ich erstklassige Fortschritte machen – Sie und die Dame des Hauses sind so gut zu mir."

"Sie werden dich nicht auslachen; und wenn sie es tun, werde ich – werde ich – werde ich ihnen sagen, dass sie es nicht tun dürfen", rief Demi, der ganz vergessen hatte, wo er sich befand.

Der Rest der Klasse, die gerade die Neunerreihe aufsagte, hielt inne und schaute auf, um zu sehen, was los war.

Da er der Meinung war, dass eine Lektion in gegenseitiger Hilfe gerade besser angebracht war als Rechnen, erzählte ihnen Mr. Bär von Nat und machte eine so interessante und rührende, kleine Geschichte daraus, dass die gutherzigen Jungs alle versprachen, ihm zu helfen; außerdem fühlten sie sich geehrt, dazu aufgefordert worden zu sein, ihre Schätze an Weisheit mit dem Burschen, der so großartig fiedeln konnte, zu teilen. Dieser Appell vermittelte allen das richtige Gefühl, und Nat hatte ein paar Hindernisse weniger, gegen die er kämpfen musste, denn jeder war froh, ihm einen "Schub" auf der Leiter des Lernens geben zu dürfen.

Solange er jedoch noch nicht ganz gesund war, war ausgiebiges Lernen nicht gut für ihn, und Mrs. Jo fand im Haus verschiedene andere Beschäftigungen für ihn, während die Jungs in ihren Büchern arbeiteten. Aber sein Garten war die allerbeste Medizin für ihn, und er arbeitete wie ein Biber, bereitete seine kleine Parzelle vor, säte seine Bohnen aus, beobachtete eifrig, wie sie wuchsen, und freute sich über jedes grüne Blatt und jeden schlanken Stängel, der im warmen Frühlingswetter emporschoss und erblühte. Nie wurde ein Garten sorgfältiger gehackt, und Mr. Bär fürchtete wirklich, dass nichts Zeit zum Wachsen finden würde, weil Nat ständig den Boden umgrub; also gab er ihm leichtere Aufgaben im Blumengarten oder bei den Erdbeeren, wo er arbeitete und so eifrig umherschwirrte wie die Bienen, die um ihn herum brummten.

"Das ist die Ernte, die ich am liebsten mag", sagte Mrs. Bär, wenn sie ihm in die einst dünnen Wangen kniff, die jetzt prall und rötlich waren, oder die gebeugten Schultern tätschelte, die sich dank gesunder Arbeit, gutem Essen und dem Fehlen der schweren Last mit Namen 'Armut' langsam aufrichteten.

Demi war sein kleiner Freund, Tommy sein Gönner und Daisy die Trösterin all seiner Sorgen; denn obwohl die Kinder jünger waren als er, fand sein furchtsames Wesen Gefallen an ihrer unschuldigen Gesellschaft, während er vor den derben Spielen der älteren Jungs eher zurückschreckte. Mr. Laurence vergaß ihn nicht, sondern schickte Kleider und Bücher, Musik und freundliche Nachrichten, und hin und wieder kam er selbst vorbei, um zu sehen, wie es seinem Jungen ging, oder nahm ihn mit in die Stadt zu einem Konzert. Bei diesen Gelegenheiten fühlte sich Nat in den siebten Himmel der Glückseligkeit versetzt, denn er durfte das große Haus von Mr. Laurence besuchen, traf dessen hübsche Frau und die kleine Fee von einer Tochter, aß gut zu Abend und wurde so verwöhnt, dass er noch einige Tage und Nächte später davon sprach und träumte.

Es braucht so wenig, um ein Kind glücklich zu machen, dass es in einer Welt voller Sonnenschein und erfreulicher Dinge einfach schade ist, dass es immer noch wehmütige Gesichter, leere Hände oder einsame, kleine Herzen gibt. In diesem Gefühl sammelten die Bärs alle Krümel ein, die sie finden konnten, um ihre Herde hungriger Spatzen zu füttern, denn sie waren nicht reich – außer an Wohltätigkeit. Freundinnen von Mrs. Jo, die übervolle Kinderzimmer hatten, schickten ihr Spielzeug, dessen die eigenen Kinder bereits müde geworden waren, und das Reparieren dieser Dinge war für Nat eine Arbeit, die bestens zu ihm passte. Er war sehr ordentlich und geschickt mit seinen schlanken Fingern, dass er so manchen verregneten Nachmittag mit der Kleberflasche, seinem Malkasten und seinem Messer verbrachte, um Möbel, Tiere und Spielsachen zu reparieren, während Daisy sich als Schneiderin für die heruntergekommenen Puppen betätigte. Sobald die Spielsachen repariert waren, wurden sie sorgfältig in eine bestimmte Schublade gelegt, und sollten irgendwann einen Weihnachtsbaum für all die armen Kinder der Nachbarschaft schmücken. So wollten die Plumfield-Jungs den Geburtstag dessen feiern, der die Armen liebte und die Kleinen segnete.

