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KAPITEL 1

Die Materie – das Einfache, das schwer zu fassen ist

Nur wenige Orte in dieser Galaxie sind so kalt wie die mit verflüssigtem Helium funktionierende Kältemaschine in Tom Rosenbaums Labor. Die Temperaturen in dieser Maschine – einer zimmergroßen ringförmigen Anlage mit zahlreichen Zylindern – können bis wenige tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt, also – 273° Celsius, sinken. Das ist 3000 Mal kälter als die entferntesten Weltraumregionen. Zwei Tage lang zirkulieren flüssiger Stickstoff und flüssiges Helium in der Kältemaschine und dann lassen drei Pumpen, die ständig gasförmiges Helium verdichten, die Temperatur auf die unterste Stufe sinken. Ohne irgendeine Art von Wärme bewegen sich die Atome in der Materie nur noch im Schneckentempo. Bei diesen Kältegraden käme das Universum völlig zum Stillstand – die wissenschaftliche Version einer gefrorenen Hölle.

Der absolute Nullpunkt ist eine der Lieblingstemperaturen des Physikers Tom Rosenbaum. Mit seinen 47 Jahren gehörte der angesehene Physikprofessor an der University of Chicago und frühere Leiter des James Franck Institute zur Avantgarde der Experimentalphysiker, die gerne die Grenzen zur Unordnung in der Physik der kondensierten Materie untersuchte; dieses Fachgebiet untersucht die Eigenschaften von Flüssigkeiten und Festkörpern, nachdem die ihnen zugrunde liegende Ordnung gestört wurde.1 Wenn man in der Physik wissen will, wie etwas sich verhält, macht man es ihm am besten „ungemütlich“ und schaut, was passiert. Und Unordnung stiftet man gewöhnlich, indem man es erwärmt oder einem Magnetfeld aussetzt, um festzustellen, wie es reagiert, wenn es „gestört“ wird, und um zu ermitteln, welche Spinposition – oder magnetische Ausrichtung – die Atome annehmen.

Die meisten von seinen Kollegen in der Physik der kondensierten Materie interessierten sich weiterhin für symmetrische Systeme wie etwa kristalline Feststoffe, deren Atome gleichmäßig angeordnet sind (wie Eier in einem Karton); Rosenbaum jedoch zog es zu den seltsamen Systemen, die an sich ungeordnet waren – die die konventionelleren Quantenphysiker als „Schmutz“ abtaten. Im Schmutz, so glaubte Rosenbaum, lägen die unerforschten Geheimnisse des Quantenuniversums, ein unerforschtes Gebiet, das er gern bereiste. Er liebte die Herausforderungen, vor die ihn Spingläser stellen, erstaunliche Mischformen von Kristallen mit magnetischen Eigenschaften, sich – physikalisch gesehen – langsam bewegende Flüssigkeiten. Im Gegensatz zu einem Kristall, dessen Atome vollkommen gleich ausgerichtet sind, sind die Atome eines Spinglases unberechenbar und unregelmäßig gefroren.

Mittels der extremen Kälte konnte Rosenbaum die Atome dieser eigenwilligen Verbindungen so verlangsamen, dass er sie minutiös beobachten und ihre quantenmechanische Natur „herauskitzeln“ konnte. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, wenn ihre Atome fast stillstehen, nehmen sie neue Verbundeigenschaften an. Rosenbaum war fasziniert von der neuen Entdeckung, dass Systeme, die bei Raumtemperatur ungeordnet waren, einen „konformistischen“ Zug zeigen, sobald sie heruntergekühlt werden. Auf einmal beginnen diese individualistischen Atome an einem Strang zu ziehen.

Wenn man untersucht, wie sich Moleküle als Gruppe unter verschiedenen Bedingungen verhalten, erfährt man dabei viel über die Beschaffenheit der Materie. Für meine eigene Entdeckungsreise erschien mir Rosenbaums Labor der geeignetste Ausgangspunkt. Dort, bei den niedrigsten Temperaturen, wo alles in Zeitlupe abläuft, könnte sich die wahre Natur der Grundbausteine des Universums offenbaren. Ich suchte Belege für Möglichkeiten, wie die Bestandteile unseres materiellen Universums, die wir für so völlig verstanden halten, grundlegend verändert werden können. Auch fragte ich mich, ob man zeigen könne, dass Quantenverhalten (wie der Beobachtereffekt) auch außerhalb der subatomaren Welt, also in der Alltagswelt vorkommt. Rosenbaums Entdeckung in seiner Kältemaschine könnte entscheidende Hinweise liefern, wie jeder Gegenstand oder Organismus in der materiellen Welt – den die klassische Physik als unabänderliche Tatsache betrachtet, als endgültige Ansammlung, die sich nur durch die brachiale Gewalt Newton’scher Physik verändern lässt – durch die Energie eines Gedankens beeinflusst und letztlich geändert werden kann.

Nach dem zweiten Gesetz der Thermodynamik können alle materiellen Prozesse im Universum nur von einem Zustand höherer in einen Zustand niedrigerer Energie übergehen. Wir werfen einen Stein ins Wasser und die Wellen, die er auslöst, hören irgendwann auf. Eine Tasse heißer Kaffee kann nur kalt werden, wenn man ihn lange genug stehen lässt. Gegenstände gehen unweigerlich kaputt; alles bewegt sich nur in eine einzige Richtung, von der Ordnung zur Unordnung.

Doch das muss nicht zwangsläufig so sein, glaubte Rosenbaum. Neuere Entdeckungen über ungeordnete Systeme legen nahe, dass bestimmte Materialien unter bestimmten Bedingungen den Entropiegesetzen widersprechen könnten und zusammenkommen, statt auseinanderzufallen. Konnte die Materie auch die umgekehrte Richtung einschlagen, von der Unordnung zu größerer Ordnung?

