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Kapitel 5

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Während Eve darauf wartete, dass das ältere Paar vor ihr die Fragen, die sie hatten, beantwortet bekamen, schaute sie sich in dem Foyer um. Der Fußboden war aus weißem Marmor, der im Schein der tiefstehenden Sonne golden glänzte. Es gab einen kleinen Computerterminal, auf dem man gegen Entgelt ins Internet kam. Seitlich davon befand eine Fahrzeugvermietung, deren Schreibtisch im Moment verwaist war und vor einem Geländer zu einem Treppenabgang befanden sich mehrere Korbsessel mit dicken gemütlichen Polstern.

Darauf saß ein Mann, auf dessen Knien sich ein aufgeklapptes Notebook befand. Just in dem Augenblick trafen sich ihre Blicke. Sein Laptop schien ihm völlig unwichtig geworden zu sein, so intensiv betrachtete er sie. Ob er zu denen gehörte und sie hier schon erwartete? Vor Angst wurde ihr ganz flau. Der Fremde hatte dunkelblonde glatte Haare, die ihm leicht verstrubbelt in die Stirn fielen und die blauesten Augen, die sie jemals gesehen hatte. Seine Haare waren kurz geschnitten und die Härchen auf seinen Armen schimmerten hell auf der gebräunten Haut. Er sah gar nicht aus wie ein Verbrecher. Eigentlich sah er sogar nett aus. Ziemlich nett. Schnell schaute sie sich weiter um. Doch wie von einem Magneten angezogen, betrachtete sie ihn ein zweites Mal.

Eve begegnete Marcus‘ Blick mit aufgesetzter Gelassenheit und stellte dabei fest, dass das Blau seiner Augen alles überstrahlte. Während in ihr das Gefühl wuchs, als könnte ihr Gegenüber in sie hineinschauen und sie förmlich durchleuchten, verzog sich in diesem Augenblick sein Mund zu einem Lächeln und Eve konnte nicht anders als zurückzulächeln. Das Lächeln entschärfte sofort den durchdringenden Blick. Nein, der gehörte sicherlich nicht zu den Typen. Wie sollten die auch schneller im Hotel sein als sie. Außerdem war er viel zu sehr gebräunt, als das er erst kürzlich angereist wäre. Das ältere Paar verabschiedete sich und die Dame an der Rezeption schaute Evelyn abschätzend aber nicht unfreundlich an.

››Señorita was kann ich für Sie tun?‹‹ Sie hatte eine angenehme Stimme und sprach mit einem starken spanischen Akzent.

››Guten Tag, mein Name ist Evelyn Dexter. Ich habe sehr kurzfristig gebucht.‹‹ Eve überreichte ihr die Unterlagen, die sie von der Dame am Flughafen mitbekommen hatte. Die Frau nahm sie in ihre Hände und begutachtete die Daten auf den Unterlagen. Dann nickte sie.

››Willkommen auf Gran Canaria Fräulein Dexter. Wir haben ihre Buchung vorhin per Fax erhalten. Hatten Sie einen angenehmen Flug?‹‹ Sie lächelte Eve freundlich an.

››Ja, danke. Alles bestens.‹‹, beantwortete Evelyn die Frage.

››Sie haben Zimmernummer 4027, Señorita. Das Zimmer liegt im obersten Block ganz außen. Sie gehen am besten hier heraus‹‹, sie deutete auf eine automatische Glastür, durch die das ältere Paar zuvor gegangen war, ››und dann laufen Sie bis zum Ende. Nehmen Sie die Aufzüge bis ganz nach oben. Brauchen Sie Hilfe mit ihrem Gepäck?‹‹

Während Sie die Wegbeschreibung gab, reichte sie Eve zwei Plastikarten an, die als Zimmerschlüssel fungierten.

