Читать книгу EUPHORIA Z - Luke Ahearn - Страница 14

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Auch mit geschlossenen Augen spürte er, wie sich sein Kopf drehte. Speichel sammelte sich in seinem Mund, während sich sein Körper darauf einstellte, den Mageninhalt abzustoßen, doch Cooper hielt es zurück. Als er die Lider aufschlug, war es noch dunkel, und alles rotierte weiter. Da wusste er sofort, dass er sich an einem Ort befand, an dem er nicht sein wollte.

Als er sich aufrecht hinsetzte, zuckte er vor Schmerzen zusammen. Er fühlte sich, als sei jede einzelne Muskelfaser in seinem Körper gezerrt. Es war wie Muskelkater, nachdem man tags zuvor zermürbend hart trainiert hatte, bloß viel schlimmer. Er atmete mehrmals bewusst ein und aus, was es aber nur wenig besser machte. Wo auch immer er saß, es roch muffig und alt. Die Luft war abgestanden, warm und stickig, als wäre sie lange verbraucht. Doch stärker als diese Eindrücke tat sich ein beißender Gestank hervor, den er zuerst nicht genau zuordnen konnte. Er war so intensiv, dass Cooper Kopfschmerzen und ein brennendes Gefühl in der Nase bekam. Dann dämmerte es ihm: Bleiche.

Er klopfte sich ab, knetete seine Muskeln und suchte nach Verletzungen. Alles schien heil zu sein, abgesehen von einer schmerzenden Beule an seinem Hals; eine Spinne musste ihn gebissen haben. In Kalifornien konnte man sich vor bissigen Insekten wie der Braunen Einsiedlerspinne oder der Schwarzen Witwe kaum retten. Es wäre nicht sein erster Biss gewesen. So etwas tat stets höllisch weh und die Heilung dauerte ewig.

Cooper tastete in der Finsternis herum. Er saß auf einem groben Kurzhaarteppich. Ihm schwirrte zwar immer noch der Kopf, doch das ließ nach. Er überlegte, was er jetzt tun sollte, als ihn ein lauter Knall aufschreckte. Gedämpftes Licht fiel aus einer geöffneten Tür vor seinen Füßen ein. Er steckte im Frachtraum eines Kleinbusses. Das Licht kam von einer elektrischen Lampe, die jemand vor der offenen Tür hochhielt.

»Sag ich’s doch, du hast es versaut …« Der Mann, dessen Stimme er hörte, schien mit jemand anderem zu sprechen, richtete seine Aufmerksamkeit aber gleich ins Innere des Busses und auf Cooper. »Hab ich doch richtig gehört, du bist wach.« Der Fremde trug Dreadlocks. Er sah aus wie der Eremit auf Tarotkarten, während er die Laterne über seinen Kopf hielt. Eine junge Frau tauchte neben ihm auf.

»Hey, alles in Ordnung mit dir?« Sie schien Anfang 20 zu sein, wirkte aber grob, was sie älter aussehen ließ. Ihr Blick war nicht ganz klar, während sie ihn anschaute, ihr Schopf ein ungepflegtes, verfilztes Nest, das sie mit alten Haargummis zurückgebunden hatte. Ihre Haut glänzte fettig im Schein der Lampe. Sie trug ein enges, weißes Muskelshirt, durch das sich große Ringe an beiden Brustwarzen abzeichneten.

Der Kerl stand ihr in nichts nach, was sein Erscheinungsbild und Verständnis von Hygiene anging. Er war größer und stand da, als halte er sich für einen harten Typen, was einen Widerspruch zu seinem hippieartigen Aufzug darstellte. Er blickte ausdruckslos glasig drein – eindeutig bekifft, und so klang es auch, wenn er redete. »Ja, Mann, alles senkrecht bei dir? Wir hatten echt Bedenken deinetwegen.«

Er lehnte sich an die Hecktür und versperrte somit den Ausstieg, denn als Cooper ins Freie wollte, schien er sich nicht bemüßigt zu sehen, Platz zu machen. Vielleicht war er zu stoned, um es zu bemerken, aber die junge Frau zog ihn am Arm zur Seite.