Zehn Jahre lang hatten sich Rosenbaum und seine Studenten am James Franck Institute das in Bezug auf ein kleines Stück Lithium-Holmium-Fluor-Salz gefragt. In Rosenbaums Kältemaschine lag ein perfekter Splitter eines rosafarbigen Kristalls, nicht größer als eine Bleistiftspitze, in zwei Anordnungen von Kupferspulen eingehüllt. Im Laufe der Jahre und nach vielen Experimenten mit Spingläsern hatte Rosenbaum diese faszinierenden kleinen Exemplare sehr lieb gewonnen, sie gehören zu den Substanzen mit dem stärksten natürlichen Magnetismus auf der Erde. Diese Eigenschaft bot die besten Voraussetzungen, um Unordnung zu untersuchen – doch erst, wenn er den Kristall absolut unkenntlich gemacht hatte.

Als Erstes hatte er sein Labor, das die Kristalle züchtete, angewiesen, Holmium mit Fluor und Lithium, dem ersten Metall im Periodensystem, zu verbinden. Das daraus resultierende Lithium-Holmium-Fluor-Salz „spielte mit“ und war vorhersagbar – eine höchst geordnete Substanz, deren Atome alle nach Norden zeigten, wie ein Meer mikroskopisch kleiner Kompasse. Rosenbaum hatte dann die ursprüngliche Salzzusammensetzung zerstört, indem er die Labormitarbeiter einzelne Holmiumatome nacheinander herauslösen und durch Yttrium ersetzen ließ – ein silbernes Metall ohne eine solche natürliche Magnetwirkung. Das betrieben sie so lange, bis ein eigentümlicher Hybrid einer Verbindung herauskam, ein Salz mit der Bezeichnung Lithium-Holmium-Yttrium-Tetrafluorid.

Dadurch, dass Rosenbaum praktisch die Atome mit magnetischen Eigenschaften aus der Verbindung herausgelöst hatte, hatte er schließlich eine Spinglas-Anarchie herbeigeführt – die Atome dieses Frankensteinmonstrums zeigten, wohin sie wollten. Eine wesentliche Eigenschaft von Elementen wie Holmium manipulieren und so ungeniert bizarre neue Verbindungen herstellen zu können, das war ein wenig so, wie die Kontrolle über die Materie selbst zu haben. Mit diesen neuen Spinglas-Verbindungen konnte Rosenbaum praktisch die Eigenschaften der Verbindung nach Belieben variieren; er konnte Atome dazu bringen, sich nach einem bestimmten Muster auszurichten oder in einem zufälligen Muster zu erstarren.

Doch seine Allmacht hatte auch Grenzen. Rosenbaums Holmiumverbindungen gehorchten in gewisser Hinsicht, in anderer jedoch nicht. Er konnte sie zum Beispiel nicht dazu bringen, sich an die Temperaturgesetze zu halten. Ganz egal, wie kalt Rosenbaum seine Kältemaschine einstellte, die Atome widersetzten sich jeglicher geordneten Orientierung, wie eine Armee, die sich weigert, im Gleichschritt zu marschieren. Wenn Rosenbaum mit seinen Spingläsern Gott spielte, so waren die Kristalle Adam, der sich hartnäckig weigerte, Gottes oberstem Gesetz zu gehorchen.

Eine junge Studentin namens Sayantani Ghosh, eine seiner „Stardoktorandinnen“, teilte Rosenbaums Neugier auf die seltsame Eigenschaft der Kristallverbindung. Sai, wie ihre Freunde sie nannten, eine gebürtige Inderin, hatte mit hervorragenden Noten in Cambridge ihren Abschluss gemacht und wollte 1999 in Tom Rosenbaums Labor promovieren. Praktisch sofort hatte sie sich profiliert, indem sie den Gregor-Wentzel-Preis gewann, den die physikalische Fakultät der University of Chicago jährlich an die besten Studenten im ersten Jahr des Promotionsstudiums vergibt, die auch studentische Hilfskräfte sind. Die schlanke 23-Jährige, die auf den ersten Blick verlegen wirkte und sich hinter ihren vollen dunklen Haaren versteckte, hatte ihre Kommilitonen und Dozenten gleichermaßen rasch durch ihre kühne Autorität beeindruckt, die bei Studenten der Naturwissenschaften selten ist, und durch ihre Fähigkeit, komplexe Ideen so darzustellen, dass auch ein Student ohne Abschluss sie verstehen konnte. Seit seiner Einführung 25 Jahre zuvor hatte vor Sai erst eine einzige Frau diesen begehrten Preis gewonnen.

Nach den Gesetzen der klassischen Physik bringt ein Magnetfeld die magnetische Ausrichtung der Atome in einer Substanz durcheinander. Den Grad, in dem das geschieht, bezeichnet man als „magnetische Suszeptibilität“. Bei einer ungeordneten Substanz tritt gewöhnlich folgendes Muster auf: Die Substanz richtet sich eine Zeitlang nach dem Magnetfeld aus, pendelt sich ein und lässt dann wieder nach, wenn die Temperatur sinkt oder eine magnetische Sättigung der Substanz erreicht ist. Dann können sich die Atome nicht mehr nach dem Magnetfeld ausrichten und bewegen sich deshalb langsamer.

Bei Sais ersten Experimenten reagierten die Atome im Lithium-Holmium-Yttrium-Salz, wie vorhergesagt, ganz aufgeregt auf das Magnetfeld. Doch als sie das Feld verstärkte, geschah etwas Merkwürdiges. Je weiter sie die Frequenz erhöhte, desto schneller drehten sich die Atome. Und, was noch erstaunlicher war, alle Atome, die sich in einem ungeordneten Zustand befanden, begannen die gleiche Ausrichtung aufzuweisen und als kollektives Ganzes zu agieren. Dann richteten sich kleine Gruppen von ungefähr 260 Atomen aus, bildeten „Schwingkreise“, die gemeinsam in die eine oder andere Richtung schwangen. Ganz egal wie stark das Magnetfeld war, das Sai einsetzte, die Atome blieben stur miteinander ausgerichtet und zogen sozusagen „an einem Strang“. Diese Selbststeuerung hielt etwa zehn Sekunden lang an.

