Читать книгу Trägerin des Lichts - Erstarken - Lydie Man - Страница 5
Was im letzten Teil geschah
Оглавление»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte die Großmutter in die Runde.
Die Kinder rückten erwartungsvoll näher. »Bei der Flucht.«
»Currann wirft sich mit seinen Kameraden den Verfolgern entgegen!«
»Ja, richtig.« Die alte Frau nahm das Jüngste der Schar auf den Schoß und drückte es liebevoll an sich. »Das müsst ihr euch vorstellen: Kaum sechzehn Jahre alt und schon muss Currann einen richtigen Kampf durchstehen. Mit mehr Glück als Verstand besiegt er mit seinen Kameraden die Verfolger, aber es geht nicht ohne Verluste vonstatten. Ihr Hauptmann wird getötet und einer von Curranns Kameraden schwer verwundet. Doch wohin nun? Sie sind vogelfrei, Geächtete, und mit Sicherheit werden sie von ihren Feinden gesucht. Der ehemalige Heerführer Bajan, Curranns väterlicher Freund und Beschützer, ist mit Phelan, Althea und Noemi längst fort. Sie sind auf sich allein gestellt, können Bajan nicht folgen, da sie sonst die Aufmerksamkeit ihrer Häscher auf sie lenken würden. Da erinnert sich Currann an die Erzählung seiner Freundin Siri über ihre Heimat, einen vernachlässigten Flecken ganz im Südwesten des Landes. Sie beschließen, sich dorthin durchzuschlagen und ihre Leute um Asyl zu bitten.
Bajan will die anderen drei Kinder ins weit entfernte Temora in Sicherheit bringen, in die Heimat von Altheas Vater. Er entkommt zwar den Verfolgern, aber die restliche Flucht verläuft nicht so glimpflich. Ohne Wasser, Nahrung und Schutz ist er auf die Hilfe alter Kameraden angewiesen. Doch Verrat lauert überall des Weges, bevor es ihm mit der Hilfe seines Kundschafterfreundes Nadim gelingt, nach Temora zu gelangen. Die Kinder sind gezwungen zu kämpfen, und sie müssen in höchster Not sogar töten.
Immer wieder wird Althea von schlimmen Träumen heimgesucht. Sie sieht, wie Currann und seine Kameraden den Kampf überstehen und wie ihr Vater von dem Diener gequält wird. Tief verstört kommt sie in Temora an.
Doch statt vermeintlicher Sicherheit wartet auf Althea eine erneute Falle. Ihre Gabe, bisher ein Segen, wird ihr nun zum Verhängnis. Na, von was ist Temora umgeben?«, fragte die alte Frau in die Runde.
»Von einem Ring!«, riefen die Kinder. »Man fällt darin um.«
»Und..?«
»Althea läuft einfach hindurch. Sie trägt das Licht in sich. Und sie nimmt Noemi mit!«, rief ein Mädchen.
»Genauso ist es. Es versetzt die Priester in helle Aufregung, denn sie können nicht durch den Ring gehen ohne besondere Weihen. Die Mädchen finden sich von den Priestern umzingelt. Bajan und Phelan versuchen, ihnen beizustehen, scheitern aber an der Macht des Ringes. In der Not greift sich Bajan einen Priester und zwingt ihn, sie hindurchzubringen. Er begeht damit unwissentlich denselben Frevel wie Phileas vor vielen Hundert Jahren. Voller Zorn nehmen die Priester Bajan und Phelan gefangen, verhängen einen Bann über sie und vertreiben sie aus Temora. Sie gehen nach Saran ins Exil.
Althea und Noemi sind plötzlich auf sich allein gestellt. Althea kann Meister Anwyll, den alten Lehrmeister ihres Vaters, unter den Priestern nicht entdecken. Dafür spürt sie unter ihnen einen Träger der bösen Macht, einen Diener. Und er spürt auch sie. Sie ergreift die Flucht und versteckt sich mit Noemi in den Felsen Temoras. In der Nacht beobachten die Mädchen den Diener, wie er sich über eine regungslose Gestalt beugt und diese quält. Es ist Meister Anwyll, er wurde vom Diener überwältigt. Althea befreit ihn, und gemeinsam bringen sie den Diener vor den versammelten Priestern zur Strecke. Nun hätte eigentlich alles gut werden können: Sie lernt ihre Großmutter Aislinn kennen, und die Mädchen schließen Freundschaft mit vier Novizen, die auch erst seit kurzem in der Gemeinschaft sind. Aber..«
»Aber sie wird geprüft!«, rief die Älteste der Kinder dazwischen.
