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Kapitel 1

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„Beute: Christopher“


Christopher Ezkiels Atem ging angestrengt und flach.

Er bemühte sich vergeblich, den feuchtwarmen Dunst, der ihn wie eine Art dicke Nebeldecke umgab, nicht allzu tief in seine Lungen zu inhalieren, da er befürchtete, sich ansonsten gleich ein weiteres Mal zu erbrechen. Es roch an diesem Ort einfach zu widerwärtig, als dass er es hätte in passende Worte fassen können. Eine derart ekelerregende und Brechreiz auslösende Geruchs-Mischung aus Fäkalien, stinkenden Abwässern, wie er es nur aus den Armenvierteln größerer Städte kannte, gepaart mit einem guten Schuss Verwesung in unerträglich hitzig verbrauchter Luft reichte als korrekte Beschreibung nicht einmal annähernd aus für den Gestank, dem seine Nase hier ausgesetzt war. Er spürte erneut, wie sein Magen angesichts dieser Umstände zu rebellieren begann. Er krampfte heftig, doch Christopher riss sich mit übermenschlicher Kraft zusammen, um sich nicht auch noch selbst vollzukotzen. Ihm war bewusst, dass das seine ohnehin unangenehme Situation gerade nicht besser machen würde, wenn er auch noch nach eigenem Erbrochenem roch. Er hob seinen Kopf an und hechelte flach und oberflächlich den starken Brechreiz weg, so weit es ihm auf diese Weise möglich war. Er musste noch ein paarmal würgen, doch dann spürte er erleichtert, wie die stärkste Welle des Unwohlseins ein wenig abflaute. Er schluckte umständlich und hatte dabei das unangenehme Gefühl, den widerwärtigen Geruch dieses Ortes direkt auf seiner Zungenspitze schmecken zu können. Als hätte sein Körper den Gestank bereits mit jeder einzelnen Pore wie ein Schwamm in sich aufgesogen und wenn er nur lange genug hier verweilte, würde er letztendlich von innen und außen nur so durchtränkt sein von jener bestialisch riechenden Luft, die ihm den Atem nahm. Er schloss seine Augen und schickte ein stummes Gebet in die Finsternis, die ihn hier umgab. Er war sich zwar nicht mehr sicher, ob es überhaupt noch irgendeinen Sinn machte, einen Gott anzubeten, der all das zugelassen hatte, was ihm und seiner Familie in dieser kürzlich zurückliegenden Zeit widerfahren war. Doch sein Glaube war alles, was ihm geblieben war.

Christopher kauerte auf dem feuchten Lehmboden voller Dreck und Exkrementen, an eine raue Steinwand gelehnt und versuchte, in der Dunkelheit dieses Lochs, in das man ihn geworfen hatte, irgendetwas zu erkennen, was ihm in seiner Not hätte weiterhelfen können. Seine Arme waren jedoch so fest hinter dem Rücken gefesselt, dass es unmöglich schien, die Stricke auch nur ein klitzekleines Stück auseinander zu zerren, um sie wenigstens ein bisschen zu lockern. So sehr er sich auch anstrengte, es war vergeblich. Er war zur Unbeweglichkeit gezwungen, zumindest was den oberen Teil seines Körpers anging. Lediglich seine Beine und Füße konnte er benutzen. Es stellte sich dabei nur die Frage, wofür. Denn hier drinnen war es nicht nur stockdunkel, sondern zu allem Übel auch noch klaustrophobisch eng und ein aufrechtes Stehen war absolut nicht möglich. Zumindest nicht mit einer normalen Körpergröße. Wenn man ein Zwerg war, ja, dann vielleicht. Aber nicht, wenn man wie Christopher ein hochgewachsener junger Mann von athletischer Statur war. Das hatte er bereits schmerzhaft erfahren müssen, als man ihn vor einer gefühlten Ewigkeit in dieses abartige Verlies aus Schlamm und Unrat gestoßen hatte und er sich in der Düsternis verzweifelt zu orientieren versuchte. Dabei hatte er sich seinen Schädel an der niedrigen Decke so hart angeschlagen, dass er noch immer unter heftigsten Kopfschmerzen litt. Und so hatte er keine Ahnung, wo genau er sich befand und zu welchem Zweck.