››Nein, nein, das geht schon. Vielen Dank!‹‹ Wehrte Eve ab. Das würde sie sicherlich alleine finden und ihr Gepäck war nicht schwer. Mit einem Plan des Hotelgeländes und den zugehörigen Einrichtungen in der Hand verließ sie den Rezeptionsbereich. Sie spürte den Blick des Mannes in ihrem Rücken, doch sie widerstand dem Verlangen, sich noch einmal umzudrehen.

Ohne Probleme fand Eve ihr Zimmer und versperrte sofort die Tür hinter sich. Dann schob sie die bodentiefen Glastüren, die auf eine Veranda herausführten auf, um ein wenig frische Luft hereinzulassen und sank von ihren Taschen und Tüten umgeben auf das breite Bett. Das Hotel schmiegte sich komplett an die steil aufragende Felswand an. Von jedem der Zimmer bot sich eine grandiose Aussicht auf das Meer. Die Situation war irgendwie unwirklich.

Da saß sie nun, viele tausend Kilometer von ihrem Zuhause entfernt, in einem Hotel, von dem sie bis mittags nicht einmal wusste, dass es dieses Hotel überhaupt gab. Ein Gefühl völliger Einsamkeit überkam sie. An welcher Stelle war sie heute Morgen bloß falsch abgebogen? Seufzend öffnete sie die Minibar in ihrem Zimmer und nahm sich ein Fläschchen Mineralwasser heraus. Danach verstaute sie ihre Habseligkeiten im Kleiderschrank gegenüber dem Badezimmer.

Jetzt wo sie im Hotel angekommen war, fing sie an, Pläne für den folgenden Tag zu schmieden. Sie plante, mit dem Busshuttle des Hotels in die nächste Ortschaft zu fahren und sich die Dinge zu kaufen, die ihr noch fehlten. Außerdem brauchte sie eine SIM Karte für ihr neues Handy. Vielleicht hätte sie ja Glück und in dem Ort gab es ein Geschäft, in dem sie das Gesuchte fand. Als nächstes musste sie dringend etwas an dem Umfang der Sachen ändern, die sie mit sich herumtrug. Sie schloss das Notebook an den Strom an und fuhr es wieder hoch. Gottseidank hatte es die Reise und das unsanfte Handling gut überstanden! Sie holte die Speicherkarte ihres alten Handys aus der Tasche und schob sie seitlich in den Schlitz des Laptops.

Anschließend überspielte sie die neu dazu gekommenen Daten vom Notebook auf die Karte und speicherte sie dort ab. Danach schaltete sie das Gerät wieder aus, um die Festplatte des Rechners auszubauen. Was eindeutig leichter gedacht als getan war, denn dafür hatte sie kein geeignetes Werkzeug zur Hand. Mit Hilfe ihres Schlüssels und einer Nagelfeile, die sie in ihrer Tasche fand, schaffte sie es schließlich, die Verschraubung zu lösen.

Ziel erreicht. Jetzt war sie mit deutlich leichterem Gepäck unterwegs. Sie verstaute die Festplatte in ihrer Handtasche. Sollte sie erneut die Flucht ergreifen müssen, dann brauchte sie nur die Handtasche mitnehmen. Die mitgenommenen Notizen zerriss sie in viele kleine Schnipsel, die sie in kleinen Mengen in der Toilette herunter spülte.

Mittlerweile war es draußen dunkel geworden. Hunger hatte sie nicht, denn die Eindrücke des Tages wirkten auf sie wie ein Appetitzügler, daher verzichtete Eve auf das Abendessen und blieb lieber in ihrem Zimmer. Sie schaltete den Fernseher ein und hoffte, vielleicht irgendetwas in den Nachrichten zu hören, was ihr mehr Informationen geben könnte. Doch es wurde nichts berichtet. Möglicherweise war das, was ihr heute passiert ist, ja nicht bis in die Nachrichten vorgedrungen. Ohne sich auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren, zappte sie sich durch die vorhandenen Kanäle, bis es schließlich Zeit wurde, schlafen zu gehen.

