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VI. Aufhebung einseitiger Verfügungen

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Für einseitige Verfügungen gilt gem. § 2299 Abs. 2 S. 1 das Gleiche, wie wenn sie durch Testament getroffen worden wäre, d.h. sie können gem. § 2253 jederzeit widerrufen werden (wobei allerdings nur ein Widerruf gem. §§ 2254, 2258 in Betracht kommt)[111].

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Darüber hinaus können sie gem. § 2299 Abs. 2 S. 2 auch in einem Aufhebungsvertrag, durch den eine vertragsmäßige Verfügung aufgehoben wird (→ Rn. 296 ff.), mit aufgehoben werden.

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Sofern kein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, treten einseitige Verfügungen zudem gem. § 2299 Abs. 3 außer Kraft, wenn der Erblasser vom gesamten Erbvertrag zurücktritt (§§ 2293 ff., → Rn. 303) oder der Erbvertrag durch Aufhebungsvertrag insgesamt aufgehoben wird, ohne dass die einseitige Verfügung ausdrücklich erwähnt wird (sonst gilt § 2299 Abs. 2 S. 2, → Rn. 316)[112]. Dasselbe gilt im Falle einer Aufhebung des Erbvertrags durch gemeinschaftliches Testament gem. § 2292 (→ Rn. 299 f.).[113] Wenn die Auslegungsregel des § 2299 Abs. 3 nicht eingreift, bestimmt sich das Schicksal einseitiger Verfügungen gem. § 2279 Abs. 1 nach § 2085 (→ Rn. 477).[114]

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Lösung der Ausgangsfälle

Fall 17 (→ Rn. 261):

Das notarielle Testament der F könnte gem. § 2289 Abs. 1 S. 1 unwirksam sein. Dies wäre der Fall, wenn es das Recht eines vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde. Die in dem Erbvertrag getroffenen Verfügungen von M und F sind vertragsmäßig (→ Rn. 271 ff.).

Durch das notarielle Testament der F würde das Recht des vertragsmäßig bedachten S beeinträchtigt, da seine Alleinerbenstellung zugunsten der T auf eine Miterbenstellung reduziert würde. Fraglich ist aber, wie es sich auswirkt, dass S dieser Verfügung in notariell beglaubigter Form zugestimmt hat. Darin ist ein Erbverzicht gem. §§ 2352 S. 2, 2348 zu sehen. Mit dem wirksamen Erbverzicht hat S auf seine Alleinerbenstellung aus dem Erbvertrag verzichtet.

Das notarielle Testament der F ist aber auch dann unwirksam, wenn und soweit es die Rechte anderer vertragsmäßig Bedachter beeinträchtigt. In Betracht kommt eine sich aus dem Erbvertrag ergebende Miterbengemeinschaft aus A und B, deren Recht durch die Einsetzung von S und T beeinträchtigt werden könnte. Gem. § 2096 ist der Ersatzerbe für den Fall eingesetzt, dass der Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt. S ist durch den Erbverzicht vor Eintritt des Erbfalls weggefallen (§ 2346 Abs. 1 S. 2). Daher sind A und B die Erben der F. Ihre vertragsmäßigen Rechte werden durch die Alleinerbeinsetzung der T beeinträchtigt. Daher ist das notarielle Testament gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 unwirksam.

T steht daher nur das Vermächtnis aus dem Erbvertrag zu.

Fall 18 (→ Rn. 261):

D ist aufgrund des Erbvertrags Alleinerbin des C geworden. Die Übereignung der Wohnung an E bleibt davon unberührt, da der Erbvertrag Rechtsgeschäfte unter Lebenden grundsätzlich nicht einschränkt (§ 2286).

Allerdings könnte D gegen E einen Anspruch auf Herausgabe von Eigentum und Besitz an der Wohnung gem. § 2287 i.V.m. § 818 Abs. 1 haben. Die schenkweise Übereignung der Wohnung durch C an E war eine Schenkung i.S.d. § 516 und damit auch i.S.d. § 2287 Abs. 1 (→ Rn. 284). Durch diese Schenkung müsste eine objektive Beeinträchtigung der Vertragserbin D erfolgt sein. Daran würde es fehlen, wenn C der E die Wohnung auch durch eine Verfügung von Todes wegen hätte zukommen lassen können, ohne die erbvertraglichen Bindungen zu verletzen (→ Rn. 285). Hier war die E i.H.v. 400.000 € pflichtteilsberechtigt, sodass eine objektive Beeinträchtigung der C schon deshalb nur noch i.H.v. 200.000 € vorliegt. Darüber hinaus könnte eine objektive Beeinträchtigung der C sogar gänzlich entfallen, wenn D zur Anfechtung des Erbvertrags berechtigt war und die Schenkung innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgte (→ Rn. 285). D wäre gem. §§ 2281 Abs. 1, 2079 zur Anfechtung des Erbvertrags berechtigt gewesen, weil er darin E – die aufgrund der Heirat erst nach der Errichtung des Erbvertrags pflichtteilsberechtigt wurde – übergangen hat. Die Schenkung erfolgte auch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 2082 (die Jahresfrist lief erst ab der Heirat). Folglich fehlt es insgesamt an einer objektiven Beeinträchtigung der D. Diese hat daher gegen E keinen Anspruch aus § 2287 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 1.

