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Kapitel 4

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An Bord des Fliegers herrschte die typische Urlaubsstimmung. Mehrere Kleinkinder fingen, trotz aller Aufmunterungsversuche ihrer Eltern auf Grund der ungewohnten Situation, an zu weinen. In der Kabine wurde es erst wieder ruhiger, als das monotone Geräusch der Flugzeugmotoren auf alle Passagiere, egal ob groß oder klein eine einschläfernde Wirkung ausübte.

Evelyn war so sehr in ihre Gedanken versunken, dass sie weder von dem Lärmpegel noch von der Hektik um sich herum viel mit bekam. Sie schaute aus dem kleinen Fenster an ihrer rechten Seite und beobachtete wie der Flughafen und die Stadt Düsseldorf schnell unter einer Wolkendecke versank. Wenige Augenblicke später durchbrach das Flugzeug die Wolken und tauchte in strahlenden Sonnenschein unter einem blauen Himmel auf. Ganz langsam kam Evelyn wieder zur Ruhe und das Adrenalin verflüchtigte sich aus ihrem Kreislauf.

Immer noch den Blick über die wattegleichen Wolken lehnte sie sich seufzend zurück. Fürs Erste dürfte sie sicher sein und mit ihr auch die Daten, die sich auf dem Notebook in der Tasche neben ihr befanden. Dieser Überfall hatte eindeutig etwas mit der entdeckten Formel zu tun. Dank Andreas‘ Vorwarnung waren keinerlei Unterlagen, weder elektronisch noch auf Papier, im Labor verblieben. Genauso wenig wie der hergestellte Wirkstoff. Alles was davon noch vorhanden war, dürfte sich nun in der Kanalisation befinden. Die einzigen Beweise die es noch gab, waren die Labortiere die sich momentan bester Gesundheit erfreuten. Den Wirkstoff aus deren Blut oder Gewebeproben abzuleiten wäre nicht möglich. Und sobald die tägliche Wirkstoffdosis ausblieb, war zu erwarten, dass die Tiere bald wieder unter ihren Krankheitssymptomen litten. Die Leute, die hinter dieser Formel her waren, hatten nichts. Das würde sie hochgradig auf die Palme bringen.

So wie die Typen in das Labor eingedrungen waren, war es denen egal, ob jemand dabei verletzt wurde oder nicht. Sie musste davon ausgehen, dass diese Männer, sollten sie sie aufspüren, mit der gleichen Brutalität zuschlagen würden, die sie bereits gezeigt hatten. Ihre Weigerung zur Kooperation und die Flucht ins Ausland dürfte sicherlich wenig Begeisterung hervorgerufen haben. Was würde ihr wohl im Falle einer Entdeckung bevorstehen? Sie wollte sich das lieber nicht ausmalen.

Wenigstens war es denen nicht mehr möglich, ihr Handy zu orten, das ausgeschaltet und ohne SIM Karte in ihrem Auto lag. Diese Typen waren erschreckend gut informiert. Woher wussten die, wo sie wohnte, die kannten sogar ihre Rufnummer, ihr Auto und es schien denen sogar möglich gewesen zu sein, die Funkverbindung ihres Telefons zu stören. Außerdem waren diese Männer in ihrer Wohnung und hatten sie komplett verwüstet. Diese Verbrecher mussten über Möglichkeiten der Informationsgewinnung verfügen, die nicht jedem so ohne weiteres zugänglich waren.

Wenn die das alles von ihr wussten, dann war davon auszugehen, dass über kurz oder lang auch ihre Bank und Kreditkartenbewegungen überprüft würden. Dumm gelaufen, dachte Eve, daran hatte sie bei der Buchung und dem Einkauf nicht gedacht. Somit dürfte es nicht mehr lange ein Geheimnis sein, wohin sie geflohen war. Doch erst mal war sie sicher, zumindest für ein paar Tage. Dann müsste sie sich etwas Neues ausdenken. Gottseidank hatte sie genügend Bargeld abgeholt, so dass sie vorübergehend eine neue Bleibe finden konnte ohne elektronische Spuren zu hinterlassen. Alles andere musste sich irgendwie finden.

