Читать книгу Rassimus kommt vom Teufel - der ist aber kein Rassist - Lucian Vicovan - Страница 6
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ОглавлениеEine krachende Autotür riss mich aus einem unruhigen Schlaf. Ich wurde in meinen Träumen von Schergen, Fettsäcken und Riesenschildkröten, deren Panzer sich aus Hunderten von Augen zusammensetzten, die alles sahen und vor denen man nichts verstecken konnte, verfolgt. Direkt vor meinem Schlafzimmerfenster, also keine fünfzig Zentimeter von meinem Kopf entfernt, wurde ein Auto geparkt. Die Fenster hatte ich beim Schlafen immer offen, auch wenn ich im Erdgeschoss wohnte. Das Vierparteienhaus war ziemlich gut versteckt hinter dem Sunpark Hotel fernab jeglicher Hauptstraße, von denen es in Malindi nur wenige gab - befestigte sowieso nur drei.
Ich wohnte in der linken Wohnung des Erdgeschosses. In der rechten lebten zwei Esten, Asko und Veli. Sie waren Besitzer einer Burgerbude an der Strandpromenade und stritten viel, obwohl sie beste Freunde waren. Aus der Tonlage ihrer Streitereien - ich verstehe ja kein Estnisch - entschied ich schnell, dass die tiefere Stimme der Zicke gehörte, während die krächzende stets auf Beschwichtigung bedacht war.
Oberhalb von ihnen wohnte Efraim. Er sah aus wie eine lebensechte Kopie Bob Marleys und wir tranken oft gemeinsam. Er lachte viel, sprach wenig Sinnvolles und hielt die Klappe, wenn angewiesen. Daher stellte ich bei jeder Gelegenheit klar, dass wir gerne gemeinsam trinken könnten, ich jedoch wünschte, dass er nicht mit mir sprach. Das funktionierte gut. So gut, dass er zur ersten Person seit Langem wurde, mit der ich des Öfteren, ja beinahe regelmäßig, beisammensaß.
Es gibt ja diese Männer, die man gerne einmal zum Frauenmagneten ernennt. Nun, Efraim war das genaue Gegenteil. Er würde zwar keine Frau verschonen, die während wir tranken das Lokal betrat. Er schmiss sich sogar immerzu, noch bevor diese an ihrem Tisch saß, ins Gefecht. Doch nie dauerte es länger als drei, vier Minuten, bis er eingezogenen Schwanzes wieder zurückkehrte und seinen Platz neben mir einnahm. Ich fragte nie was schiefging, denn wie schon erwähnt, ich wollte mich nicht mit ihm unterhalten. Dies lag nicht einmal an ihm selber. Genauso wenig würde ich mich während des Trinkens auch mit Prinz Philip Duke of Edinburgh, Gott habe ihn selig, Rafael Nadal oder Eckhart Tolle - obwohl ich mir sicher bin, dass sie alle Interessantes zu berichten hätten - unterhalten. Trinken bedeutet Trinken, blödes Geschwätz ist dabei fehl am Platz. So wie viele Köche den Brei verderben, so geht es auch meistens schief, wenn andere meinen, man müsste es zu gesellig haben, beim Trinken. Wohin das führen konnte, habe ich am Vortag ja eindrucksvoll präsentiert bekommen.
In der vierten und letzten Wohnung schlussendlich, lebte Anita - Anita, mit der ich seit meinem Einzug noch kein Wort gewechselt hatte. Anita, von der Efraim schwärmte und stets sagte, dass wenn er sie jemals besudeln könnte, er danach sein Glied abhacken würde, da er - nachdem er es mit der kleinen Schwester des Allmächtigen getrieben hatte - keinen Gebrauch mehr für sein Sexualorgan hätte. Anita, die Frau, der alle Männerherzen zuflogen, und vor der ich mich aus genau diesem Grund immer versteckte. Man nenne mich einen Feigling, oder einen Warmduscher oder sogar einen Hosenscheißer - ich habe kein Problem damit. Besser man nennt mich so, als die Alternative, die da wäre, dass ich ihr begegne, mein Herz ihr zufliegt und ich mich ihr mit Haut und Haaren verschreibe. Es ist keine Angst, die mich zu diesem kindlichen Versteckspiel treibt. Es ist vorbeugende Vorsicht. Mein Leben, meine Routine und mein innerer Frieden waren mir viel zu wertvoll, als dass ich sie alle wegen Anita, der Nachbarin von oben, aufs Spiel setzte.
