Читать книгу Perry Rhodan Neo 236: Das Ei der Loower - Lucy Guth - Страница 9
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Thora Rhodan da Zoltral
Vor den unzähligen Sternen des galaktischen Zentrums waberte ein schwarzer Fleck. Es war, als hätte jemand ein Stück aus dem All herausgerissen.
Der Anblick ließ Thora Rhodan da Zoltral schaudern. Man könnte fast denken, dass dort eine Wolke Dunkelleben treibt.
Mit dem Unterschied, dass echtes Dunkelleben viel bedrohlicher ist. Das haben wir im Arkonsystem hautnah erfahren. Dass du eine Dunkelwolke mit dem Dunkelleben assoziierst, erscheint mir eher der Ausdruck deines schlechten Gewissens.
Die lapidare Feststellung ihres Extrasinns machte Thora wütend. Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen. Er ist mein Freund. Und ich sehe einfach dabei zu, wie er sich quält.
Es ist deine Pflicht, in diesem Fall nicht als Guckys Freundin zu entscheiden, sondern als Kommandantin der CREST II. Du hast ... der Besatzung gegenüber eine Verantwortung.
Thora stutzte. Du zögerst. Warum?
Der Extrasinn schwieg. Thora wusste mittlerweile, dass sie in diesem Fall nicht nachzuhaken brauchte. So redselig ihr »inneres Kind« für gewöhnlich war: Manchmal war es verstockt, vor allem, wenn es Gefahr lief, im Unrecht zu sein.
Stattdessen ging sie zu Mentro Kosum in seinem Pilotensessel. Er hatte die SERT-Haube aufgesetzt und aktiviert, die ihn mit dem Raumschiff verband. Schweiß glänzte auf der Stirn des Emotionauten, rote Haarsträhnen klebten an seiner Schläfe. Die Augen hatte er geschlossen, er wirkte aber alles andere als entspannt. Seine Lider zuckten, während die Augäpfel darunter hin und her rollten.
Zwar kamen sie für Thoras Begriffe viel zu langsam voran. Das Schneckentempo war an diesem Ort allerdings nicht weniger anstrengend für Kosum als eine Fluchtbeschleunigung bis zu einer Nottransition. Ein Beleg hierfür war, dass rund um den Pilotensitz keine einzige Kapsel einer Sarrka-Spore zu finden war, die Kosum normalerweise unermüdlich kaute. Dass er sogar dafür keine Zeit hatte, bewies Thora den Ernst der Lage.
»Mister Kosum, wie sieht es aus?«, fragte sie.
»Geht so, Ma'am.« Die Stimme des Piloten klang gepresst. »Diese chaotischen Verhältnisse machen es mir nicht gerade einfach. Die vielen Schwarzen Löcher, Neutronensterne und sonstigen Massivstrahlungsquellen in der weiteren Umgebung überfluten diese Raumregion mit Plasmawolken, Gammablitzen, stellaren und planetaren Trümmern sowie normal- und hyperenergetischen Störeinflüssen – sie stellen ein enormes Risiko dar. Ich muss auf die kleinsten Messwerte der Ortungssensoren achten, damit wir nicht in eine Gravitationssenke geraten und zerrissen oder von jähen Energiefluten gegrillt werden. Es erinnert mich ein wenig an die Situation im Sternenriff vor Archetz. Nur extremer.«
»Also gehe ich besser nicht davon aus, dass wir das Tempo erhöhen und größere Distanztransitionen wagen können?«, vermutete Thora.
Der Pilot öffnete ruckartig die erstaunlich grünen Augen. »Auf keinen Fall. Als wir eben diese Dunkelwolke passiert haben, hätte uns eine Schwerkraftirregularität beinahe aus der Bahn gerissen – wenn wir schneller gewesen wären, hätte ich kaum gegenhalten können. Bei aller Liebe, schneller zu fliegen, ist momentan eine schwachsinnige Idee ... Ma'am.«
Das »Ma'am« hätte er sich angesichts dieser despektierlichen Rede sparen können.
Der Extrasinn kicherte. Ach komm, eigentlich mögen wir ihn und seine unkonventionelle Art.
Normalerweise hätte Thora dem Piloten trotzdem eine Rüge erteilt, doch Kosum hatte die Augen wieder geschlossen und wirkte völlig konzentriert. Daher ließ Thora ihn in Ruhe und wandte sich Bingdu zu.
