Читать книгу Kleine Frauen, Band 4: Jo und ihre Jungs - Луиза Мэй Олкотт - Страница 5

Kapitel 2. Der Berg Parnass.

Оглавление

Der Name war gut gewählt, und die Musen schienen an diesem Tag zu Hause zu sein, denn als die Neuankömmlinge den Hang hinaufgingen, wurden sie von entsprechenden Anblicken und Klängen begrüßt. Als sie an einem offenen Fenster vorbeikamen, erblickten sie eine Bibliothek, der Clio, Kalliope und Urania vorstanden; Melpomene und Thalia vergnügten sich im Saal, wo einige junge Leute tanzten und ein Theaterstück einstudierten; Erato ging mit ihrem Geliebten im Garten spazieren, und im Musikzimmer bildete Phoebus persönlich einen melodischen Chor aus.

Unser alter Freund Laurie war zu einem echten Apollo gereift, aber dennoch anmutig und liebenswürdig wie immer – die Zeit hatte aus dem launischen Knaben einen vornehmen Mann gemacht. Sorge und Kummer, aber auch Ungezwungenheit und Glück hatten dabei ihre Beiträge geleistet, und die Verantwortung, die Wünsche seines Großvaters zu erfüllen, war eine Pflicht, der er sehr gewissenhaft nachkam. Wohlstand passt zu vielen verschiedenen Menschen, und die meisten blühen am besten in der Sonne auf; andere wiederum brauchen den Schatten und sind umso süßer, wenn sie einen Hauch von Frost abbekommen. Laurie gehörte zu der ersteren Sorte, Amy zur zweiten; seit sie geheiratet hatten, war ihrer beider Leben eine Art Gedicht – nicht nur harmonisch und glücklich, sondern auch innig, dienlich und bestimmt von dem Wohlwollen, das so viel bewirken kann, wenn Reichtum und Weisheit mit Nächstenliebe Hand in Hand gehen. Ihr Haus war eine Mischung aus schlichter Schönheit und Behaglichkeit, und der Ort, an dem die kunstliebenden Gastgeber Künstler aller Art empfingen und diese unterhielten. Laurie hatte jetzt genug Musik und war ein großzügiger Mäzen für die Klasse, der er am liebsten half. Amy hatte ihre Schützlinge unter den ehrgeizigen jungen Malern und Bildhauern, und ihre eigene Kunst war ihr doppelt lieb geworden, seit ihre Tochter alt genug war, um ihre Arbeit und ihre Freuden mit ihr zu teilen; sie gehörte zu den Frauen, die treue Gattinnen und Mütter sein konnten, ohne die besondere Gabe zu opfern, die ihnen für ihre eigene Entwicklung und das Wohl anderer verliehen worden war.

Ihre Schwestern wussten genau, wo sie zu finden war, und Jo ging sofort ins Atelier, wo Mutter und Tochter gemeinsam arbeiteten. Bess war mit der Büste eines kleinen Kindes beschäftigt, während ihre Mutter einem Abbild des Kopfes ihres Mannes den letzten Schliff verlieh. Die Zeit schien bei Amy stehen geblieben zu sein, denn das Glück hatte sie jung gehalten und der Wohlstand ihr die nötige Bildung verliehen. Eine stattliche, anmutige Frau, die durch den Geschmack, mit dem sie ihr Kleid auswählte, und die Anmut, mit der sie es trug, zeigte, wie elegant Schlichtheit sein konnte. Oder, wie jemand einmal sagte: "Ich weiß nie, was Mrs. Laurence gerade trägt, aber ich habe immer den Eindruck, dass sie die bestgekleidete Dame im Raum ist."

Es war offensichtlich, dass sie ihre Tochter anbetete, und das war umso verständlicher, als die Schönheit, nach der sie selbst lange getrachtet hatte, zumindest in ihren liebevollen Augen in diesem jüngeren Ich verkörpert zu sein schien. Bess hatte die einer Diana ähnlichen Figur ihrer Mutter geerbt, die blauen Augen, die helle Haut und das goldene Haar, das zu demselben, klassischen, gelockten Knoten gebunden war. Außerdem – ach! Eine nie versiegende Quelle der Freude für Amy – hatte sie die hübsche Nase und den Mund ihres Vaters geerbt, die in ihrem hübschen Gesicht zu weiblichen Formen gegossen worden waren. Die strenge Schlichtheit einer langen Leinenschürze passte zu ihr, und sie arbeitete mit der völligen Versunkenheit einer wahren Künstlerin, ohne sich der liebevollen Augen auf ihr bewusst zu sein, bis Tante Jo hereinkam und eifrig rief:

"Meine lieben Mädchen, hört mit euren Tontörtchen auf und lauscht meinen Neuigkeiten!"

Die beiden Künstlerinnen ließen ihre Werkzeuge fallen und begrüßten die unbändige Frau herzlich, obwohl ihre künstlerische Ader gerade voll entflammt war und ihr Hereinplatzen eine kostbare Stunde verdarb. Sie befanden sich mitten in einer angeregten Unterhaltung, als Laurie, den Meg herbeigerufen hatte, eintraf, sich ungezwungen zwischen die Schwestern setzte und mit Interesse den Neuigkeiten von Franz und Emil lauschte.