Er wusste nur, dass die Menschen, die ihm jemals etwas bedeutet hatten, tot waren. Und dass er noch lebte. Doch was das Schlimmste war, er trug eine große Mitschuld daran, dass sie tot waren. Denn er hatte es nicht verhindern können. Er war nicht kräftig genug gewesen. Er hatte es versucht, sicher. Doch gegen die seltsamen Geschöpfe, die in das Haus seiner Eltern eingedrungen waren, hatte er nicht die geringste Chance gehabt.

Das war nun auch eines der Dinge, über die er nach all dem Grauen, was ihm bis jetzt widerfahren war, endgültige Gewissheit hatte. Dass es sie wirklich gab. Hexen. Kobolde. Formwandler. Seltsame Kreaturen, die er nicht mal namentlich benennen konnte.

All die Erzählungen der Leute, egal ob diese nun aus den eher kleinen Dörfern oder größeren Städten seines Heimatlandes Pranando entstammten, und die vielen abenteuerlich klingenden Geschichten der Wanderer samt den düsteren Legenden der Ältesten stimmten also tatsächlich. Waren nicht gelogen. Diese Menschen mochten vielleicht doch keine hinterwäldlerischen Heiden sein, die lediglich ihre Gruselgeschichten erzählen und damit Angst und Schrecken verbreiten wollten, wie seine streng gläubige Mutter ihnen so oft unterstellt hatte. Und nicht nur seine Mutter. Seine gesamte Familie hatte die warnenden Worte all derer, die sich ein ums andere Mal auf ihren idyllischen, aber weit abgelegenen Hof am äußersten Rand des Dunkelwaldes verirrt hatten, stets als Unfug abgetan. Unwahre Legenden. Wie konnte es schließlich an einem so wunderschönen Ort, wie ihrem Zuhause, an dem gottesfürchtige Menschen ein gottesfürchtiges Leben führten, von irgendwelchen angeblichen Dunkelwesen wimmeln? Zudem glaubten sie als praktizierende Sanctinier partout nicht an die Existenz dieser Teufelsscharen, die angeblich ihren so überaus fruchtbaren Wald bevölkern sollten. Im Gegenteil. Sie predigten für das Seelenheil all jener Ungläubigen, die sich ihren falschen Vorstellungen und gottlosen Fantasien über Dämonen und Hexen hingaben.

Seine Eltern hatten sich geirrt. Sie alle hatten sich geirrt.

Es gab diese Wesen.

Und sie hatten seinen Vater, seine Mutter, seine Großeltern, die Magd, den Knecht und dessen Frau ermordet. Selbst das Vieh wurde nicht von ihnen verschont an jenem furchtbaren Tag. Und von ihrem kleinen Bauernhaus war jetzt vermutlich nur noch Schutt und Asche übrig.