Demi wurde nie müde, seine Lieblingsbücher zu lesen und zu erklären, und die beiden verbrachten so manche angenehme Stunde in der alten Weide und schwelgten in "Robinson Crusoe", "1001 Nacht", "Edgeworths Erzählungen" und vielen anderen liebenswerten, unsterblichen Geschichten, die noch Kinder vieler kommender Jahrhunderte erfreuen werden. Dies eröffnete Nat eine neue Welt, und sein Eifer, unbedingt wissen zu wollen, was als nächstes in der Geschichte passierte, half ihm dabei, bald so gut zu lesen wie jeder andere Junge, und so stolz auf seine neue Fähigkeit zu sein, dass die Gefahr bestand, irgendwann genauso ein Bücherwurm zu werden wie Demi.

Und dann kam von einer höchst unerwarteten Seite noch mehr Hilfe. Viele der Jungen waren "im Geschäft", wie sie es nannten, denn die meisten von ihnen waren arm, und da ihnen klar war, dass sie irgendwann ihren eigenen Weg gehen mussten, unterstützten die Bärs alle Bemühungen um Unabhängigkeit. Tommy verkaufte seine Eier; Jack spekulierte mit Vieh; Franz half beim Unterricht und wurde dafür bezahlt; Ned hatte eine Vorliebe für das Zimmermannshandwerk, und man stellte ihm eine Drehbank zur Verfügung, auf der er alle möglichen nützlichen oder hübschen Dinge drehte und dann verkaufte; während Demi Wassermühlen, Kreisel und sowohl nutzlose als auch komplizierte, unbekannte Maschinen baute und sie den anderen Jungs zur Verfügung stellte.

"Dann soll er halt Mechaniker werden, wenn er will", sagte Mr. Bär. "Gib einem Jungen einen Beruf, und er ist unabhängig. Arbeit ist gesund, und welches Talent diese Burschen auch besitzen, ganz gleich ob für die Poesie oder das Pflügen, es soll nach Möglichkeit gefördert werden und ihnen Nutzen bringen."

Eines Tages rannte Nat zu ihm und fragte mit aufgeregtem Gesicht:

"Darf ich für einige Leute, die in unseren Wäldern picknicken wollen, fiedeln? Sie werden mich bezahlen, und ich möchte, wie die anderen Jungs, auch etwas Geld verdienen – und Fiedeln ist die einzige Möglichkeit, die ich dafür habe."

Mr. Bär antwortete bereitwillig:

"Dann geh hin und sag ihnen zu. Fiedeln ist eine einfache und sehr angenehme Art zu arbeiten, und ich bin froh, dass man dir diesen Vorschlag gemacht hat.

Nat ging also los und machte sich so gut, dass er zwei Dollar in der Tasche hatte, als er nach Hause kam. Diese zeigte er mit großer Genugtuung überall herum und erzählte, wie sehr er den Nachmittag genossen hatte, wie freundlich die jungen Leute gewesen waren, wie sehr sie seine Tanzmusik gelobt und versprochen hatten, ihn auch das nächste Mal wieder zu buchen.

"Es ist so viel schöner als auf der Straße zu fiedeln, denn da habe ich von dem Geld nichts abbekommen, und nun gehört mir alles, und ich hatte noch Spaß dabei. Jetzt bin ich "im Geschäft", genau wie Tommy und Jack, und das finde ich toll", sagte Nat, tätschelte stolz sein altes Notizbuch und fühlte sich schon wie ein Millionär.