Zuerst dachten Sai und Rosenbaum, diese Effekte hingen mit der seltsamen Wirkung der noch vorhandenen Holmiumatome zusammen; denn sie sind als eine der wenigen Substanzen auf der Welt bekannt für so lange anhaltende innere Kräfte, dass Holmium mancherorts als etwas beschrieben und mathematisch dargestellt wird, das in einer anderen Dimension existiert.2 Wenngleich sie das Phänomen, das sie beobachtet hatten, noch nicht verstanden, schrieben sie ihre Ergebnisse nieder und veröffentlichten sie 2002 in der Zeitschrift Science.3

Rosenbaum beschloss, ein anderes Experiment durchzuführen, um das Wesensmerkmal des Kristalls zu isolieren, aufgrund dessen dieser so starken äußeren Einflüssen widerstehen konnte. Die Versuchsanordnung überließ er seiner gescheiten jungen Doktorandin; er schlug lediglich vor, dass sie das geplante Experiment dreidimensional mathematisch am Computer simuliere. Bei Versuchen mit so winziger Materie müssen sich Physiker auf Computersimulationen stützen, um die Reaktionen, die sie im Experiment beobachten, mathematisch zu bestätigen.

Sai entwickelte monatelang das Computerprogramm und erstellte ihre Simulation. Man wollte etwas mehr über die Magnetfähigkeit des Salzes herausfinden, indem man den Kristallsplitter zwei Arten von Störungen aussetzte: höheren Temperaturen und einem stärkeren Magnetfeld.

Sie bereitete die Probe vor, indem sie den Kristallsplitter auf einem kleinen, circa 3 mal 5 cm großen Kupferhalter befestigte und dann den winzigen Kristall mit zwei Spulen umwickelte: Die eine war ein Neigungsmesser, der die magnetische Suszeptibilität und die Spinrichtung der einzelnen Atome messen sollte, die andere sollte jeglichen zufälligen Einfluss auf die Atome im Inneren ausschließen.

Mithilfe einer Verbindung zu ihrem PC konnte sie die Voltzahl ändern sowie das Magnetfeld oder die Temperatur und auch alle Änderungen aufzeichnen, wann immer sie eine Variable auch nur im Geringsten variierte.

Sie begann die Temperatur zu reduzieren, jeweils um den Bruchteil eines Grades, und dann das Magnetfeld zu verstärken. Zu ihrem Erstaunen richteten sich die Atome zunehmend aneinander aus. Dann erhöhte sie die Temperatur und entdeckte, dass sie sich erneut ausrichteten. Egal was sie tat, bei jedem Vorgang ignorierten die Atome die Eingriffe von außen. Obwohl sie mit Tom Rosenbaum die meisten magnetischen Komponenten der Verbindung herausgelöst hatte, wurde diese von selbst zu einem immer größeren Magneten.

Das ist komisch, dachte sie. Und: Vielleicht sollte ich mehr Daten sammeln, um sicherzustellen, dass wir nicht auf etwas Fremdes im System gestoßen sind?

Sie wiederholte ihr Experiment über sechs Monate lang bis zum Frühling 2002, dann war ihre Computersimulation vollständig. Eines Abends stellte sie die Ergebnisse der Simulation in einem Diagramm dar und legte die Ergebnisse des tatsächlichen Experiments darüber. Es war, als hätte sie nur eine einzige Linie gezeichnet. Auf dem Computerbildschirm war ein komplettes Duplikat zu sehen: Die Linie der Computersimulation lag genau über der, die die Ergebnisse des realen Experiments darstellte. Sie hatte in dem kleinen Kristall kein Artefakt, sondern etwas Reales beobachtet, das sie jetzt in ihrer Computersimulation reproduziert hatte. Sie hatte sogar eingezeichnet, wo sich die Atome im Diagramm befinden sollten, wenn sie den üblichen physikalischen Gesetzen gehorcht hätten. Doch dort waren sie nun auf einer Linie – ein Gesetz für sich.

Spät an diesem Abend schrieb sie Rosenbaum eine vorsichtige EMail: „Ich muss Ihnen morgen Früh etwas Interessantes zeigen.“ Am nächsten Tag untersuchten sie ihre Darstellung. Es gab keine andere Möglichkeit, wie sie beide erkannten: Die Atome hatten sie völlig ignoriert und orientierten sich an der Aktivität der Nachbaratome. Ganz egal, ob sie den Kristall einem starken Magnetfeld aussetzte oder die Temperatur erhöhte, die Atome setzten sich über den Eingriff von außen hinweg.

Das ließ sich nur so erklären, dass die Atome in dem Musterkristall sich im Inneren wie ein einziges riesiges Atom organisierten und verhielten. Alle Atome, so stellten sie etwas beunruhigt fest, mussten miteinander „verstrickt“ oder „verschränkt“ sein.

* * *

Das Phänomen der Nicht-Lokalität

Einer der seltsamsten Aspekte der Quantenphysik ist ein Merkmal, das Nicht-Lokalität oder poetisch auch „Quantenverschränkung“ genannt wird. Der dänische Physiker Niels Bohr entdeckte, dass subatomare Teilchen wie Elektronen oder Photonen, sobald sie einmal in Kontakt miteinander waren, sich gegenseitig weiterhin „erkennen“ und sich immer zeitgleich über jegliche Entfernung hinweg gegenseitig beeinflussen, obwohl gewöhnliche Parameter fehlen, die nach Ansicht der Physiker Einfluss ausüben könnten, wie ein Austausch von Energie oder ein Einwirken von Kräften. Wenn Teilchen verschränkt sind, wird die Reaktion eines Teilchens – beispielsweise die magnetische Orientierung – das andere immer in die gleiche oder in die entgegengesetzte Richtung beeinflussen, unabhängig davon, wie weit sie voneinander entfernt sind. Erwin Schrödinger, einer der ursprünglichen Mitbegründer der Quantentheorie, glaubte, dass die Entdeckung der Nicht-Lokalität nicht weniger als das Definitionsmerkmal der Quantentheorie darstelle – ihre zentrale Voraussetzung und Aussage.