Christopher stiegen Tränen in die Augen, als sich seinem Unterbewusstsein wieder die Bilder des Massakers aufdrängten, doch er konnte nicht weinen. Er war noch immer viel zu entsetzt und traumatisiert von all dem Geschehenen, dass er es nicht vermochte, in diesem Augenblick Tränen der Verzweiflung über all das Grauen hervorzubringen. Er erinnerte sich an die letzten Momente in seinem Zuhause, bevor dort die Hölle losbrach. Und die einst friedliche Welt ihres einfachen Daseins in einem blutigen Gemetzel endete. Christopher und seine Mutter waren alleine gewesen, als die Eichentür ihres Bauernhauses mit einem lauten Krachen aufgestoßen wurde und zwei Dunkelwesen in die einfache Stube stürmten. Noch ehe Christopher oder seine Mutter wussten, wie ihnen geschah, zückten die furchterregenden Kreaturen ihre Waffen und preschten unaufhaltsam drauflos. Einer der Unholde toste dabei polternd in Christophers Richtung und wollte ihn am Arm packen. Doch Christopher konnte dem Griff des Fremden noch einmal ausweichen. Hörte dafür seine Mutter entsetzt aufschreien. Da wusste Christopher noch nicht, dass längst alles verloren war und dies hier nur der Auftakt eines Albtraumes sein sollte, aus dem es leider kein Erwachen mehr geben würde. Die Monster, die ihn und seine Mutter so brutal und ohne Umschweife angriffen, waren nicht alleine gekommen. Sondern zu sechst. Und sie hatten bereits einen Großteil seiner Familie ermordet, während er selbst noch ahnungslos einem langen, arbeitsreichem Tag auf dem Feld entgegensah und dafür eilig sein Werkzeug reparierte. Aber auch das wusste Christopher in diesem Augenblick noch nicht. Noch hegte er Hoffnung, als er sich der Kreatur mutig entgegenstellte. Doch diese Bestien zerstörten alles, was Christopher jemals gekannt und geliebt hatte. Vor seinem geistigen Auge blitzten Bilder von all dem Blut auf dem ungleichmäßigen Lehmboden auf und er konnte auch wieder die markerschütternden Schreie der Magd hören, die von draußen zu ihnen ins Haus drangen. Dann war alles so schnell gegangen. Zu schnell, als dass Christopher hätte entsprechend reagieren können, um diesen hinterhältigen Angriff in irgendeiner Weise abzuwehren. Wenn er an das angsterfüllte Gesicht seiner Mutter dachte, bevor ihr Henker seine Axt auf sie niederschlug, spürte er erneut drängende Übelkeit in sich hochkommen, als er plötzlich und unerwartet aus seinen schauderhaften Gedanken gerissen wurde.

Er vernahm Geräusche.

Sofort spannte sich sein schmerzender Körper in Abwehrhaltung an und er hielt mit klopfendem Herzen für einen Moment seinen Atem an. Hörte Schritte. Unterschiedliche Stimmen. Und sie kamen offenbar näher.

Was würde nun geschehen? Waren das seine Entführer? Die Mörder seiner Familie? Und würden sie ihn jetzt auch töten? Christopher verstand sowieso nicht, warum man ausgerechnet ihn als einzigen Überlebenden des gesamten Hofes noch nicht ermordet hatte, während allen anderen nicht die geringste Chance auf Gnade eingeräumt worden war. Und warum man ihn bis hierher, an diesen widerwärtigen Ort, verschleppt hatte, anstatt ihn direkt an Ort und Stelle gemeuchelt zu haben. Was machte das alles für einen Sinn?

Die Stimmen waren nun so nah, als stünden die betreffenden Personen direkt vor dem Verlies, und Christopher konnte das Geräusch eines schweren Schlüsselbundes hören, Metall auf Metall. Ein unangenehmer Laut. Dann traf ihn ein dünner Lichtstrahl aus dem Spalt der sich langsam öffnenden, quietschenden Tür und blendete seine von der langen Dunkelheit lichtempfindlichen Augen. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft hier konnte Christopher den Ort, an welchem er die letzten Stunden verbracht hatte, vollständig und in seiner ganzen trostlosen „Pracht“ sehen. Ein kleiner, enger, dreckiger und höhlenähnlicher Verschlag, dessen Deckenhöhe große Unterschiede aufwies und an der Stelle, an der er gegen die Wand gelehnt hockte, am niedrigsten war. Kein Wunder also, dass er nicht hatte aufstehen können.

„Bei allen teuflischen Heerscharen – was ist das bloß für ein Gestank hier drinnen?“

Eine eindeutig weibliche Stimme schallte krächzend durch den kleinen Raum, und dem Ausruf folgte ein andauerndes Ächzen und einige Flüche, die sich gewaschen hatten.

Die Gestalt, der dieses heisere Organ mit der vulgären Ausdrucksweise gehörte, trat nun ganz in das kleine unterirdische Verlies hinein und Christopher blinzelte heftig, um sie in dem Lichtstrahl, in welchem sie nun stand, zu erkennen, da sich seine Augen noch immer nicht vollständig an die ungewohnte Helligkeit gewöhnt hatten.