Er war wirklich "im Geschäft", denn Picknicks gab es zu Beginn des Sommers reichlich, und Nats Fähigkeiten waren überall sehr gefragt. Es stand ihm immer frei zu gehen, wenn dabei der Unterricht nicht vernachlässigt wurde und die Picknicks von ehrenwerten, jungen Leuten veranstaltet wurden. Mr. Bär erklärte ihm, dass eine gute, einfache Ausbildung für jeden notwendig sei, und dass er für kein Geld der Welt irgendwo hingehen dürfe, wo er versucht sein könnte, etwas Falsches zu tun. Nat stimmte dem zu, und es war immer ein erfreulicher Anblick, den unschuldigen Jungen in den bunten Wagen wegfahren zu sehen, die für ihn am Tor anhielten, oder ihn müde, aber glücklich, mit seinem wohlverdienten Geld in einer Tasche und einigen "Leckereien" vom Fest für Daisy oder den kleinen Ted, die er nie vergaß, in der anderen Tasche nach Hause kommen zu hören.

"Ich werde so lange sparen, bis ich genug Geld für eine eigene Geige habe, und dann kann ich meinen Lebensunterhalt selbst verdienen, nicht wahr?", sagte er, als er Mr. Bär seine Dollars zur Aufbewahrung brachte.

"Ich hoffe es, Nat; aber erst einmal musst du zu Kräften kommen, gesund werden und dein musikalischer Kopf könnte noch etwas mehr Wissen vertragen. Dann wird Mr. Laurie irgendwo einen Platz für dich finden, und in ein paar Jahren werden wir alle vorbeikommen, um dich in der Öffentlichkeit spielen zu hören."

Mit viel zuträglicher Arbeit, Ermutigung und Hoffnung fiel Nat das Leben jeden Tag ein bisschen leichter und erfreulicher, und er machte im Musikunterricht solche Fortschritte, dass sein Lehrer ihm seine Begriffsstutzigkeit in einigen anderen Dingen verzieh; er wusste nur zu gut, dass dort, wo das Herz ist, der Verstand am besten arbeitet. Die einzige Strafe, die der Junge jemals für die Nichterledigung wichtiger Hausaufgaben brauchte, war, Fiedel und Bogen für einen Tag wegzusperren. Die Angst, seinen Busenfreund zu verlieren, ließ ihn mit Nachdruck in seinen Büchern arbeiten; und nachdem er bewiesen hatte, dass er die Aufgaben bewältigen konnte, was nutzte es da noch, "das kann ich nicht" zu sagen?

Daisy empfand eine große Liebe für die Musik und hatte große Ehrfurcht vor jedem, der gut darin war, und man fand sie oft auf der Treppe vor Nats Tür, während er übte. Das gefiel ihm sehr gut, und er gab sein Bestes für diesen einen stillen, kleinen Zuhörer; sie kam nie herein, sondern nähte lieber an einem ihrer bunten Patchworks oder hütete mit einem Ausdruck verträumter Freude auf ihrem Gesicht eine ihrer vielen Puppen, so dass Tante Jo mit Tränen in den Augen sagte: "Genau wie meine Beth." Dann ging sie meist leise vorbei, damit selbst ihre vertraute Gegenwart die süße Zufriedenheit des Kindes nicht beeinträchtigen konnte.

Nat war sehr angetan von Mrs. Bär, fand aber etwas noch Anziehenderes in dem guten Professor, der sich väterlich um den schüchternen, schwachen Jungen kümmerte, der gerade noch mit seinem Leben der rauen See, in der sein kleines Boot zwölf Jahre lang steuerlos getrieben war, entronnen war. Irgendein guter Engel muss wohl über ihn gewacht haben, denn obwohl sein Körper krankte, schien seine Seele wenig Schaden genommen zu haben und war so unschuldig "an Land gegangen" wie ein Baby, das Schiffbruch erlitten hatte. Vielleicht hatte seine Liebe zur Musik diese trotz der ganzen Zwietracht um ihn herum schadlos gehalten; Mr. Laurie sagte etwas Ähnliches, und er musste es wissen. Wie dem auch sei, Vater Bär hatte große Freude daran, die Tugenden des armen Nat zu fördern und die Fehler seines neuen Schülers, der so folgsam und anhänglich wie ein Mädchen war, auszumerzen. Er nannte Nat oft seine "Tochter", wenn er mit Mrs. Jo über ihn sprach, und sie lachte immer ob dieser Vorstellung, denn die Dame des Hauses mochte "männliche" Jungs und hielt Nat zwar für liebenswürdig, aber auch schwach, obwohl man das nie vermutet hätte, denn sie verhätschelte ihn wie Daisy, und er hielt sie im Gegenzug für eine sehr reizende Frau.