Verschränkte Teilchen verhalten sich wie ein Zwillingspaar, das bei seiner Geburt getrennt wird, aber immer die gleichen Interessen und eine telepathische Verbindung aufrechterhält. Beispiel: Ein Zwilling lebt in Colorado, der andere in London. Obwohl sie sich nie mehr begegnen, mögen beide die Farbe Blau. Beide werden Ingenieure. Beide fahren gern Ski; ja, wenn einer hinfällt und sich in Vail (Skiort in Colorado) das rechte Bein bricht, bricht sich auch der andere Zwilling im selben Moment das Bein, obwohl er über 5000 Kilometer entfernt ist und gerade bei Starbucks Latte macchiato schlürft ...4

Albert Einstein weigerte sich, die Nicht-Lokalität zu akzeptieren, und tat sie als „spukhafte Fernwirkung“ ab. Diese Art instantaner, also völlig zeitgleicher Verbindung setzt voraus, dass sich Informationen schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, so argumentierte er in einem berühmten Gedankenexperiment, das seiner eigenen Speziellen Relativitätstheorie widersprechen würde.5 Seit Einstein diese Theorie aufgestellt hatte, wurde mit der Lichtgeschwindigkeit (299 792 ,458 Kilometer pro Sekunde) als Obergrenze berechnet, wie schnell ein Ding ein anderes beeinflussen kann: Dinge sollten andere nicht schneller beeinflussen können als die Zeit, die der erste Gegenstand brauchen würde, um sich mit Lichtgeschwindigkeit auf den zweiten zuzubewegen.

Doch haben moderne Physiker wie Alain Aspect und seine Kollegen in Paris eindeutig nachgewiesen, dass die Lichtgeschwindigkeit in der subatomaren Welt keine absolute äußere Grenze darstellt. Aspect feuerte in einem Experiment von einem einzelnen Atom zwei Photonen ab und zeigte, dass die Messung des einen Photons augenblicklich die Position des zweiten beeinflusste6, sodass es das gleiche oder, wie Charles H. Bennett (Physiker bei IBM) einmal formulierte, das „entgegengesetzte Glück“7 hatte, also Spin oder Aufenthaltsort. Die zwei Photonen kommunizierten weiterhin miteinander und was immer dem einem widerfuhr, das passierte genauso (oder als Gegenteil davon) dem anderen. Heute akzeptieren selbst die konservativsten Physiker die Nicht-Lokalität als ein eigentümliches Merkmal der subatomaren Wirklichkeit.8

Die Bell’sche Ungleichung

Die meisten Quantenexperimente umfassen den einen oder anderen Versuchsaufbau zur Bell’schen Ungleichung. Dieses in der Quantenphysik berühmte Experiment führte John Bell durch, ein irischer Physiker, der eine praktische Messmethode entwickelte, die zeigt, wie sich Quantenteilchen wirklich verhalten.9 Bei diesem einfachen Test nimmt man zwei Quantenteilchen her, die einmal Kontakt miteinander hatten, trennt sie und misst dann beide. Diese Teilchen entsprechen einem Paar namens Daphne und Ted, die einmal zusammen waren, aber jetzt getrennt sind. Daphne kann sich entscheiden, eine von zwei Richtungen einzuschlagen, ebenso Ted. So, wie wir die Realität mit unserem gesunden Menschenverstand sehen, ist Daphnes Entscheidung völlig unabhängig von Teds Entscheidung.

Als Bell sein Experiment durchführte, erwartete man, dass eine der Messungen größer sein würde als die andere – als Ausdruck der „Ungleichung“. Doch ein Vergleich der Messungen ergab, dass beide gleich waren und so seine Ungleichung „verletzt“ wurde. Irgendein unsichtbarer Draht schien diese beiden Quantenteilchen über den Raum hinweg zu verbinden, der dafür sorgte, dass sie einander folgten. Seitdem ist Physikern klar: Wenn die Bell’sche Ungleichung verletzt ist, bedeutet das, dass zwei Dinge verschränkt sind.

Diese Ungleichung hat für das Verständnis des Universums enorme Konsequenzen. Indem wir die Nicht-Lokalität als natürliche Facette der Natur akzeptieren, erkennen wir an, dass zwei Grundpfeiler unserer Weltsicht falsch sind: dass Einfluss nur über Zeit und Raum hinweg stattfindet und dass Teilchen wie Daphne und Ted und wohl auch die Dinge, die aus Teilchen bestehen, nur unabhängig voneinander existieren.

Zwar nehmen moderne Physiker die Nicht-Lokalität mittlerweile als gegebenes Merkmal der Quantenwelt hin, trösten sich aber mit der Behauptung, dass diese merkwürdige, nicht einleuchtende Eigenschaft der subatomaren Welt nur für „Dinge“ gelte, die nicht größer seien als ein Photon oder Elektron. Sobald es um die Ebene der Atome und Moleküle gehe, die die Physik als „makroskopisch“ oder groß betrachtet, beginne das Universum sich wieder „anständig“ zu verhalten, nach den vorhersagbaren, messbaren Newton’schen Gesetzen.

Mit einem einzigen winzigen, daumennagelgroßen Kristall haben Tom Rosenbaum und seine Doktorandin diese Vorstellung zunichtegemacht. Sie haben gezeigt, dass große Dinge wie Atome nicht-lokal verbunden sein müssen, sogar in Materie, die so groß ist, dass man sie in der Hand halten kann. Nie vorher war die Quanten-Nicht-Lokalität in so großem Maßstab demonstriert worden. Obwohl die Versuchsprobe nur ein winziger Salzsplitter war, war sie für das subatomare Teilchen ein herrschaftlicher Landsitz, in dem 1 Million Billionen (1 000 000 000 000 000 000 oder 1018) Atome Platz hatten. Rosenbaum, der normalerweise nur sehr ungern über Dinge spekulierte, die er nicht erklären konnte, bemerkte, dass sie etwas Außergewöhnliches über die Natur des Universums entdeckt hatten.

Und ich erkannte, dass sie einen Mechanismus für Intention ausgemacht hatten:

Sie hatten gezeigt, dass Atome, die grundlegenden Bausteine der Materie, durch nicht-lokale Einwirkung beeinflussbar sind. Große Dinge wie Kristalle hielten sich nicht an die Spielregeln der großen Welt, sondern an die anarchischen Regeln der Quantenwelt, indem sie ohne erkennbaren Grund unsichtbar verbunden blieben.