»Lass ihn raus«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Cooper dachte, er sei womöglich bloß wegen des Autowracks paranoid – zum Teufel, beim Zustand der ganzen Welt konnte einem angst und bange werden.

Er sprang hinaus an die Nachtluft. Es war kalt und frisch, weshalb er sich gleich besser fühlte. Er atmete tief ein und spürte dabei, wie die Benommenheit nachließ, nicht aber der Schmerz in seinen Muskeln und der Bissverletzung. Er stand am Rande einer Waldlichtung, umringt von hohen Tannen. Der Bus parkte so, dass die Tür des Laderaums auf die Bäume zeigte. Cooper konnte überall in einem Gebiet entlang der Küste sein, das sich über Hunderte von Meilen hinweg erstreckte.

Unter anderen Umständen hätte er den Ort hübsch gefunden. Dieser freie Platz war eine Oase schummriger Lichter in einem ansonsten pechschwarzen Gehölz. Ringsum standen Kerzen und Laternen, wohingegen in der Mitte ein Feuer brannte, das für gleichmäßige, angenehme Helligkeit sorgte.

»Was ist passiert?«, fragte Cooper.

Der Kerl war nicht allzu weit zur Seite getreten und stand nun mit verschränkten Armen da, ohne seine emotionslose Miene zu verziehen, während er seine Version der Ereignisse wiedergab: »Du hast die kleine Mühle zu Schrott gefahren, Mann. Totalschaden, ohne Scheiß.«

»Ja, das ist mir auch klar. Ich meine … wo kommt ihr beide her? Wo sind wir?«

Die Frau antwortete gelassen, klang aber auch ein wenig trügerisch: »Wir haben im Park herumgegammelt und wollten uns fernhalten von, du weißt schon, den Toten.«

»Wo befinde ich mich jetzt?«

»An einem sicheren Ort.« Auch sie stand dicht bei ihm und streckte nun eine Hand aus, um seine Schulter zu reiben. Ihr Begleiter nickte bloß. Cooper fiel auf, dass sie ihm sehr nahe auf den Leib gerückt waren, statt Abstand zu wahren und ihm zumindest ein wenig Freiraum zu gewähren.

»Genau, wirklich sicher. Keine Kaputten weit und breit, keine anderen Menschen, nichts.«

Cooper lehnte sich zurück und nahm auf der Stoßstange des Busses Platz.

Der Kerl blieb mit den Armen vor der Brust stehen. Als die Frau fortging, um ihm Wasser zum Trinken zu holen, bemerkte Cooper, dass der Mann noch weiter heranrückte. Das machte ihn stutzig.

Sie brachte ihm das Wasser in einem alten Plastikbecher. Er trank es nicht, was sie offensichtlich auffällig fand. Dann zog sie irgendwo aus den Falten ihres schmutzigen, bunten Rocks einen Joint. Nachdem sie ihn angezündet hatte, bot sie Cooper einen Zug an. Er schlug ihn dankend aus. Nun sah sie ihn an, indem sie den Kopf zur Seite neigte und lächelte.

»Ich werde schon noch schlau aus dir«, sagte sie vergnügt. »Kommt, machen wir es uns im Van gemütlich.«

Cooper hasste es, wenn sich Leute so ausdrückten. War er so schwer zu durchschauen? Ich trinke kein Dreckwasser und rauche keinen Shit, den mir irgendeine Schnalle aufdrängen will, was ist daran unklar?

Er bestand darauf, als Letzter in den Bus zu steigen. Nachdem er sich an der Tür niedergelassen hatte, ohne sie zu schließen, gab er vor, er brauche die frische Luft, weil er unter Platzangst leide.

