Читать книгу Rassimus kommt vom Teufel - der ist aber kein Rassist - Lucian Vicovan - Страница 4
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ОглавлениеSie war eine Hure, das war so deutlich erkennbar wie eine Leuchtrakete in dunkler Nacht oder das Blau der Meere auf einer Weltkarte.
Das lag nicht unbedingt an ihrer Aufmachung oder ihrem Gewand. Ihr Oberteil in knallrosa, die schwarzen Hotpants mit Nieten, sowie die übertriebene Schminke und ihre fettigen Haare konnten auch einfach nur von einem schlechten Geschmack herrühren. Um ehrlich zu sein, zählt die kleine Stadt Malindi im Norden Kenias ohnehin nicht zu den Modehochburgen dieser Welt. Überhaupt bin ich mir sicher, dass nur die wenigsten von der Existenz dieses Nestchens jemals gehört haben.
Was das Mädchen - sie war offensichtlich noch so jung, ich konnte sie kaum als Frau bezeichnen - jedoch als Prostituierte, oder Professionelle, oder wie auch immer Sie das älteste Gewerbe der Welt zu nennen belieben, entlarvte, war der Mann, der mit ihr am Tisch saß und keine Möglichkeit ausließ sie auf jede erdenkliche Art zu demütigen.
Sie ließ sich alles gefallen und lachte jedes Mal mit wenn die anderen am Tisch lachten, auch wenn die Lacher ihrer Schmach galten. Es war ein höfliches Zeigen der Zähne, ohne Freude oder Begeisterung, während alle anderen laut wieherten und sich sogar manchmal auf die Schenkel klopften.
„Wenn Sie noch weiter so auf das Mädchen starren, Luczizcki, werden Ihnen noch die Augäpfel aus den Augenhöhlen fallen und auf den Boden, womöglich noch unter die Bar, kullern.”
„Mama Coco, reich mir ein weiteres Tusker-Bier und lass mich gefälligst hinschauen, wohin ich will und so lange meine Augen es belieben.”
„Das Bier steht wie immer - im Kühlschrank! Ich werde immer noch nicht aufstehen, um es Ihnen zu bringen, das wissen Sie, Luczizcki. Holen Sie es sich und ich trage ein, dass es heute bereits Ihr Sechstes war.” Dann sah sie demonstrativ auf ihre Uhr, senkte ihren Blick und schüttelte den Kopf. Ich stand auf, um mir die Flasche aus dem fünf Schritte entfernten Kühlschrank zu holen. Da war nichts zu machen, es brauchte schon ein kleines Wunder, damit Mama Coco sich von ihrem Stuhl hinter der Kasse hervor bewegte. Sie müsste in ihren Sechzigern sein und war mindestens einen Kopf größer als ich. Dazu hatte sie sich zeit ihres Lebens auch das Vierfache von meinem Körpergewicht angefuttert und verpackte es an jenem Tag in einem Stoffumhang in den Farben der Biene - also schwarz mit gelben Streifen - welches man alternativ auch als Vorhang für eine Fensterfront bei einem dieser modernen Häuser einsetzen könnte. Auf dem Kopf trug sie einen schwarzen Turban, ihre Stimme war donnernd. Das regelmäßige Auftragen von Lippenstift deutete auf eine ausgeprägte Eitelkeit hin.
Ich trank gerne bei “Mama Coco’s“ - die Bar hieß genauso, wie der Koloss, der sie führte - da sie in einer Seitenstraße etwas versteckt von den üblichen Touristenrouten lag, wohin sich diese nur selten per Zufall verirrten.
Mama Coco legte ein erfrischendes Desinteresse an den Tag und versuchte niemals die üblichen Gespräche aufzuziehen, zu denen sich die meisten anderen Kellner, Barmänner oder Einheimischen hinreißen ließen. Kein: „Woher kommst du?”, „Wie lange bleibst du?”, „Bist du schon auf Safari gewesen? Im Tsavo East oder Tsavo West, vielleicht sogar im Serengeti?” - nichts davon. Mama Coco pflanzte ihre über zweihundert Kilo auf ihren massiven Hocker - wer etwas von ihr wollte, musste sich gefälligst zu ihr bemühen.
Ich saß immer zu ihrer Linken, also von mir aus gesehen am rechten Ende der Bar. Gleich daneben war ein kleiner Holzzwinger, in welchem Monster, eine, so erzählte man sich, dreihundertjährige Schildkröte, träge ihr Dasein fristete. Auch die war erfrischend ungesprächig, was mir die Gelegenheit gab meinen eigenen Gedanken nachzuhängen, bis der Alkohol diese ersäufte und mir nichts mehr zum Hängen übrig blieb. Dann würde ich nach Hause torkeln, dort noch einen oder zwei, manchmal auch drei oder vier Kurze Mombasa Club, den heimischen Gin, trinken, bis ich ins Bett fiel und schlief.