››Was möchten Sie trinken?‹‹ Die Stimme der Stewardess unterbrach ihr Grübeln.

››Huch, wie bitte?‹‹ Evelyn hatte nicht gehört, dass sich die Flugbegleiterinnen mit dem Getränke- und Essens-Trolley genähert hatte.

››Was möchten Sie gerne trinken?‹‹ Wiederholte die Flugbegleiterin gleichbleibend höflich ihre Frage.

››Eine Cola wenn Sie haben.‹‹ Antwortete Eve. Sie brauchte jetzt ein wenig Zucker, um ihren Energiepegel wieder anzuheben.

Zischend öffnete die Dame eine kleine Dose Cola und kippte den Inhalt in einen durchsichtigen Plastikbecher. Den reichte sie ihr zusammen mit einer Serviette an.

››Vielen Dank!‹‹ Vorsichtig nahm sie den Becher entgegen und stellte ihn vor sich auf dem kleinen Klapptischchen ab.

››Hühnchen oder Vegetarisch?‹‹ Die Stewardess überprüfte den Bestand der Schalen mit dem warmen Essen. Während Evelyn sich überlegen durfte, welches Gericht ihr mehr zu sagte.

››Hühnchen bitte.‹‹ Wählte Eve.

Die Stewardess nickte und beförderte eine Schale mit dem gewünschten Essen aus dem Trolley und überreichte ihr diese auf einem Tablett mit einem Minisalat. Eve murmelte ein weiteres Dankeschön und begann, nachdenklich die Folie von dem Essen zu ziehen. Ohne dass sie auf den Geschmack ihres Essens achtete, piekte sie die Nudeln und ein bisschen Hühnerfleisch auf ihre Plastikgabel und begann zu essen.

In ihrem Kopf spielten die Gedanken immer noch Ping Pong und ohne dass sie es wollte, durchlebte sie in ihren Gedanken den Einbruch in das Labor. Andreas angstvolles Gesicht starrte sie in ihrem Kopf immer wieder an. Hoffentlich ging es ihm gut! Wie lange würden diese Typen wohl brauchen, um sie aufzuspüren?

Ob die wohl warten, bis sie wieder in Düsseldorf ankäme, um dann zuzuschlagen? Oder würde sie bereits auf Gran Canaria von denen aufgesucht? Falls ja, wie sollte sie diese Typen rechtzeitig bemerken? Sie durfte ihre Sachen dort nicht unbeobachtet lassen. Und sie musste stets bereit sein, abzuhauen. Aber als Erstes musste sie dafür sorgen, dass sie die Polizei über ihren Aufenthaltsort und ihre Flucht informierte, dann Doktor Adlon, ihre Eltern, Monika und natürlich auch Andreas. Sie konnte nur hoffen, dass er den Überfall einigermaßen unbeschadet überstanden hatte.

Seufzend packte sie die Verpackung ihres Essens zusammen und legte sie auf das Tablett ihres freien Nachbarsitzes. Nach einer Weile kam die Flugbegleiterin wieder durch den Gang und sammelte die leeren Tabletts und den Abfall wieder ein. Gleich nachdem ihre Sachen abgeräumt wurden, erhob sich Evelyn von ihrem Sitz und suchte die Toilette im Heck des Fliegers auf. Die Passagiere die in den Sitzreihen um sie herum saßen, gafften sie irritiert an, weil sie sowohl die Sporttasche als auch ihre Handtasche in den winzigen Toilettenraum mitnahm. Beides stellte sie direkt von innen vor die Toilettentür und betrachtete sich selbst zum ersten Mal seit Stunden in dem schummerigen Licht im Spiegel über dem Miniwaschbecken. Um Gottes Willen, wie sah sie eigentlich aus?