Aber einer von Nats Fehlern bereitete den Bärs große Sorgen, obwohl sie erkannten, dass dieser durch Angst und Unwissenheit bedingt war. Bedauerlicherweise erzählte Nat manchmal Lügen. Nie ganz arglistige, selten gravierende und oft Notlügen; aber das war egal, eine Lüge ist eine Lüge, und obwohl wir uns alle in unserer verqueren Welt manchmal einiger Unwahrheiten bedienen, es ist nicht richtig, und jeder weiß das.

"Man kann nicht vorsichtig genug sein; hüte deine Zunge, deine Augen und deine Hände, denn es ist leicht, Unwahrheiten zu erzählen, zu sehen oder nach ihnen handeln", sagte Mr. Bär während einem der Gespräche, in denen er mit Nat über dessen größte Versuchung redete.

"Das weiß ich, und ich will es ja auch nicht, aber es ist so viel einfacher zurechtzukommen, wenn man nicht so sehr darauf bedacht ist, immer die Wahrheit zu sagen. Ich habe früher oft gelogen, weil ich Angst vor Vater und Nicolo hatte, und jetzt tue ich es manchmal, weil die Jungs mich auslachen. Ich weiß, es ist schlimm, aber ich vergesse es immer wieder", sagte Nat, dessen Sünden ihn offensichtlich traurig machten.

"Als ich ein kleiner Junge war, habe ich oft gelogen! Du lieber Gott! Was waren das für Schwindeleien, aber meine alte Großmutter hat mich schließlich geheilt – und wie hat sie das gemacht, was denkst du? Meine Eltern haben geredet, geschrien und bestraft, aber ich habe es trotzdem immer wieder vergessen, genau wie du. Dann sagte die liebe, alte Großmutter: "Ich werde dir helfen, dich daran zu erinnern, und diesen ungehörigen Teil deiner selbst unter Kontrolle zu halten." Sie zog meine Zunge heraus und bearbeitete das Ende mit ihrer Schere, bis das Blut floss. Das war schrecklich, das kannst du mir glauben, aber es hat mir sehr gut getan, denn es tat tagelang weh, und jedes Wort, das ich sagte, kam so langsam heraus, dass ich immer genug Zeit zum Nachdenken hatte. Danach war ich vorsichtiger und kam besser zurecht, denn ich fürchtete die große Schere. Und doch war die liebe Großmutter immer sehr nett zu mir, und als sie weit weg in Nürnberg im Sterben lag, betete sie, dass der kleine Fritz Gott lieben und immer die Wahrheit sagen möge.

"Ich hatte nie eine Großmutter, aber wenn Sie glauben, dass es mich heilen wird, dann dürfen Sie mir in die Zunge schneiden", sagte Nat heldenhaft, der sehr wohl den Schmerz fürchtete, aber unbedingt mit dem Geflunker aufhören wollte.

Mr. Bär lächelte und schüttelte den Kopf.

"Ich habe eine bessere Methode, die ich schon einmal ausprobiert habe und die gut funktioniert hat. Also, wenn du ab jetzt lügst, werde ich nicht dich bestrafen, sondern du mich."

"Und wie?", fragte Nat, sichtlich erschrocken von dieser Vorstellung.

"Du sollst mich auf die gute, altmodische Art und Weise züchtigen, ich praktiziere das eher selten, aber es könnte dir mehr helfen, mir Schmerzen zu bereiten, als sie selbst fühlen zu müssen.

"Sie schlagen? Oh, nein, das kann ich nicht!", rief Nat.

"Dann hüte deine lose Zunge. Ich habe keine Lust darauf, geschlagen zu werden, aber ich würde gerne viel Schmerz ertragen, um diesen Fehler auszumerzen."

Dieser Vorschlag machte auf Nat einen solchen Eindruck, dass er seine Zunge lange Zeit sehr gut unter Kontrolle hatte und immer bei der Wahrheit blieb; Mr. Bär hatte vollkommen richtig vermutet, dass Nats Liebe zu ihm stärker war als die Angst um sich selbst. Aber ach! Eines traurigen Tages war Nat nicht mehr auf der Hut, und als der hitzige Emil drohte, ihn zu verprügeln, falls er durch seinen Garten gerannt war und dabei seine besten Maishügel niedergetrampelt hatte, erklärte Nat, dass er unschuldig war – und schämte sich dann, es zuzugeben, weil Jack ihn am Abend zuvor gejagt hatte.