So saß Cooper auf der Schwelle der offenen Tür und nur halb im Frachtraum. Jetzt waren sie sich noch näher, so dass er die Gesichter des Paares im Licht der elektrischen Lampe deutlicher sah. Er erkannte, wie verlottert die beiden wirklich waren. Sie fuhren allem Anschein nach schon sehr lange durch die Weltgeschichte. Für sie handelte es sich um einen Lebensstil, nicht um ein vorübergehendes Abenteuer. Sie trugen keine Schuhe. Die junge Frau hatte mehr Haare an den Beinen als ihr Kompagnon und einen Nasenring, während er sich einen dürftigen Bart stehenließ, der den Eindruck vermittelte, schon seit Jahren zu wachsen, aber einfach nicht voll werden wollte. Müßig zu erwähnen, dass die beiden stanken wie Ziegen.

»Ich bin Willow.« Sie lächelte wieder. »Das ist Ben.«

»Ich heiße Cooper. Wie bin ich an euch geraten?« Er wollte direkt zur Sache kommen. Für schmuddelige Kiffer fehlte ihm die Geduld. Sie mochten zwar versuchen, nett zu sein, wobei er sich kein vorschnelles Urteil bilden wollte. Er hatte noch niemanden kennengelernt, der so aussah und in irgendeiner Hinsicht normal war. Nicht, dass Cooper kein Verständnis für Notdürftige an den Tag legte; er hatte in der Schule und bei den Pfadfindern viele, viele Stunden damit verbracht, wirklich unglückseligen Menschen unter die Arme zu greifen. Diejenigen, die dringend Hilfe brauchten, fielen für gewöhnlich weniger augenscheinlich auf als solche, denen man auf der Straße begegnete, wo sie täglich zu allen Zeiten um Geld bettelten.

Cooper war in der behüteten Kleinstadt Monterey aufgewachsen, die als Zwischenstation für Durchreisende auf dem Weg die Küste hinunter fungiert hatte. Deshalb kreuzten dort je nach Jahreszeit Fremde auf, vornehmlich abenteuerlustige Jugendliche, und die meisten reisten mit negativen Beweggründen, etwa weil sie missbraucht oder im Stich gelassen worden waren, Drogen nahmen oder unter psychischen Problemen litten. Er war in einem solchen Umfeld groß geworden, hatte eine Vielzahl dieser Menschen gesehen und oft mit ihnen zu tun bekommen. Deshalb konnte er sie mittlerweile gut durchschauen, und obwohl die Mehrheit freundlich war, durfte man niemandem von ihnen trauen, weil sie sich in einer verzweifelten Situation befanden.

Im Zentrum war es besonders drastisch gewesen, weil die Busse des Fernverkehrs eine große Haltestelle dort angesteuert hatten. Zwischen Los Angeles und San Francisco gab es abgesehen von Monterey und Santa Cruz keine wesentlichen Klein- oder Großstädte. An jenem Knotenpunkt waren viele Landstreicher ausgestiegen, um über Tage, manchmal auch Wochen hinweg herumzulungern, zu schnorren oder zu stehlen, und sich Ärger einzuhandeln.

»Wir haben deinen Arsch gerettet, Bruder«, betonte Ben todernst.

Willow nickte, während sie ihn anschaute und erneut ein verhaltenes Lächeln bemühte.

Selbiges beunruhigte Cooper, doch was ihn richtig fahrig machte, bemerkte er erst jetzt im Schatten hinter dem Kerl. Es wäre ihm nie aufgefallen, wenn er im Laderaum gesessen und Ben sich nicht zur Seite gelehnt hätte, um den Joint von Willow entgegenzunehmen. Es war ein Metallring – eine simple Vorrichtung, um Frachtstücke zu sichern – nahe an einer Wand an den Boden des Busses geschweißt. Man hätte ihn als relativ normal für ein solches Fahrzeug erachten können, doch daran befestigt war eine silbern verchromte Kette, die unter dem Teppichboden hindurchführte. Sie erinnerte an jene Ketten, die Handschellen miteinander verbanden. Cooper versuchte sich einzureden, dass er Gespenster sah, aber das waren zu viele kleine Warnsignale – ungute Gefühle, was diese beiden anging. Sie kamen ihm nicht koscher vor und hatten eine Ausstrahlung, die ihm nicht gefiel. Möglicherweise lag es daran, dass er während der Apokalypse in einem dunklen Wald erwacht war, doch er spürte, dass es nichts damit zu tun hatte. Nein, irgendetwas stimmte nicht mit diesen beiden.