Nachdem Sai ihre Erkenntnisse aufgeschrieben hatte, feilte Rosenbaum noch ein wenig an der Sprache und schickte den Artikel 2002 an Nature, eine Zeitschrift, die für ihre konservative Einstellung und ihre exakten Begutachtungen bekannt ist. Vier Monate nach den Anregungen der Rezensenten veröffentlichte Sai Ghosh ihren Aufsatz schließlich im weltweit bedeutendsten Wissenschaftsjournal, ein beachtliches Kunststück für eine 26-jährige Doktorandin.10

Einer ihrer Rezensenten, Vlatko Vedral, nahm das Experiment mit einer Mischung aus Interesse und Frustration zur Kenntnis.11 Als Jugoslawe, der am Imperial College in London studiert hatte, während in seiner Heimat der Bürgerkrieg tobte und das Land anschließend auseinanderbrach, hatte sich Vedral in seiner Wahlheimat ausgezeichnet und war ausgewählt worden, die Quanteninformationswissenschaft an der University of Leeds zu leiten. Vedral, groß und von seiner Erscheinung her einem Löwen ähnelnd, gehörte einer kleinen Wiener Gruppe an, die in der Quantenphysik an vorderster Front arbeitet, auch an der Verschränkung.

Vedral hatte als Erster theoretisch die Wirkung vorhergesagt, die Ghosh und Rosenbaum schließlich drei Jahre später gefunden hatten. Er hatte den Artikel 2001 bei Nature eingereicht, aber die Zeitschrift hatte ihn abgelehnt, da ihr Experimente lieber waren als Theorie. Schließlich gelang es Vedral, seinen Artikel in der renommierten physikalischen Fachzeitschrift Physical Reviews Letters zu veröffentlichen.12 Nachdem Nature entschieden hatte, Ghoshs Untersuchung zu publizieren, boten ihm die Herausgeber eine versöhnliche Geste an. Sie ließen ihn den Aufsatz rezensieren und boten ihm in derselben Ausgabe die Gelegenheit, seine Meinung zu den Erkenntnissen zu äußern.

In dem Artikel gestattete sich Vedral zu spekulieren. Die Quantenphysik gelte als die präziseste Methode, die beschreibe, wie aus Atomen Moleküle werden, so schrieb er, und da die ganze Chemie auf der Beziehung der Moleküle zueinander basiere und die Chemie wiederum die Grundlage der Biologie darstelle, könne die Magie der Verschränkung tatsächlich der Schlüssel für das Leben selbst sein.13

V. Vedral und zahlreiche andere Wissenschaftler in seinem Kreis glaubten nicht, dass diese Wirkung nur bei Holmium auftritt. Unsere wenig entwickelte Technologie ist das Hauptproblem dabei, Verschränkung aufzudecken. Diese Wirkung lässt sich momentan nur isolieren und beobachten, wenn man Atome in einer so kalten Umgebung verlangsamt, dass sie sich kaum mehr bewegen. Dennoch hatten mehrere Physiker Verschränkung der Materie bei 200° Kelvin oder – 100° Fahrenheit [das sind ca. – 73° Celsius, Anm. d. Übers.] beobachtet – eine Temperatur, die an einigen der kältesten Stellen auch auf der Erde vorkommt.

Andere Forscher haben mathematisch nachgewiesen, dass die Atome und Moleküle überall, selbst in unserem Körper, instantan, also zeitgleich, und unablässig Informationen austauschen. Thomas Durt von der Vrije Universiteit in Brüssel demonstrierte anhand eleganter mathematischer Formulierungen, dass fast alle Quantenwechselwirkungen Verschränkung hervorrufen, unabhängig von der inneren und äußeren Umgebung. Selbst Photonen, die winzigsten Lichtpartikel, die von den Sternen ausströmen, sind mit jedem Atom verbunden, dem sie auf ihrem Weg zur Erde begegnen.14 Verschränkung bei normalen Temperaturen scheint ein natürlicher Zustand des Universums zu sein, auch in unserem Körper. Jede Interaktion zwischen den einzelnen Elektronen in uns führt zu Verschränkung. Nach Benni Reznik, einem theoretischen Physiker an der Universität von Tel Aviv, sind wir von wogendem leerem Raum mit verschränkten Teilchen umgeben.15

* * *

Der englische Mathematiker Paul Dirac, ein Begründer der Quantenfeldtheorie, postulierte als Erster, dass es so etwas wie das Nichts oder leeren Raum nicht gebe. Selbst wenn man alle Materie und Energie aus dem Universum herauskippte und den „leeren“ Raum zwischen den Sternen untersuchte, würde man eine „Unterwelt“ finden, in der es vor subatomarer Aktivität wimmelt.

In der Welt der klassischen Physik bezeichnet ein Feld einen Einflussbereich, in dem zwei oder mehr Punkte durch eine Kraft verbunden sind, etwa Schwerkraft oder Elektromagnetismus. Doch in der Quantenwelt entstehen Felder durch Energieaustausch. Nach Heisenbergs Unschärferelation besteht ein Grund dafür, dass man Quanten letztlich nicht erkennen kann, darin, dass ihre Energie in einem dynamischen Muster immer wieder neu verteilt wird.

Das Nullpunkt-Feld

Subatomare Teilchen werden zwar häufig als winzige Billardkugeln bezeichnet, jedoch ähneln sie mehr kleinen Päckchen vibrierender Wellen, die Energie hin- und herreichen, wie in einem endlosen Basketballspiel. Alle Elementarteilchen beeinflussen sich gegenseitig, indem sie über zeitweilig existierende oder „virtuelle“ Quanten Energie austauschen. Diese erscheinen, so glaubt man, aus dem Nichts, verbinden sich in einem einzigen Augenblick miteinander, heben sich gegenseitig auf und erzeugen dadurch zufällige Energieschwankungen ohne offensichtliche Ursache. Virtuelle Teilchen oder negative Energiezustände nehmen keine physische Form an, deshalb können wir sie nicht direkt beobachten. Selbst „nachweisbare“ Teilchen sind nicht mehr als kleine Energieknoten, die kurz auftauchen und dann wieder in das darunter liegende Energiefeld verschwinden.