Der Omnit stand an einer Holokonsole und bemühte sich, Kosum zu unterstützen. Er speiste unablässig weitere Informationen über den Kurs, den er dem Cyboraner vorgeschlagen hatte, in die Navigationspositronik ein – soweit es seine eigenen Daten hergaben, die er auf einem silbernen Speicherplättchen mit sich führte.
»Wie ist Ihre Meinung dazu, Bingdu?«
Der Omnit sah auf. Sein Anblick – der gläserne Kopf mit dem pechschwarzen Gehirn darin – war Thora unheimlich. »Ich kann Mister Kosum nur zustimmen. Die Fluggeschwindigkeit drastisch zu erhöhen und mehr als extrem vorsichtige und gut vorbereitete Kurztransitionen anzusetzen, wäre unverantwortlich. Meine Daten sind mehrere Wochen alt; in diesem Raumsektor können sich die Verhältnisse innerhalb von Tagen ändern.«
Thora schürzte die Lippen. »Zu dumm, dass uns keiner Ihrer Lotsen zur Verfügung steht.«
»Das ist wahr. Die Lotsen verfügen über andere Möglichkeiten, auf die ich nicht zurückgreifen kann.«
Thora fragte nicht weiter nach. Sie hatte genug Erfahrungen mit den Khe'Mha'Thir, den Sternenlotsen, die Raumschiffe durch den Leerraum nach Thantur-Lok führten. Einigen Wesen standen besondere Wege offen, sei es durch die Sternengötter oder andere Einflüsse. Die Menschen würden vielleicht irgendwann erfahren, auf welche Mittel die Lotsen des galaktischen Zentrums zurückgriffen.
»Miss Maas, irgendwelche Zeichen von unseren Verfolgern?«
»Bislang nicht, Kommandantin«, gab die Ortungschefin zurück. »Wir scheinen sie tatsächlich abgehängt zu haben.«
»Bleiben Sie trotzdem weiter wachsam.«
»Selbstverständlich, Ma'am.«
Willst du deiner Crew vielleicht noch andere nützliche Tipps geben? Möchtest du Siobhan O'Sullivan raten, die Impulsstrahler richtig durchzupusten?
Ist gut. Thora war frustriert. Sie hätte gern ihre Gedanken in einem Gespräch mit Perry Rhodan geklärt, aber ihr Mann hatte vor Kurzem die Zentrale verlassen. Sie vermutete, dass er in die Medostation gegangen war, um nach Gucky zu sehen.
Vielleicht solltest du dort mal nachfragen, statt deine Offiziere mit überflüssigen Anweisungen zu piesacken. Denn eigentlich willst du wissen, wie es unserem pelzigen Freund geht.
Thora hörte auf den Rat des Logiksektors. Sie ging auf ihren Platz, aktivierte ein Privatsphärefeld und rief in der Krankenstation an. Sofort dröhnten Guckys gequälte Schreie durch die kleine Schallglocke, die Thora umgab.
»Gut, dass Sie sich melden, Kommandantin«, sagte Drogan Steflov, ehe sie selbst etwas äußern konnte. Der Chefarzt war bleich. »Guckys Zustand hat sich verschlimmert.«
»Was ist passiert?«
»Gucky begann plötzlich zu halluzinieren. Kurz darauf sind seine Vitalwerte in den Keller gefallen – Blutdruck, Atemfrequenz, Körpertemperatur, Sauerstoffsättigung ... Wir wissen gar nicht, wo wir anfangen sollen.«
»Warum versetzen Sie ihn nicht in ein künstliches Koma?«, fragte Thora. Das wäre zumindest gnädig – ihm und mir gegenüber ...
»Das hätten wir längst getan, wenn es etwas nützen würde. Die psionischen Emissionen des Couhl setzen Guckys Gehirn unter Dauerstress, Medikamente wirken da nicht.«
Im Hintergrund erkannte Thora, wie sich der Mausbiber krampfhaft aufbäumte. Neben seiner Liege standen Sud und Rhodan.