»Willst du weitererzählen?« Die Großmutter zwinkerte. »Unversehens findet sich Althea in derselben Lage wie in Gilda wieder. Anwyll führt sie vor den Rat, um sie wegen ihrer Flucht zu befragen. Dabei wird sie unwissentlich einer Prüfung unterzogen und läuft wieder völlig ahnungslos durch den Ring. Da packt Aislinn der Zorn. Sie hat seinerzeit mit ihrem Sohn gebrochen und vermutet nun falsches Spiel hinter Altheas Gabe.
Mit Gewalt versuchen die Priester, hinter ihr Geheimnis zu kommen, durchsuchen sie bis auf den letzten Fetzen, den sie am Leibe trägt. Althea steht unter Schock. Sie begreift nicht, was ihre Großmutter und die anderen Priester von ihr erwarten, denn ihr Vater hat über seine Heimat stets geschwiegen und ihr nichts, aber auch gar nichts über Temora erzählt. In der Not läuft sie mit Noemi fort aus Temora, tief hinein in die Wälder. Dort werden sie von einer armen alten Frau aufgelesen. Sie ist eine aus Temora Gebannte, eine alte Freundin von Altheas Vater, die sich nun als Heilerin im Volke verdingt.«
»Das ist Chaya!«, rief eines der Kinder. »Der Schatten!«
»Ja, genau. Sie nimmt Althea und Noemi bei sich auf und verspricht, sie vor den Priestern zu verbergen und die Kunst des Heilens zu lehren. Bei ihr finden die Mädchen ein liebevolles Zuhause und fassen langsam wieder Mut. Nur, Chaya ist arm, sehr arm. Spätestens jetzt ist das behütete Leben für beide Mädchen vorbei. Sie müssen sich durch ihrer eigenen Hände Arbeit ernähren, sonst werden sie den Winter nicht überstehen. Aber Althea und Noemi sind stark, viel stärker, als es äußerlich den Anschein hat. Sie lernen in Windeseile, mit dieser neuen Lage zurechtzukommen. Nach einigem Zögern nimmt Chaya Althea auch mit hinaus in die Siedlungen und lehrt sie, den notleidenden Menschen zu helfen. Sie hat nämlich herausgefunden, dass die Menschen in Althea einen Sklavenbastard sehen, wegen ihrer dunklen Haut, stellt euch das vor. Niemand erkennt in ihr das Königskind aus Gilda.«
»Für eine Mischung aus einer Ethenierin und einem Saraner?«, fragte eines der Mädchen.
»Das hast du gut erkannt«, nickte die Großmutter und erzählte schnell weiter, bevor noch Fragen in eine ganz andere Richtung aufkommen konnten.
»Für Althea ist es eine Berufung. Sie lernt, ganz für die Menschen da zu sein. Doch so schnell sich beide Mädchen äußerlich dem neuen Leben anpassen, innerlich tragen sie schwer an den Ereignissen. Besonders Althea steckt im Zwiespalt: Was soll sie Chaya über die Umstände ihrer Flucht sagen, über ihre Träume, ihre Gabe? Nach ihrer Flucht hatte sie sich geschworen, diese nie wieder jemanden sehen zu lassen, aber kann sie das auf Dauer verbergen? Und was ist mit den Priestern, mit Meister Anwyll, dem sie vertraut und der dann zugelassen hat, dass sie gequält wurde? Zudem hadert sie mit ihrem Vater, weil er über seine Heimat geschwiegen und damit die unglücklichen Ereignisse in der Gemeinschaft ausgelöst hat.
Althea weiß nicht, wie sie sich verhalten soll. In ihrer Not greift sie zu Feder und Pergament und bittet Phelan um Rat, in der Hoffnung, dass dieser sicher in Saran angekommen ist.