"Jetzt ist die Epidemie ausgebrochen, und sie wird weiter wüten und auch deine Herde heimsuchen. Mach dich für die nächsten zehn Jahre auf mehr Romantik und Unbesonnenheiten gefasst, als du ertragen kannst, Jo. Deine Jungen wachsen heran und werden sich kopfüber in ein Meer von schlimmeren Kratzern und Schrammen stürzen, als du sie bisher erlebt hast", sagte Laurie und genoss ihren Blick, in dem sich Freude und Verzweiflung mischten.

"Das ist mir klar, und ich hoffe, dass ich ihnen hindurchhelfen und sie sicher zurück an Land bringen kann; aber es ist eine schrecklich große Verantwortung, denn sie werden zu mir kommen und darauf bestehen, dass ich ihre Techtelmechtel in Ordnung bringe. Nichtsdestotrotz freue ich mich darauf, und Meg ist so gefühlsduselig, dass sie in den Aussichten geradezu schwelgt", antwortete Jo, die ihre eigenen Jungen vorerst in Sicherheit sah, weil diese noch jung waren.

"Ich fürchte, sie wird nicht mehr darin schwelgen, wenn unser Nat ihrer Daisy zu nahekommt. Du verstehst sicher, warum, oder? Als musikalischer Leiter bin ich auch sein Vertrauter und würde gerne wissen, welchen Rat ich ihm geben soll", sagte Laurie nüchtern. "Pst! Du vergisst das Kind", flüsterte Jo und nickte in Richtung Bess, die wieder an die Arbeit gegangen war.

"Danke für den Tipp! Aber sie weilt gerade in Athen und hört kein einziges Wort. Dennoch sollte sie damit aufhören und etwas hinausgehen. Mein Schatz, lass dein Baby eine Runde schlafen und geh etwas spazieren. Tante Meg ist im Salon; geh und zeige ihr die neuen Bilder, bis wir kommen", fügte Laurie hinzu und sah sein großes Mädchen an, wie Pygmalion wohl Galatea betrachtet hätte; für ihn war sie die schönste Statue im ganzen Haus.

"Gut, Papa; aber sag mir bitte erst, ob es gut geworden ist", antwortete Bess und legte gehorsam ihr Werkzeug nieder, während ihr Blick immer wieder zu der Büste schweifte.

"Meine geliebte Tochter, um Wahrheit Genüge zu tun, muss ich gestehen, dass eine Wange dicker ist als die andere, und die Locken auf der kindlichen Stirn sehen eher aus wie Hörnern und sind nicht wirklich anmutig; aber der Rest steht in echter Konkurrenz zu Raffaels singenden Engeln, und ich bin sehr stolz auf dich."

Laurie lachte, während er sprach, denn Bess' erste Versuche waren denen von Amy so ähnlich, dass es unmöglich war, sie so nüchtern zu betrachten, wie es die begeisterte Mutter tat.

"Du erkennst Schönheit nur, wenn es um Musik geht", antwortete Bess und schüttelte das goldene Köpfchen, das den einzigen hellen Fleck im kalten Licht des großen Studios bildete.

"Nun, ich erkenne Schönheit in dir, Liebes. Und wenn du keine Kunst bist, wer wäre es dann? Ich möchte dir nur die Natur etwas näherbringen, dich von diesem kalten Ton und Gips losreißen und unter die Sonne stellen, damit du tanzen und lachen kannst wie die anderen auch. Ich will ein Mädchen aus Fleisch und Blut, keine süße Statue in einer grauen Schürze, die alles außer ihrer Arbeit vergisst." Während er sprach, umarmten zwei staubige Hände seinen Hals, und Bess sagte ernst, wobei sie die Worte mit sanften Bewegungen ihrer Lippen unterstrich:

"Dich vergesse ich nie, Papa, aber ich möchte auch etwas Schönes herstellen, damit du irgendwann stolz auf mich sein kannst. Mama sagt mir oft, ich solle eine Pause machen; aber wenn wir hier drin sind, vergessen wir beide, dass es eine Welt da draußen gibt, weil wir so beschäftigt und glücklich sind. Aber jetzt gehe ich los, laufe und singe und bin ein Mädchen, um dir zu gefallen." Dann warf Bess die Schürze weg, verschwand aus dem Zimmer und schien das ganze Licht mitzunehmen.

"Ich bin froh, dass du das gesagt hast. Das liebe Kind ist zu sehr mit seinen künstlerischen Träumen beschäftigt für dieses Alter. Das ist auch meine Schuld, aber ich fühle so sehr mit, dass ich manchmal vergesse, was vernünftiger für sie wäre", seufzte Amy und deckte das Baby vorsichtig mit einem nassen Handtuch zu.

"Ich glaube, dass die Fähigkeit, sich vollständig in unsere Kinder hineinzuversetzen, ´zu den schönsten Dingen im Leben gehört. Aber ich versuche mich immer daran zu erinnern, was Mami einmal zu Meg gesagt hat – dass die Väter immer ihren Anteil an der Erziehung von Mädchen und Jungen bekommen sollten; deshalb überlasse ich Ted seinem Vater, so oft ich kann, während Fritz mir immer wieder Rob leiht, dessen ruhige Art für mich ebenso erholsam und gut ist wie Teds Gefühlsausbrüche für seinen Vater. Ich rate dir, Amy, lass Bess nun eine Zeit lang ihre Tonkunstwerke vergessen und mit Laurie Musik machen; das erweitert ihren Horizont und dein Mann wird nicht eifersüchtig."