„Da soll mich doch der Teufel zweimal holen ... ich fasse es nicht!“, rief die Person erneut aus und vor Christopher stand tatsächlich eine ältere Frau, wie er zunächst vermutet hatte, deren Buckel so rund war, dass er sie auf mindestens achtzig Lenze geschätzt hätte. Sein Körper, der noch immer vor lauter Anspannung bebte, lockerte sich ein wenig und er sah ihr in das faltige Gesicht. Eine alte Frau, so beruhigte er sich selbst, auch wenn sie derartig unflätig fluchte und zeterte, würde ihm sicher nichts Barbarisches antun wollen. Er versuchte sich deshalb ein wenig zu entspannen und spähte mit flehendem Blick in ihr von tiefen Furchen durchzogenes Antlitz, als er erschreckt zurückwich. Es war dabei weder ihre von seltsamen Pocken übersäte, schlaffe Haut noch die ungeheuer lange, verdreht wirkende Nase, die Christopher in eine erschrockene Starre versetzt hatte. Sondern vielmehr die beiden Hörner, die aus ihrem Schädel ragten, als wäre sie eine Mischung aus Mensch und Ziege. Sie kringelten sich in der Mitte und wirkten wie ein gewöhnliches Tiergeweih. Sie trat noch einen weiteren Schritt auf ihn zu, und Christopher wurde sich wieder bewusst, dass er längst nicht mehr unter seinesgleichen war, seit man ihn von Zuhause entführt hatte. Wie konnte er bloß so dumm sein zu glauben, eine stinknormale, alte Frau stehe vor ihm an einem Ort wie diesem? Er hätte es wirklich besser wissen müssen!

„Einen so Schönen wie diesen habe ich schon lange nicht mehr unter meiner Beute gehabt! Wo, um alles in der Hölle, habt ihr den bloß her?“

Ihre Stimme wirkte, nachdem Christopher nun ihr Äußeres kannte, noch abstoßender auf ihn und er spürte, wie die zuvor aufkeimende Hoffnung in ihm schmerzlich zerbrach. Ohne genau zu wissen, wen er da vor sich hatte, vermutete er, dass er von dieser unheimlichen Gestalt keine große Hilfe würde erwarten können. Und er drängte sich in dem Bemühen um ein klein wenig mehr Abstand zu ihr so sehr an die steinerne Wand hinter ihm, dass er sich dabei seinen nackten Rücken aufschürfte. Immerhin hatte die grässliche Alte ihn soeben als ihre „Beute“ bezeichnet – sie würde ihm also wahrscheinlich eher keine große Hilfe sein oder ihn gar aus seiner misslichen Lage befreien.

Jetzt trat auch noch ein bulliger, kräftig gebauter „Kerl“ an der offenen Tür in Erscheinung, dessen Kopf bereits aus der, wenn auch geringen, Entfernung und aufgrund des spärlichen Lichts eher wie der Kopf eines Schweines aussah. Dieser vor Kraft nur so strotzende Oger sperrte das hölzerne Tor alsbald komplett auf, sodass der gesamte Kerkerraum von Licht geflutet wurde, und Christopher nun auch dieses unansehnliche Geschöpf voll und ganz erblicken konnte. Es wäre ihm jedoch lieber gewesen, er hätte nicht so genau hingesehen, denn das Gesicht des Ogers hatte tatsächlich viel mit einem Schweinekopf gemein. Auch bei dieser Kreatur handelte es sich also nicht um einen Menschen und Christopher wollte gar nicht wissen, mit wem oder was er es hier genau zu tun hatte. Und als er ein zweites Mal herüber spähte, kam eine weitere Erinnerung in ihm hoch. Dieser Oger war eine der Bestien, die seine Familie abgeschlachtet hatten. Ja. Christopher war sich sicher. Er erinnerte sich an die langen Klingen und das Geräusch, als ... er schluckte hart und spürte erneut Würgereiz, während sein Herzschlag sich beschleunigte. Was hatten diese Monster mit ihm vor?

Die gehörnte Alte war inzwischen noch näher an Christopher herangetreten und hatte sich zu ihm herunter gebeugt, um ihn besser zu begutachten. Mit ihren unheimlichen, schwarzen Augen schien sie ihn wie ein Stück guten Schinkens zu prüfen, jeden Körperteil genau zu inspizieren.