Wollte ich Mama Coco zu einem Gespräch bewegen, brauchte ich nur meine Zweifel an dem Alter ihrer Schildkröte zum Ausdruck bringen. Das hatte zur Folge, dass sie mich mit einer donnernden Schimpftirade belegte, die immer damit endete, dass sie mir Lokalverbot auferlegte. Bis jetzt durfte ich aber trotzdem jedes einzelne Mal wieder kommen.
Ich befand mich auf dem Weg zum Kühlschrank, als es am Tisch, an dem die junge Hure saß, wieder laut wurde. Der Freier - ein fetter Amerikaner, dessen Hintern in keinen der Gartenstühle aus Plastik passte und der dafür auf einem Holzstuhl ohne Armlehnen saß - trug ein offenes kariertes Hemd, sowie die wahrscheinlich einzige Hose, die in solchen Größen fabriziert wird - eine beige Cargohose. Ich hörte nicht was gesagt wurde, doch alle aus der Runde brüllten los. Zusätzlich zu dem Mädchen und ihrem fetten und in Strömen schwitzenden Freier, saßen noch drei Männer am Tisch.
Die junge Hure fand den Scherz diesmal nicht lustig und lachte auch nicht mit. Der dicke Mann kniff sie unter dem Tisch in die Pobacke, sie schrie vor Schmerz auf und stieß seine Hand weg. Er verpasste ihr eine Ohrfeige, dass es nur so klatschte. Alle vier lachten wieder lauthals drauf los - ich hatte genug gesehen. Ich war dabei, den Kühlschrank zu erreichen, änderte meinen Kurs aber und ging schnurstracks auf den Fettsack zu. Ein Schubs mit beiden meiner Handflächen gegen seine Schultern und er fiel mitsamt seinem Stuhl, dem ein Bein abbrach, auf den Rücken in den staubigen Boden. Die anderen drei schnappten zwar nach Luft, machten jedoch keine Anstalten aufzustehen und mir Paroli zu bieten. Daraus schloss ich, dass sich die Gruppe erst an jenem Tag getroffen hatte und sie keine alten Kumpel waren.
„Luczizcki!!!”, donnerte es von der Bar. „Gehen Sie heim, verschwinden Sie sofort! Sie haben hier Lokalverbot!”
„Komm mit!”, forderte ich die junge Hure auf, die sich immer noch verstört und erschrocken die Wange rieb und den Tränen nahe war. „Hat dich der Fettsack schon bezahlt?”
Sie sah mich mit großen Augen an und schüttelte ganz schüchtern den Kopf.
„Gib ihr sofort ihr Geld!”, befahl ich dem Fettsack, der so aussah, wie sicherlich auch die Schildkröte aussehen würde, wenn sie jemand umdrehen und auf den Panzer legen würde.
„Fick dich, du Arsch!”, jaulte der und strampelte hilflos mit den Beinen in der Luft.
Ich nahm das abgebrochene Bein des Stuhls und schwang es über meinen Kopf.
„Damit könnte ich dich tief in den Arsch ficken, mein Lieber, du liegst ja schon so günstig da! Wo ist dein Geld?”
„Helft mir! Ihr seid zu dritt, er alleine!” Der Fettwanst versuchte seine Kumpanen zur Unterstützung zu bewegen, diese saßen immer noch, wie zu Tonfiguren erstarrt, am Tisch. Jeder von ihnen, so konnte ich beobachten, hielt sich mit beiden Händen an der Tischplatte fest. Sie sahen wie drei Murmeltiere aus, sogar die Gesichter mit den weit geöffneten Augen passten dazu.
Ich durchsuchte die Taschen des Schwitzsackes, fand aber keine Geldbörse. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn umzudrehen. Als der sich dagegen wehrte, schlug ich ihm mit dem Holzbein über die Hand und spürte sofort einen Finger brechen. Er schrie wie ein in Panik geratenes Ferkel auf.
„Luczizcki!”, donnerte es wieder von der Bar aus.
Dessen, und von dem Gequietsche des Freiers unberührt, setzte ich mein Vorhaben fort und drehte das Nilpferd auf seinen Bauch. In seiner Gesäßtasche fand ich dann auch endlich, wonach ich suchte. Ich zog ein dickes Bündel verschwitzter Geldscheine, das sowohl aus kenianischen Schilling wie auch aus amerikanischen Dollar bestand, heraus. Ich wollte ihm noch eins mit dem Stuhlbein über seinen fetten Hintern braten, ließ es aber dann doch sein, packte stattdessen das verblüfte Mädchen bei der Hand, half ihr auf die Beine und wir spazierten Hand in Hand aus dem “Mama Coco´s“.
„Luczizcki, Sie haben Lokalverbot, diesmal meine ich es ernst!”, hallte es noch hinter uns.