Читать книгу EUPHORIA Z - Luke Ahearn - Страница 8

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Der alte Mann tauchte plötzlich vor seinen Scheinwerfern auf, weshalb er ihm nicht mehr ausweichen konnte. Er knickte vor dem Kühler ein und knallte mit dem Kopf auf die Motorhaube, dass es laut polterte, ehe er erstaunlich weit flog. Als er am Boden aufschlug, rollte er sogar noch ein Stück. Zu dem Zeitpunkt, als Cooper auf die Bremse trat, war es schon viel zu spät. Der Wagen stoppte mit quietschenden Reifen, gleichzeitig, da der alte Mann auf dem rauen Asphalt vor ihm liegenblieb.

Cooper wurde speiübel, als er ihn im Kegel seiner Scheinwerfer liegen sah. Er war sich sicher, dass der Alte infiziert war, aber es handelte sich immer noch um ein menschliches Wesen. Der Unfall schlug sich unerwartet emotional nieder. Der Motor brummte im Leerlauf, während Cooper überlegte, was er tun sollte. Sekunden vergingen. Er widerstand dem Drang, in Tränen auszubrechen, und handelte gegen seine Instinkte, die ihn dazu trieben, auszusteigen und dem Mann zu helfen. Das hätte er sofort getan, wären da nicht die Infizierten rund ums Auto, die eine Orgie feierten.

Cooper spürte, wie es schaukelte, und hörte leise die Aufhängung quietschen. Er griff zum Rückspiegel und hielt die Quaste seiner Studentenmütze fest, damit sie nicht pendelte, ehe er sie endgültig abnahm. Der Wagen geriet heftiger ins Wanken, als die Zahl der Menschen zunahm, die sich dagegenstemmten.

Vor ihm überquerte eine weitere große Gruppe die Straße auf dem Weg in die Innenstadt. Der alte Mann hob seinen Kopf an und legte ihn wieder nieder, bevor der Mob die Sicht auf ihn gänzlich verwehrte. Der Alte schaute sich einfach nur um, er zuckte nicht vor Schmerzen und legte keine andere Regung als Freude an den Tag.

Gut, war er also infiziert, schlussfolgerte Cooper und tröstete sich damit, dass der Kerl nicht litt. Nun bewegte er sich auch nicht mehr, was bedeutete, dass er tot sein musste. Das Einzige, was die Infizierten davon abhielt, sich zu rühren, war eine schwere Verletzung, die es körperlich unmöglich machte – oder der Tod. Es gab nichts, was Cooper hätte tun können.

Gerade als er den Schaltknüppel wieder in Fahrstellung brachte, knallte ein Körper auf seine Motorhaube. Eine nackte Frau drückte ihre fülligen Brüste gegen die Windschutzscheibe. Sie war hübsch, aber nur einen Sekundenbruchteil lang reizvoll, denn mehrere Rippen hatten sich durch die Haut gebohrt und ragten aus ihrem Leib hervor. Auf sie starrte Cooper, während sie am Glas kratzten wie lange, gebrochene Finger. Aus den Wunden quoll eine Menge Blut, mit dem sie die Scheibe verschmierte. Allein das Zuschauen tat bereits weh. Er grübelte nach einer sanften Art, sie vom Auto zu schaffen, als ihm eine Bewegung auf der Beifahrerseite auffiel. Ein Mann, der seltsamerweise Jeans und T-Shirt trug, glotzte ihn an und grinste dabei schauerlich.

Ein kräftiger Ruck lenkte Coopers Aufmerksamkeit wieder auf die Haube. Ein nackter, schlaksiger Teenager hatte die sich rekelnde Frau bestiegen. Aus seinem Mund floss Blut, da seine Unterlippe abgebissen worden war, und ein Teil seiner Kopfhaut fehlte. Er lächelte und versuchte wohl, irgendwie Geschlechtsverkehr mit der Frau zu haben. Sie strahlte immer noch und ließ ihren Oberkörper kreisen.

Cooper schaute erneut zu dem Mann auf der Beifahrerseite und bekam vor Schreck Herzklopfen, denn nun blickte er in die Mündung einer großen Pistole, die genau in sein Gesicht zielte. Über Gelächter, lüsterne Schreie und den Lärm der Meute hinweg hörte er ein entsetzliches Klicken, doch der Schlagbolzen traf auf eine leere Kammer. Der Mann drückte noch einmal ab, aber Cooper gab bereits Gas: Er lenkte ruckartig ein, um das Paar von seinem Wagen zu werfen. In diesem Moment änderte sich auch seine Einstellung; die Wirklichkeit dieser neuen Welt wurde ihm bewusst, und sein Herz verhärtete sich. Scheiß auf alle anderen, ich wäre fast draufgegangen.