"Hört, hört! Ein Daniel - ein echter Daniel!", rief Laurie erfreut. "Ich dachte schon, dass du mir beispringen und ein gutes Wort für mich einlegen würdest, Jo. Ich bin tatsächlich ein wenig eifersüchtig auf Amy und möchte mehr von meinem Mädchen haben. Kommt, Mylady, lasst sie mir für diesen Sommer, und nächstes Jahr, wenn wir nach Rom fahren, überlasse ich sie Euch und der hohen Kunst. Ist das nicht ein gutes Geschäft?"

"Einverstanden; aber wenn du ihr deine Hobbies, Natur und Musik, näherbringen möchtest, vergiss dabei nicht, dass unsere Bess, obwohl sie erst fünfzehn Jahre alt ist, reifer ist als die meisten Mädchen in diesem Alter und nicht wie ein Kind behandelt werden sollte. Sie ist mir so kostbar, dass ich sie immer so rein und schön halten möchte wie den Gips, den sie so sehr liebt."

In Amys Stimme lag ein bedauernder Tonfall, während sie sich in dem schönen Zimmer umsah, in dem sie so viele glückliche Stunden mit ihrem lieben Kind verbracht hatte.

" 'Einer nach dem anderen, das ist nur gerecht', wie wir zu sagen pflegten, als wir alle auf 'Ellen Tree' reiten oder die rostroten Stiefel tragen wollten", sagte Jo munter; "genauso solltet ihr euer Mädchen unter euch aufteilen und herausfinden, wer ihr am meisten beibringen wird."

"Das werden wir", antworteten die liebevollen Eltern und lachten über die Erinnerungen, die Jos Sprichwort in ihnen wachrief.

"Wie habe ich es genossen, auf den Ästen des alten Apfelbaums herumzuhüpfen! Kein echtes Pferd hat mir je auch nur halb so viel Freude und sportliche Betätigung bereitet", sagte Amy und schaute aus dem hohen Fenster, als sähe sie dort den lieb gewonnenen alten Obstgarten und die kleinen Mädchen beim Spielen.

"Und was für einen Spaß ich mit diesen himmlischen Stiefeln hatte!", lachte Jo. "Ich habe die Überreste immer noch. Die Jungs haben sie fast vollständig ruiniert, aber ich liebe sie immer noch und würde gerne mal wieder theatralisch in ihnen herumstapfen, wenn es möglich wäre."

"Meine schönsten Erinnerungen ranken sich um die Wärmflasche und die Wurst. Was haben wir für Blödsinn vollführt! Und wie lange es her ist", sagte Laurie und starrte die beiden Frauen vor sich an, als fiele es ihm schwer zu begreifen, dass sie einmal die kleine Amy und die ausgelassene Jo gewesen waren.

"Unterstell' uns bloß nicht, dass wir alt werden, mein Herr. Wir sind gerade erst erblüht, und unsere Knospen ergeben zusammen einen sehr schönen Strauß", antwortete Amy und glättete die Falten ihres rötlichen Musselinstoffs mit der gewissen Verliebtheit, die jedes Mädchen bei einem neuen Kleid zu zeigen pflegt.

"Ganz zu schweigen von den Dornen und dem Laub", fügte Jo seufzend hinzu. Ihr Leben war nie leicht gewesen, und selbst jetzt hatte sie noch ihre Probleme mit sich selbst und der Welt.

"Komm mit, trink eine Tasse Tee, meine Liebe, und sieh dir an, was die jungen Leute so treiben. Ihr seid beide müde und wollt 'mit Blumen erquicket werden und euch an Äpfeln laben' ", sagte Laurie, bot jeder Schwester einen Arm an und führte sie zum Nachmittagstee, der auf dem Parnass so reichlich floss wie der Nektar auf dem Berg der griechischen Mythologie. [Lauries Zitat stammt aus dem Hohelied Salomos Vers 2:5. Anm. des Übersetzers]

Sie fanden Meg im Sommersalon, einem luftigen und entzückenden Raum, der gerade von der Nachmittagssonne und dem Rauschen der Bäume erfüllt war, denn die drei langen Fenster gingen alle zum Garten hinaus. An einem Ende befand sich das große Musikzimmer, am anderen, in einer tiefen Nische mit violetten Vorhängen, war ein kleiner Hausschrein eingerichtet worden. Dort hingen drei Porträts, in den Ecken befanden sich zwei Gipsbüsten, während ein Sofa und ein ovaler Tisch mit einer Blumenurne die einzigen Möbelstücke waren, die dort standen. Die Büsten stellten John Brooke und Beth dar – Amys Werk – und waren beide fast lebensecht getroffen und von jener friedlichen Schönheit, bei der einem immer das Sprichwort einfällt: "Ton steht für das Leben, Gips für den Tod, Marmor für die Unsterblichkeit." Auf der rechten Seite hing, wie es sich für den Gründer des Hauses gehörte, das Porträt von Mr. Laurence, mit einem Ausdruck von Stolz und Wohlwollen, der so erfrischend und anziehend war wie damals, als er das Mädchen Jo dabei ertappte, wie es das Bild bewunderte. Gegenüber befand sich Tante March, deren Abbild eine Dame mit imposantem Turban, ausladenden Ärmeln und langen Handschuhen zeigte, die auf der Vorderseite ihres pflaumenblauen Satinkleides schicklich gekreuzt waren. Die Zeit hatte ihr strenges Aussehen etwas abgemildert, und der starre Blick des gut aussehenden, alten Herrn gegenüber schien das freundliche Lächeln auf den Lippen zu erklären, über die seit Jahren kein spitzes Wort mehr gekommen war.