Bevor sie sich schließlich schlafen legte, positionierte sie auf der Türklinke und auf den Griff der Balkontüre ein Glas. Sollte sich nachts jemand an den Türen zu schaffen machen, würde das Glas herunterfallen und sie wecken. Angezogen legte sie sich in das überraschend bequeme Bett. Doch obwohl Evelyn sich körperlich erschlagen und hundemüde fühlte, schlief sie in dieser Nacht kaum. Immer wieder schreckte sie von den Ereignissen des Vortages hoch. Irgendwann am frühen Morgen nickte sie dann doch noch ein wenig ein.

Mit dem Gefühl, nicht zu wissen wo sie war, wachte Eve kurz vor fünf Uhr wieder auf. Schnell duschte sie sich und zog ein frisches Shirt sowie ihre neue Jeans und die Sportschuhe an. Bevor sie sich traute das Zimmer zu verlassen, schaute sie sich vorsichtig nach allen Seiten um. Aber weit und breit war niemand zu sehen. Mit ihrer Handtasche über der Schulter, fuhr sie mit dem Aufzug nach unten, um in dem Restaurant des Hotels etwas zu frühstücken.

Auf dem Weg dorthin musste sie entlang eines langgestreckten Swimmingpools laufen, in dessen Mitte sich eine exotisch anmutende Poolbar befand. Zu dieser frühen Stunde war sie noch geschlossen. Ein einsamer Schwimmer zog seine Bahnen in dem Schwimmbecken. Er schwamm sehr schnell und befand sich auf der Höhe ihrer Füße, während sie an dem Pool entlang ging.

Auch wenn ihre Situation im Moment sehr verworren war, kam sie nicht umhin, dem Schwimmer einen bewundernden Blick zuzuwerfen. Na wenn das kein erfreulicher Anblick war! Lange gut geformte Beine mündeten in schmale Hüften. Unter der knappen Badehose zeichnete sich ein durchtrainierter Po ab, wie er nicht oft zu finden war. Der Rücken war wunderbar muskulös. Er hatte breite Schultern und kräftige Oberarme, die gerade das Wasser zur Seite schaufelten.

Während sie den unbekannten Schwimmer ungeniert musterte, legte dieser noch an Tempo zu und erreichte vor ihr das Ende des Beckens. Völlig entspannt hing er einen Arm über den Beckenrand und betrachtete sie. Hoppla, erkannte sie, das war ja ihre Bekanntschaft von gestern. Der Herr mit dem Röntgenblick. Er drückte sich mit den Armen hoch und setzte sich auf den Beckenrand. Wieder lächelte er sie an und Eve bemerkte, dass der Unbekannte sie, genauso wie sie ihn, wieder erkannte.

››Hi!‹‹, sagte er, während ihm das Wasser aus den Haaren über sein Gesicht und weiter über seine unbehaarte Brust lief. Ein sehr attraktiver Anblick. Sein Lächeln war ansteckend. Er hatte wunderschöne sinnliche Lippen und lange Wimpern, in denen jetzt Wassertropfen hingen und unter denen das Blau seiner Augen strahlte.

››Hi!‹, grüßte Eve freundlich zurück und marschierte weiter zum Restaurant. So wie der aussah, arbeitete der Typ bei den Chippendales und strippt. Trotz der vertrackten Situation und der kurzen Nacht vollführte die Libido in ihrem Bauch einen Salto. Kopfschüttelnd lief sie die Treppen herunter, um in das tiefergelegene Restaurant zu gelangen. Gähnende Leere empfing sie, was ihr mehr als Recht war. Sie suchte sich einen Tisch in der hintersten Ecke, von wo sie den Eingang im Blick hatte, aber selber nicht sofort gesehen wurde und ließ sich vom Kellner eine große Tasse heißen Kaffee bringen. Das Frühstücksbuffet war riesig und erfüllte so ziemlich jeden noch so ausgefallenen Wunsch. Eve gönnte sich Rührei mit Speck, ein Brötchen und zum Schluss noch etwas Obst. Essen hält Leib und Seele zusammen, sagte ihre Mutter stets, und heute hatte Evelyn das erste Mal das Gefühl, dass ihre Mutter damit Recht hatte.