»Wir haben gesehen, wie du beschossen wurdest und dann in dieses Auto gekracht bist. Da mussten wir helfen.«

»Habt ihr gesehen, von wem ich angegriffen wurde?«

»Nö, aber wer auch immer es war, hatte es den ganzen Tag lang getan. Wir haben beobachtet, wie mehrere Leute getroffen wurden, und verhalten uns deswegen unauffällig, bis dieser Mist vorbeigeht.«

»Wisst ihr denn, mit wem ich zusammengestoßen bin?«

Ben kicherte. »Irgendeine blöde Fotze. Wir haben getrampt, aber sie wollte uns nicht mitnehmen. Wir wären zu dreckig. Kannst du dir das vorstellen? Das ist das verdammte Ende der Welt und die macht sich ’nen Kopf über Flecken auf ihren Sitzen.«

Willow nickte nur. »Wohin wolltest du?«

»Nach Norden, San José«, antwortete Cooper, während er sich fragte, warum sie trampen wollten, wo sie doch einen Bus besaßen.

»Das kannst du abschreiben. Alles ist über Meilen hinweg blockiert.« Sie zwirbelte ihre Zöpfe mit einem Finger. »Wir haben ein paarmal versucht, aus der Stadt zu kommen, und wären dabei fast kaltgemacht worden. Nach Washington wollten wir.«

Ben legte sich auf den Boden. Er sah aus, als sei er eingeschlafen, doch dann redete er weiter: »Du darfst gerne mit uns abhängen, solange du Bock hast.«

»Danke, aber ich muss mich wieder auf den Weg machen. Habt ihr mitbekommen, wer auf die Leute ballert?« Cooper stellte die Frage erneut, weil er den Schießwütigen tunlichst meiden wollte.

»Nein, doch er lauert schon mindestens seit gestern auf der Überführung«, gab Ben an, während Willow die Augen schloss.

»Mindestens«, bekräftigte sie. »Ich schätze, wir hauen uns jetzt aufs Ohr.« Sie schienen beide einzunicken.

Bekloppte Drogenfreaks, dachte Cooper. Er fühlte sich unwohl in ihrer Gegenwart, doch seine Schmerzen machten ihm zu schaffen. Als könne sie seine Gedanken lesen, schlug Willow die Augen wieder auf. »Der Unfall hat dir zugesetzt, was? Brauchst du irgendetwas?«

»Habt ihr Schmerzmittel?« Noch während er danach fragte, wurde ihm bewusst, wie dumm das war, weil er im Leben nichts zu sich nehmen würde, was diese beiden ihm gaben.

»Aber hallo.« Ihre Augen funkelten.

»Aber hallo«, wiederholte Ben.

Sie stand auf und griff nach einem Rucksack, der auf einem der Vordersitze im Bus lag. Heraus zog sie eine große Einkaufstüte, die aussah, als stecke sie voller Süßigkeiten. Darin enthalten waren bestimmt mehrere Tausend Tabletten. Sie begann, darin zu wühlen.

»Ich dachte eher an Tylenol oder Advil.«

Sie rümpfte die Nase. »Das Zeug ist nicht gut für dich. Ich hab Oxycodon, Percocet …«

»Klappt auch so, danke.«

»Eine halbe Codein bringt dich wieder runter, damit du pennen kannst.«

»Ich komm klar.« Er wollte nicht unhöflich werden, aber sie ließ nicht locker.