Er dachte, niemand würde es herausfinden, aber Tommy hatte ihn zufällig gesehen, und als Emil ein oder zwei Tage später davon sprach, erzählte Tommy seine Beobachtung, und Mr. Bär hörte zu. Die Schule war gerade zu Ende und alle standen in der Vorhalle herum, als sich Mr. Bär auf das Strohsofa setzte, um mit Teddy herumzualbern; aber als er hörte, was Tommy sagte, und sah, wie Nat puterrot anlief und ihn mit erschrockenem Gesicht ansah, stellte er den kleinen Jungen auf den Boden und sagte: "Geh zu deiner Mutter, Bübchen, ich komme bald." Dann nahm er Nat bei der Hand, führte ihn zurück ins Klassenzimmer und schloss die Tür.

Die Jungs sahen sich eine Minute lang schweigend an; dann schlich sich Tommy nach draußen, spähte durch die halb geschlossenen Fensterläden hinein, und gewahrte einen Anblick, der ihn ziemlich verwirrte. Mr. Bär hatte gerade das lange Lineal abgenommen, das über seinem Schreibtisch hing, und das so selten benutzt wurde, dass es mit Staub bedeckt war.

"Ach du jemine! Jetzt wird Nat eine ordentliche Tracht Prügel bekommen. Ich wünschte, ich hätte nichts erzählt ", dachte der gutmütige Tommy, denn gezüchtigt zu werden war die größte Schande der Schule.

"Weißt du noch, was ich dir das letzte Mal gesagt habe?", sagte Mr. Bär traurig, aber keinesfalls wütend.

"Ja; aber bitte zwingen Sie mich nicht dazu, ich halte das nicht aus", rief Nat, der mit kummervollem Gesicht mit dem Rücken zur Tür stand und beide Hände hinter sich verschränkt hatte.

"Warum nimmt er es nicht hin wie ein Mann? Ich würde es tun", dachte Tommy, obwohl sein Herz bei diesem Anblick schneller schlug.

"Ich werde mein Wort halten, und du musst daran denken, immer die Wahrheit zu sagen. Gehorche mir, Nat; nimm das Lineal und gib mir sechs ordentliche Schläge."

Tommy erschütterten diese letzten Worte so sehr, dass er fast von der Bank heruntergefallen wäre, sich aber gerade noch retten konnte, indem er sich am Fensterbrett festhielt. Seine Augen waren so rund wie die der ausgestopften Eule auf dem Kaminsims.

Nat nahm das Lineal, denn wenn Mr. Bär in diesem Ton sprach, gehorchte ihm jeder, und obwohl er so ängstlich und schuldig aussah, als ob er seinen Herrn erstechen müsste, versetzte Nat der ihm entgegengestreckten, großen Hand zwei schwache Hiebe. Dann hielt er inne und schaute halb blind vor Tränen auf; aber Mr. Bär blieb hart:

"Mach weiter und schlag härter zu."

Da es offensichtlich keinen Ausweg gab und er nur noch diese schwere Aufgabe schnell zu Ende bringen wollte, legte Nat einen Ärmel über seine Augen und ließ zwei weitere schnelle, harte Schläge folgen, die die Hand röteten, den Austeilenden aber noch mehr schmerzten.

"Ist das nicht genug?", fragte er ziemlich außer Atem.

"Noch zwei", lautete die Antwort, und die teilte Nat dann auch aus, obwohl er kaum sah, was er genau traf. Dann warf er das Lineal quer durch den ganzen Raum, umfasste die gütige Hand mit seinen eigenen, legte sein Gesicht darauf und schluchzte leidenschaftlich in einer Mischung aus Liebe, Scham und Reue:

"Ich werde mich daran erinnern! Oh ja, das werde ich!"

Dann nahm ihn Mr. Bär in die Arme und sagte so mitfühlend, wie vor wenigen Sekunden noch entschlossen:

"Ich denke, das wirst du. Bitte den lieben Gott darum, dir zu helfen, und versuche, uns beiden ein weiteres Schauspiel wie dieses zu ersparen.

Das war alles, was Tommy sah, denn danach schlich er zurück in die Vorhalle und sah so erregt und ernst aus, dass sich alle Jungs um ihn scharten, um zu fragen, was man mit Nat anstellte.

Flüsternd erzählte Tommy ihnen eindrucksvoll, was er gesehen hatte, und alle sahen aus, als würde gerade der Himmel einstürzen, denn diese Umkehr der üblichen Abläufe raubte ihnen fast den Atem.

"Er hat mich einmal gezwungen, dasselbe zu tun", sagte Emil, als ob er ein Verbrechen der allerübelsten Sorte gestehen müsste.