Auf dem Ehrenplatz, der von der warmen Sonne beschienen wurde und von einer grünen Girlande umrahmt war, strahlte dem Besucher Mamis liebevolles Gesicht entgegen, das ein großer, äußerst begabter und mit ihr befreundetet Künstler gemalt hatte, als dieser noch arm und unbekannt gewesen war. Es war so schön und lebensecht, dass es auf ihre Töchter herabzulächeln und fröhlich zu sagen schien: "Seid glücklich, ich bin immer noch bei euch."

Die drei Schwestern standen einen Moment still da und betrachteten das geliebte Bild mit Augen voller zärtlicher Ehrfurcht und der Sehnsucht, die nie abgeebbt war, denn diese großmütige Mutter hatte ihnen so viel bedeutet, dass niemand jemals ihren Platz einnehmen konnte. Nur zwei Jahre waren vergangen, seit sie für immer fortgegangen war, um woanders neu zu leben und zu lieben, und die Erinnerung an sie war für alle im Haus eine Inspiration und ein stetiger Trost geblieben. Alle spürten dies, als sie sich dem Bild etwas näherten, und Laurie drückte es in Worten aus, als er leise sagte:

"Ich kann mir nichts Besseres für mein Kind wünschen, als dass sie eine Frau wie eure Mutter wird. Ich bete zu Gott, dass sie es wird, und werde mein Bestes dafür tun, denn ich verdanke fast alles, was ich bin und was ich kann, dieser lieben Heiligen."

In diesem Augenblick begann eine klare Stimme im Musikzimmer das "Ave Maria" zu singen, und Bess wiederholte damit unbewusst das Gebet ihres Vaters für sie, während sie pflichtbewusst seinen Wünschen nachkam. Der sanfte Klang des Liedes, das Mami zu singen pflegte, brachte die Zuhörer aus der Welt, in der sie sich nach dem Geliebten und Verlorenen sehnten, zurück in die Wirklichkeit, und sie setzten sich gemeinsam an die offenen Fenster, um die Musik zu genießen, während Laurie ihnen Tee brachte.

Dann kamen Nat und Demi herein, gefolgt von Ted und Josie, dem Professor und seinem treuen Rob, die alle gespannt waren, mehr über "die Jungs" zu erfahren. Das Klirren von Tassen und die Gespräche wurde lebhafter, sodass die untergehende Sonne bald auf eine fröhliche Gesellschaft blickte, die sich in dem hellen Raum von den vielfältigen Arbeiten des Tages erholte.

Professor Bär war grau geworden, aber so robust und genial wie immer; denn er tat die Arbeit, die er liebte, und er verrichtete sie so herzlich, dass das ganze Kollegium seinen erfrischenden Einfluss spürte. Rob war ihm so ähnlich, wie es für einen Jungen nur möglich war, und wurde bereits der "junge Professor" genannt, so sehr liebte er das Studium der Bücher und ahmte seinen verehrten Vater in jeder Hinsicht genauestens nach.

"Nun, meine Herzallerliebste, dann bekommen wir wohl unsere Jungen wieder, gleich alle zwei, und dürfen uns sehr freuen", sagte Mr. Bär, setzte sich mit strahlendem Gesicht neben Jo und drückte ihr gratulierend die Hände.

"Ach, Fritz, ich freue mich so sehr für Emil, und natürlich auch für Franz. Kennst du Ludmilla? Passt sie gut zu ihm?", fragte Jo, reichte ihm ihre Tasse Tee und rückte näher an ihn heran, ihrer wahren Zuflucht sowohl in Freude als auch in Trauer.

"Ich glaube, die beiden sind ein gutes Paar. Ich habe das Mädchen früher einmal getroffen. Sie war damals noch ein Kind, aber äußerst lieb und charmant. Blumenthal ist zufrieden, denke ich, und der Junge wird auch glücklich sein. Er ist zu Deutsch, um außerhalb des Vaterlandes glücklich zu werden, also wird er unser Bindeglied zwischen der Neuen und der Alten Welt werden, und das freut mich sehr."

"Und Emil soll auf der nächsten Reise Zweiter Maat werden, ist das nicht schön? Ich bin so glücklich, dass deine beiden Jungs es geschafft haben; du hast so viel für sie und ihre Mutter aufgegeben und tust immer so, als sei das selbstverständlich gewesen, mein Lieber, aber ich vergesse es nie", sagte Jo und legte ihre Hand so gefühlsbetont in die seine, als wäre sie wieder ein Mädchen und ihr Fritz auf Freiersfüßen.

Er lachte wie immer fröhlich und flüsterte hinter ihrem Fächer: "Wenn ich nicht wegen der armen Jungs nach Amerika gekommen wäre, hätte ich doch meine Jo nie gefunden. Die harten Zeiten sind sehr süß geworden, und ich danke Gott für alles, was ich zu verlieren schien, denn ich habe dafür den Segen meines Lebens gewonnen."