Ihre brünetten Haare hingen wirr und zerzaust aus dem Zopf, den sie sich mit einem Gummiband heute Morgen gebunden hatte. Ihre blauen Augen wirkten riesig in ihrem auffallend blassen, von Tränen verschmierten Gesicht. Ihre Lippen krampften sich blass als krumme Linie zusammen. Auf ihrem Profilfoto, welches sie auf der Dating Plattform eingestellt hatte, lachte sie unbeschwert in die Kamera. Dort war ihr Gesicht von lockigen langen Haaren umrahmt.

Doch die Frau, die ihr jetzt im Spiegel entgegenschaute war nur noch ganz entfernt diejenige, welche sie bis vor wenigen Stunden zu sein glaubte. Eve benutzte die Toilette und wusch sich anschließend ihre Hände und das Gesicht. So gut es ging entfernte sie die Spuren ihres zerlaufenen Make-Ups und machte sich wieder frisch.

Wenig später saß sie wieder auf ihrem Platz und schaute auf den Bildschirm, der einige Reihen vor ihr heruntergeklappt wurde. Dort flimmerte irgendein Film, der die Zeit bis zur Landung des Flugzeuges überbrücken sollte. Der Film interessierte sie überhaupt nicht. Vielmehr gingen ihr die Ereignisse des Tages immer wieder durch den Kopf.

Viel zu schnell erreichte der Flieger den Flughafen von Las Palmas und spuckte Evelyn zusammen mit weiteren zweihundert Passagieren aus. Eigentlich mochte sie sich nicht von der Sicherheit des Flugzeuges trennen. Doch es half nichts. Als letzte Passagierin verließ sie mit ihren Tüten und Taschen das Flugzeug. Eine der Stewardessen hielt ihr einen Korb mit Schokoladenherzen hin, von denen sie sich automatisch eines nahm. Der EU sei Dank, lief sie ohne eine Einreisekontrolle am Gepäckband vorbei direkt nach draußen, wo die Repräsentanten der Reiseunternehmen warteten.

Sofort sah Eve, den Mitarbeiter ihres Anbieters und steuerte auf ihn zu. Er lächelte sie freundlich an.

››Willkommen auf Gran Canaria Fräulein Dexter. Sie haben ganz kurzfristig gebucht, richtig?‹‹ Er schaute sie interessiert an, verkniff sich aber einen Kommentar zu ihrem ziemlich aufgelösten Zustand.

››Ja, richtig. Ich habe eine Stunde vor Abflug am Flughafen gebucht. Ist das ein Problem?‹‹ Hoffentlich nicht, betete Eve im Geist, noch mehr Schwierigkeiten und sie würde sich schreiend vor die Füße des Reiseleiters werfen.

››Nein, nein, keine Sorge.‹‹ Beeilte er sich Eve zu beruhigen. ››Ich habe Ihnen für den Transport ein Auto besorgt. Der Fahrer wird Sie direkt zum Hotel bringen. Ansonsten wären Sie mit dem Bus bestimmt die nächsten zwei Stunden noch unterwegs.‹‹ Er überreichte ihr einen Umschlag mit irgendwelchen Unterlagen, in denen Sie über mögliche Ausflüge informiert wurde.

Eve fiel ein Stein vom Herzen. Endlich einmal etwas das funktionierte. ››Herzlichen Dank dafür, Sie glauben gar nicht, wie sehr Sie mir damit helfen. Vielen Dank nochmal!‹‹ Sie nahm den Umschlag und lief mit ihrem Gepäck in die Richtung, die der Reiseleiter ihr gezeigt hatte. Kaum hatte sie das Gebäude verlassen, umgab sie trockene warme Luft. Wenigstens hatte ihr ungewollter Ausflug etwas Gutes, denn so war sie dem Sommer für ein paar Tage ein wenig entgegen gekommen. Noch bevor sie den Parkplatz erreichte, kam ihr ein kleinerer schwarzhaariger Mann entgegen.

››Senhora Dexter?‹‹ Fragte er.