Dieses Hin und Her, das damit also einen gigantischen energetischen Grundpegel bildet, ist allgemein als Nullpunkt-Feld bekannt. Das Feld wird deshalb „Nullpunkt“ genannt, weil selbst am Temperaturnullpunkt, wenn theoretisch alle Materie ihre Bewegung einstellt, diese winzigen Fluktuationen noch nachweisbar sind. Selbst an der kältesten Stelle des Universums kommt die subatomare Materie niemals zur Ruhe, sondern setzt ihren kleinen „Energietango“ fort.16

Die Energie, die bei jedem Hin und Her zwischen Teilchen entsteht, ist unvorstellbar gering – gerade mal ein halbes Photon. Doch zählte man alle Tauschvorgänge zwischen den subatomaren Teilchen im Universum zusammen, so ergäbe sich ein unerschöpflicher Energievorrat unermesslichen Ausmaßes, der die ganze Energie in der Materie um den Faktor 1040 (eine 1 gefolgt von 40 Nullen) übertrifft.17 Richard Feynman selbst bemerkte einmal, dass die Energie in einem Kubikmeter Raum ausreichen würde, um alle Ozeane der Erde zum Kochen zu bringen.18

Nach Heisenbergs Entdeckungen zur Nullpunkt-Energie haben die meisten Mainstream-Physiker die Zahlen, die für die Nullpunkt-Energie stehen, aus ihren Gleichungen gestrichen. Sie nahmen an, dass das Nullpunkt-Feld nichts ändere und man daher gefahrlos „wieder zur Tagesordnung zurückkehren“ könne, da es in der Materie stets vorhanden und allgegenwärtig ist. Doch während der Ölkrise 1973, als man nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen suchte, begann der amerikanische Physiker Hal Puthoff auszurechnen, wie man die reichlich vorhandene Energie des leeren Raumes für Transportzwecke auf der Erde und zu fernen Galaxien nutzen könne; inspiriert wurde er dabei von dem Russen Andrej Sacharow.

Puthoff untersuchte das Nullpunkt-Feld über 30 Jahre lang. Mit einigen Kollegen hatte er nachgewiesen, dass dieser konstante Energieaustausch aller subatomaren Materie mit dem Nullpunkt-Feld für die Stabilität des Wasserstoffatoms verantwortlich ist – und damit folglich für die Stabilität aller Materie.19 Entfernte man das Nullpunkt-Feld, dann würde alle Materie in sich selbst zusammenfallen. Er zeigte auch, dass die Nullpunkt-Energie zwei Grundeigenschaften der Materie erklärt: Trägheit und Schwerkraft.20 Puthoff arbeitete auch an einem Projekt, das von Lockheed Martin und verschiedenen amerikanischen Universitäten mit vielen Millionen finanziert wurde; damit wollte man die Nullpunkt-Energie für die Raumfahrt nutzbar machen – ein Programm, das 2006 an die Öffentlichkeit gelangte.

Viele merkwürdige Eigenschaften der Quantenwelt wie Unschärfe oder Verschränkung ließen sich erklären, wenn man das immer währende Wechselspiel aller Quanten mit dem Nullpunkt-Feld einkalkulierte. Nach Puthoffs wissenschaftlichem Verständnis gleicht die Verschränkung zwei Stangen, die am Rand des Ozeans in den Sand eingegraben sind und in Kürze von einer riesigen Welle getroffen werden. Wenn sie beide umstürzten und man nichts von der Welle wüsste, könnte man meinen, ein Stab wirke auf den anderen ein, und würde das als nicht-lokale Wirkung bezeichnen. Das ständige Wechselspiel der Quanten mit dem Nullpunkt-Feld könnte nicht-lokalen Wirkungen zwischen Teilchen zugrunde liegen, indem es einem Teilchen ermöglicht, mit jedem anderen in jedem Moment verbunden zu sein.21

Benni Rezniks Arbeit in Israel mit dem Nullpunkt-Feld und der Verschränkung begann mathematisch mit der entscheidenden Frage: Was würde mit einem hypothetischen Paar Messfühler passieren, die mit dem Nullpunkt-Feld in Wechselwirkung stehen? Nach seinen Berechnungen würden die Messfühler, sobald sie mit dem Nullpunkt-Feld interagieren, beginnen miteinander zu reden und wären schließlich verschränkt.22

Wenn alle Materie im Universum mit dem Nullpunkt-Feld interagiert, bedeutet das ganz einfach, dass alle Materie miteinander verbunden und potenziell durch Quantenwellen im ganzen Kosmos verschränkt ist.23 Und wenn wir und der ganze leere Raum eine einzige Verschränkung sind, dann müssen wir unsichtbare Verbindungen mit Dingen, die von uns entfernt sind, aufbauen. Wenn man die Existenz des Nullpunkt-Feldes und die Verschränkung annimmt, dann ergibt sich ein funktionierender Mechanismus, der erklärt, warum die Signale, die durch Gedankenkraft erzeugt werden, von jemand anderem viele Kilometer entfernt aufgenommen werden können.

* * *

Sai Ghosh hatte nachgewiesen, dass Nicht-Lokalität in großen Grundbausteinen der Materie existiert, und andere Wissenschaftler haben bewiesen, dass die ganze Materie im Universum in gewisser Weise ein Satellit eines großen zentralen Energiefeldes ist. Doch wie kann Materie durch diese Verbindung beeinflusst werden? Die zentrale Annahme der ganzen klassischen Physik besagt, dass große materielle Dinge im Universum feste Teile sind, vollendete Tatsachen, Ergebnisse eines Entstehungsprozesses. Wie lassen diese sich möglicherweise ändern?