Frisch und gestärkt machte sich Eve nach dem Frühstück zurück auf den Weg in ihr Zimmer. Sicherheitshalber nahm sie einen anderen Weg und lief kreuz und quer durch die Anlage um sich mit den Gegebenheiten vertraut zu machen. Ihr Zimmer lag ganz oben in der obersten Appartementreihe. Von dort hatte sie die Sicht bis hinunter in die Bucht und auf einen Ruhepool, der sich wenige Meter links unter ihrem Balkon befand und so aussah, als wäre er in den Felsen hinein gemeißelt worden.

Unter ihrem Balkon befanden sich noch drei weitere terrassenförmig angeordnete Balkone, bevor der nächste Quergang zu dem darunter liegenden Zimmertrakt kam. Wenn jemand versuchen sollte in ihr Zimmer einzudringen, dann würde das sicherlich von der vorderen Zimmertüre aus geschehen. Doch heute, so schätze sie, wäre sie noch einigermaßen sicher. Ab Morgen musste sie damit rechnen, dass sie ungebetenen Besuch bekam. Zeit also, sich vorzubereiten.

Mit den anderen Touristen wartete Eve kurz vor zehn Uhr in der Hotellobby auf die Ankunft des Shuttlebusses nach Puerto de Mogan, dem nächsten Ort. Fast pünktlich ächzte dieser zwei Minuten nach zehn den Berg hinauf zum Hoteleingang. Ihre Handtasche fest im Griff, stellte sie sich brav in die Schlange der Touristen, um in den Bus zu steigen.


***


Marcus Whitburn beobachtete Eve von seinem Lieblingsplatz in der Lobby. Er hatte Recht mit seiner Annahme behalten, dass seine schöne Unbekannte sich heute auf den Weg in den nächsten Ort machte. Er beobachtete sie, wie sie ein wenig abseits von der Gruppe der übrigen Touristen auf den Bus wartete. Als dieser schließlich vor dem Hoteleingang hielt, stand er von seinem Platz auf und schloss sich den Touristen im Bus an.

Er beobachtete sie, er konnte schlichtweg einfach seine Augen nicht von ihr lassen. Als sie ihm morgens am Pool begegnet war, hatte sie ihn mit ihrem scheuen Lächeln fast den Atem geraubt. Peinlicherweise spürte er, wie er trotz des kühlen Wassers in eindeutiger Weise auf sie reagierte. Dadurch dass sie so schnell an ihm vorbei geeilt war, konnte sie seine Reaktion nicht sehen.

Auch wenn er sich gerne mit ihr unterhalten hätte, wäre ein Rückzug in den Pool und damit ein Verbergen des optischen Auswuchses seiner Begierde von Nöten gewesen. Obwohl er mit seinem Schwimmpensum eigentlich durch war, musste er noch einige Runden schwimmen, um ohne Aufsehen zu erregen aus dem Wasser steigen zu können. Das war ihm seit seiner Zeit als Teenager nicht mehr passiert. Anschließend hatte er sie im Restaurant gesucht und leider nicht gefunden. Er beglückwünschte sich selber zu der guten Idee, sein Glück in der Lobby zu versuchen. Während er in den Bus stieg, suchte er die Sitzreihen ab, bis er sie fand. Schmal und übernächtigt saß sie an einem Gangplatz.


***


Hinter der Ausstiegstür im Heck des Busses setze sich Eve auf einen freien Zweiersitz. Dabei blieb sie auf der Gangseite sitzen und legte demonstrativ ihre Tasche auf den Fensterplatz neben sich. Die Botschaft war offensichtlich, sie wollte alleine bleiben. Zu ihrer Überraschung stieg ihr Libidobeschleuniger, wie sie ihren unbekannten Chippendale heimlich nannte, ebenfalls in den Bus.