Bajan ist es in der Tat gelungen, Phelan nach Saran zu bringen. Dort erwartet sie bereits Altheas Brief und ein zweiter von Meister Anwyll. Voller Zorn liest Phelan, was den Mädchen widerfahren ist, denn Anwyll verschweigt die Ereignisse. Er will sie glauben machen, dass die Mädchen nach wie vor in der Gemeinschaft sind. Da begreift der kluge Phelan, dass etwas mit dieser Gemeinschaft nicht stimmt. Warum sonst sollten sie Althea vor dem Rat durchsucht haben? Er zieht sehr schnell die richtigen Schlüsse: Die Priester müssen etwas bei sich tragen, das sie befähigt, durch den Ring zu gehen. Von wegen besondere Weihen! Nur so macht ihr Verhalten Sinn. Und genau deshalb ist Althea in größerer Gefahr als je zuvor, denn ein solches Geheimnis wie das ihre wird sich die Priestergemeinschaft nicht entgehen lassen.
Bajan hat noch eine andere Sorge: Wie weit reicht die Hand ihrer Häscher? Deshalb wird Phelan als Bajans Sohn in die saranische Gesellschaft eingeführt, ein Schutz vor den Verfolgern. Bajan selbst dient sich Fürst Roar als Berater an, denn die Saraner werden wiederholt von den Bergstämmen überfallen und von einem fremden Seefahrervolk bedroht.
Phelan trifft ihren alten Freund Jeldrik wieder und findet ihn völlig verändert. Aus dem aufgeweckten, freundlichen Jungen ist ein launischer, in sich gekehrter Jüngling geworden. Er verweigert sich allem und jedem, weil er auf der Expedition ins Lir-Delta bei dem Versuch, Currann das Leben zu retten, so schwer verwundet wurde, dass er nicht mehr kämpfen kann. Zudem macht er es Phelan zum Vorwurf, dass dieser ihm nichts über die Umstände ihrer Flucht erzählt hat. Versteht ihr, es geht um Vertrauen. Immerhin haben Jeldrik und Phelans Bruder Currann viel miteinander durchgemacht. Das merkt Phelan jedoch nicht, denn es ist seine große Schwäche, oft nicht zu merken, was in seinem Gegenüber vorgeht. Deshalb geht er Jeldrik aus dem Weg. Er treibt sich herum und gerät im Hafen mit einem grausamen Seeräuber aneinander. Es ist Altheas Großvater Regnar. Der ist über seine unversehens aufgetauchte Verwandtschaft nicht gerade begeistert. Eine Enkeltochter in Not macht ihn abhängig, etwas, das er mehr als alles andere hasst. Trotzdem will er nach Temora reisen, um sie kennen zu lernen und ihr beizustehen.
Phelan befindet sich in eben jenem Zwiespalt wie Althea: Kann er Regnar trauen? Was soll er ihm erzählen? Er beschließt, dass Althea ihn erst prüfen muss, bevor sie ihm die Hintergründe ihrer Flucht anvertrauen können.
Altheas erste Freude, einen Verwandten gefunden zu haben, wird sehr schnell von Regnars undurchschaubarem Wesen überschattet. Besonders Noemi spürt, dass hinter dem Großvater, wie er sich bei Chaya gibt, ein grausames und gefährliches Wesen lauert.«
»Natürlich!«, platzte die Älteste heraus. »Er ist ein Seeräuber! Wie kann sie nur so dumm sein, etwas anderes bei ihm zu erwarten!«
Die Großmutter schüttelte nachsichtig den Kopf. »Wenn dir deine gesamte Familie geraubt wird, du auf der Flucht bist, dann greifst du nach jedem Halt, den du bekommen kannst, und wenn es ein Seeräuber ist. Glaubt mir, in eine solche Lage wollt ihr niemals geraten.« Stumm nickten die Kinder.
»Letzten Endes«, fuhr die Großmutter fort, »entscheidet Altheas Bedürfnis nach Schutz zu seinen Gunsten. Während Regnar zurück auf dem Weg nach Saran ist, gelingt es Bajans Kundschafter Nadim, sich unerkannt nach Gilda durchzuschlagen und das jüngste der geflohenen Königskinder ausfindig zu machen, Curranns und Phelans kleine Schwester Leanna. Diese lebt immer noch unerkannt bei den Heilerinnen. Nadim steht vor einem Dilemma. Bajans Befehle an ihn lauten, mit Hilfe seiner alten Heereskameraden ein neues Kundschafternetz aufzubauen. Nur, dass die Tempelsoldaten niemanden von der alten Führung übrig gelassen haben. Wie Altheas Vater Thorald auch wurden sie eingesperrt. So kann sich Nadim nur auf die Heilerinnen stützen. Gemeinsam mit Meda, die die Nachfolgerin der ehrwürdigen Mutter ist, gelingt es ihm, Verbindung zu Bajans Halbbruder aufzunehmen. Von ihm erhalten sie Bajans verstecktes Vermögen zur Unterstützung ihrer Pläne, und es gelingt ihnen, einige der heimlich auf Currann Vereidigten aufzufinden.