"Schmusealarm! Hier wird heimlich geflirtet", rief Teddy, der gerade in diesem besonderen Moment über den Fächer spähte, sehr zur Verwirrung seiner Mutter und zur Belustigung seines Vaters – obwohl sich der Professor nie dafür schämte, dass er seine Frau immer noch für die beste Frau der Welt hielt. Prompt schubste Rob seinen Bruder aus dem einen Fenster, nur um ihn durch das andere wieder hereinhüpfen zu sehen, während Jo ihren Fächer schloss und ihn bereithielt, um ihrem widerspenstigen Jungen auf die Finger zu klopfen, falls er sich ihr erneut nähern sollte.

Als Mr. Bär mit dem Teelöffel winkte, ging Nat direkt auf ihn zu und baute sich vor ihm auf. In seinem Gesicht war die respektvolle Zuneigung, die er für den famosen Mann empfand, der so viel für ihn getan hatte, abzulesen.

"Ich habe die Briefe für dich bereit, mein Sohn. Sie gehen an zwei alte Freunde von mir in Leipzig, die dir einen guten Start in dein neues Leben ermöglichen werden. Du wirst sie brauchen, denn am Anfang hat jeder nicht nur mit Heimweh zu kämpfen, Nat, sondern wird auch Trost benötigen", sagte der Professor und gab ihm mehrere Briefe.

"Danke, Sir. Ich glaube schon, dass ich ziemlich einsam sein werde, bis es richtig los geht, aber dann werden mich meine Musik und die Hoffnung, besser zu werden, schon aufmuntern", antwortete Nat, der sich danach sehnte und gleichzeitig fürchtete, all diese Freunde hinter sich zu lassen und neue zu finden.

Er war mittlerweile ein Mann geworden, aber die blauen Augen waren so ehrlich wie immer, der Mund immer noch ein wenig weich, trotz des sorgfältig gepflegten Schnurrbarts darüber, und die breite Stirn verriet deutlicher als je zuvor die musikbegeisterte Natur des Jungen. Bescheiden, liebevoll und pflichtbewusst, wurde Nat von Jo als freudiger, wenn auch nicht herausragender Erfolg betrachtet. Sie liebte ihn und vertraute ihm und war sich sicher, dass er sein Bestes geben würde – aber sie erwartete nicht, dass er in irgendeiner Weise großartig oder berühmt werden würde, es sei denn, der Anreiz einer Ausbildung in der Fremde und die damit verbundene Selbstständigkeit machten ihn zu einem besseren Künstler und einem stärkeren Mann, als sie voraussah.

"Ich – oder besser gesagt, Daisy – haben alle deine Sachen markiert, und sobald du deine Bücher beisammen hast, können wir ans Packen gehen", sagte Jo, die so daran gewöhnt war, Jungen in die ganze Welt zu verfrachten, sodass eine Reise zum Nordpol für sie kein Problem gewesen wäre.

Bei der Erwähnung dieses Namens wurde Nat rot – oder war es doch das letzte Glühen des Sonnenuntergangs auf seinen eher blassen Wangen? Jedenfalls schlug sein Herz etwas schneller bei dem Gedanken an das liebe Mädchen, das Ns und Bs auf seine bescheidenen Socken und Taschentücher gestickt hatte. Nat betete Daisy geradezu an, und der geheime Traum seines Lebens war es, sich als Musiker verdingen zu können und diesen Engel als Ehefrau zu gewinnen. Diese Hoffnung brachte ihn weiter als die Ratschläge des Professors, Jos Fürsorge oder die großzügige Hilfe von Herrn Laurie. Ihr zuliebe arbeitete, wartete und hoffte er, und der Traum von einer glücklichen Zukunft, in der Daisy ihm ein kleines Heim bereiten und er ihr ein Vermögen in den Schoß legen konnte, spendete ihm Mut und Geduld. Jo wusste das, und obwohl er nicht gerade der Mann war, den sie für ihre Nichte ausgesucht hätte, spürte sie, dass Nat immer genau die weise und liebevolle Fürsorge brauchen würde, die Daisy ihm geben konnte, und dass ohne sie die Gefahr bestand, dass er zu den liebenswürdigen, aber ziellos umherirrenden Männern gehören würde, die scheitern, weil ihnen der richtige Lotse fehlte, der sie sicher durch die Welt lenkte. Meg wollte nichts von den Liebesbezeigungen des armen Jungen wissen und wollte ihr liebes Mädchen einfach nur dem besten Mann geben, den es auf der Welt gab. Sie war sehr nett, aber gleichzeitig so unnachgiebig, wie es solch sanfte Seelen nur sein können, und Nat flüchtete sich zum Trost stets zu Jo, die sich immer für die Interessen ihrer Jungen einsetzte. Jetzt, da diese heranwuchsen, traten neue Sorgen auf, und sie sah in den Liebesaffären, die in ihrer Herde bereits aufkeimten, sowohl endlosen Kummer als auch fortwährendes Vergnügen voraus. Normalerweise war Meg ihre beste Verbündete und Beraterin, denn sie liebte Romanzen immer noch so sehr wie damals, als sie selbst noch ein Mädchen gewesen war. Aber in diesem Fall war ihr Herz verhärtet und sie wollte Jos Flehen nicht hören. Nat war nicht Manns genug, würde es wohl nie sein, niemand kannte seine Familie, das Leben eines Musikers war hart, Daisy war zu jung, vielleicht in fünf oder sechs Jahren, mal sehen, wie ihn die Fremde verändert, und so weiter, und so fort." Damit war alles gesagt, und wenn die mütterliche Henne einmal erregt war, dann konnte sie sehr standhaft sein, obwohl sie sich für ihre kostbaren Kinder die letzte Feder ausgerupft und den letzten Tropfen ihres Blutes gegeben hätte.