„Er ist jung.“

Sie streckte eine knochige Hand nach ihm aus und nahm mit einem ihrer schmutzigen Finger Blutstropfen von seiner langen Schnittwunde über der Brust auf, während Christopher erschreckt und angewidert zurückwich. Er hatte noch nie zuvor derart widerwärtig lange und ungepflegte Nägel gesehen wie ihre.

„Zum Teufel, er ist schüchtern.“

Sie kicherte spöttisch obgleich seiner offensichtlichen Abscheu ihr gegenüber und betrachtete einen Moment lang sein Blut an ihrem Finger, bevor sie es danach einfach und zu seinem puren Entsetzen genüsslich ableckte. Christopher drehte sich dabei halb der Magen um. Die Wunde, die sich seit jenem Überfall quer über seine Brust zog, war nicht allzu tief, schmerzte zum Glück kaum und blutete auch nur noch leicht. Doch musste man deshalb darin herumbohren? Dass jemandem das Leid eines anderen zu gefallen schien, ja, dass man sich regelrecht daran ergötzte, machte ihn fassungsloser als jede Wunde, die man ihm hätte zufügen können. Die Gehörnte drehte sich zu dem Oger herum.

„Und du bist dir sicher, dass niemand nach ihm suchen wird?“

Der unansehnliche Oger lachte dreckig.

„Wir haben alle, die bei ihm waren, getötet und alles was noch an ihre jämmerliche Existenz erinnert, ist zur Stunde nur noch Asche und Rauch. Wenn überhaupt.“

Sie nickte, ohne den Blick auch nur eine einzige Sekunde von ihrer faszinierenden „Beute“ abzuwenden.

„Nun gut, aber kannst du mir dann verraten, warum ihr ihn so verschandelt habt? Ihr wisst doch genau, dass das den Preis deutlich schmälert. Meine Kunden wollen selber entscheiden, in wie viele Häppchen sie ihre Ware teilen.“

Der Oger, ein Lakai der buckligen Hexe Mera, lachte nun erneut.

„Mera, du übertreibst wie immer maßlos! Die Ware ist einwandfrei. Er hat vielleicht einen kleinen Kratzer auf der Brust, aber das ist dann auch schon alles. Hier sind schon weitaus schlimmer zugerichtete Kreaturen angekommen. Aber der hier ist noch fangfrisch. Keine eiternden Wunden, keine Folterungen und ausnahmsweise hat sich auch noch keiner der anderen an ihm zu schaffen gemacht, wenn du verstehst, was ich meine. Darauf habe ich diesmal extra geachtet, weil ich wusste, was für einen hohen Preis wir für so ein unangetastetes Exemplar bekommen werden. Er ist ohne Mängel, wenn du so willst. Eine so gute Beute hast du schon seit Ewigkeiten nicht mehr verkaufen können. Jemanden wie den findet man sonst nur in Etablissements, wie bei Elethra oder Donikius und diesen ganzen hochgeborenen Bonzen. Und ich finde, dafür habe ich diesmal auch wirklich mehr verdient, als deine sardonischen Ausbrüche!“

Christopher stellten sich bei den unglaublichen Worten dieser beiden die Nackenhaare auf. Sie redeten tatsächlich über ihn, als wäre er ein Stück Vieh. Fleisch, das man zu verkaufen gedachte. Ihm wurde schwindelig. Er musste träumen. Einen furchtbaren Albtraum. Und er wollte jetzt bitte daraus erwachen!

Die Gehörnte stand noch immer vor ihm und leckte sich über die schmalen, eingefallenen Lippen, während sie ihn betrachtete.

„Na los …“, fuhr sie ihn plötzlich und unvermittelt an und trat mit dem Fuß nach ihm,

„… steh auf und lass dich erst einmal richtig begutachten!“

Christopher starrte angewidert zu der Alten empor und blickte sie verständnislos an. Es hatte ihm komplett die Sprache verschlagen und er konnte nur verächtlich mit dem Kopf schütteln, als er auch schon einen weiteren, nicht minder unsanften Tritt bekam.

„Ich sagte, du sollst aufstehen!“

Er wandte sich der krummen Hexe zu:

„Ich kann nicht aufstehen!“

Presste er dabei unmissverständlich zwischen bebenden Lippen hervor.

Sie schnalzte wütend mit der Zunge und gab ihm einen noch festeren Tritt.