Unterdessen nutzt Leanna die Gunst der Stunde, heimlich den Schwestern zu entwischen und in die Festung zurückzukehren. Das ist für sie nicht ungefährlich, müsst ihr wissen«, unterbrach die alte Frau ihre Erzählung.
»Bestimmt!«, rief eines der Mädchen. »Sie muss sich nachts durch die gesamte Stadt schleichen.«
»Warum macht sie das?«, fragte ein Junge.
»Weil sie den Schatz ihrer Familie bergen wollte, das Tagebuch ihrer Mutter«, fuhr die alte Frau fort. »Ihr erinnert euch, durch die geheimen Gänge waren sie geflohen. Nun lernt sie diese richtig kennen, aber auf dem Weg zurück wird sie von einem jungen Soldaten und obendrein von Nadim und Meda erwischt. Doch es ist nicht irgendein Soldat, es ist Phelans bester Freund aus der Heerschule, ein Junge namens Rynan. Nach anfänglichem Zögern erkennen Meda und Nadim, welche Gelegenheit ihnen der Junge bietet. Sie haben einen Spion innerhalb des Heeres, einen, der sein Leben für die Königskinder geben würde. Und Leanna, die gerade noch einmal davongekommen ist, hat nun einen Begleiter auf ihren heimlichen nächtlichen Streifzügen, denn sie beginnt, das Erbe der Königskinder fortzuführen: Sie kehrt in die Festung zurück und spioniert ihre Feinde aus, Alia, des Königs Hure, die nun bald Königin wird, die Mönche, die Soldaten. So kann Rynan manch eine Neuigkeit berichten, ohne dass Meda ahnt, woher seine Erkenntnisse in Wirklichkeit stammen. Und Rynan ist es auch, der unter den Heerschülern ein Gerücht in die Welt setzt, das sich in Windeseile verbreitet: Dass der Thronfolger und die Fürstensöhne am Leben sind, dass sie gegen die Feinde der Königsfamilie gekämpft und gesiegt haben und sich nun verborgen halten, bis es an der Zeit ist, zurückzukehren. Das gibt den Menschen Hoffnung in diesen dunklen Zeiten.
Aber Nadims Aufgabe ist damit noch nicht zu erfüllt. Er reist auch nach Mukanir, wohin Königin Naluri in ein Schweigekloster verbannt wurde. Dort trifft er unverhofft auf Archivar Meno, der nun mit Yola, der Zofe von Königin Naluri verheiratet ist und dem Fürsten als Schulmeister dient, ohne dass dieser etwas von seiner Vergangenheit ahnt. Mit der Hilfe von Noemis Zeichensprache gelingt es ihnen, der Königin zu vermitteln, dass ihre Kinder am Leben sind, was ihr in ihrem grausamen Exil sehr hilft, und dem Fürsten auch, der ja der Vater von einem von Curranns Kameraden ist.«
»Aber..«, ein Junge runzelte die Stirn, »Nadim weiß doch nur von Phelan und Leanna. Woher weiß er denn, dass Currann am Leben ist?«
»Na, von Althea natürlich! Sie hat’s geträumt, schon vergessen?«, rief ein anderes Mädchen.
»So ist«, nickte die Großmutter. »Also war Nadims Reise in mehr als einer Hinsicht erfolgreich. Mit diesen guten Neuigkeiten im Gepäck reist er wieder gen Westen. Dort zieht ein schlimmer Sturm auf, der nicht nur Regnars Schiff beinahe auf den Grund des Meeres schickt, sondern auch Temora und die umliegenden Siedlungen verwüstet. Nur knapp überleben die Mädchen. Sie fliehen in eine Höhle, in der ein weiteres, von einem Todesring umgebenes Tor existiert. Dieser ist der Grund, weshalb die Temorer ihren Wald zum Bannwald erklärt haben. Es lockt Althea, sehr sogar, aber noch widersteht sie der Versuchung nachzusehen, was sich dahinter verbirgt.