Vedral hatte die Gelegenheit, dieser Frage nachzugehen. Denn er wurde eingeladen, mit dem bekannten Quantenphysiker Anton Zeilinger zu arbeiten. Bei der bizarrsten Erforschung des Wesens von Quanteneigenschaften war dessen Labor am Institut für Experimentalphysik an der Universität von Wien ganz vorn mit dabei. Zeilinger selbst war zutiefst unzufrieden mit der gängigen wissenschaftlichen Erklärung der Natur und er hatte diese Unzufriedenheit und das Streben, sie zu überwinden, an seine Studenten weitergegeben.

In einer extravaganten Aktion hatte Zeilinger mit seinem Team ein Paar Photonen unterhalb der Donau verschränkt. Sie hatten mittels einer Glasfaser einen Quantentunnel quer durch das Donauflussbett errichtet. In seinem Labor bezeichnete Zeilinger die einzelnen Photonen gern als Alice und Bob und gelegentlich als Carol oder Charlie, wenn er ein drittes Photon brauchte. Alice und Bob, die durch 600 Meter Fluss voneinander getrennt waren und sich nicht sehen konnten, erhielten eine nicht-lokale Verbindung aufrecht.24

Zeilinger interessierte sich besonders für die Superposition und die Konsequenzen der Kopenhagener Interpretation – wonach subatomare Teilchen nur in einem Zustand des Potenzials existieren. Können Objekte und nicht einfach nur die subatomaren Teilchen, aus denen sie bestehen, in diesem „Spiegelsaal-Zustand“ existieren?, so fragte er sich. Um dieser Frage nachzugehen, benutzte Zeilinger eine Vorrichtung, die Talbot-Lau-Interferometer genannt wird; entwickelt hatten sie einige Kollegen am MIT und sie arbeitet mit einer Abwandlung des berühmten Doppelspaltexperiments von Thomas Young, einem britischen Physiker des 19. Jahrhunderts. Bei Youngs Experiment wird ein bloßer Lichtstrahl durch ein einzelnes Loch oder einen Spalt auf einen Schirm geschickt, dann durch eine zweite Wand mit zwei Löchern, bevor er schließlich auf einem dritten, weißen Schirm ankommt.

Wenn zwei Wellen in Phase schwingen (das heißt, gleichzeitig ihre Wellenberge und -täler durchlaufen) und aufeinandertreffen – eine Situation, die technisch als „Interferenz“ bezeichnet wird –, dann ist die gemeinsame Welle größer als jede einzelne Amplitude. Das Signal verstärkt sich. Das läuft auf eine Einprägung oder einen Informationsaustausch hinaus, den man als „konstruktive Interferenz“ bezeichnet. Wenn Wellenberg und Wellental zweier Wellen nicht zeitgleich verlaufen, kommt es zu Auslöschungen; das bezeichnet man als „destruktive Interferenz“. Bei der konstruktiven Interferenz wird das Licht heller, wenn alle Wellen synchron schwingen, destruktive Interferenz löscht das Licht aus und führt zu völliger Dunkelheit.

Bei dem Experiment bildet das Licht, das durch die zwei Spalten geschickt wird, ein Zebrastreifenmuster mit abwechselnd dunklen und hellen Streifen auf dem dritten weißen Schirm. Wenn Licht einfach nur eine Reihe von Teilchen wäre, würde man die zwei hellsten Flecken direkt hinter den zwei Spalten des zweiten Schirms sehen. Doch der hellste Abschnitt des Musters befindet sich auf halber Strecke zwischen den zwei Spalten und wird durch die gemeinsame Amplitude der Wellen hervorgerufen, die sich am stärksten addieren.

Aufgrund dieses Musters erkannte Young als Erster, dass sich Licht, das durch die zwei Spalten fällt, in sich überlagernden Wellen ausbreitet.

Eine moderne Variante dieses Experiments schießt einzelne Photonen durch den Doppelspalt. Diese einzelnen Photonen ergeben ebenfalls Zebrastreifenmuster auf dem Schirm und zeigen dadurch, dass sich selbst eine einzelne Lichteinheit als unscharf begrenzte Welle mit einem großen Einflussbereich bewegt.

Im 20. Jahrhundert führten Physiker Youngs Experiment mit anderen einzelnen Quanten weiter und bewiesen so, dass man in der Quantenphysik Spiegeleigenschaften kennt: Quanten verhielten sich wie Wellen und durchquerten beide Spalten gleichzeitig. Schießt man einen Elektronenstrahl auf die drei Schirme, so erhält man Interferenzmuster von abwechselnd hellen und dunklen Flecken, ebenso wie bei einem Lichtstrahl. Da man für ein solches Interferenzmuster mindestens zwei Wellen braucht, folgt aus dem Experiment, dass sich das Elektron irgendwie auf geheimnisvolle Weise gleichzeitig durch beide Spalten bewegen und mit sich selbst interferieren kann, wenn es mit sich selbst wieder zusammenkommt.

Das zentrale Rätsel der Quantenphysik

Dieses Doppelspaltexperiment bringt das eigentliche Mysterium der Quantenphysik „auf den Punkt“ – die Vorstellung, dass ein subatomares Teilchen nicht ein einzelner Punkt im Raum ist, sondern sozusagen ein ganzes Spektrum von Zuständen. Auch zeigt es das Prinzip, dass man Elektronen, die in einem hermetischen Quantenzustand existieren, letztlich nicht erkennen kann. Man kann an einer Quanteneinheit nichts identifizieren, ohne das Teilchen auf seiner Bahn anzuhalten – wo es in einen einzigen Punkt „kollabiert“.

Zeilinger wandelte das Doppelspaltexperiment ab und verwendete Moleküle statt subatomarer Teilchen. Das Interferometer hatte eine Reihe von Spalten auf dem ersten Schirm und ein Gitter identischer paralleler Spalten auf dem zweiten, das die passierenden Moleküle ablenken sollte. Das dritte Gitter, das senkrecht zum Molekülstrahl stand, fungierte als Beobachtungsschirm und konnte die Wellengröße aller passierenden Moleküle berechnen, und zwar mittels eines hochempfindlichen Laserdetektors, der den Punkt des Auftreffens der Moleküle und ihre Interferenzmuster feststellte.