»Kann Sud ...?«
»Sud tut bereits alles, was sie kann, aber auch sie ist am Ende ihrer Kräfte.« Steflov fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Kommandantin, wenn wir nicht sofort reagieren, wird Gucky das nicht überleben.«
Thora stockte der Atem. Sie beendete die Verbindung kommentarlos. Wenn ich die Psi-Strahlung abschalte, werden die Shafakk, die sich garantiert in der Nähe herumtreiben, sofort wieder munter. Wenn ich sie nicht abschalte, wird Gucky sterben. Ein Leben gegen das von vielen.
Wir wissen beide, wie du als Arkonidin dazu stehen solltest. Aber mit welcher dieser Entscheidungen kannst du leben?
Das kommt wohl ganz darauf an, wie lange ich sie überlebe. Thora schloss kurz die Augen und schaltete das Schallisolationsfeld ab. Sie überlegte, ob sie Gabrielle Montoya als Erster Offizierin den Befehl geben sollte, die Psi-Strahlung zu desaktivieren. Dann rief sie stattdessen das entsprechende holografische Kontrollfeld auf und tat es selbst. Sie wollte die Verantwortung allein tragen. Mit knappen Worten informierte sie die Mannschaft über ihre Entscheidung.
Richtig so! Falls die Shafakk auftauchen, werden wir mit ihnen fertig.
Moment mal – warst du nicht ursprünglich dagegen, die Hyperstrahlung abzuschalten?
Auch ein Logiksektor kann seine Meinung ändern, wenn sich die Umstände wandeln und Alternativen logischer werden.
»Wir fliegen trotzdem in dem Tempo weiter, das Mister Kosum für angemessen hält«, sagte sie laut.
»Diese Entscheidung kann ich nur befürworten«, lobte Bingdu.
Thora kontaktierte erneut die Medostation und erfuhr, dass sich Guckys Zustand langsam verbesserte. Sie atmete unmerklich auf. Wenigstens etwas.
Derweil navigierte Kosum zunächst an einer imposanten, hyperenergetisch induzierten Schwerkraftsenke vorbei. Allein der Anblick im Ortungsholo reichte, um Thora Bauchschmerzen zu verursachen. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was geschah, wenn das Raumschiff in den Gravitationseinfluss geriet. Danach durchquerten sie den Randbereich eines intensiven Schauers hochenergetischer Partikel – dieser Beschuss war normaloptisch unsichtbar, aber nicht minder gefährlich, denn die auftretenden Energien konnten der CREST II Schaden zufügen, wenn das Schiff dem Hauptstrom aus Protonen und schwereren Ionen zu nahe kam.
Als Kosum die Hälfte des Wegs an dem Schauer vorbeigeschafft hatte, kam Rhodan zurück in die Zentrale. »Gucky geht es wieder gut«, teilte er Thora mit. »Danke, dass du die Psi-Strahlung abgeschaltet hast.«
»Denkst du wirklich, ich hätte Guckys Leben weiterhin riskiert, nachdem Steflov so deutlich wurde?« Thora zog die Augenbrauen hoch. »Ich hoffe nur, dass uns die Shafakk nicht einholen. Denn dann stehen unsere Chancen schlecht.«
»Wenn wir Glück haben, erreichen wir Jad-Kantraja, ehe sie uns auf die Spur kommen.« Perry Rhodan fasste nach Thoras Hand und drückte sie kurz. Er wusste, dass sie es nicht schätzte, ihre Beziehung in der Zentrale öffentlich zu zeigen, aber manchmal war es nötig. Genau wie in diesem Moment: Thora genoss die kurze Berührung wie eine stärkende Umarmung.
»Noch ist das Omnitische Herz nicht in Ortungsreichweite.« Mit gerunzelter Stirn rief Thora eine dreidimensionale Karte des Gebiets auf, die der Omnit in die Positronik gespeist hatte. »Diese Daten sind wirklich mehr als dürftig ...«
»Ma'am, ich habe hier etwas Ungewöhnliches!«, meldete sich Maas.
Sofort war Thora Rhodan da Zoltral alarmiert. »Die Shafakk?«
»Nein, Ma'am. Es ist ein sehr schwaches Funksignal ...« Sarah Maas wandte der Arkonidin so ruckartig den Kopf zu, dass ihre zu einem Pferdeschwanz gebundenen braunen Haare wippten. »Ein automatischer Notruf!«