Da mein innerer Frieden am Vortag aber sowieso schon kräftigst strapaziert wurde und ich mich im selben Moment an die Ereignisse erinnerte, in dem eine weitere Autotür krachend zugeschmissen wurde, ging ich im Bett auf die Knie und zog den Vorhang zur Seite.
Wir starrten uns für das erste Mal direkt in die Augen, ich auf den Knien, in meinem Bett, Anita in Begriff ihr Auto zuzusperren und eine große Tasche tragend. Diese hat sie wohl von der Rückbank geholt und musste deshalb zwei Türen öffnen und schließen.
„Jambo!”, rief ich freudig und vergaß daraufhin auch meine Mimik zu im Griff zu behalten. Ich musste wohl ein sehr dämliches Gesicht aufgesetzt haben.
„Was willst du, Mzungu? Ich möchte mit Leuten wie dir nichts zu tun haben”, gab sie zurück und fuhr sich mit einem Finger der freien Hand durchs Haar. Ich konnte auch in ihren Zügen Unsicherheit erkennen, was meinem dämlichen Gesichtsausdruck zugutekam, da sich darin mein souveränes, alles unter Kontrolle habendes Lächeln ausbreitete.
„Ich bin der Luczizcki, und glaube mir, du hast noch niemals mit jemandem wie mir etwas zu tun gehabt!”
„Ihr Mzungus seid alle gleich!”
„Ich bin aber kein Mzungu, ich bin Luczizcki.”
„Und was soll das sein?! Es klingt dämlich.”
„Ich würde dir anbieten, es bei einer gemeinsamen Tasse Kaffee herauszufinden.”
„Siehst du? Das meinte ich, ihr seid alle gleich. Es ist vier Uhr morgens und dich juckt es im Schritt. Wieso fällst du nicht gleich über mich her? Hast sicherlich schon ein Kondom übergezogen, als du mein Auto gehört hast. Wir Neger sind ja eh nur dazu da, um von euch gefickt zu werden und dazu sind wir eurer Meinung nach auch voller Krankheiten und Verdammnis.”
Ein frühmorgendlicher Ausbruch, wie ich ihn liebte. Ein frühmorgendlicher Ausbruch, der mir die Sinne raubte und mich in sie verliebt machte. Ich wollte keinen einzigen Tag mehr ohne sie sein müssen. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass alles, was in meinem Leben geschehen war, all die Entscheidungen die ich getroffen hatte, alles nur darauf abgezielt hatte, dass ich ihr – Anita - hier in Malindi, Kenia begegnete und ihr mein Leben widmete. Das sagte ich ihr auch, genauso!
„Luczizcki, du kniest im Bett und hast noch nicht einmal eine Hose an. Deine Unterhose mag vielleicht von Calvin Klein sein, aber ich bin müde und möchte jetzt nur noch schlafen gehen. Du solltest am besten das Gleiche tun.”
„Dein Wunsch ist mir Befehl und wird es für immer bleiben, Göttin aller Götter.”
Sie sah mich noch Zeit einiger Sekunden verdutzt an, warf mir ein kleinlautes „Gute Nacht, Luczizcki!”, zu und verschwand durch den Eingang unseres Hauses.
Ich fand, es war ein erfreuliches erstes Treffen, zog den Vorhang wieder zu und griff unter das Bett, vielleicht hatte ich ja Glück. Tatsächlich beinhaltete die dritte Flasche Mombasa Club die ich fand, noch etwa viereinhalb Schlucke. Ich trank sie alle in einem Zug und schlief mit einem wohligen Gefühl wieder ein.