Jo musste genau daran denken, als sie Nat ansah, während er sich mit ihrem Mann über Leipzig unterhielt, und sie nahm sich vor, mit ihm ein klares Einvernehmen zu erzielen, bevor er abreiste; sie war an Vertrautheiten gewöhnt und sprach mit ihren Jungen ungezwungen über die Prüfungen und Versuchungen, die zwangsläufig jedes Leben heimsuchen und es so oft verderben, wenn man nicht das richtige Wort zur rechten Zeit findet.

Dies ist die erste Pflicht der Eltern, und kein falscher Leichtsinn sollte sie von der wachsamen Sorge und der sanften Warnung abhalten, die Selbsterkenntnis und Selbstbeherrschung zum Kompass und Lotsen der Jungen macht, wenn sie den sicheren Hafen des Hauses verlassen.

"Platon und seine Jünger kommen", verkündete der respektlose Teddy, als Mr. March mit mehreren jungen Männern und Frauen im Schlepptau eintrat. Der kluge alte Mann war allseits beliebt und diente seiner Herde so wunderbar, dass viele seiner Schutzbefohlenen ihm ihr Leben lang für die Hilfe dankten, die er ihren Herzen und Seelen spendete.

Bess ging sofort zu ihm; denn seit Mami gestorben war, galt Großpapa ihr besonderes Augenmerk, und es war süß zu sehen, wie sich das goldene Haupt über das silberne beugte, als sie ihm seinen Sessel hin rollte und ihn mit zärtlichem Eifer bediente.

"Hier gibt es stets geschmackvollen Tee, Sir; möchten Sie eine Tasse davon, oder lieber ein Stückchen Ambrosia?", fragte Laurie, der mit einer Zuckerdose in der einen und einem Teller Kuchen in der anderen Hand herumlief, weil Tassen zu versüßen und Hungrige zu füttern eine Arbeit war, die er besonders liebte.

"Weder noch, danke; dieses Kind hat bereits für mich gesorgt", erwiderte Mr. March und zeigte auf Bess, die auf einer Armlehne seines Stuhls saß und ein Glas mit frischer Milch bereithielt.

"Gott schenke ihr dafür ein langes Leben, Sir; und ich bin hoffentlich hier, um diesen schönen Widerspruch zu dem Lied zu sehen, in dem es heißt, dass "Jugend und Alter nicht zusammenleben können!", antwortete Laurie und lächelte über das ungleiche Paar.

"Jung gebliebenes Alter, Papa, das macht einen großen Unterschied", erwiderte Bess, die Gedichte liebte und nur die besten las.

"Wenn ich frische Rosen wachsen seh', in einem Bett aus Schnee!", zitierte Mr. March, als Josie kam und sich auf den anderen Arm setzte. Sie sah selbst aus wie eine sehr dornige Rose, weil sie gerade eine heiße Diskussion mit Ted hinter sich und den Kürzeren gezogen hatte.

"Großvater, müssen Frauen immer den Männern gehorchen und sagen, dass sie die Klügsten sind, nur weil sie mehr Kraft haben?", rief sie mit einem wütenden Seitenblick auf ihren Cousin, der mit einem provozierenden Lächeln auf dem jungenhaften Gesicht, das ob seiner hochgewachsenen Gestalt immer sehr komisch wirkte, auf sie zustürmte.

"Nun, meine Liebe, das ist eine sehr altmodische Auffassung, und es wird noch einige Zeit dauern, bis sich diese ändert. Aber ich glaube, die Stunde der Frau hat geschlagen, und mir scheint, dass die Jungen fortan ihr Bestes geben müssen, denn mittlerweile sind die Mädchen in der Überzahl und könnten das Ziel zuerst erreichen", antwortete Mr. March und betrachtete die strahlenden Gesichter der jungen Frauen, die zu den besten Schülern des Colleges gehörten, mit väterlicher Zufriedenheit.

"Leider werden die armen kleinen Atalantas durch die Hindernisse, die ihnen in den Weg geworfen werden, etwas abgelenkt und aufgehalten – und das sind mitnichten keine goldenen Äpfel; dennoch glaube ich, dass sie eine gute Chance haben werden, wenn sie erst einmal gelernt haben, besser zu laufen", lachte Onkel Laurie und streichelte Josies zerzaustes Haar, das sich wie das Fell eines wütenden Kätzchens aufrichtete.

"Ganze Fässer voller Äpfel werden mich nicht aufhalten, wenn ich einmal loslaufe, und ein Dutzend Teds schon gar nicht. Er soll es nur versuchen. Ich werde ihm zeigen, dass eine Frau genauso gut, wenn nicht sogar besser, handeln kann als ein Mann. So etwas ist bereits geschehen und wird es wieder – und ich werde nie zugeben, dass mein Gehirn nicht so gut ist wie seins, auch wenn es kleiner sein mag", rief die erhitzte, junge Person.