Er raste nach Hause und sperrte sich ein. Cooper, der ansonsten gelassen und selbstbewusst war, fühlte sich erschüttert, doch so ging es jedem vernünftigen, nicht infizierten Menschen. Ruhig sitzenzubleiben, fiel ihm schwer. Adrenalin rauschte immer noch durch seine Adern. Er hielt sich an der Stange fest, die er in den Rahmen seiner Zimmertür geklemmt hatte, und machte so viele Klimmzüge, wie er schaffte, um die Anspannung abzubauen. Seine Arme taten weh, verkrampft von der Anstrengung, doch er kam sich weiterhin aufgedreht vor. Er hatte es sich während seiner Zeit auf der Highschool angewöhnt Sport zu treiben, um runterzukommen oder Ängste zu überwinden. Da es ihm in erster Linie darum ging, in Form zu bleiben, und weniger um die Tätigkeit an sich, war er im Gegensatz zu vielen seiner Freunde nie davon weggekommen. Daraus ergab sich nun, dass sie fett und träge geworden waren, während er mehr Muskeln und Ausdauer aufbaute.

Schließlich legte er sich auf eine kleine Bank und stemmte eine Stange Gewichte. Er hob sie ein wenig an, sodass er es leicht in der Brust spürte. Er hatte es bislang nicht geschafft, richtig stämmig zu werden, sondern sah schmächtig aus, obwohl seine Muskeln stahlhart waren und das Gros selbst derjenigen, die Steroide zu sich nahmen, im Gewichtheben keine Chance gegen ihn hatte. Nachdem er die Stange langsam eingehängt hatte, setzte er sich hin.

Cooper besah kurz seine Pokale und Urkunden, wandte sich dann jedoch ab. Dies alles mutete an wie ein Leben, das weit in der Vergangenheit lag, obwohl er seinen Abschluss erst wenige Wochen zuvor gemacht hatte. Er schob das dicke Jahrbuch von seinem Schreibtisch; er musste aufhören, an früher zu denken. Nichts davon hatte noch irgendeine Bedeutung. Seit das Leben schlagartig zum Erliegen gekommen war, kam es auf die Fähigkeiten zum Überleben an, die er sich als Pfadfinder angeeignet hatte, nicht auf seine verdienten Abzeichen und Ehrenbänder – genauso wie die Stärke und Kondition, welche er sich antrainiert hatte, wichtiger waren als die Trophäen.

Er ging duschen. Das heiße Wasser tat gut, es beruhigte ihn. Als er sich über die dichten Stoppeln in seinem Gesicht fuhr, entschied er, sich nicht zu rasieren. Dazu gab es keinen Grund. Dann ging er wieder im Haus herum, da er außerstande war, längere Zeit stillzusitzen.

Die geräumige Wohnung mit ihren hohen Zimmern und Fenstern, die vom Boden bis unter die Decken reichten, mutete wie ein Museum an. Die Scheiben vermittelten ihm das Gefühl, angreifbar zu sein. Obwohl er die Läden geschlossen und die Vorhänge zugezogen hatte, wirkte das Glas schwach im Vergleich zu Ziegel- oder Betonstein. Bei seinem nächsten Durchgang warf er einen Blick hinaus. Eine Menge Menschen bevölkerten die ansonsten ruhige Straße. Sie veranstalteten eine riesige Feier – eine Orgie des Wahnsinns.

Von hier aus überblickte er einen großen Teil Montereys, da sein Haus auf der Spitze eines 900 Fuß hohen Hügels mitten auf der Halbinsel stand. An einem Hang der weitläufigen Anhöhe erstreckte sich ein Wald, und er nahm sich vor, auf diesem Weg zu fliehen, sollte es darauf hinauslaufen.

Cooper hatte bereits versucht, nach San José zu gelangen, doch die Straßen waren versperrt und gefährlich, weil die anderen Verkehrsteilnehmer durchdrehten. Man konnte nicht einmal mehr tanken. Sein Plan bestand nun darin, sich auf die Lauer zu legen, obwohl er sich große Sorgen um seine Schwester machte. Sie standen sich sehr nahe, und er musste sie irgendwie erreichen.