Für das erste Experiment suchten Zeilinger und sein Team mit Bedacht einen Schwung Fullerenmoleküle oder „Fußballmoleküle“ aus, also Moleküle, die aus 60 Kohlenstoffatomen bestehen. Mit einem Nanometer pro Stück sind sie die Kolosse der molekularen Welt. Zeilinger entschied sich nicht nur aufgrund der Größe für Fullerene, sondern auch wegen ihrer „witzigen“ Anordnung – sie gleichen in ihrer Form winzigen Fußbällen.

Die Unternehmung war heikel. Zeilingers Gruppe musste bei der genau richtigen Temperatur arbeiten; wurden die Moleküle nur einen Hauch zu stark erhitzt, so zerfielen sie. Zeilinger erhitzte die Fullerene auf 900° Kelvin – das sind circa 630° Celsius –, sodass sie einen intensiven Molekülstrahl bildeten, und schickte sie dann durch den ersten Schirm; dann passierten sie den zweiten, bevor sie auf dem letzten ein Muster bildeten. Die Ergebnisse waren eindeutig. Jedes Molekül zeigte die Fähigkeit, mit sich selbst Interferenzmuster zu bilden. Also: Einige der größten Einheiten von Materie hatten sich nicht in einem endgültigen Zustand „lokalisiert“. Wie subatomare Teilchen hatten diese riesigen Moleküle sich nicht zu etwas Realem verfestigt und manifestiert.

Das Wiener Team tat sich nach anderen, doppelt so großen, unregelmäßig geformten Molekülen um, weil es feststellen wollte, ob asymmetrische Moleküle die gleichen magischen Eigenschaften zeigen. Sie einigten sich auf den „riesigen“ Fluorkohlenstoff – ein Molekül aus Kohlenstoffatomen in der Form eines Fußballs – und auf Tetraphenylporphyrin, das in seiner Form eher einem Pfannkuchen ähnelt, ein Derivat des natürlichen Farbstoffs Chlorophyll. Mit mehr als 100 Atomen pro Molekül gehören diese beiden zu den größten auf dem Planeten. Und wieder erzeugte jedes ein Interferenzmuster mit sich selbst.

Zeilingers Team zeigte wiederholt, dass die Moleküle an zwei Orten gleichzeitig sein können, dass sie also selbst bei dieser Größe in einem Zustand der Superposition bleiben.25 Sie hatten das Undenkbare bewiesen: Die größten Bestandteile des Stofflichen und Lebendigen existieren in einem verformbaren, nicht festgelegten Zustand.26

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Sai Ghosh dachte nicht oft über die Konsequenzen ihrer Entdeckung nach. Sie war zufrieden mit dem Wissen, dass ihr Experiment eine sehr interessante Dissertation hergab und ihr in ihrer Karriere als Assistenzprofessorin helfen konnte – sie wollte die Miniaturisierung erforschen; diese Richtung würde die Quantenmechanik ihrer Meinung nach einschlagen. Bisweilen gestattete sie sich, darüber zu spekulieren, dass ihr Kristall etwas Wichtiges über die Natur des Universums bewiesen haben könnte. Doch sie war ja gerade mal Doktorandin. Was konnte sie letztlich darüber wissen, wie die Welt wirklich funktioniert …?

Aber für mich stellen Ghoshs Forschung und Zeilingers Arbeit mit dem Doppelspaltexperiment zwei Meilensteine in der modernen Physik dar:

1. Ghoshs Experimente belegten, dass zwischen den Grundbausteinen der Materie eine unsichtbare Verbindung besteht, die oft so stark ist, dass sie sich über die klassischen Einflussmethoden wie Wärme oder Druck hinwegsetzen kann.

2. Zeilingers Arbeit zeigte noch etwas viel Erstaunlicheres: Große Materieeinheiten sind weder etwas Festes und Stabiles, noch verhalten sie sich notwendigerweise nach den Newton’schen Gesetzen. Moleküle brauchen einen anderen Einfluss, um in einen (abgeschlossenen, „fertigen“) Endzustand kommen.

3. Beide bewiesen als Erste, dass die seltsamen Eigenschaften der Quantenphysik nicht nur auf der Quantenebene auftreten, sondern auch in der Welt sichtbarer Materie. Moleküle existieren ebenfalls in einem Zustand reinen Potenzials, nicht in Form einer endgültigen Wirklichkeit. Unter bestimmten Umständen „entwischen“ sie den Newton’schen Gesetzen und zeigen die Nicht-Lokalität der Quanten.

4. Die Tatsache, dass etwas so „Großes“ wie ein Molekül sich verschränken kann, legt nahe, dass es nicht zwei Regelwerke gibt – eines für die Physik des Großen und eines für die Physik des Kleinen –, sondern nur ein Regelwerk für alles.

Diese beiden Experimente enthalten auch den Schlüssel für die Wissenschaft von der Intention (– wie Gedanken feste, „fertige“ Materie beeinflussen können). Sie legen nahe, dass der Beobachtereffekt nicht nur in der Welt der Quanten auftritt, sondern auch in der Alltagswelt:

Die Dinge unserer materiellen Umwelt sollten nicht länger als aus sich selbst heraus existierend gesehen werden, sondern sie existieren, wie die Quanten, nur in Beziehung. Mitschöpfertum und Einfluss könnten grundlegende, inhärente Eigenschaften des Lebens sein. Unsere Beobachtung jedes Bestandteils unserer Welt könnte seinen endgültigen Zustand bestimmen helfen, was bedeutet, dass wir wahrscheinlich auch jeden großen Gegenstand beeinflussen, den wir um uns sehen. Immer wenn wir einen Raum mit vielen Menschen betreten, wenn wir uns mit unseren Partnern oder Kindern beschäftigen, wenn wir staunend den Himmel betrachten …, sind wir möglicherweise als Mitschöpfer tätig, sind wir in diesem Sinne kreativ und üben vielleicht sogar in jedem Augenblick Einfluss aus.

Wir können das noch nicht bei normalen Temperaturen nachweisen; unsere Geräte sind dafür noch nicht weit genug entwickelt. Doch wir haben schon einen vorläufigen Beweis: Die physische Welt – die Materie selbst – scheint formbar zu sein und empfänglich für Einfluss von außen.

Intention

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