"Wenn du deinen Kopf so heftig schüttelst, wirst du noch dein letztes bisschen Hirn ruinieren, und an deiner Stelle würde ich darauf aufpassen", witzelte Ted neckend.

"Was, bitte schön, hat denn diesen Bürgerkrieg ausgelöst?", fragte der Großvater mit einer sanften Betonung des Adjektivs, was die Streithähne dazu veranlasste, ihren Eifer ein wenig zu zügeln.

"Wir haben uns mit der Ilias beschäftigt und sind zu der Stelle gekommen, wo Zeus Juno sagt, sie solle sich nicht in seine Plänen einmischen, sonst würde er sie auspeitschen. Jo war empört, weil Juno kleinlaut schwieg, während ich sagte, es sei in Ordnung und dem alten Mann zustimmte, dass Frauen nicht viel im Kopf haben und den Männern gehorchen sollten", erklärte Ted zur großen Belustigung seiner Zuhörer.

"Göttinnen mögen tun, was sie wollen, aber diese griechischen und trojanischen Frauen waren arm dran, wenn sie sich um Männer kümmern mussten, die ihre Schlachten nicht selbst schlagen konnten und die Unterstützung von Pallas, Venus und Juno brauchten, wenn sie auf der Verliererseite standen. Allein der Gedanke – zwei Armeen halten inne und verweilen, während sich zwei Helden gegenseitig mit Steinen bewerfen! Ich halte nicht viel von deinem alten Homer. Meine Helden heißen Napoleon oder General Grant."

Josies Schelte war so komisch, als würde ein Kolibri einen Strauß beschimpfen, und alle lachten, während sie über den unsterblichen Dichter herzog und die Götter kritisierte.

"Napoleons Juno hat sich gut amüsiert, nicht wahr? Aber so sind die Mädchen eben – erst behaupten sie das Eine, dann das Andere", spottete Ted.

"Genau wie Johnsons junge Dame, die 'nicht parteiisch war, sondern sich von einer Seite auf die nächste schlug' ", fügte Onkel Laurie hinzu und amüsierte sich köstlich über den Streit.

"Ich habe nur von ihnen als Soldaten gesprochen. Aber was die Frauen betrifft, war Grant nicht ein liebenswürdiger Ehemann und Mrs. Grant eine glückliche Frau? Er drohte ihr nicht mit der Peitsche, wenn sie eine berechtigte Frage stellte; und auch, wenn Napoleon Josephine Unrecht tat, er konnte immerhin kämpfen und brauchte keine Minerva, die ihm zu Hilfe eilte. Irgendwie waren die alle blöd, vom geschniegelten Paris bis zu Achilles, der in seinen Schiffen schmollte. Ich jedenfalls werde meine Meinung nicht ändern, nicht einmal für alle Hektors und Agamemnons in Griechenland", blaffte Josie, die immer noch standhaft blieb.

"Jedenfalls kannst du wie ein Trojaner kämpfen, das ist schon mal klar; dann werden wir die beiden gehorsamen Armeen sein, die zusehen, während du und Ted den Kampf austragen", lachte Onkel Laurie und nahm die Haltung eines Kriegers ein, der sich auf seinen Speer stützte.

"Ich fürchte, wir müssen uns vertagen, denn Pallas ist im Begriff, herabzusteigen und unseren Hektor hier mitzunehmen", sagte Mr. March lächelnd, als Jo ihren Sohn daran erinnerte, dass gleich Zeit fürs Abendessen war.

"Wir werden es später ausfechten, wenn sich keine Göttinnen einmischen", beschloss Teddy und wandte sich mit ungewöhnlicher Eile ab, weil er an die Leckereien dachte, die ihm bevorstanden.

"Erobert von einem Muffin, beim Jupiter!", rief Josie ihm nach und freute sich über die Gelegenheit, den klassischen Ausruf benutzen zu dürfen, der ihrem Geschlecht sonst verboten war.

Aber bevor er sich brav zurückzog, Ted schoss noch einen parthischen Pfeil ab, indem er mit einem höchst tugendhaften Gesichtsausdruck antwortete:

"Gehorsam ist die erste Pflicht eines Soldaten."

Josie, die auf das Privileg ihres Geschlechts bedacht war, immer das letzte Wort zu haben, rannte hinter ihm her, brachte aber die bissige Antwort nicht mehr über ihre Lippen, als ein braungebrannter junger Mann in einem blauen Anzug die Treppe heraufgesprungen kam und fröhlich rief: "Ahoi! Ahoi! Wo sind denn alle?"

"Emil! Emil!", rief Josie. Ted war im Nu bei ihr und die kürzlichen Feinde beendeten ihren Streit mit einem freudigen Willkommen für den Neuankömmling.

Die Muffins waren schnell vergessen, als die Kinder ihren Cousin wie zwei penible kleine Schlepper ein edles Handelsschiff zurück in den Salon zogen, wo Emil alle Frauen küsste und den Männern die Hand schüttelte – mit Ausnahme seines Onkels, den er zur großen Freude aller Zuschauer auf die gute alte deutsche Art umarmte.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich heute schon abhauen könnte, aber als es dennoch möglich war, steuerte ich direkt auf das alte Plumfield zu. Aber keine Menschenseele dort, also luvte ich und machte mich auf den Weg zum Parnass – und hier seid ihr ja alle! Du meine Güte, wie froh ich bin, euch alle zu sehen", rief der Matrosenjunge und strahlte sie an, während er so breitbeinig dastand, als würde er noch immer das schaukelnde Deck unter seinen Füßen spüren.

