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[7]Einleitung »Nahezu unlesbar«? – De rerum natura und die Herausforderungen der Lektüre

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»Es ist ein seltsames Verhängnis, dass dieses ungemeine, an ursprünglicher poetischer Begabung den meisten, wo nicht allen seinen Vorgängern weit überlegene Talent in eine Zeit gefallen war, in der es selber sich fremd und verwaist fühlte und infolgedessen in der wunderlichsten Weise sich im Stoffe vergriffen hat.« So äußerte sich der Althistoriker Theodor Mommsen im Jahr 1856 in seiner Römischen Geschichte (S. 260) über den Dichter Lukrez und sein Werk De rerum natura. Mommsens Urteil spiegelt in exemplarischer Weise das (scheinbare) Paradox wider, das von der Antike bis in die moderne Forschung hinein den Blick auf dieses Gedicht bestimmt hat: Wie ist die hochpoetische Form in lateinischen Hexametern mit seinem Inhalt in Einklang zu bringen, der nach Mommsen »undankbarer« nicht hätte sein können? Dieser »undankbare Inhalt« des Gedichts lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Lukrez stellt das System der epikureischen Philosophie dar und rückt dabei besonders die Physik ins Zentrum, das heißt die Lehre von der Natur und ihren Erscheinungen.

Blendet man jene kritischen Perspektiven einmal aus und fragt nicht danach, was und wie Dichtung sein muss, sondern danach, was Dichtung kann, so wird deutlich: De rerum natura macht das Unsichtbare anschaulich. Die epikureische Physik basiert nämlich auf der Annahme, dass die gesamte Welt – bis hin zur Seele des Menschen – aus [8]unsichtbar kleinen Atomen aufgebaut ist. Die Herausforderung besteht nun darin, diese nicht sichtbare Ebene der Welt so zu beschreiben, dass man sie sich vorstellen und sie verstehen kann. De rerum natura wird daher der Gattung des Lehrgedichts zugeordnet, also einer Form der Dichtung, die darauf ausgerichtet ist, einem Rezipienten Wissen über einen bestimmten Sachverhalt zu vermitteln. Diese Gattung hat in der griechisch-römischen Antike eine lange Tradition,1 das Lehrgedicht des Lukrez aber ist das früheste vollständig überlieferte Lehrgedicht in lateinischer Sprache.

Um besser zu verstehen, welches Konfliktpotential Form und Inhalt von De rerum natura bergen, gilt es, sich näher mit der philosophischen Schule des Epikureismus zu befassen und darauf aufbauend genauer in den Blick zu nehmen, wie Lukrez diese Philosophie in seinem Werk zur Darstellung bringt.

Doch zuvor zum Autor selbst.

Über die Natur der Dinge

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