„Was hast du gerade gesagt? Ich muss mich wohl verhört haben! Du wirst sofort tun, was ich dir befehle, oder du lernst meine Peitsche kennen, Jüngchen.“

Christopher schüttelte erneut mit dem Kopf:

„Wie ich eben schon sagte, ich kann hier nicht aufstehen! Die Decke ist zu niedrig, um stehen zu können. Oder ist das so schwer zu erkennen?“

Er wusste zwar, dass seine spitze Zunge mutig, wenn nicht gar todesmutig, war, doch die schmerzhaften Tritte ließen die Worte nur so aus ihm heraus sprudeln. Wie oft wollte Mera ihn schließlich noch treten, bis auch sie begriff, dass er mit seiner Größe hier alles andere als einwandfrei stehen konnte? Zumindest sah sie sich nun zu ihrem gruseligen Helfer um und gab ihm ein Zeichen.

„Na los, komm her und zeige diesem unverschämten, respektlosen Jüngling, wie gut es sich hier stehen lässt!“

Dann wich Mera zur Seite und der Oger machte sich daran, Christopher aus seiner Ecke, in der er noch immer hockte, zu zerren, um ihn dann rabiat zum anderen Ende des Raumes zu stoßen, wo ein aufrechtes Stehen zumindest theoretisch möglich war. Christopher spürte beim Sturz, wie ihm die Haut an den Armen aufriss, doch er unterdrückte einen Schmerzenslaut.

„Wird’s jetzt bald?“, hörte er die Alte wieder krächzen und irgendetwas in Christopher sagte ihm, dass er nun lieber tat, was man von ihm verlangte. So versuchte er sich umständlich hinzustellen, doch die Stricke um seine auf den Rücken gefesselten Hände und das lange Kauern auf dem Boden zollten ihren kräftezehrenden Tribut. Und er kippte, kaum dass er sich aufgerichtet hatte, wieder in sich zusammen. Mit allerletzter Energie, die noch in ihm steckte, probierte er es ein zweites Mal und stand nun endlich auf wackligen Beinen zur erniedrigenden Fleischbeschau parat.

„Meine Güte, du hast dich diesmal wirklich selbst übertroffen, Hogard! Er ist ...“, die schwarzen Augen der Alten fuhren begierig Christophers Körper entlang und ihre Blicke fühlten sich für ihn dabei an wie kleine, widerliche Nadelstiche, „… er ist tatsächlich die ansehnlichste Beute, die wir jemals an die dämonische Kundschaft gebracht haben! Ich bin zugegebenermaßen überrascht und zufrieden mit deiner Arbeit. Vielleicht bist du doch noch zu etwas anderem zu gebrauchen, als mir lediglich jeden Abend die Füße zu salben.“

Ihr Blick glitt über den leicht lädierten, aber nichtsdestotrotz höchst attraktiven Oberkörper des jungen Mannes vor sich und sie streckte abermals ihre langen Finger nach ihm aus, um damit seine Arme zu betasten. Ihre vor Schmutz fast schwarzen Fingergelenke waren eiskalt und Christopher zuckte unwillkürlich zurück. Das schien sie nur noch mehr zu belustigen, denn nun grinste sie ihn derart diabolisch an, dass ihre fauligen, spitzen Zähne zum Vorschein kamen. Christopher versuchte, sich nichts von seinem immer größer werdenden Entsetzen anmerken zu lassen. Doch allein der Anblick dieser Zähne ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Das waren keine Menschenzähne, sicher, soviel hatte auch er langsam mitbekommen. Doch nicht einmal bei einem Raubtier hatte er jemals ein derart erschreckend schauderhaftes Gebiss gesehen. Ein Wolfsgebiss war nichts dagegen. Er wollte sich lieber nicht vorstellen, was vermutlich alles zu ihren Lieblingsspeisen gehörte. Immerhin fielen ihm dazu einige Geschichten der Ältesten ein, die er nun lieber niemals gekannt hätte.