"Du solltest 'Beim Klabautermann' und nicht 'Du meine Güte' sagen, Emil; das ist überhaupt nicht seemännisch. Oh, wie toll du nach Schiff und Teer riechst!", sagte Josie und schnupperte genüsslich den frischen Meeresgeruch, den er mitgebracht hatte. Emil war ihr Lieblingscousin und sie sein Liebling; daher wusste sie auch, dass die prall gefüllten Taschen der blauen Jacke einige Schätze für sie enthalten würden.

"Stopp, mein Herzchen, lass mich erst loten, bevor du abtauchst", lachte Emil, der ihre liebevollen Liebkosungen richtig einordnete und sie mit der einen Hand festhielt, während er mit der anderen diverse Kästchen und Päckchen mit verschiedenen Namen darauf herauskramte und sie mit den entsprechenden Bemerkungen weiterreichte, was für viel Gelächter sorgte, denn Emil hatte immer einen passenden Spruch parat.

"Hier haben wir eine Trosse, damit unser kleines Beiboot zumindest etwa fünf Minuten Ruhe gibt", sagte er und warf Josie eine Halskette aus hübscher, rosa Koralle über den Kopf. "Und dann haben wir noch etwas, das die Meerjungfrauen Undine geschickt haben", fügte er hinzu und reichte Bess eine silberne Kette mit perlenbesetzten Muscheln.

"Ich dachte, Daisy hätte gern eine Geige, und Nat kann ihr einen Verehrer suchen", fuhr der Seemann lachend fort, während er eine zierliche filigrane Brosche in Form einer Geige auspackte.

"Ich weiß, dass sie ihr gefallen wird, und werde sie ihr sofort bringen", antwortete Nat und verschwand. Er war froh, diesen Botengang machen zu können und sicher, dass er Daisy finden würde, obwohl Emil sie verpasst hatte.

Emil kicherte und zog als nächstes einen perfekt geschnitzten Bären hervor, dessen Kopf sich öffnete und ein großes Tintenfass freigab. Diesen präsentierte er Tante Jo mit einer kleinen Verbeugung.

"Da ich weiß, dass du eine Vorliebe für diese schönen Tiere hast, habe ich dir diesen Bären mitgebracht."

"Sehr gut, Kommodore! Ein Volltreffer", sagte die sehr über ihr Geschenk erfreute Jo. Der Professor sah sich sogar veranlasst, ihr künftig "Shakespearesche Werke" zu prophezeien, da die Inspiration des geliebten Braunbären sie beflügeln würde.

"Da Tante Meg trotz ihrer Jugend gerne Mützen trägt, habe ich Ludmilla gebeten, mir ein paar davon aus Spitze zu besorgen. Ich hoffe, sie gefallen dir." Mit diesen Worten zog Emil einige hauchdünne Textilien aus einem weichen Papier, von denen sich eines kurz darauf wie ein Netz aus Schneeflocken auf Megs hübsches Haar legte.

"Für Tante Amy fiel mir einfach nichts Schönes ein, denn sie hat ja alles, was sie braucht; also habe ich ein kleines Bild mitgebracht, das mich immer an sie erinnert, als Bess noch ein Baby war." Er reichte Amy ein ovales Elfenbeinmedaillon, auf dem eine goldhaarige Madonna gemalt war, die ein rosiges Kind in ihrem blauen Mantel hielt.

"Wie schön!", riefen alle, und Tante Amy hängte es sich sofort an Bess' blaues Haarband, das sie um den Hals trug. Sie war entzückt über ihr Geschenk, denn es erinnerte sie an das glücklichste Jahr ihres Lebens.

"Nun, ich muss mich selbst loben, dass ich genau das Richtige für Nan gefunden habe, hübsch, aber nicht grell; es ist eine Art Aushängeschild, wie ihr seht, und sehr passend für einen Arzt", sagte Emil und zeigte stolz ein Paar Ohrringe in Form von kleinen Totenköpfen.

"Schrecklich!", erklärte Bess, der hässliche Dinge verpönt waren, und die nun ihren Blick auf ihre eigenen hübschen Muscheln richtete.

"Sie will keine Ohrringe tragen", verriet Josie.

"Na, dann vielleicht wird sie dir dann Ohrlöcher stechen und dir die Dinger anlegen. Es gehört zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, ihre Mitmenschen zu piesacken und sie mit einem Skalpell zu bearbeiten", antwortete Emil ungerührt. "Ich habe noch eine ganze Menge Beute für euch alle in meiner Truhe, aber mir war klar, dass ich keine Ruhe haben würde, bis ich die Mitbringsel für die Mädchen ausgepackt hatte. Und jetzt erzählt mir alle Neuigkeiten", sagte der Seemann, setzte sich auf Amys besten Marmortisch, kreuzte die Beine und redete mit einer Geschwindigkeit von zehn Knoten pro Stunde, bis Tante Jo alle zu einem großen Familientee zu Ehren des Kommodore entführte.

Kleine Frauen, Band 4: Jo und ihre Jungs

Подняться наверх