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William Lovell an Balder


Paris.


Ich bin die ganze Stadt durchstrichen, ohne Dich zu finden, der Abend ist so schön, ich hätte Dir so gern alles gesagt, was ich auf dem Herzen habe; ich schreibe Dir daher, weil ich Dich doch wahrscheinlich heut nicht mehr sehn werde. Antworte mir noch heut, wenigstens morgen früh, wenn Du mich nicht selbst besuchen solltest.


O Balder, könnte doch meine Seele ohne Worte zu der Deinigen reden – und so alles, alles Dir ganz glühend hingeben, was in meinem Busen brennt, und mich mit Martern und Seligkeiten quält.


Ja, Freund, itzt fühl ich es, wie sehr Rosa recht behält, wenn er sagt: Der Busen des fühlenden Menschen hat für tausend Empfindungen Raum, warum will der Mensch seiner eigenen Wonne zu enge Schranken setzen? Des Toren, der da schwört, daß er nie wieder lieben wolle! Kann er seine Seele zurücklassen?


Du weißt von Amalien. Soll ich Dir sagen, daß ich ihr treulos bin? Treulos? das Wort hat keinen Sinn, sie ist meinem Herzen so unentbehrlich wie je. Aber kann ich denn diesem nämlichen Herzen widerstehn, welches mich zur Blainville reißt. Soll ich blind sein, und ihre Schönheit nicht sehen? Welche Macht ist es, die uns zueinander führt?


Es war ein schöner Abend, ich war mit ihr im Garten des Grafen Melun, wir gingen lange einsam auf und ab. Balder, sie ist das edelste weibliche Geschöpf, das ich bis itzt gekannt habe! so viel Natur und Herzensgüte! Ich saß im stummen Entzücken in einer dämmernden Laube neben ihr; die Blumen dufteten Liebe, die Vögel sangen der Göttin Lieder, sie wandelte im Hauche des Zephirs durch den Garten und gaukelte in den Lindenblüten: mir war's, als könnt ich unter den goldenen Schimmern des Firmaments den rosengekränzten Engel sehn, der den tausendfachen Segen über die Natur ausgießt; wie sich die ganze lebende und leblose Natur kindlich zu ihm drängt, um zu empfangen und sich zu freuen – o es war eine der wonnevollsten Stunden meines Lebens.


Ich war hundertmal im Begriffe, ihr meine Empfindungen zu gestehn, sie in einer blinden Begeisterung an mein Herz zu drücken, mich kühn zu ihrer Hoheit emporzureißen – aber Amaliens Andenken hielt mich grausam ernst zurück. – Aber ich will, ich muß ihr gestehn, was ich empfinde, ohne Mitteilung zersprengt dies Gefühl meinen Busen.


Begeh ich dadurch eine Sünde an Amalien? – Antworte mir hierauf, ich glaub es nicht, ich liebe sie, ich werde sie lieben; aber soll mir diese Liebe ein Gesetz sein, gegen jede Vortrefflichkeit unempfindlich zu sein? – Liebe erhöht die Empfindungen, veredelt sie, sonst würd ich wünschen, nie geliebt zu haben. –


William Lovell

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