Читать книгу Fleisch-Codex - Ludwig Maurer - Страница 18
ОглавлениеDie Aufzucht der Kälber beginnt mit der erfolgreichen Geburt und hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit von Zucht- und Mastrindern. Sie stellt eine wichtige, jedoch oft vernachlässigte Säule der Rindermast und Mutterkuhhaltung dar. In der Milchviehhaltung wird eine mutterlose Aufzucht mit Vollmilch- oder Milchpulvertränke von zwei bis drei Monaten, in der Fleischrinderhaltung eine Aufzucht durch die Mutter über eine zumeist sechs- bis zehnmonatige Säugeperiode durchgeführt. Eine sorgfältig durchgeführte Aufzucht erbringt gut entwickelte, gesunde, frohwüchsige und widerstandsfähige Jungtiere. Zudem werden bereits in der Jugendentwicklung die Grundlagen zur Bildung der wertvollen Fleischanteile am späteren Schlachtkörper gelegt. Sowohl zu intensive als auch zu extensive Aufzuchtfütterung kann erhebliche Nachteile für die spätere Nutzung der Tiere mit sich bringen. Durch eine zu intensive Aufzucht kommt es im Körper schon früh zu Fetteinlagerungen, welche die Zuchttauglichkeit einschränken. Ein Ergebnis daraus sind häufig Konzeptions- und Geburtsschwierigkeiten und als Folge eine verkürzte Nutzungsdauer. Bei einer extensiven Aufzucht wird die Geschlechts- und Zuchtreife verlangsamt und das Erstkalbealter erhöht. Wird die reduzierte Lebendmasse bei der ersten Belegung nicht berücksichtigt, kommt es zu Geburtsproblemen und zu unterentwickelten Kühen. Masttiere können ihr Leistungspotenzial nicht ausschöpfen. Für eine erfolgreiche Aufzucht ist eine ausreichende Energie- und Proteinversorgung essenziell.
In der Fütterung wird unterschieden zwischen Grund-, Saft- und Kraftfutter. Grundfutter wird zumeist auf dem eigenen Betrieb erzeugt. Dazu zählen Weide, Gras, Heu, Stroh und Silagen. Diese Futtermittel sichern dem Rind genügend Struktur im Futter und damit eine wiederkäuergerechte Ernährung. Der Großteil des Energie- und Proteinbedarfs kann aus dem Grundfutter gedeckt werden.
Eine Zwischenstellung nehmen die Saftfutter ein, die im Energiegehalt zwischen den beiden anderen Kategorien einzuordnen sind. Hierzu zählen z. B. Kartoffeln, Möhren, Biertreber und Pressschnitzel.
Kraftfutter ist im Vergleich energetisch deutlich höher konzentriert. Dazu gehören Pflanzensamen von Getreide, Mais, Erbse oder Ackerbohne. Des Weiteren werden Nebenprodukte aus der Nahrungsmittelproduktion wie Melasse, Soja-, Sonnenblumen- und Raps-Extraktionsschrot verwendet, da diese überwiegend nur vom Wiederkäuer verwertet werden können. Zum Kraftfutter zählen auch Mischfuttermittel, die aus mehreren Komponenten zusammengesetzt sind und von der Futtermittelindustrie hergestellt werden.
In der Mutterkuhhaltung wird zu Beginn ein Großteil der Nährstoffe über die Milch der Mutter, abhängig von der Milchleistung der jeweiligen Rasse, bereitgestellt. Die Kälber können je nach Angebot Weide, Gras, Heu und Silage bei der Mutter mitfressen. Abhängig von der Milchleistung können sie zusätzlich Kraftfutter erhalten. Bei diesem Verfahren haben die Tiere im Herdenverbund mehrere Monate bis ganzjährig Weidegang und können ihre natürliche Verhaltensweise ausleben. Im Winter werden die Rinder in Stallungen mit Stroheinstreu gehalten, da die Haltung auf Stroh positive Effekte auf die Gesundheit und das Wohlbefinden hat.