»Ich sehe doch, wie nötig du es hast. Warum quälst du dich so?«

»Wirklich, mir geht es gut.« Er versuchte, das Thema zu wechseln. »Woher stammt ihr zwei überhaupt?«

»Komm schon, Hasenfuß.« Ben ließ sich dazu hinreißen, die Augen zu öffnen. »Sei kein solcher Hosenscheißer.«

»Hör auf Ben.« Willow kroch dichter zu Cooper hinüber. »Achte nicht auf ihn, er hat bloß schlechte Laune.« Nachdem sie einen Arm um ihn gelegt hatte, drückte sie ihre Brust gegen seine Schulter. Hätte sie sich gewaschen, wäre sie echt heiß gewesen, doch sie war so verstrahlt und schmierig, dass es ihn abstieß. »Mensch komm, Süßer, nur eine Halbe. Willst du mit mir Party machen?«

Sie hielt eine Tablette zwischen zwei Fingern vor Coopers Gesicht. »Bitte.« Er sollte seinen Mund aufmachen.

Ihr Atem stank. Er konnte jeden einzelnen Mitesser in ihrem Gesicht sehen. Ben lag nach wie vor auf dem Rücken, beobachtete aber nun aufmerksam wie ein Raubtier, was vor sich ging. Coopers Alarmglocken läuteten laut, und er wollte Reißaus nehmen, befürchtete aber, sie könnten versuchen, ihn zu überwältigen und zurück in den Bus zerren. Sie bemühte sich eindeutig, ihn zu verführen, und keiner der beiden hatte sich, seit er wachgeworden war, weiter als drei Fuß von ihm entfernt.

Er lächelte und entgegnete: »Lass mich zuerst pinkeln gehen. Wenn ich mich zu sehr entspanne, mache ich euren ganzen Bus nass.« Sicherheitshalber streckte er eine Hand aus. »Meine Fresse, eine halbe Tablette … mir tut alles weh, und ich hätte nichts dagegen, mir die Lichter so richtig auszublasen.«

»Gute Idee.« Sie lächelte abermals und rieb seine Schulter. Dann brach sie die Tablette in der Mitte durch und hielt sie an seinen Mund. Er grinste, und ließ sie sich in den Mund legen, wobei er sich hinter die Ohren schrieb, sich später die Zunge abzuschrubben, wo ihre bitter schmeckenden Fingerspitzen sie berührt hatten.

Als er sich abwandte, war er verblüfft, denn in seinem Mund lag nun eine ganze Tablette. Irgendwie musste sie die Halbe im Bruchteil einer Sekunde ausgetauscht haben, während sie miteinander gesprochen hatten. Er hielt sie auf der Zunge, doch sie begann sofort, sich aufzulösen, und war sauer – nein, eigentlich nicht das, sondern ätzend wie eine Chemikalie. Sie brannte in seinem Mund und regte umgehend seinen Speichelfluss an, heftig sogar. Er wollte vor den beiden verbergen, dass er die Tablette nicht schluckte, also widerstand er dem Impuls und ließ sie einfach gemeinsam mit seiner Spucke heraus und an seinem Kinn hinunterlaufen. Nach ein paar Schritten wischte er sich mit dem Handrücken darüber; er konnte kaum erwarten, den Geschmack loszuwerden – irgendwie, mit was auch immer.

Während er auf eine Baumgruppe im tiefen Schatten zuging – er wollte diesen Weg beibehalten, schnurstracks in die Finsternis und fort von diesem Irrsinn – hörte er rasche Schritte hinter sich und fuhr herum, erschrocken und gefasst. Ben war noch ein paar Yards von ihm entfernt, kam aber schnell näher. Cooper blieb stehen und lächelte. Er würde ihm nicht den Rücken zukehren.

»Ich musste auch gehen«, erklärte Ben grinsend.

Als er geradewegs auf Cooper zukam, bemerkte dieser, dass er die Hände hinter seinem Rücken verbarg. Weil er weder überängstlich daherkommen noch ein Auge von ihm lassen wollte, improvisierte er: »Gibt es hier draußen Bären oder so – vielleicht einen Berglöwen, der mir die Klöten abbeißen könnte?«

Ben wieherte. »Nein, du bist sicher.«

Cooper fiel auf, dass Willow hinten am Bus stand und sie beobachtete, als erwarte sie, dass etwas passieren würde. Ben beschrieb einen Bogen und stellte sich vor einen Baum, doch es sah nicht so aus, als würde er dort irgendetwas Bestimmtes tun. Willow machte sich auf den Weg zu Cooper und schien sich neben ihn stellen zu wollen. Hm, lästige Schlampe, dachte er.