E hat gegen D einen Anspruch auf Zahlung ihres Pflichtteils i.H.v. 400.000 € gem. § 2303 (es erfolgt keine Anrechnung gem. § 2315, → Rn. 663 ff.).

Fall 19 (→ Rn. 261):

Alle Verfügungen sind vertragsmäßig, da auch S und T Vertragspartner sind (sog. mehrseitiger Erbvertrag). Durch das Vorversterben des S ist dessen Einsetzung durch M und F gegenstandslos geworden. Fraglich ist, wie sich dies auf die übrigen Verfügungen auswirkt. Der Fall, dass eine Verfügung nachträglich gegenstandslos wird, wird von § 2298 Abs. 1 nicht (auch nicht analog) erfasst; maßgeblich ist insoweit vielmehr gem. § 2279 Abs. 1 die Vorschrift des § 2085 (→ Rn. 275). Danach wird die Wirksamkeit der anderen Verfügungen nicht berührt, es sei denn, dass der Nachweis erbracht wird, dass die Verfügungen nur als Einheit, also die eine nicht ohne die andere gewollt war. Die Familie des M muss daher nachweisen, dass M, ohne zugunsten von S zu verfügen, nicht auch zugunsten von F und T verfügt hätte. Dies ist zunächst zweifelhaft, da M zumindest auch deshalb zugunsten von F und T verfügte, weil F ihn ebenfalls zum Vorerben einsetzte. Er hat F aber deshalb nur zur Vorerbin eingesetzt, damit sein Sohn S (zumindest auch neben T) als Nacherbe noch in den Genuss des Vermögens kommt. Zudem M hat auch nur deshalb zugunsten von T verfügt, weil F zugunsten von S verfügte. Die Verfügungen waren daher nur als Einheit gewollt. Damit sind alle vertragsmäßigen Verfügungen unwirksam. Somit liegt kein Erbvertrag mehr vor, folglich tritt die gesetzliche Erbfolge ein. F hat danach keinen Anspruch auf Erteilung des von ihr begehrten Erbscheins.

Fall 20 (→ Rn. 261):

Die Vermächtnisse könnten gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 unwirksam sein, wenn sie ein Recht der W aus einem wirksamen Erbvertrag beeinträchtigen würden.

Dies setzt zunächst voraus, dass überhaupt ein wirksamer Erbvertrag vorlag. Ein solcher ist nur dann gegeben, wenn zumindest eine vertragsmäßige Verfügung vorliegt (vgl. § 2278 Abs. 1, → Rn. 271). Ob eine Verfügung vertragsmäßig ist, ist eine Frage der Auslegung (→ Rn. 274). Die gegenseitige Einsetzung der Vertragspartner ist regelmäßig vertragsmäßig (→ Rn. 274). Damit liegt ein Erbvertrag vor.

Fraglich ist jedoch, ob auch die Erbeinsetzung von V und W eine vertragsmäßige Verfügung war. Der Vertragspartner (hier: X) muss an der Zuwendung an den Dritten ein eigenes Interesse haben. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Vertragspartner mit dem Dritten verwandt ist oder ihm sonst nahesteht. Die Tatsache, dass der vorgesehene Schlusserbe nur mit Y verwandt war, spricht daher gegen eine vertragsmäßige Verfügung der Y. Mit der Einsetzung der W als Ersatzerbin wollte sich F gegenüber X ebenfalls nicht vertraglich binden. Es handelt sich somit nicht um eine vertragsmäßige Verfügung, sondern nur um eine einseitige Verfügung, sodass § 2289 Abs. 1 S. 2 nicht eingreift.

W ist daher als Schlusserbin der F wirksam durch die ausgesetzten Vermächtnisse belastet (§§ 2299 Abs. 2, 2258 Abs. 1, 2147).

Fall 21[115] (→ Rn. 261):

W und N haben 1990 einen sog. entgeltlichen Erbvertrag und einen korrespondierenden Verpfründungsvertrag abgeschlossen (→ Rn. 310). Die Erbringung der Pflegeleistungen durch N war jedoch nicht als aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1) vereinbart, sodass der Erbvertrag nicht schon deshalb unwirksam war.

W könnte jedoch wirksam vom Erbvertrag zurückgetreten sein. Eine wirksame Rücktrittserklärung i.S.d. § 2296 liegt laut Sachverhalt vor. Ein Rücktrittsrecht des W könnte sich aus § 2295 ergeben. Dies setzt voraus, dass die Erbeinsetzung des N mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des N, W während dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, getroffen wurde und diese Verpflichtung vor dem Tod des W aufgehoben wurde. Zwischen der Erbeinsetzung des N und dessen Verpflichtung zu Pflegeleistungen bestand ein innerer Zusammenhang i.S.d. § 2295; die Verpflichtung des N war der maßgebliche Beweggrund für W, diesen zum Erben einzusetzen und beide waren sich darüber einig. Eine „Aufhebung“ i.S.d. § 2295 liegt auch dann vor, wenn die Verpflichtung nachträglich unmöglich wird (§ 275 Abs. 1) (→ Rn. 312). Dies war hier der Fall, weil die Erbringung von häuslichen Pflegeleistungen durch N nicht mehr möglich war, nachdem W ins Alten- und Pflegeheim gezogen war. W war mithin gem. § 2295 zum Rücktritt berechtigt. Der Erbvertrag war folglich unwirksam, sodass die Feststellungsklage begründet ist.

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