Sie sah seinen Blick über die Sitzreihen gleiten. Einen Wimpernschlag lang blieben seine blauen Augen auf ihr liegen. Oh ja, diese blauen Augen waren definitiv wie der Rest des Mannes dazu geschaffen, sich als Frau willenlos unter ihn zu legen und sich hemmungslos verwöhnen zu lassen. Sie beobachtete leicht amüsiert, wie er zielstrebig durch den Bus nach hinten lief und sich direkt neben ihr auf der gegenüber liegenden Fahrzeugseite ebenfalls auf dem Gangplatz setzte.

Nur der schmale Durchgang zwischen den Sitzen trennte sie voneinander. Eine unerwartete Hitzewelle schoss in Eve hoch. Ihr Herz klopfte bis zum Hals hoch und in ihrem Bauch legte ihre Libido die nächste Runde Stepptanz ein. Peinlich berührt von der verräterischen Reaktion ihres Körpers, versuchte sie ihn möglichst nicht zu beachten. Angestrengt sah sie aus dem Fenster, hektisch darum bemüht, ihm Desinteresse vorzugaukeln, während sie verzweifelt versuchte, ihre Emotionen wieder unter Kontrolle zu bekommen.

››Geht es Ihnen inzwischen etwas besser?‹‹, fragte er sie mit einer angenehm klingenden Stimme. Er sprach lupenreines Englisch, was dem erotischen Klang seiner Stimme überhaupt keinen Abbruch tat. Herrje, dieser Mensch war auch noch Sex für die Ohren!

››Ähh, wie bitte?‹‹, fragte Eve in dem schlechtesten Englisch seit ihrer 5. Schulklasse zurück.

Das wirkte jetzt nicht sehr intelligent, aber mehr fiel ihr in dieser Situation nicht ein. Plötzlich fühlte sie sich unendlich schüchtern. Sie war sich sicher, dass ihr Körper, dieser miese Verräter, ihre Gesichtsfarbe deutlich ins Rötliche färbte.

››Ob es Ihnen inzwischen besser geht. Sie sahen gestern ziemlich fertig aus.‹‹, wiederholte er seine Frage langsam und musterte Evelyn dabei mit diesen hochgradig beunruhigend blauen Augen.

››Ja, ich schätze schon.‹‹, antwortete sie nahezu wahrheitsgemäß zurück. Was sollte sie auch schon großartig sagen? Wenn er wüsste vor was oder vielmehr vor wem sie weggelaufen war, hätte dieser Traum von einem Mann die längste Zeit neben ihr gesessen und sich mit ihr unterhalten.

››Ich heiße übrigens Marc. Eigentlich Marcus, Marcus Whitburn, aber meine Freunde sagen Marc zu mir.‹‹

Stellte er sich vor und streckte Eve seine braun gebrannte gepflegte Hand herüber. Der Typ war wandelndes Viagra für Frauen. Was um Himmels Willen wollte er ausgerechnet von ihr? Evelyn wollte nicht unhöflich sein, schließlich hatte er ihr ja nichts getan und für sein Aussehen konnte er nichts. Also ergriff sie seine ausgestreckte Hand.

››Mein Name ist Evelyn Dexter. Meine Freunde sagen Eve zu mir.‹‹, stellte sie sich nun ihrerseits vor. Seine Hand fühlte sich kräftig und warm an, sehr angenehm.

Er schenkte ihr erneut ein Lächeln, das einen Teil seiner schönen weißen Zähne zeigte und Evelyn an die Existenz einer bestimmten Muskelgruppe im Bauch erinnerte.

››Lag es an dem Flug?‹‹ Marc beobachtete innerlich amüsiert, ihr Bemühen, ablehnend zu wirken.

››Was?‹‹

Das Wort war draußen bevor sie über eine Antwort nachgedacht hatte. Spätestens jetzt musste der Kerl, Marc, sie für reichlich unterbelichtet halten. Doch selbst wenn es ihm so erging, bemerkte sie davon nichts. Er schenkte ihr noch ein weiteres hinreißendes Lächeln. So sündig wie Schokolade aber kalorienfrei.