Als Heilerinnen stehen Chaya und Althea einer fast unüberwindlichen Aufgabe gegenüber. Die Not, die vielen Verletzten und Toten bringen Althea an den Rand ihrer Kraft, und dann findet sie noch eine sterbende Frau, die sich als Mutter einer ihrer Freundinnen aus Temora herausstellt. Die Priester lassen sie nicht zu ihr, haben sie sogar eingesperrt, und dabei ist es der Mutter sehnlichster Wunsch, ihre Tochter noch einmal zu sehen. Und da tut Althea etwas völlig Verrücktes.«
»Sie kehrt nach Temora zurück, befreit ihre Freundin und bringt sie und ihre anderen Freunde durch den Ring! Nach Hause zur sterbenden Mutter.«
»Tja, so ist es. Kein Phelan ist da, der sie zurückhält, niemand, der ihr Vernunft einredet. Ihr könnt euch vorstellen, wie Chaya reagiert hat, als sie plötzlich vor ihr standen.«
»Oh ja!«
»Sie war bestimmt mächtig böse!«, riefen die Kinder durcheinander.
»Du sagst es.« Die Großmutter sah ernst in die Runde. »Immerhin schützt sie Althea mit ihrem Leben. Aber für Althea war es ein wichtiger Schritt, genauso wie für alle ihre Freunde. Sie werden sich immer wieder treffen, heimlich, ohne dass es die Priester oder Chaya bemerken. Das ist der Beginn einer Freundschaft, die noch sehr bedeutsam für sie alle, für das gesamte Volk werden soll.«
»Wie meinst du das, Großmutter?«, fragte eines der jüngeren Kinder.
»Das«, sie lächelte, »verrate ich euch noch nicht. In Saran wartet unterdessen Phelan ungeduldig auf Regnars Rückkehr. Nach langer Zeit trifft Regnar mit einem fast völlig zerstörten Schiff und einer ganzen Reihe Gefangenen in Saran ein. Sie waren in den Sturm geraten und wurden zudem noch von einem fremden Schiff angegriffen, das es in die Gewässer Sarans verschlagen hatte. Es ist die erste Berührung mit dem bedrohlichen Seefahrervolk, das die Meere unsicher macht. Als Phelan an Bord von Regnars Schiff ein grausam misshandeltes Mädchen findet, beginnt er zu ahnen, wie es in Wirklichkeit um Altheas Großvater und dessen Männer bestellt ist. Aber sie müssen mit Regnar notgedrungen zusammenarbeiten, um die Verbindung zu Althea und den Pakt der Völker aufrecht zu erhalten, und Althea braucht ihre Hilfe mehr denn je.
Im Bannwald setzen ihre Träume wieder ein, es ist noch ein Diener in der Nähe. Ihr Gegner im Norden weiß, dass sie entkommen ist, und befiehlt all seinen Dienern, nach dem kleinen Mädchen aus Gilda zu suchen. Die alte Heilerin fühlt sich kaum in der Lage, mit ihren Träumen umzugehen, und dabei hält Althea ihre heilende Gabe noch vor ihr verborgen. Beide benötigen sie Anwylls weisen Rat, um die Träume deuten und sich gegen die böse Macht und deren Diener wappnen zu können. Althea sträubt sich mit aller Macht dagegen, wieder in Verbindung mit der Gemeinschaft zu treten, denn sie steht dieser mittlerweile mit kalter Verachtung gegenüber, wozu auch ihre Freunde, die Novizen, kräftig beigetragen haben. Doch sie sieht ein, dass Anwyll von ihren Träumen erfahren muss, um sich weiter gegen ihren Feind wappnen zu können.
Mit Hilfe der seeräuberischen Schläue von Altheas Großvater, Bajans taktischem Geschick und Nadims Kundschafterschlichen locken sie Anwyll in eine Falle. Dieser erkennt, dass Althea sich niemals der Gemeinschaft unterordnen wird und ihr damit auch von seinen eigenen Brüdern und Schwestern Gefahr droht. Seine eigene Macht in Temora bröckelt, und er kann nicht von Altheas Träumen berichten, ohne die Quelle seiner Erkenntnisse zu nennen, sonst würden ihn seine Brüder und Schwestern für wahnsinnig halten und entmachten. Also verspricht er notgedrungen, Altheas Aufenthaltsort geheim zu halten und sich selbst ihrer anzunehmen.