»Ich muss auch pinkeln.« Sie schaute wiederholt zu Ben hinüber. Mittlerweile war völlig klar, dass die beiden eine krumme Tour vorhatten.

»Hey, komm hier rüber.« Sie strahlte und winkte Cooper. »Ich will, dass du mich beschützt.« Sie machte auf kokett, lockte ihn mit Handbewegungen. »Komm ruhig, Ben macht das nichts aus.«

Es reicht! Er sah zu Ben. Der Kerl erwiderte seinen Blick. Er hatte den Kopf gedreht, stand aber immer noch vor dem Baum. Cooper spielte mit dem Gedanken, wegzulaufen, doch Ben versteckte seine Hände nach wie vor, und falls er eine Schusswaffe hielt, fiel es ihm leicht, ihn zu jagen. Hatte er jedoch nur ein Messer, so war Cooper besser dran, wenn er die Beine in die Hand nahm. Die Entscheidung wurde ihm jedoch abgenommen.

Wieder hörte er schnelle Schritte und drehte sich um. Willow stürzte mit einem langen Küchenmesser, das sie über ihrem Kopf hochhielt, auf ihn zu. Ihr Gesicht war hassverzerrt, sie bewegte sich flink und würde ihn vor Ben erreichen, also widmete er sich zuerst ihr. Hat sie das bis zum Ende durchdacht? Vielleicht glaubt sie, ich würde bald umfallen, weil ich die Pille geschluckt habe. In jedem Fall war ersichtlich, dass sie ihm etwas zuleide tun wollte.

Als sie ihn erreichte, schlug er mit einem Arm aus und blockte ihre Rechte ab, in der sie das Messer hielt. Gleichzeitig holte er rechts aus, seine Faust schnellte hervor und traf sie mitten im Gesicht. Unter normalen Umständen hätte er nie eine Frau schlagen können, doch angesichts eines Verrückten hinter ihm, der weiß Gott was machte, und einer mordlustigen Zicke, die mit einem Messer gerannt kam, was sollte er tun? Nein, er empfand keine Reue und zauderte nicht. Sein Schlag war hart und zielte entschieden darauf ab, Willow niederzustrecken.

Ihr Kopf knickte nach hinten weg. Sie verlor ihre Balance, fiel unsanft mit dem Rücken auf die Erde, und noch im selben Augenblick drehte sich Cooper zu Ben um.

Der zielte nun mit einer Pistole auf ihn, die er mit gerade ausgestreckten Armen in beiden Händen hielt, wobei Cooper erkannte, dass er dies mit zittriger Hand tat und den Anschein erweckte, wie vom Donner gerührt zu sein. Das nennt man Überraschungsmoment, Wichser.

Das ungute Gefühl, mit dem Cooper die beiden betrachtet hatte, war so stark gewesen, dass er sich jederzeit zum Kampf stellen konnte. Er beschloss, lieber abgeknallt zu werden als angekettet im Laderaum des Busses liegen zu müssen. Zwei große Schritte, und er stand vor Ben.

Der Kerl war so verdattert, dass er die Waffe wegwarf und die Hände hochheben wollte. Er versuchte, sich zu ergeben, doch zu spät: Cooper ließ sich nicht aufhalten, sondern duckte sich nach dem letzten Schritt und versetzte seinem Gegenüber einen Schlag in die Magengrube. Ben krümmte sich, und als er wieder hochfuhr, blieb ihm die Luft weg. Er stürzte unter seinem Angreifer rückwärts. Als er wieder aufstehen wollte, stieß ihm Cooper ein Knie in den Schritt, um ihm die Hoden zu quetschen. Zwar schien er sie zu verfehlen, doch wenigstens blieb der Drecksack liegen.