››Lag es am Flug, dass es dir gestern nicht so gut ging?‹‹ Wie gerade schon, wiederholte er seine Frage in einem langsamen und besser verständlichen Englisch. In Eve versteifte sich bei der Erinnerung an den gestrigen Tag alles. Krampfhaft schluckte sie die aufkommende Übelkeit herunter. Nein, am Flug lag es definitiv nicht.

››Ja.‹‹ Hörte sie sich selbst antworten.

››Turbulenzen?‹‹ Marc drehte sich in seinem Sitz in ihre Richtung.

››Hmmh.‹‹ Dabei nickte sie unbestimmt. Marc war wirklich hartnäckig.

››Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Es geht mich ja auch nichts an!‹‹ Verlegen zog er sich zurück. Anscheinend hatte Marc die Wirkung seiner Charmeoffensive überschätzt. So sehr wollte er sich nicht aufdrängen. Auf der anderen Gangseite tat Eve ihre ablehnende Haltung leid. So hatte sie das nicht gemeint.

››Nein, nein, du brauchst dich wirklich nicht entschuldigen. Es ist ... einfach ... etwas kompliziert und ich möchte nicht drüber sprechen.‹‹, stotterte Sie verlegen und errötete dabei.

Der Blick aus seinen unglaublich blauen Augen löste bei ihr das Gefühl aus, ein unreifer Teenager zu sein. Er gefiel ihr – sogar sehr, wie sie vor sich selbst zugeben musste. Das Denken fiel ihr in seiner Gegenwart schwer, vom Sprechen ganz zu schweigen und kaum heftete sich sein Röntgenblick auf sie, hatte sie nichts Besseres zu tun als zu erröten. Himmel, so schüchtern war sie doch gar nicht.

››Ah, ich verstehe.‹‹ Marc verstand gar nichts. Wieso war an einem Flug etwas kompliziert? Ist sie auf dem Kopf stehend nach Gran Canaria geflogen oder hatte die Fluggesellschaft lediglich einen fliegenden Teppich zur Verfügung gestellt? Nein, es fehlte ihm ehrlich gesagt an der Vorstellungskraft, die er mit seiner Aussage soeben vorgegeben hatte. Aber wenn man keine Ahnung hatte, sollte man wenigstens so rüberkommen, als wüsste man tatsächlich Bescheid.

Eve schaute ihn an und wunderte sich. Ach tatsächlich? Er konnte diese unbestimmte Aussage verstehen? Was konnte denn an einem Flug wohl Schlimmes sein, dass ein dadurch verursachtes Unwohlsein kompliziert und zu unangenehm war, um darüber zu reden. Ohne sie überhaupt zu kennen verstand er eine solche Aussage? Das war doch bestimmt ein Scherz. Mit einem Blick auf Marc hatte Eve den Eindruck, als sei er wegen ihrer Antwort keineswegs eingeschnappt. Vielmehr grinste er sie vielsagend an.

››Tut mir leid.‹‹, entschuldigte Eve sich.

››Das muss dir nicht Leid tun, Eve. Ich bin mir sicher, dass du mir das irgendwann erklären wirst.‹‹

››Wenn ich es dir erklären würde, dann würde es dir genauso ergehen wie mir und das möchte ich definitiv nicht.‹‹ Eve wollte ihm ganz bestimmt nicht seinen Urlaub versauen. Die feinen Falten, die sich in seinem Gesicht eingegraben hatten, zeigten, dass er eine ziemlich aufreibende Zeit hinter sich haben musste und er ganz bestimmt seinen Urlaub brauchte.

››Ach, ist das ansteckend?‹‹

Er grinste spöttisch und strafte damit seine Worte Lügen. Was um Himmels Willen war ihr Problem? Die Kleine sah total fertig aus. Eve – er ließ sich ihren Namen genießerisch durch den Kopf gehen, während eine unbestimmte Vorstellung von ihnen beiden, seinen Herzschlag beschleunigte.