Damit hat Althea alles erreicht, was sie sich geschworen hatte. Sie ist in Sicherheit, kann ihre Gabe vor Anwyll und Chaya verbergen und ihnen dennoch von ihren Träumen berichten. Doch dann hat sie einen Traum, in dem sie einen von Curranns Kameraden dem Tode nahe sieht. Es gelingt ihr, ihm zu helfen und eine Botschaft für Currann mitzugeben, was mit seiner Familie geschehen ist. Dabei muss sie ihre Gabe einsetzen, und dies wird von Chaya gesehen. Nicht zum ersten Mal bekommt die alte Heilerin eine Ahnung davon, wie es wirklich um ihren Schützling bestellt ist, aber sie will Altheas Vertrauen und drängt sie nicht, sondern wartet auf sie.
Was hat Althea gesehen? Nun, Curranns Flucht ist zunähst ohne weitere Zwischenfälle zu Ende gegangen. In Siris Heimatsiedlung angekommen, finden die Kameraden von ihr keine Spur, und sie werden alles andere als freundlich empfangen. Seit Jahren leiden die bitterarmen Bewohner unter den Überfällen der Bergstämme, niemand hat ihnen Hilfe geschickt. Was sollen sie da von ein paar abgerissenen Deserteuren erwarten? Ihre wahre Identität verschweigend, schließt Currann mit ihnen ein Abkommen: Sie schützen die Siedlung vor den Überfällen, und im Gegenzug erhalten sie eine Zuflucht, nicht ahnend, dass Bajan auf der anderen Seite der Berge dasselbe tut.
Voller Unruhe fragt Currann sich, was mit Siri ist. Den Ausreden ihres Vaters, sie sei in Nador in Sicherheit, glaubt er nicht. Sein Gespür sagt ihm, dass etwas Furchtbares geschehen ist, und er behält recht. Erst nach langem Zögern zeigt sie sich ihm. Sie ist in einen Überfall geraten. Jetzt erwartet sie ein Kind, ein Kind der Schande, das weiß Currann nur zu gut. Sie versteckt sich vor den Bewohnern der Siedlung, die sie kaum in ihrer Mitte dulden würden. Er ist außer sich vor Zorn über diese Ungerechtigkeit. Um seine völlig veränderte Freundin nicht zu verschrecken, muss er sich in einer Disziplin üben, die ihm noch nie leicht fiel: Geduld und Beherrschung.
Da es nun wieder Wachen in Branndar gibt, greifen die Bergstämme in immer größerer Stärke an. Soldaten bedeuten wertvolles Beutegut, Waffen, Pferde, Ausrüstung. Bei einem besonders heftigen Angriff gerät einer von Curranns Kameraden in Gefangenschaft. Er wird schlimm gequält, und als er dem Tode nahe ist..«
»..kommt Thea zu ihm und hilft ihm. Durch sie erfährt Currann, was mit seiner Familie geschehen ist!«
»Und die anderen, dass ihre Eltern wissen, dass sie leben!«
Die Großmutter lachte. »Ihr wisst ja schon alles! So ist es. Bis zu dem Zeitpunkt war Currann sich noch nicht sicher, ob er seine Kameraden dort würde halten können, denn sie ahnen zu Recht, was die Heeresleitung ihren Eltern Schlimmes erzählt: Dass ihre Söhne Verräter seien oder tot. Doch die Kameraden stehen zu ihrem Eid und damit unverbrüchlich zu Currann. Gemeinsam bereiten sie sich auf ihren ersten Winter in Branndar vor, und der wird härter als alles, das sie jemals erlebt haben. Mitten im schlimmsten Wintersturm kommt Siri nieder und schenkt einem kleinen Jungen das Leben. Doch sie wird von den Bewohnern entdeckt. In höchster Not flieht sie, um das Leben ihres Kindes zu retten, und Currann eilt ihr zur Hilfe, sie zu retten.«
»Und dann?« Wie gebannt lauschten die Kinder.
Doch die Großmutter sagte nichts, sie erhob sich nur und wies stumm auf den Zugang zu ihren Schlafkammern.
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