"Und du hast ihn geschlagen? Den lieben, alten Vater Bär? Donner und Doria, das solltest du jetzt einmal versuchen", sagte Ned und nahm Emil in einem Anfall gerechten Zorns in den Schwitzkasten.

"Es ist schon so lange her. Lieber lasse ich mir den Kopf abschlagen, als es noch einmal zu tun." Mit diesen Worten gab sich Emi geschlagen, anstatt nach Ned zu hauen, was er ganz sicher bei einem weniger ernsten Anlass für seine Pflicht gehalten hätte.

"Wie konntest du nur?", fragte Demi, der entsetzt war über den Gedanken.

"Ich war damals sehr wütend und dachte, es würde mir nichts ausmachen, mir vielleicht sogar gefallen. Aber als ich Onkel einen ordentlichen Schlag versetzt hatte, war plötzlich alles, was er je für mich getan hatte, irgendwie in meinen Kopf, und ich konnte nicht mehr weitermachen. Nein, Sir! Selbst wenn er mich hingelegt hätte und auf mir herumgetrampelt wäre, es hätte mir nichts ausgemacht – ich fühlte mich so schäbig", sagte Emil und versetzte sich selbst einen kräftigen Schlag auf die Brust, um so sein Gefühl der Reue für die Vergangenheit auszudrücken.

"Nat weint, als gäbe es kein Morgen, und es tut ihm unendlich leid, also lasst uns kein Wort darüber verlieren, ja?" sagte der gutherzige Tommy.

"Natürlich werden wir nichts sagen, aber es ist schrecklich, Lügen zu erzählen", meinte Demi, der aussah, als ob ihm die Schrecklichkeit noch viel größer erscheinen würde, wenn die Strafe nicht der Sünder, sondern sein geliebter Onkel Fritz abbekam.

"Ich schlage vor, wir hauen alle ab, dann kann Nat nach oben flüchten, wenn er will", schlug Franz vor und führte die Meute zur Scheune, ihrer Zuflucht in unruhigen Zeiten.

Nat kam nicht zum Mittagessen, aber Mrs. Jo brachte ihm etwas davon und sagte ein zärtliches Wort, was ihm offensichtlich gut tat, obwohl er sie nicht anschauen konnte. Irgendwann hörten die Jungs, die draußen spielten, die Geige und sagten sich: "Es geht ihm wieder gut." Es ging ihm tatsächlich besser, aber er war immer noch zu verlegen, um hinunter zu gehen, bis er, als er seine Tür öffnete, um sich in den Wald zu verdrücken, Daisy auf der Treppe sitzend vorfand – ohne Handarbeit und ohne Puppe, nur mit ihrem kleinen Taschentuch in der Hand, als ob sie um ihren gefangenen Freund trauern würde.

"Ich gehe spazieren, willst du mitkommen?", fragte Nat, der versuchte so auszusehen, als ob alles in Ordnung war; tatsächlich war er aber sehr dankbar für ihr stilles Mitgefühl, weil er sich ausmalte, dass jeder ihn für einen Schurken halten würde.

"Oh, ja!" sagte Daisy, die zu ihrem Hut eilte und stolz darauf war, von einem der großen Jungs als Begleiterin auserwählt worden zu sein.

Die anderen sahen sie gehen, aber niemand folgte ihnen, denn Jungs haben viel mehr Zartgefühl, als man ihnen gemeinhin zutraut, und alle wussten nur zu gut, dass die sanfte, kleine Daisy das meiste Mitgefühl zeigte, wenn man selbst in Ungnade gefallen war.

Der Spaziergang tat Nat gut, und er kam ruhiger als sonst nach Hause, sah aber wieder fröhlich aus und war überall mit Gänseblümchenketten behangen, die seine kleine Spielgefährtin gemacht hatte, während er auf dem Rasen lag und ihr Geschichten erzählte.

Niemand verlor ein Wort über das Schauspiel dieses Morgens, aber vielleicht war seine Wirkung gerade deswegen umso nachhaltiger. Nat versuchte fortan sein Bestes und erhielt viel Hilfe, nicht nur durch die feierlichen, kleinen Gebete, die er an seinen Freund im Himmel richtete, sondern auch durch die geduldige Fürsorge seines irdischen Freundes, dessen gütige Hand er nie mehr berührte, ohne sich daran zu erinnern, dass sie um seinetwillen Schmerzen ertragen hatte.

Kleine Frauen, Band 3: Kleine Männer

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