Sie lebte in einem großen Appartementkomplex in San José, und er hatte schon seit Tagen nichts von ihr gehört. In der Stadt war es schon schlimm gewesen, bevor die Krankheit Monterey überhaupt heimgesucht hatte. Seine Schwester selbst wusste genauso wenig wie er, was sie tun sollte. Er wünschte sich, sie würde nach Monterey kommen, hatte aber die gleichen Bedenken wie sie, weil sie auf dem Highway steckenbleiben konnte. Bei seinem letzten Versuch, sie anzurufen, war die Leitung tot gewesen.

An dem Tag, als die Infektion die Stadt erreichte, war Cooper bereits darauf eingestellt und entschlossen gewesen, sich nicht anzustecken. Er hatte den Notfunk abgehört und wusste deshalb, dass es sich um ein Virus handelte. Jetzt kam er sich dämlich vor, weil er noch vor wenigen Tagen versucht hatte, zur Arbeit zu gehen. Er war in einem Burger-Imbiss vor Ort angestellt gewesen und hatte Anhaltspunkte für die Infektion gesucht. Seinen Vorgesetzten, einen ausgemachten Arsch, der sich nie zu schade war, seinem Personal die Hölle heißzumachen, hatte er als Infizierten verdächtigt, und sich, als der Kerl zum Grinsen übergegangen war, statt seine Untergebenen zu rügen, in seinem Verdacht bestätigt gesehen, sodass er umgehend abgehauen war.

Cooper fragte sich, ob der Asteroideneinschlag in Ufa mit den Geschehnissen zusammenhing. Allerdings hatte es nicht unmittelbar danach begonnen. Viele spekulierten darauf, das Virus sei mit dem Gesteinsbrocken auf der Erde gelandet, doch Wissenschaftler widersprachen dieser These aufgrund des Musters, nach dem sich die Infektion auf der Welt ausbreitete. Es gab kein Epizentrum, keinen Ausgangspunkt; sie war vielmehr überall zugleich aufgetreten. Hätte eine einzelne Quelle existiert, wäre man möglicherweise in der Lage gewesen, einen Ursprungsort oder spezifischen Träger zu bestimmen, um die Verbreitung einzudämmen.

Man glaubte, das Virus war aus einem alten Militärlabor freigesetzt worden. Natürlich bestanden auch andere Theorien, angefangen bei Gott über Außerirdische bis zu Terroristen. Es gab keinen Flecken auf der Erde, an dem der Erreger nicht präsent war.

Schüsse unterbrachen jäh Coopers Gedankengang. Er duckte sich instinktiv, versuchte aber weiter, aus dem Fenster zu schauen. Nichts zu sehen. Die Zahl und Lautstärke der Schüsse nahmen rasch zu, bis sie eine andauernde Lärmkulisse bildeten. Er wähnte sich in einer Kriegszone und hätte gerne gewusst, was genau da draußen vor sich ging. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Türen verschlossen waren, rief er die gleichen Personen an, bei denen er es immerzu probiert hatte: Mutter, Vater, Schwester, Freunde. Durchzukommen war einfach unmöglich. Immer wieder tippte er die Nummern im Eiltempo ein.

Ihm lag es fern, den Schutz und die Bequemlichkeit seines Hauses hinter sich zu lassen. Er verfügte über genügend Nahrungsmittel und Wasser für Wochen, falls nicht sogar Monate. Auch seine Mutter legte gerne Vorräte an für den Fall eines Erdbebens, und sein Vater kaufte vorzugsweise große Stückzahlen ein. Nur über seine Schwester zerbrach er sich den Kopf und wollte unbedingt wissen, ob es ihr gutging. Bis auf weiteres jedoch konnte er nichts weiter tun, als im Dunkeln auszuharren und zu warten – bloß worauf? Diese Frage ließ ihn nicht los.

Ein ohrenbetäubendes Krachen erschütterte das Haus. Der Lärm, den die Feiernden draußen machten, schwoll um ein Vielfaches an. Cooper lief den Flur hinunter, um herauszufinden, was geschehen war, und erstarrte: Die Orgie weitete sich durch eine zerbrochene Scheibe in sein Wohnzimmer aus. Ein Auto hatte einen Teil der Mauer eingerissen und damit auch mehrere der hohen, breiten Fenster. Immer mehr Irre drängten ins Haus, was ihm die Flucht unmöglich machte. Die Schlafzimmer hinter ihm verfügten bloß über dünne Innenraumtüren.

Hier war er nicht mehr sicher, und einen Weg nach draußen gab es nicht. Zum ersten Mal fürchtete er sich, weil er wusste, dass er nun sterben könnte.

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