Evelyn nickte bestätigend. Sofort nahm der Fahrer ihr die Plastiktüten ab und wollte auch nach der Sporttasche greifen. Doch die gab sie nicht ab sondern behielt sie zusammen mit ihrer Handtasche neben sich auf der Rücksitzbank des Fahrzeuges.

Die Fahrt zum Hotel dauerte fast eine dreivierte Stunde über eine gut ausgebaute Schnellstraße. Ihr Fahrer sagte nichts, musterte sie jedoch ab und zu in seinem Rückspiegel. Schließlich hielt der Fahrer vor dem Hotel, in dem sie eingebucht war. Evelyn kramte aus ihrer Geldbörse ein Trinkgeld und stand wenige Minuten später zusammen mit ihren Plastiktüten in einem großen Foyer, welches durch eine riesige Panoramaglaswand einen atemberaubenden Blick auf das Meer und den Sonnenuntergang bot. Die Dame hinter dem Tresen bemühte sich um ein älteres Paar, welches irgendwelche Fragen zu einem Ausflug hatte, der am nächsten Tag stattfinden sollte.


***


Marcus Whitburn saß im Foyer seines Hotels in der Bucht von Playa Taurito, um über die dort vorhandene WLAN Verbindung, seinen Abschlussbericht zu dem Einsatz, den er vor drei Tagen bei einer Bank in Las Palmas abgeschlossen hatte, an seinen Vorgesetzten beim GCHQ zu übermitteln. Er las gerade seine Emails, als er aus den Augenwinkeln heraus eine junge Frau wahrnahm, die irgendwie so gar nicht in die Ferienumgebung passen wollte.

Sie war nicht sehr groß, vielleicht einen Meter sechzig, sehr schlank, mit brünetten langen Haaren, die verstrubbelt aus ihrem Zopf hingen. Trotz der Wärme schien sie sich in ihrer Winterjacke, die sie trug, wohl zu fühlen. Anstelle von Koffern hatte sie lediglich zwei Plastiktüten mit dem Aufdruck eines Modelabels sowie eine Sporttasche und eine kleinere Handtasche dabei.

Sie musste erst gerade angekommen sein, der warmen Kleidung nach zu urteilen. Interessiert musterte Marcus die junge Frau, die zögerlich bis zum Tresen des Empfangsbereiches vorging. Geduldig wartete Sie hinter einem älteren Paar, das sich mit der Empfangsdame unterhielt. Irgendwas stimmte mit der jungen Frau nicht. Sie sah nicht aus wie eine typische Touristin. Ganz im Gegenteil. Und dann noch die fehlenden Koffer. Wer reiste denn so an? Jetzt drehte sich die junge Frau um. Blaue Augen in einem schmalen blassen Gesicht musterten ihn kurz, bevor ihr Blick weiterwanderte und das Innere des Foyers aufnahm.

Himmel! In diesen Augen stand ein gehetzter Ausdruck und ihre eigentlich vollen Lippen waren zu einer Linie verkrampft. Sie war attraktiv. Richtig attraktiv, auf eine unspektakuläre Weise. Der kurze Blick dieser Frau fuhr wie ein Blitz in sein Innerstes. Ein seltsam leichtes Gefühl bemächtigte sich seines Magens und sein Herz begann schneller zu schlagen. Er konnte nicht anders und betrachtete die junge Frau weiter. Der Laptop auf seinen Knien wurde zur Nebensache. Ein zweites Mal trafen sich ihre Blicke und die Sekunde des Blickkontaktes dehnte sich plötzlich aus. Unwillkürlich musste er lächeln.

Ihre Lippen verzogen sich kurz ebenfalls zu einem Lächeln, bevor ihr Blick weiter glitt. Sie sah viel hübscher aus, wenn sie lächelte. Marcus senkte seinen Blick, um die Frau nicht unhöflich weiter anzustarren. Doch dafür hörte er ganz genau hin, als sie von der Bediensteten am Empfang angesprochen wurde. Seine Neugierde war geweckt und er beschloss, diese Frau weiter zu beobachten und lauschte angestrengt auf den Wortwechsel, der vor ihm an der Rezeption zu Stande kam.


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