››Veräppelst du mich gerade?‹‹, fragte Eve amüsiert zurück.

››Das würde ich niemals wagen!‹‹ Gespielte Entrüstung untermalte seine Worte. Dabei hob er wie zum Schwur zwei Finger hoch. Oh Mann, nett und gut aussehend. Ja, dieser Marc war definitiv ihre Kragenweite. Wann kreuzte ein solches freilaufendes männliches Wesen schon mal ihren Weg? Nie. Vor 48 Stunden wäre sie nicht abgeneigt gewesen und hätte sich auf dieses Spiel mit Freude eingelassen, doch jetzt sah alles anders aus.

››Was machst du beruflich Eve?‹‹, fragte Marc weiter.

Hinter seinem Rücken zog am Fenster die Küstenlinie vorbei. Sofort versteifte sie sich wieder. Wenn das so weiter ging, war sie am Ende der Busfahrt reif für die Klapsmühle.

››Was?‹‹

Gehetzter als es bei einem Smalltalk üblich gewesen wäre, schoss ihre Gegenfrage aus Eve heraus. Am liebsten hätte sie sich selbst dafür geohrfeigt, dass sie sich so blöd benahm.

Marc lächelte milde und wiederholte geduldig seine Frage.

››Was machst du beruflich. Womit verdienst du deine Brötchen?‹‹

››Wieso?‹‹ Verunsichert schaute Eve ihn an. Wieso wollte er das von ihr wissen?

››Ich überlege seitdem ich dich gesehen habe, welchen Beruf du wohl hast. Was wohl zu dir passt.‹‹

››Was meinst du denn?‹‹

Wieder dieses unwiderstehliche Lächeln, bei dem sich automatisch auch Eves Mundwinkel anhoben.

››Krankenschwester?‹‹

››Nein.‹‹ Sie schüttelte ihren Kopf.

››Tierärztin?‹‹

››Nein, wieder nicht richtig.‹‹ Diese Mal musste Eve über seine angestrengte Miene lächeln. ››Ich arbeite im Labor und was machst du beruflich?‹‹ Antwortete sie ziemlich nah an der Wahrheit. Bitte, hoffte sie, sag mir nicht, du bist ein Model oder so, dann bekäme sie garantiert einen hysterischen Lachanfall.

››Ich arbeite in der Sicherheitsbranche.‹‹ Erzählte er ihr ganz entspannt.

Eves Interesse war geweckt. ››Sicherheitsbranche? Als Polizist?‹‹ Wollte sie genauer wissen.

››Ja so ähnlich.‹‹ Er nickte und lächelte vielsagend.

Ein Freund und Helfer. Immer da, wenn man ihn nicht brauchte. Zumindest daheim. Der Bus wurde langsamer und hielt an einem großen Busparkplatz in Puerto de Mogan. Der Fahrer machte eine Lautsprecherdurchsage in der er ankündigte, in zwei Stunden wieder von diesem Punkt aus zum Hotel zurückzufahren. Dann öffneten sich die Türen des Busses und wie auf Kommando strebten alle Mitreisenden auf die Ausgänge zu. Zwischen Marc und Eve drängelten sich die Körper der Mitreisenden durch. Schließlich standen auch sie auf und stiegen aus.

››Sehen wir uns später?‹‹

Abwartend stand Marc draußen neben dem Bus und streckte Eve eine Hand entgegen, um ihr das Aussteigen zu erleichtern. Er war deutlich größer als sie mit ihren 1,60 Meter. Sie schätzte ihn auf gut 1,80 Meter Körpergröße. Was ihr unter anderen Umständen reichlich Spielraum für hohe Absätze gegeben hätte.

››Vielleicht, ich weiß noch nicht, ob ich alles in den zwei Stunden erledigt bekomme. Falls nicht, fahre ich mit einem Taxi zurück.‹‹ Vertröstete ihn Eve.

››Also dann, vielleicht bis später.‹‹ Marc lächelte sie noch einmal an und entfernte sich dann von ihr.


Safe!

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