„Wer ein gutes Stück Rindfleisch genießen möchte, sollte neben dem Genusswert des Fleisches einer artgerechten Haltung der Tiere nicht minder viel Aufmerksamkeit schenken.“
Bei der mutterlosen Aufzucht wird von Beginn an Heu und Kraftfutter angeboten. Dadurch, dass das Kalb schon früh unabhängig von Milch ernährt wird, muss es hochwertige Kraftfuttermischungen erhalten. Diese Kälber werden, wenn sie nicht für die Bestandsergänzung benötigt werden, meist in intensiven Mastsystemen genutzt und erhalten Rationen mit hohen Kraftfutteranteilen, wobei der Grundfutteranteil vor allem zur Aufrechterhaltung der physiologischen Pansenfunktion dient. Bei diesem Verfahren soll in relativ kurzer Zeit ein hohes Schlachtgewicht erreicht werden. In Europa nutzt man in diesem System vor allem Fleckvieh, Milchrind-/Fleischrindkreuzungen und die französischen Rassen, um schwere, relativ magere Schlachtkörper zu produzieren. Dieses möglichst schnell erzeugte Fleisch hat einen geringeren Genusswert.
In den USA, Argentinien und Australien werden britische Rassen (vornehmlich Aberdeen Angus und deren Kreuzungen) in diesem System gemästet. Hier wird jedoch ein Qualitätsfleisch mit möglichst hohem intramuskulärem Fettgehalt erzeugt – wobei die qualitativen Merkmale primär Zartheit und Marmorierung sind.
Dabei kann das Rind als Wiederkäuer aufgrund seines Verdauungssystems auch mit für den Menschen minderwertigen Proteinen und Energielieferanten auskommen und befriedigende Leistungen erbringen. Das mikrobielle Verdauungssystem ermöglicht es dem Wiederkäuer, rohfaserreiche Futtermittel aufzuschließen und energetisch zu verwerten. Rinder können daher bestens zur Nutzung von Grünland unterschiedlichster Intensitätsstufen eingesetzt werden.
Die Fähigkeit des Rindes, Nahrungsmittel, die für die menschliche Ernährung nicht von Bedeutung sind, in hochwertiges tierisches Eiweiß in Form von Rindfleisch oder Milch umzuwandeln, erklärt seine überragende Bedeutung als Lieferant von tierischem Protein.
Bei extensiven Fütterungssystemen wird als Futtergrundlage vor allem Grundfutter genutzt. Als Rassen eignen sich die frühreifen britischen Rassen, da der reife Typ Auswirkungen auf die Fleischbeschaffenheit hat. Im Gegensatz zu spätreifen Rassen setzen frühreife Rassen über einen kürzeren Zeitraum Eiweiß an. Sie beenden ihr Muskelwachstum früher und bilden daher weniger Magerfleisch bei gleichzeitig früherer intensiver Fettgewebebildung. Da vor allem das im Muskelgewebe eingelagerte intramuskuläre Fett die sensorische Qualität positiv beeinflusst, hat das frühreife Rind Vorteile gegenüber dem spätreifen Rind. Bei diesem extensiven System werden so viel Grundfutter wie möglich und so viel Kraftfutter wie nötig eingesetzt. Das Kraftfutter wird zum einen zum Ausgleich von Grundfutter geringer Energiedichte eingesetzt; zum anderen kann es in der Endphase der Mast die Marmorierung verbessern. Die Tiere benötigen bei diesem Verfahren aufgrund geringerer Zunahmen mehr Zeit, um die Schlachtreife zu erreichen. Jedoch ist dies nicht von Nachteil, da das Fleisch dadurch reifer und das Aromen-Erlebnis beim Verzehr größer wird. Da dieses System vorwiegend in Dauergrünlandgebieten genutzt wird, können der Standort, die Artenvielfalt und die Zusammensetzung der Flora einen großen Einfluss auf die Sensorik haben.
Wer ein gutes Stück Rindfleisch genießen möchte, sollte neben dem Genusswert des Fleisches einer artgerechten Haltung der Tiere nicht minder viel Aufmerksamkeit schenken.
Dr. Benjamin Junck