In Bens Dreadlocks hingen nun Zweige und Laub, was Cooper – warum auch immer – ein Gefühl der Überlegenheit vermittelte. Er trat ihm in die Rippen, bevor er wieder auf die Beine kommen konnte. Dann bückte er sich nach ihm, packte sein Shirt mit beiden Händen und hob ihn hoch, um ihn gegen einen Baum zu schleudern.

Cooper wusste, er hätte fliehen sollen, war aber wütend und wollte dem Arschloch ordentlich die Fresse vermöbeln. Er drosch auf sein Gesicht ein, so fest er konnte, nicht ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass er sich seine Hand dabei verletzte. Zähne schnitten in sein Fleisch, wie er spürte, und falls ein, zwei Knochen dabei zu Bruch gingen, würde es ihn nicht wundern. Nach ein paar satten Hieben fehlten Ben mehrere Zähne, und Blut tropfte ihm vom Kinn. Seine Augen waren bereits zugeschwollen, doch Cooper setzte mehrmals nach und wollte gerade aufhören, als ihn ein Knall zusammenzucken ließ. Baumrinde spritzte in sein Gesicht.

Da packte er Ben erneut am Kragen und zog ihn hoch, um sich hinter ihn zu stellen. Nun hielt er ihn am Genick fest und verwendete ihn als Schutzschild.

Willow hatte die Pistole aufgehoben. Blut strömte aus ihrer gebrochenen Nase. Sie torkelte und heulte gequält.

»Warum hast du ihm wehgetan? Warum hast du Ben geschlagen?«

»Mach ihn nieder«, knarrte ihr Komplize mit gurgelnder Stimme.

Willow brüllte auf und stocherte mit der Waffe in der Luft herum, doch ihr Freund blockierte die Schussbahn auf Cooper.

»Mach ihn nieder«, wiederholte Ben. Cooper hielt ihn mit beiden Armen um den Hals fest und schleifte ihn langsam rückwärts.

»Wirf die Knarre in den Wald, dann lasse ich Ben am Leben.« Cooper zog sich mit ihm von der Lichtung und damit aus dem spärlichen Licht zurück.

»Ich knall dich ab, Mann!«, schrie Willow.

»Also gut, drei Sekunden. Eins, zwei …« Sie warf die Waffe ins Unterholz und kam auf die beiden zugelaufen. Cooper ließ von Bens Hals ab und stieß ihn zurück auf die Wiese so fest er konnte. Die beiden knallten gegeneinander und fielen hin.

»Du dusselige Kuh!«, lispelte Ben verärgert mit dem Mund voller Blut durch seine Zahnlücken. Willow versuchte, sich an ihm festzuhalten, doch er riss sich los und stand auf. Cooper war ein Stück weit in den Wald gelaufen und blickte nun zurück, um sich zu vergewissern, dass Ben ihm nicht nachstellte.

»Du bist tot!«, drohte der Geprügelte.

Cooper ignorierte ihn und wandte sich ab, um zu verschwinden.

Die Schüsse und das Geschrei hatten die Toten angelockt. Er konnte hören, wie sie sich näherten. Sie waren nicht mehr weit entfernt, schienen aus allen Richtungen zu kommen. Ausgehend von dem Lärm, den sie veranstalteten, dauerte es wohl nicht mehr lange, bis sie die Lichtung erreichten. Cooper musste sich sputen, um ihnen nicht in die Quere zu kommen, vernahm dann aber etwas, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Menschliche Stimmen.

»Ben! Willow! Seid ihr okay?« Es waren viele Personen, die das fragten. Ben drohte Cooper weiter, während Willow den Menschen, die durch den Wald stapften, Richtungsanweisungen zurief, damit sie ihn schnappen konnten. Dann erwachte die Umgebung zum Leben. Das Geraschel wurde hektischer und lauter, Lichtkegel von Taschenlampen und Laternen zerschnitten die Dunkelheit. Unmittelbar vor Cooper flackerte ein Licht auf. Der freie Platz lag hinter ihm. Er war umzingelt.

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