„Kräftige Muskulatur, schöne Waden … und diese glatte Haut!“

Sie strich sichtlich fasziniert über seine Brust, befühlte dann sein Gesicht, zog seine vollen Lippen mit ihren knochigen Fingern brutal auseinander, um seine Zähne zu inspizieren. Als Nächstes wühlte Mera in seinen wilden, dunkelblonden Locken und zog daran, so fest, dass sie ihm eine ganze Reihe Haarsträhnen ausriss, um diese dann in ihrer Hand zu betrachten.

„Ich habe noch nie ein so ein helles Haar bei einem Menschen aus der Nähe gesehen.“

Christopher unterdrückte den pochenden Schmerz auf seiner Kopfhaut und hoffte, die widerliche „Fleischbeschau“ seines Körpers hätte nun ein baldiges Ende. Doch sein Wunsch wurde nicht erfüllt. Mera wollte schlussendlich wirklich alles sehen. Sie schnalzte mit ihrer Zunge und der Oger reichte ihr ein kleines Messer. Christopher erstarrte, als sie mit jener Klinge die einzige Bekleidung, die er noch am Leibe trug, seine Hose, aufschnitt und diese zu Boden fiel. Er war streng erzogen worden und Nacktheit gehörte zu jenen sündhaften Dingen, die seine Eltern als „dunkle Versuchung“ gar nicht erst groß zu Hause angesprochen hatten, weil sie derartige Themen für einen Frevel hielten. Nun stand er im Adamskostüm vor diesen monströsen Kreaturen und musste sich unfreiwillig ihren Blicken hingeben.

„Bei meiner schwarzen Seele … ich kann wirklich nicht zetern. Was ich sehe, gefällt selbst meinen alten, schwächlichen Augen sehr!“

Sie grinste lüstern und Christopher wich ihrem begehrlichen Blick aus, der immer wieder an jenen empfindsamen Teil seines Körpers zurückkehrte, der es ihr anscheinend besonders angetan hatte. Er war mehr als nur angewidert und hätte er gekonnt, wie er wollte, so wäre er auf der Stelle von hier verschwunden. Doch das war unmöglich und so konnte er nur hoffen, dass Mera nicht auch noch auf die Idee kam, ihn dort anzufassen.

„Für diesen Jüngling aus der Menschenwelt kriege ich jeden nur erdenklichen Preis, den ich nennen will! Das wird einer meiner besten Verkäufe werden. Er ist nicht nur schön wie ein Gemälde und dazu auch noch jung und kräftig, sondern so gut wie unversehrt und offensichtlich noch vollkommen unschuldig! Du hättest mir keinen Besseren einfangen können, Hogard!“

Sie leckte sich genüsslich über die eingefallenen Mundwinkel und rümpfte im nächsten Moment die Nase.

„Aber wenn wir ihn weiterhin in diesem elendigen Loch lassen, wird ihn trotzdem niemand kaufen wollen, weil er bestialisch stinken wird. Also, los, Hogard, bring ihn hoch zu den anderen und sorge dafür, dass man ihn ein wenig herrichtet. Morgen soll doch schließlich sein großer Tag werden!“

Dann schnalzte sie wieder mit der Zunge und machte anschließend den Weg frei für den Oger, der Christopher sofort danach unsanft Richtung Ausgang schubste, während er ihn dabei an seinen Fesseln festhielt. Selbst wenn er es auch nur versucht hätte, Christopher hätte gegen die ungeheure Kraft dieses Muskelprotzes nicht die geringste Chance gehabt und so ließ er sich widerstandslos von diesem auf den Weg heraus aus diesem stinkenden Verlies dirigieren. Immer weiter dem Licht entgegen, bis sie aus dem großen Erdloch heraus stiegen, in welchem er sich zuvor so unerträglich lange Zeit hatte aufhalten müssen. Als er oben angekommen war und die warmen Sonnenstrahlen des helllichten Tages sein Gesicht berührten, musste er für einen kurzen Moment die Augen schließen und die würzig frische Brise tief in seine Lungen saugen. So dankbar war er über jene angenehme, nach Wald duftende Luft. Als er seine Lider wieder öffnete, brach ihm allerdings erneut purer Angstschweiß aus. Denn etwas derartig Verstörendes, wie jene Szenerie, die sich ihm nun offenbarte, hatte er noch nie zuvor gesehen …

A Demon's F***ing Heart

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